Decision
Ich hatte jetzt noch ein wenig Bedenkzeit. Ich musste erst einmal kurz raus aus diesem Monstrum. Ich atmete hörbar aus, als ich mich aus diesem Ungetüm an Tüll herausgeschält hatte. Das war eine Wohltat. Ich zog ein schlichtes, schwarzes, bequemes Kleid an und zog Fotos von jedem einzelnen aus einem Umschlag, der auf meinem Schreibtisch lag. Ich bat um eine Pinnwand und wollte eine Ja/Nein/Vielleicht Spalte aufmachen. Auf die Ja-Seite kamen definitiv Liam und auch Niklas. Die anderen bis auf Tristan auf die Vielleicht Spalte. Ich konnte mich wirklich nicht entscheiden. Im Endeffekt waren die Treffen mit den siebzehn anderen genau gleich abgelaufen. Ich kam mir nie so vor, als würde ich einen potentiellen Ehemann treffen, sondern einen potentiellen Geschäftspartner. Für die meisten mag das vielleicht auch so sein. Aber ich wollte nach wie vor aus Liebe heiraten. Ich konnte mich wirklich nicht entscheiden, wenn ich aus dem Rennen werfen würde. Als man mir sagte, ich hätte nur noch fünf Minuten Bedenkzeit, ehe ich wieder erscheinen musste, spielte ich "Ene mene miste". Meine Wahl für die Nein-Spalte fiel nun auf Carl. Gut, dann würden Carl und Tristan den Palast verlassen müssen, so leid es mir auch tat für Carl. Aber das Spiel hatte entschieden. Ja, das war nicht sonderlich königlich und erwachsen, aber ich hatte wirklich keine Vorlieben. Ich würde ein wenig zu spät kommen, weil ich mir das Monstrum, wie ich es ab sofort nennen würde, wieder anziehen müssen. Deswegen war ich auch eine Viertelstunde zu spät. Nun war ich umso glücklicher, dass ich vorhin nicht zu spät gekommen war. Das wäre wirklich ziemlich peinlich geworden und hätte kein gutes Licht auf mich geworfen. Ich schritt abermals die Treppe hinunter, zum zweiten Mal an diesem Tag, und schaute in zwanzig hoffnungsvolle Gesichter. Zwei von ihnen würde ich enttäuschen müssen. Carl schaute mich an, wie ein Welpe und dieser Blick erinnerte mich an meinen Bruder Maximilian. Ich konnte ihn nicht hinauswerfen, nicht, wenn er mich so ansah. In Gedanken ging ich noch einmal alle durch. Es war eigentlich egal, wen ich noch hinausbeförderte, hoffentlich sahen mich nicht alle so an, ansonsten könnte ich keine Entscheidung mehr treffen. "Liebe Prinzen", fing ich an. Ich wusste nicht, wie ich sonst hätte anfangen können. "Wir sind heute hier versammelt, nein, vergesst das". Das brachte mir einige Lacher ein. Vielleicht hätte ich die Zeit der Entscheidung auch dazu nutzen sollen, was ich sagen wollte. "Es ist soweit. Ich muss mich heute leider von zwei von Euch verabschieden, was mir wirklich unglaublich schwer fällt. Ihr seid alle so", mir fielen die passenden Worte nicht ein. "nett, höflich, adrett, freundlich, umwerfend", bei diesem Wort schaute ich unbewusst zu Liam, "aber vor allem seid ihr hier, um in mir eure wahre Liebe zu finden. Dafür erst einmal danke." Ich schaute jeden einzelnen von ihnen etwas länger an. Nur Tristan ließ ich aus. Ich atmete tief ein. "Ich werde jetzt die Namen der zwei Kandidaten nennen, in denen ich leider kaum Gemeinsamkeiten mit mir finden kann." Noch einmal atmete ich tief ein und aus. Ich wollte nicht. Ich wollte wirklich nicht. Danach wäre das Spiel zu real. Ich würde in ihnen hoffentlich jemanden finden, den ich irgendwann lieben konnte. Mir war eigentlich klar, dass ich William nicht so schnell vergessen würde, wie denn auch, er war meine erste Liebe, mein erster Freund gewesen, aber irgendwann vielleicht einmal... Vielleicht könnte ich diesem Jemand dann auch von ihm erzählen. Vielleicht würde ich dann auch meinen Eltern von ihm erzählen, aber das würde noch etwas dauern. Jetzt müsste ich erst einmal zwei Namen nennen. Alle sahen mich gespannt an. Sie starrten gebannt auf meine Lippen. "Der erste Prinz, der für mich leider nicht in Frage als potentieller Ehemann kommt, ist Prinz Tristan." Tristan sah mich an. In seinem Blick lag keine Traurigkeit, es war eher so etwas wie Freude. "Es tut mir wirklich leid, Prinz Tristan, aber ich kann mir eine Ehe mit Ihnen wirklich beim besten Willen nicht vorstellen. Es tut mir leid." Tristan trat vor und verbeugte sich vor mir, ich knickste. "Auf ein Wiedersehen", sagte er. "Auf ein Wiedersehen", wiederholte ich perplex. Nun wurde es schwer. Wer würde es werden? Carl, der es eigentlich laut meinem Spiel wäre? Oder doch jemand anderes? Ich ließ meinen Blick über alle Bewerber schweifen und da fiel mir David ins Auge und mir fiel der Gefallen wieder ein, den ich ihm noch schuldete. Er würde weiterhin im Palast bleiben, außer, er wollte es nicht mehr. Mein Blick blieb an Prinz Arthur hängen. Er war bei unserem Gespräch ein wenig überheblich gewesen, ein wenig zu sehr von sich selber überzeugt und er würde, meiner Meinung nach, alles in seiner Macht stehende tun, um sein Licht über meines zu stellen. So jemand wollte ich nicht als Mitregent und Ehemann haben. Ich war niemand, dessen Licht man so einfach unter den Scheffel stellte. Ich war eine eigenständige, selbstständige Person, die es verdient hatte, wahrgenommen zu werden. Also war meine Wahl getroffen. Carls Hundeblick hatte ihn gerettet. "Der zweite Prinz, der uns heute leider noch verlassen muss, ist Prinz Arthur. Auch von Ihnen muss ich mich leider verabschieden." Es folgte die selbe Abschiedsprozedur wie bei Tristan. Als er schließlich den Raum verlassen hatte, umringten mich siebzehn Prinzen, nur Liam war nicht dabei. Ich würde nach ihm Ausschau halten. Jeder der siebzehn Bewerber gab mir einen Handkuss, wünschte mir eine gute Nacht und verließ dann den Raum. Ich verlor etliche Minuten damit, dabei wollte ich doch nur Liam sehen. "Leonia", rief mich jemand. Das konnte nur Mum sein. Ihre Stimme erkannte ich überall. Was sie wohl von mir wollte? Und wo war Liam?
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