Wedding
Es sollte der schönste Tag in meinem Leben werden, fühlte sich aber wie der schrecklichste an. Gestern hatten Andrew und ich uns der Öffentlichkeit gezeigt, unsere Verlobung bekanntgegeben, etc., hatten aber auch unsere Outfits für heute ausgesucht. Ich muss wirklich zugeben, mein Brautkleid war ein Traum. Ein wahr gewordener Traum. Es passte zwar überhaupt nicht zu mir, war einer Kronprinzessin würdig, viel Tüll, viel Schleppe, aber das entsprach zu einhundert Prozent nicht meinem Naturell. Ich war niemand, der Wert auf Materielles legte, ganz im Gegenteil sogar. Ich legte viel mehr Wert auf emotionale Bindungen, aber was ich dann heute tun würde, das würde all meinen Prinzipien widersprechen. Obwohl, nicht allen. So könnte ich meine Familie beschützen, vor allem meine Geschwister. Ich liebte sie abgöttisch. In Zukunft musste ich wieder mehr mit ihnen machen. Die Zeit mit ihnen fehlte mir wirklich. Aber erst einmal müsste ich den heutigen Tag überstehen müssen. Liam hatte nicht von mir von Andrews und meiner Verlobung erfahren, sondern von meinen Geschwistern. Gleich darauf lag ein Brief vor meiner Zimmertür, in dem stand, dass wir reden müssten. Hah, ich würde kein einziges Wort mehr mit ihm reden. Er war für mich Geschichte. Leider. Das mussten sowohl er als auch ich akzeptieren. Und das fiel mir schwer. Traurig verzog ich meine Lippen zu einem kleinen Lächeln, legte es aber sofort wieder ab, als eine Angestellte mit den Kronjuwelen in mein Zimmer kam. Die sollte ich heute tragen. Ich verstand das Ganze zwar, aber das war nicht ich. Ich fühlte es nicht. Ich setzte das schwere Diadem auf, legte die Kette, die Ohrringe und das Armband an und fühlte mich so, als hätte ich drei Kilogramm zugenommen. Vielleicht war dem auch so. Ich wollte es lieber nicht wissen. Wie Mum sich damals gefühlt haben muss? Mit all dem Zeug? Vielleicht konnte ich sie das nachher fragen. Sie war zurückgekommen, mein Dad musste aber noch mindestens zwei Wochen im Krankenhaus verbringen und verpasste so meine Hochzeit. Also hatte ich meinen Schwiegervater in spe gefragt, ob er mich zum Altar führen konnte. Was das betraf, war selbst ich noch altmodisch. Ich hatte von meiner Hochzeit seit ich ein kleines Mädchen geträumt. All die äußeren Umstände würden erfüllt werden, nur das klitzekleine Detail meines Ehemanns entsprach nicht so ganz meinen Vorstellungen. Aber Andrew, er war wirklich ein Traummann. Nur war er nicht - mein - Traummann. Die Minuten vergingen immer schneller und meine Abfahrt zur Kirche rückte immer näher. Ich rutschte nervös auf meinem Stuhl hin und her. Ich wollte einfach nur noch, dass es vorbei wäre. Langsam erhob ich mich und ging den Flur hinunter. Da sah ich Will stehen. Tränenüberströmt. "Was ist los?" Ich ging auf ihn zu. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er sah schlimm aus. "Ich kann nicht länger", stammelte er und nahm mich in den Arm. Verdutzt ließ ich es zu. Es fühlte sich komisch an. Nicht wie früher, als ich mich so geborgen, sicher und geliebt gefühlt hatte. All das war verschwunden. Will fühlte sich wie ein Fremder für mich an. "Du siehst toll aus. Es tut mir so leid, Leo", murmelte er und ich wand mich aus seiner Umarmung. "Was meinst du damit?" Ich sah ihn nur fragend an. "Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht." Langsam platzte mir der Geduldsfaden. "Was Will? Was hast du gemacht?" Ich wich einen Schritt zurück von ihm und sah ihm in sein aschfahles Gesicht. "Ich", er atmete einmal tief aus, "habe dich angelogen." Ich wich erschrocken noch einen Schritt von ihm weiter weg. "Liam hat dich nie angelogen. Er war immer ehrlich zu dir. Ich, ich konnte nur nicht ertragen, dass du so glücklich gewirkt hast. Ich fand das unfair. Schließlich waren wir ein Paar. Wir hätten das dänische Traumpaar werden können." Ich wich gleich mehrere Schritte auf einmal zurück. "Will", enttäuscht sah ich ihn an und rannte weg, was mit dem ganzen schweren Schmuck ziemlich schwer war.
