Kapitel 18
»Fünf Dollar, dass Drea in seinem Unterricht gleich wieder rot anlauft wie eine Tomate«, warf Poppy ein, während ich mit ihr und Ruby zur nächsten Unterrichtsstunde lief. Englisch. Bei Logan.
»Zehn Dollar, dass sie sich ihn nackt vorstellt«, ergriff Ruby das Wort.
»Oh«, Poppy kniff die Augen zusammen. »Guter Einwand, aber das toppe ich. Fünfzehn Dollar, dass er sie nach dem Unterricht bittet zu bleiben«, Poppys Augen blitzten amüsiert auf.
»Verdammt, diese Wette ist wirklich gut, aber ich hab noch etwas Besseres«, Ruby kicherte. »Zwanzig Dollar, dass ...«
»Okay Leute, das reicht jetzt«, fiel ich Ruby harsch ins Wort. »Ihr wisst schon, dass ich euch hören kann, ja?«
Die beiden drehten sich zu mir um.
»Ach Drea, du auch hier?«, Poppy tat überrascht. Ich rollte nur mit den Augen, hakte mich bei meinen beiden Freundinnen ein und zog sie mit mir.
»Wir werden jetzt in unseren Englischunterricht bei Mr Black gehen und für den Rest des Tages kein Wort mehr über ihn verlieren, kapiert?«
Ruby seufzte. »Du bist so langweilig, Drea.«
»Ich wette, Mr Black sieht das anders, zehn Dollar, dass...«
»Genug jetzt!«, zischte ich und warf Poppy einen bösen Blick zu. »Sonst beginne ich damit, Wetten über dich und Timmy abzuschließen.«
»Mann, Ruby hat Recht, du bist echt langweilig«, entgegnete Poppy beleidigt. Glücklicherweise unterließen die beiden ihre Wetten, als wir endlich an Logans Klassensaal ankamen.
Obwohl ich eigentlich darauf hätte vorbereitet sein müssen, Logan gegenüberzutreten, traf mich sein Anblick wie immer mitten ins Herz.
Er trug eine schwarze Jeans und einen grauen Pullover, an dessen oberem Saum der Kragen eines weißen Hemdes hervorlugte. Sein blondes Haar umschrieb wie immer ein wildes Durcheinander, als wäre er sich heute morgen nach der Dusche nur schnell vor dem Spiegel einmal durch die Haare gefahren. Doch das tat seinem Aussehen in keinster Weise Abbruch. Ganz im Gegenteil.
Ich atmete tief ein und wieder aus. Ich versuchte seine Anwesenheit so gut es ging zu ignorieren. Stattdessen bahnte ich mir gemeinsam mit Poppy und Ruby einen Weg zu unseren Plätzen. Während ich meine Bücher auspackte, konnte ich dem Drang jedoch nicht widerstehen und sah nach vorn. Als hätte er meinen Blick gespürt, schaute auch Logan von seinen Unterlagen auf.
Für ein paar Sekunden nahm ich nichts anderes wahr, als ihn.
Doch Ruby und Poppy holten mich sogleich wieder zurück ins Hier und Jetzt.
»Ich bekomme fünf Dollar von dir, Ruby«, flüsterte Poppy und bohrte Ruby, die eine Reihe vor uns saß, den Bleistift in den Rücken. Ruby drehte sich zu uns um.
»Nicht wenn ich zehn von dir bekomme«, säuselte sie und ihre Augen wanderten fragend zu mir. »Hast du ihn dir nackt vorgestellt, Drea?«
»Verdammt Leute!«, ich dämpfte meine Stimme und sah mich paranoiderweise kurz um. Der Klassensaal füllte sich allmählich, doch niemand schien Notiz von unserem Gespräch genommen zu haben.
»Das Ganze ist kein Spiel, hört jetzt auf damit, okay?«, ich bedachte die beiden mit einem letzten mahnenden Blick. Ruby machte einen Schmollmund und drehte sich auf ihrem Stuhl wortlos von uns weg, während Poppy sich seufzend in den Stuhl zurücksinken ließ.
»'Tschuldige«, murmelte sie.
Langsam aber sicher beschlich mich das Gefühl, dass Poppys Art auf Ruby abfärbte. Doch Rubys gute Laune schwand sogleich, als Madison den Raum betrat. Ich konnte regelrecht mitansehen, wie Ruby mit einem Mal völlig angespannt war. Die beiden tauschten einen Blick. Doch mehr auch nicht. Madison ignorierte Ruby. Die Arme. Hoffentlich konnte Madison einen Weg finden, um ihrem Gefühlschaos ein Ende zu setzen, sodass Ruby endlich möglich war, weiterzumachen.
Ein paar Sekunden später war die Klasse komplett und Logan eröffnete den Unterricht. Um mich von seiner vereinnahmenden Präsenz abzulenken, nahm ich meinen Kugelschreiber zur Hand und begann auf meinem Notizblock zu kritzeln.
»Guten Morgen, ich hoffe sie alle haben das neue Jahr gut angefangen! Schön dass wir heute vollzählig sind, ich habe Ihnen nämlich eine wichtige Neuigkeit zu verkünden«, Logan lehnte sich gegen das Lehrerpult und verschränkte die Arme vor dem Körper. Sein Blick glitt nachdenklich zu Boden. Er räusperte sich.
»Ich muss euch leider mitteilen, dass ich nur noch bis März an der Garfield High unterrichten werde.«
Was? Im März schon?
Ein Raunen ging durch die Menge. Logans Botschaft sorgte für so einige überraschte Gesichter. Erstaunt ließ auch ich den Kugelschreiber sinken und blickte zu Logan auf.
Logan würde nur noch bis März unterrichten!
»Ich weiß, ein Lehrerwechsel so kurz vor eurem Abschluss ist alles andere als optimal. Nichtsdestotrotz bin ich zuversichtlich, dass sie das dennoch schaffen werden. Ich bitte daher auch diejenigen, die noch Empfehlungsschreiben für ein College benötigen, mich zeitnah darauf anzusprechen.«
Noch immer herrschte Unruhe in der Klasse. Einige Mitschüler steckten die Köpfe zusammen und tuschelten leise. Andere wiederum hörten Logan aufmerksam zu und wirkten ehrlich überrascht, beinahe schockiert von seiner Neuigkeit.
»Mr Black, darf man fragen, weshalb Sie aufhören, an der Garfield High zu unterrichten?«, warf einer meiner Mitschüler plötzlich die Frage in den Raum. Nur verständlich, dass seine Schüler einen Grund verlangten. Sie wollten Antworten. Und ich war gespannt darauf, was Logan sich hierfür zurechtgelegt hatte, denn so wie ich ihn kannte, hatte er alles genau durchdacht.
Logan sah zu ihm rüber und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen. Doch es schienen ihm die Worte zu fehlen. Er zog die Brauen zu einer geraden Linie und blickte erneut zu Boden.
»Nun... Um ehrlich zu sein, habe ich diese Entscheidung aus privaten Gründen getroffen. Doch es war eine Entscheidung, die mir sehr schwer gefallen ist. Ich habe diese Schule und insbesondere euch«, er machte eine einladende Geste mit der Hand und lächelte dabei leicht. »Sehr zu schätzen gelernt. Ganz egal wer, ob nun Noah, der während dem Unterricht nie aufpasst...«, Logan sah in Noahs Richtung. Die Klasse lachte laut.
»Oder Penelope mit ihren spitzen Bemerkungen...«
Jeder drehte sich zu Poppy und erneut brach die Klasse in lautes Gelächter aus. Poppy versuchte ihr Gesicht hinter den Händen zu verstecken.
»Oder Jason, der jedes Mal hinter seinem Buch einschläft und hofft, ich würde es nicht bemerken.«
Jason, der ein paar Reihen weiter saß, rutschte etwas tiefer in seinen Stuhl, während sein Gesicht von einer leichten Schamröte überzogen war. Logan lachte leise und machte eine bedeutungsvolle Pause, ehe er weitersprach.
»Jeden einzelnen von euch, habe ich zu schätzen gelernt«, während seiner letzten Worte blickte er direkt in meine Richtung.
Mein Herz machte einen gewaltigen Satz.