Ich konnte Andrew nicht heiraten. Nicht, wenn Liam all das nicht getan hatte. Ich konnte das nicht. Ich würde die Hochzeit absagen müssen. Obwohl, vielleicht musste ich nur den Bräutigam austauschen, nur wie sollte ich das anstellen? Und wie sollte ich Liam davon überzeugen, mich zu heiraten? Das war jetzt erst einmal das Wichtigste. Ich machte mich auf die Suche nach ihm. Gott sei Dank war er in seinem Zimmer und packte. "Liam", ich öffnete die Tür ungebeten und sah ihn an. "Was ist?" Verletzt sah er mich an. "Es tut mir leid", mehr konnte ich gerade nicht sagen. Seine Augen waren mir zu viel, sein Blick trug nicht zur Besserung bei. "Ich hätte dir vertrauen sollen. Ich hätte nicht das glauben sollen, was man mir erzählt hat. Ich hatte Unrecht. Es tut mir so leid." Es brach ein wahrer Redeschwall aus mir heraus, als ich diesen dann mal beendet hatte, brach unangenehmes Schweigen aus, das ich mit den Worten: "Verzeihst du mir?" füllte. Langsam sah er mich an, sagte eine zeitlang gar nichts. Ich blickte zu Boden, nickte und machte Anstalten, den Raum zu verlassen. Da zog Liam mich am Arm und kniete vor mir. "Ich verzeihe dir, Leonia." Ich lächelte. Es war aufrichtig. "Danke." Aber er war noch nicht fertig. "Unter der Bedingung, dass du mich nicht mehr hinterfragst. Dass du mir glaubst. Dass du mir vertraust, egal, was auch sein mag. Und falls du einmal das Gefühl haben solltest, ich würde dich anlügen, dann komm zu mir und rede mit mir und ignoriere mich nicht einfach. Das ist wirklich nicht schön. Nur unter diesen Bedingungen verzeihe ich dir." Ich nickte und stimmte damit jeder einzelnen Bedingung zu. "Es tut mir so leid", wiederholte ich und zog ihn hoch. Er küsste mich. Ich stöhnte, das fühlte sich so richtig an. "Ich war noch nicht fertig", Liam ging wieder auf die Knie. "Ich liebe dich, Leonia Aurelia Freya Rose Salvatore. Ich möchte, dass wir den Rest unseres Lebens gemeinsam verbringen. Ich möchte dir beistehen, dir helfen, Kinder mit dir großziehen und irgendwann auf unserer Insel sitzen und unseren Enkeln und Urenkeln beim Spielen im Sand zusehen. Ich möchte, dass du zu mir gehörst und ich zu dir. Und das vor dem Gesetz, vor Gott. Möchtest du mich heiraten?" Ich nickte, schrie förmlich: "Ja" und sprang ihm in die Arme. Ich nahm behutsam Andrews Ring vom Finger und steckte ihn in eine Schatulle. "Dann lass uns heiraten", meinte Liam und zog selbst einen Ring aus einer Dose. "Ich habe ihn für dich anfertigen lassen, er hat mich so sehr an dich erinnert." Ich besah ihn mir genauer. Er entsprach wirklich mir. Sehr schlicht, sehr einfach gehalten, aber dennoch hatte der Ring etwas Besonderes. "Danke", ich küsste Liam. Jetzt müsste ich nur noch Andrew und allen anderen vom Planwechsel erzählen. Das könnte lustig werden.
Innerhalb von fünf Minuten hatte ich durch meinen Pressesprecher die Änderungen bekannt gegeben und war auf dem Weg zur Kirche. Mit Andrew hatte ich telefoniert. Entgegen meiner Annahmen war er sehr verständnisvoll. Wie sich herausstellte, hatte er auch nur freundschaftlich etwas für mich empfunden, aber sein Pflichtbewusstsein war stärker gewesen. So war es auch mir gegangen. Ich setzte mich in die Kutsche, nachdem ich ein anderes Brautkleid angezogen hatte. Das war ich und zwar viel mehr. Es war wunderschön, immer noch ein Traum von Kleid, aber viel weniger Tüll, mehr Spitze, weniger Schleppe, viel moderner. Das war ich. Ich lächelte und genoß die Kutschfahrt in vollen Zügen. Liam hatte mich in diesem Kleid noch nicht gesehen und ich war gespannt, wie er reagieren würde, wenn er mich in dem Kleid das erste Mal sehen würde. Meine gelben Rosen, die er mir zum Anfang unserer Beziehung geschenkt hatte, waren mein Brautstrauß und ich konnte glücklicher nicht sein.
Endlich war ich an der Kirche angekommen. Vor ihr warteten eine Menge Reporter, aber auch mein Volk. Aber ich konnte mich gerade nur für meine Hochzeit und Liam interessieren. Alles andere blendete ich aus. Nur noch er und ich waren relevant. Ich schritt alleine zum Altar vor, der Chorgesang rührte mich schon zu Tränen. Alle sahen bewundernd an mir herab, anscheinend machte ich mich ganz gut. Endlich war ich bei Liam angekommen und sein Blick. Er war unbeschreiblich. Ich lächelte unwillkürlich. Ich hatte ihn überrascht. "Du bist wunderschön", flüsterte mir mein Bald-Ehemann ins Ohr, als der Pfarrer meinte, dass wir uns setzen dürften. Ich atmete tief durch und sah Liam den ganzen Gottesdienst tief in die Augen. Als wir zu unseren Ehegelübden kamen, wurde ich rührselig. Wir nahmen zwar die normalen, da wir kaum Zeit dafür gehabt hatten, aber es war dennoch wunderschön. All das hier war wunderschön. Liam war wunderschön. Ich war in diesem Moment so glücklich, aber all das war gar nichts zu dem Gefühl, als der Pfarrer uns zu Mann und Frau erklärte. Ich könnte glücklicher nicht sein. Der Tag, der als der schlimmste in meinem Leben begonnen hatte, war zum schönsten und glücklichsten in meinem ganzen Leben geworden.
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