Wir sahen uns an und lächelten. Es war dieses besondere, simple Lächeln. Als teilten wir ein Geheimnis miteinander. Ein Geheimnis, das nur wir beide kannten und nach dem die ganze Welt suchte. Die Liebe. Wie war es nur möglich, dass etwas, das man nicht einmal genau definieren konnte, eine solche Macht über einen besaß? Dass es uns um den Verstand brachte? Uns jeglicher Vernunft beraubte?
Die Liebe war eine unglaubliche Kraft.
Logan räusperte sich und löste den Blick von mir.
»Es war eine tolle Zeit mit euch und ich hoffe, dass wir noch zwei schöne und vor allen Dingen produktive Monate miteinander erleben werden.«
Es herrschte noch ein paar Minuten lang ziemliche Unruhe im Klassensaal. Meine Mitschüler löcherten Logan regelrecht mit Fragen.
Doch all das interessierte mich nicht.
Es spielte keine Rolle mehr.
Alles an was ich in diesem Moment denken konnte, war die Tatsache, dass ich nur noch zwei Monate ausharren musste, bis wir endlich zusammensein konnten.
Zwei Monate, bis Logan nicht mehr mein Lehrer war und ich nicht mehr seine Schülerin.
Zwei Monate, bis wir einfach ein ganz gewöhnliches Pärchen sein würden.
Zwei Monate, bis Logan einfach nur Logan sein konnte und ich einfach nur Drea.
Ein ganz gewöhnlicher junger Mann und eine ganz gewöhnliche junge Frau, die unsterblich ineinander verliebt waren.
∞
Angeekelt betrachtete ich den grauen Brei auf meinem Teller.
»Das soll Kartoffelpüree sein? Sieht eher aus wie Erbrochenes«, erwiderte ich angeekelt und schob den Brei beiseite.
Poppy kicherte.
»Willst du die Hälfte von meinem Sandwich und ich bekomme die Hälfte von deinen Gemüsesticks?«, fragte sie, während sie mit Argusaugen auf meinen Teller lugte.
»Seit wann teilst du dein Essen mit anderen?«, misstrauisch hob ich eine Braue.
»Ich bin eben ein emphatischer und großzügiger Mensch«, theatralisch legte sie sich die Hände auf die Brust.
»Alles klar, was schmeckt dir an dem Sandwich nicht?«,
Poppy verschränkte die Hände vor der Brust und blickte ertappt drein.
»Na gut, du hast ja recht, das Dressing ist scheußlich! Willst du das Sandwich nun oder nicht?«
Ich lächelte kopfschüttelnd und schob ihr mein Tablett rüber.
»Hier bedien dich.«
Poppy grinste übers ganze Gesicht und machte sich über mein Essen her.
Kurze Zeit später stießen Ruby, Timmy, Danny und Noah zu uns.
Sobald Poppy Timmy gesichtet hatte, strahlte sie übers ganze Gesicht. Sie begrüßten sich mit einem flüchtigen Kuss und verbrachten die gesamte Mittagspause damit, sich gegenseitig anzuschmachten.
Es war beinahe schon besorgniserregend.
»Na schön Leute, wir müssen los, sonst bekommt Mr Sawyer wieder einen Tobsuchtanfall.«
»Oh ja, weil American History ja auch so interessant ist«, Poppy imitierte ein Gähnen, jedoch erhob sie sich widerwillig. Gemeinsam liefen wir zum Unterricht.
Als wir eintraten, war der Saal noch relativ leer, nun ja, fast.
Ruby blieb wie angewurzelt stehen, als sie Madison sah. Ihre Blicke trafen sich erneut an diesem Tag.
Ich meinte für einen kurzen Augenblick etwas in Madisons Augen aufflackern zu sehen. Doch es dauerte nur ein paar Sekunden, bis sie wieder ihre übliche arrogante Miene aufsetzte und Ruby eiskalt ignorierte. Sie drehte sich um und begann mit ihren Freundinnen zu tuscheln.
Mitfühlend legte ich Ruby eine Hand auf die Schulter.
»Hey, mach dir nichts daraus. Sie ist bestimmt nur unsicher. Gib ihr etwas Zeit.«
Ruby nickte deprimiert. Wir liefen zu unseren Plätzen und ließen uns auf die Stühle sinken. Da Mr Sawyer noch nicht hier war, kamen Danny und Timmy noch eine Weile mit nach hinten zu unseren Tischen.
Ich war gerade im Begriff, meine Bücher herauszuholen, als einer unserer Mitschüler, Eric, sich zu uns umdrehte. Ich kannte Eric nicht sonderlich gut, doch Danny und Noah waren mit ihm befreundet, da sie zusammen im Football Team spielten.
»Hey Leute, ich hab gehört, dass euer Englischlehrer Mr Black gekündigt hat. Ist das echt wahr? Der hat doch erst dieses Schuljahr angefangen!«
Um ein Haar hätte ich mein Buch fallen lassen. Sofort saß ich senkrecht auf meinem Stuhl und spitzte die Ohren, peinlichst darauf bedacht, mir nichts anmerken zu lassen.
»Ähm... ja, das hat er«, antwortete Danny und zuckte betont lässig mit den Schultern. »Er sagte aus privaten Gründen.«
Danny warf mir einen kurzen, bedeutungsvollen Blick zu, ehe er hastig wieder weg sah.
»Aus privaten Gründen, also«, schaltete sich plötzlich eine neue Stimme ein. Madison.
Auf ihren hohen Absätzen kam sie zu uns rüber gestöckelt.
»Hey Madison«, Ruby grüßte sie sogleich und schenkte ihr ein hoffnungsvolles Lächeln.
»Hi«, sie warf Ruby einen kurzen, abfälligen Blick zu, ehe sie sich wieder an Eric und Danny wandte.
»Mir ist da etwas anderes zu Ohren gekommen«, Madison schnalzte mit der Zunge und bedachte ihre perfekt manikürten Nägel mit einem Blick. »Es geht das Gerücht um, dass er angeblich etwas mit einer Schülerin am Laufen hat und deshalb gekündigt hat.«
Ich erstarrte.
Mit einem Mal verschwanden jegliche Glücksgefühle, die ich zuvor noch über Logans Neuigkeit empfunden hatte. Was ich nun verspürte, war panische Angst.
»Das ist doch lächerlich! Wer behauptet denn sowas?«, schoss es aus Poppy heraus.
»Tja, ich habe eben meine Quellen«, entgegnete Madison mit einem missbilligenden Blick in Poppys Richtung.
Unterdessen spürte ich drei Augenpaare auf mir ruhen. Danny, Poppy und Ruby.
Mir wurde übel.
Hatte mich einer der dreien hintergangen? Hatten sie geplaudert? Woher sonst sollte Madison diese Information haben?
»Hm, das wäre schon ne krasse Nummer!«, mischte sich Eric wieder ein.
»Naja, so krass finde ich es nun auch wieder nicht«, hielt Timmy nachdenklich dagegen. »Ich meine vom Altersunterschied her, von der Moral mal ganz abgesehen«, erklärte er. »Immerhin ist er ja noch ein ziemlich junger Lehrer.«
Eric warf Timmy einen schrägen Blick zu, dann wandte er sich mit einem breiten Grinsen wieder der Runde zu.
»Was glaubt ihr, wer sie ist?«
Ich schluckte schwer und spürte einen Kloß in meinem Hals.
Mit einem Mal fühlte es sich an, als kämen die Wände auf mich, als wurde der Raum immer kleiner.
Ich musste hier weg.
»Entschuldigt mich«, ich sprang auf und lief eilig aus dem Saal. Mit letzter Kraft konnte ich mich davon abhalten, nicht regelrecht aus dem Saal herauszustürmen. Hastigen Schrittes hielt ich auf die Mädchentoilette zu und stieß die Tür auf.
Nachdem ich überprüft hatte, ob ich alleine war, ging ich zum Waschbecken und spritzte mir Wasser ins Gesicht. Ich brauchte eine Abkühlung, um wieder klar denken zu können, um meine Gedanken neu zu sortieren.
Doch immer wieder schlichen sich Madisons Worte in meinen Kopf.
Ich hatte mir das alles nicht eingebildet. Es war wirklich passiert. Es ging tatsächlich das Gerücht um, dass Logan eine Beziehung mit einer Schülerin führte!
Verdammt!
Mein Herz hämmerte wie verrückt in meiner Brust.
Ich hob den Kopf und sah mich im Spiegel an.
War es wirklich möglich, dass mich jemand meiner besten Freunde verraten hatte? Einerseits traute ich ihnen so etwas nicht zu, andererseits aber konnte ich mir dieses ganze Schlamassel nicht anders erklären.
Gott! Was wenn dieses Gerücht an den Schulleiter weitergetragen wurde? Wenn alles herauskam?
Es fühlte sich an, als hätte ich eine Schlinge um denHals, die sich immer weiter zuzog.
Mein Magen krampfte und mir wurde übel. Logan konnte seinen Job verlieren - und das wäre einzig und allein meine Schuld. Und nicht nur das; auch meine schulische Laufbahn wäre ruiniert. Man würde davon ausgehen, er hätte mich bevorzugt behandelt. Sicherlich würde mich kein einziges College mehr annehmen. All das, nur weil ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle gehabt hatte! Zu viele Leute wussten mittlerweile über Logan und mich Bescheid. Ich war unvorsichtig geworden.
Im nächsten Moment konnte ich nicht mehr an mir halten. Ich machte auf dem Absatz kehrt, stürmte blindlings in eine der Toilettenkabinen und übergab mich.
Anschließend ließ ich mich zurück gegen die Kabinenwand sinken und lehnte den Kopf nach hinten.
Wie hatte ich es nur so weit kommen lassen können?
Ein Geräusch ließ mich erschrocken zusammenzucken.
Jemand öffnete die Tür zur Damentoilette und trat ein. Ich hörte das Klacken von Absätzen und eine Sekunden später blickte ich in Madisons Gesicht. Sie stand direkt vor der Toilettenkabine und starrte mit durchdringendem Blick auf mich herab. Eine ganze Weile sah sie mich einfach nur schweigend an, bis sie endlich das Wort ergriff.
»Du bist dieses Mädchen, hab ich recht?«
Mir rutschte das Herz in die Hose.
»Nein.«
»Ach komm schon, Drea, du bist eine schlechte Lügnerin«, sie hob die Brauen und lehnte sich an den Türrahmen der Kabine. »Jetzt ergibt so einiges einen Sinn.«
»Ich bin es nicht«, beharrte ich und gab mir alle Mühe ihrem Blick standzuhalten.
»Klar«, antwortete sie ironisch, verschränkte die Arme und rollte dabei mit den Augen.
Wieder herrschte für eine ganze Weile Stille zwischen uns.
»Von wem weißt du es?«, fragte ich schließlich mit tonloser Stimme.
»Das kann ich dir nicht sagen.«
Ich schnaubte. »Natürlich nicht.«
»Es tut mir leid, Drea. Hätte ich gewusst, dass du diejenige bist, dann hätte ich ...«
»Dann hättest du was?«, keifte ich wütend. »Dann hättest du es nicht gesagt? Komm schon, Madison, du magst mich doch überhaupt nicht. Für dich kommt das doch mehr als gelegen, um mir eins auszuwischen.«
»Wow, schalte mal einen Gang zurück, Dupree«, sie hob verteidigend die Hände. »Ich wollte nur nach dir schauen und mich entschuldigen. Du hast mich bei meinem letzten Zusammenbruch hier in der Toilettenkabine auch aufgemuntert. Wie du mir, so ich dir.«
»Wow, wie überaus aufmerksam von dir«, meine Stimmte triefte nur so vor Sarkasmus. Mir war klar, dass mein Verhalten gerade eher suboptimal war. Ich hätte lieber Schadensbegrenzung betreiben sollen und dafür sorgen müssen, dass Madison die jüngsten Ereignisse für sich behielt.
Doch ich konnte es nicht.
Ich war sauer.
Nicht auf Madison, weil sie dieses Gerücht verbreitet hatte, sondern sauer auf mich.
Tränen stiegen mir in die Augen.
»Hör mal«, versuchte sie es erneut. »Ich werde es niemandem verraten. Dein Geheimnis ist bei mir sicher.«
»Wieso?«, fragte ich verwirrt und sah zu ihr hoch. »Wieso tust du das?«
Madison zuckte mit den Schultern. »Nenn es schlechtes Gewissen.«
»Schlechtes Gewissen?«, wiederholte ich ungläubig. »Ein schlechtes Gewissen, weil du mit meinem Exfreund geschlafen hast oder weil du das Gerücht herumstreust, dass Mr Black ein Verhältnis mit einer Schülerin hat und deshalb seine und womöglich auch meine Karriere zerstört hast?«
Madison senkte beschämt den Blick.
»Womöglich beides«, sie zog die Brauen zu einer schmalen Linie zusammen. »Weißt du, Drea, ich habe nur mit Danny geschlafen, weil ich mir selbst beweisen wollte, nicht lesbisch zu sein.«
»Wow«, ich schnaubte verächtlich. »Und da hattest du unbedingt meinen Freund auserkoren müssen?«
»Danny ist der attraktivste und beliebteste Junge an unserer Schule«, sie verzog schuldbewusst das Gesicht. »Na gut, von deinem Mr Black mal ganz abgesehen.«
»Hat es denn wenigstens funktioniert?«, fragte ich und warf ihr einen erwartungsvollen Blick zu. Madison schaute bedrückt zu Boden.
»Ich wünschte das hätte es.«
»Tja, Karma is 'ne Bitch«, erwiderte ich.
»Na gut, ich lasse dich jetzt mal in Ruhe. Ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich es nicht weitersagen werde«, Madison stieß sich von der Wand ab und machte Anstalten, die Mädchentoilette zu verlassen. Jedoch hielt sie auf halbem Weg nochmal inne und drehte sich zu mir um.
»Hey Drea, eine Frage noch.«
Erwartungsvoll drehte ich den Kopf in ihre Richtung und erwiderte ihren Blick.
»Dein Cousin, Adam, richtig? Warum hat er damals eigentlich so plötzlich die Schule gewechselt?«
Schockiert hob ich den Kopf.
Wie zum Teufel kam Madison auf Adam zu sprechen? Ahnte sie womöglich auch etwas von dem Vorfall zwischen Logan und Adam damals?
»Er hatte keinen Anschluss gefunden«, log ich. »Weshalb fragst du?«
»Ach, nur so«, Madison winkte ab. »Er hatte sich mal Notizen vom Unterricht bei mir ausgeliehen und sie mir nie zurückgegeben, aber halb so wild.«
In dem Augenblick, als ich Madison noch eine weitere Frage dazu stellen wollte, öffnete sich die Tür zur Mädchentoilette. Poppy erschien in meinem Blickfeld.
Als sie Madison entdeckte, verzog sie grimmig das Gesicht.
»Was willst du denn hier? Zieh Leine«, äußerte Poppy ihren Unmut über Madisons Anwesenheit.
»Nichts lieber als das«, hielt Madison dagegen und verabschiedete sich mit eine kurzen bis dann bei mir. Dann verschwand sie durch die Tür.
Poppy sah ihr noch nach, bis sie den Raum verlassen hatte, dann kam sie hastig zu mir in die Kabine geeilt.
»Was wollte Madison denn hier?«
»Sie weiß es«, entgegnete ich knapp.
»Sie weiß es?«, Poppy schien nicht ganz zu verstehen.
»Sie weiß von Logan und mir«, erklärte ich müde. Allein schon das Aussprechen dieser Worte jagte mir eine Heidenangst ein.
»Fuck«, stieß Poppy schockiert aus. Die Fassungslosigkeit stand ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben. Zwar hatte ich Poppy keinesfalls unter Verdacht gehabt, doch ihre authentische Reaktion bestätigte mir nochmal, dass sie mich nicht verraten hatte. Sie und Madison konnten sich ohnehin nicht ausstehen, weshalb also, sollte sie Madison von Logan und mir erzählt haben? Ich hatte schon zu Beginn keine Sekunde an Poppys Unschuld gezweifelt. Madison musste es von jemand anderem erfahren haben.
»Wer hat es ihr verraten?«, wollte Poppy fassungslos wissen. »Du denkst doch nicht etwa, dass Ruby...?«
»Das war auch mein erster Gedanke«, gestand ich. »Allerdings herrscht zwischen Ruby und Madison Eiszeit. Zudem weiß Ruby erst seit Silvester davon. Sie hatte keinerlei Gelegenheit seither, mit Madison zu sprechen.«
»Was ist mit Danny?«, Poppy blickte misstrauisch drein.
»Ich weiß nicht«, ich schüttelte unsicher den Kopf. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er mir derart in den Rücken fällt nach unserem letzten Gespräch.«
»Ich denke du solltest mit Ruby und Danny sprechen. Vielleicht lässt sich das Ganze irgendwie klären.«
Ich nickte zustimmend. »Ja, das werde ich.«
»Wollte Madison dich erpressen? Wird sie es weitererzählen?«, Poppys Fragen überschlugen sich regelrecht.
»Sie wollte sich entschuldigen«, antwortete ich.
»Sich entschuldigen?«, wiederholte Poppy und schien aus allen Wolken zu fallen. »Dafür, dass sie mit Danny geschlafen hat oder für das Gerücht über Mr Black?«
»Das habe ich sie auch gefragt«, ich grinste.
Poppy erwiderte es.
»Sie wollte sich für beides entschuldigen und versprach mir, die Sache mit Logan für sich zu behalten.«
Poppy blinzelte verwirrt.
»Moment einmal, wir reden hier von Madison Lively, richtig?«
Ich nickte.
»Die führt doch garantiert irgendetwas im Schilde«, rätselte sie.
»Poppy, was soll ich denn jetzt nur tun?«, ich verbarg das Gesicht in den Händen. »Es ist eine einzige Katastrophe! Die Gerüchteküche an der Garfield High ist noch schlimmer als Gossip Girl! Was, wenn es bis zu unserem Direktor vordringt? Wenn Logan seinen Job verliert?«, ich redete mich immer weiter in Rage. »Gott, Logan! Ich muss ihm davon erzählen, ich muss ihn warnen. Er wird durchdrehen!«
»Tue mir den Gefallen und hol zwischendurch mal Luft, okay?«, bat Poppy mich. »Du wirst Logan erst einmal nichts davon erzählen. Ich hab einen Plan.«
»Einen Plan? Wie zum Teufel willst du verhindern, dass die ganze Schule denkt, Logan hätte eine Affäre mit einer Schülerin?
Poppy grinste hämisch. »Tja, gar nicht. Das ist auch der Plan.«
Verwirrung machte sich in mir breit. »Ich kann dir nicht ganz folgen, aber dein Gesichtsausdruck macht mir irgendwie Angst.«
»Sieh mal, das Gerücht, dass er etwas mit einer Schülerin am Laufen hat, wird sich genauso schnell verbreiten, wie das Gerücht, dass er eine Liebschaft mit einer anderen Lehrkraft hat oder wie das Gerücht, dass er an einer unheilbaren Krankheit leidet oder genauso schnell wie die tausend anderen Gerüchte, die ich in den nächsten vierundzwanzig Stunden streuen werde, bis man keines davon mehr glaubt.«
Poppys Aussage weckte einen kleinen Hoffnungsschimmer in mir.
»Du denkst, das könnte funktionieren?«
»Oh, ich bin mir absolut sicher«, Poppy schien überzeugt zu sein von ihrem Plan.
»Gott, du bist ein Genie, Poppy. Was würde ich nur ohne dich tun?«
»Wahrscheinlich würdest noch weitere zehn Minuten auf dem vollgepissten Boden neben deiner Kotze in der Mädchentoilette sitzen und schmollen«, Poppy rümpfte die Nase und bot mir ihre Hand dar.
»Komm schon, hoch mit dir«, forderte sie mich auf und half mir auf die Beine.
Dann schenkte sie mir ihr teuflischstes Lächeln.
»Also dann, bringen wir die Gerüchteküche der Garfield High mal ordentlich zum Brodeln!«
Hey ihr Lieben!
Danke, dass ihr mich so sehr unterstützt und mir weiterhin so tolles Feedback in den Kommentaren hinterlässt! Das beflügelt mich regelrecht und motiviert mich total zum Weiterschreiben !!
Auch ein Dankeschön für eure Glückwünsche wegen meiner bestandenen Prüfung, das hat mich sehr gefreut ! :)
LG eure Lora
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