23| Kirschensüße Liebesbeweise
-Claires Sicht-
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist, Leute", wurde ich von der Stimme meines Bruder wach. Wirklich geschlafen hatte ich nicht, aber das hatte ich auch die sechs Tage zuvor nicht tun können. Ich fühlte mich schwach, ausgelaugt, verfolgt. Es war, als hätte mich von einem auf den anderen Tag eine schlimme Paranoia heimgesucht und beschlossen, Dauergast zu sein. Ich fühlte mich schlecht dafür, nicht zur Schule gegangen zu sein, niemanden Bescheid gesagt zu haben. Schlecht dafür, dass ich mich von allen so abgeschottet hatte.
Eine ganze Woche. Aber ich konnte nicht anders.
Nicht, wenn ich meine Umgebung schützen wollte. Schützen vor der Zerstörung, welche in meinem Inneren angerichtet wurde und an die Oberfläche zu drängen schien.
Meine Tür wurde aufgemacht und monoton blickte ich in das bekannte Gesicht meines besten Freundes. Eine leichte Freude überkam mich bei dem Gedanken, dass ich jemanden hatte, der mich von meinen Gedanken ablenken würde. Auch, wenn ich selber Schuld daran hatte, dass keiner in meiner Nähe war, so hatte ich meine Freunde auch vermisst.
Selbst mein Bruder war stetig aus meiner Nähe geblieben, denn schließlich wusste er, dass ich Zeit für mich gebraucht hatte. Ab und an war er in meinem Zimmer, um mir etwas zu Essen zu bringen, aber mehr auch nicht.
„Hey Kleines", grüßte er mich und setzte sich neben mich auf mein Bett, „wie geht es dir?" Grummelnd setze ich mich auf und zwang mir ein Lächeln auf. „Alles gut", krächzte ich.
Sofort räusperte ich mich, da meine Stimme klang, als hätte ich drei Zigaretten geschluckt und einen Stein im Hals. Sie klang unnatürlich tief und kratzig, da ich die ganze letzte Woche kein einziges Wort gesprochen hatte, aber dafür umso mehr geweint.
Lediglich ab und zu falschlächelnd genickt, um meinem Bruder etwas erwidert zu haben. Und da mich meine Träume immer weiter terrorisierten und ich nicht selten weinend und gar schreiend aus dem Schlaf schreckte – wenn ich denn überhaupt mal schlafen konnte - waren nicht nur Stimme im Arsch, sondern meine ganze Laune und Aussehen.
Mit einer hochgezogenen Augenbraue schaute er mich durchdringlich an und forderte mich stumm dazu auf, ehrlich zu sein. Aber zu meinem Glück hatte er gar nicht erst die Möglichkeit, etwas zu sagen, da die Tür aufgerissen wurde und eine glückliche Ashley hineintänzelte, gefolgt von einem Logan und einem Jack.
„Party in the house", sang sie, doch ich sah ihr an, dass sie die gute Laune spielte, um die bedrückende Situation zu verdrängen. Ich fand es süß von ihnen, dass sie sich alle so um mich sorgten. Es gab mir ein Gefühl von Zusammenhalt und Liebe. Mir war nicht klar, wie ich das beschreiben sollte, aber ich wusste, dass ich mich in ihrer Nähe besser fühlen würde als alleine.
Zwar war ich der gleichen Meinung, dass ich meine Vergangenheit alleine durchstehen musste, aber dennoch musste ich nicht die ganze Zeit über durchgängig an diese denken.
„Schau, wir haben dir ganz viel Süßes besorgt", grinste Ash und zeigte auf die Tüten, die Logan und Jack trugen. „Wir? Du meinst wohl eher ich!", beschwerte sich Dean sofort und schubste Ash, die sich auf mein Bett geschmissen hatte, leicht nach hinten. Natürlich motzte sie sofort los und versuchte, auch ihn herunterzuschubsen. Man konnte sich denken, dass er sich keinen Zentimeter rührte.
„Hey du", wurde meine Aufmerksamkeit auf Jack gelenkt, der mich ehrlich angrinste. Automatisch schlich sich auch bei mir ein Lächeln in mein Gesicht, was mir nicht einmal so schwer fiel. Gerade wollte er noch etwas hinzufügen, doch das Quieken von Ash ließ mich zu ihr blicken. Die Luft einatmend beobachtete ich, was vor mir ablief.
Logan war über sie gebeugt und küsste sie auf den Mund, während sie ihn mit großen Augen erschrocken anblickte. Was zum Teufel hatte ich in dieser Woche alles verpasst?
„Ehm", unterbreche ich die beiden, „wollt ihr mir vielleicht etwas erklären?" Doch Logan ließ sich nicht davon aufhalten, sie weiterhin zu küssen.
Nach einer Zeit, in der nur geschwiegen wurde, antwortete mir Dean: „Ich hab sie vorhin auch schon gestört, als die beiden dabei waren, sich den Liebesbeweis zu geben. Ich weiß nicht, ob die zusammen sind, aber die ganze Woche hat man die beiden nur zusammen gesehen." Wissend nickte ich, doch hinterfragte es nicht. Schließlich wollte ich so etwas lieber persönlich von meiner Freundin erfahren.
Während wir uns unterhielten und sie mir erzählten, was diese Woche alles passiert war in der Schule, gesellte sich Aidan zu uns mit dem Vorsatz, uns alles aufzufressen. Mein ganzes Bett war voller Süßigkeiten, Chipskrümel und Kirschsaft, doch das machte mir nichts. Nur war der Anblick meiner beigen Decke nicht allzu schön, wenn man all die Flecken beachtete. Im Hintergrund hatten wir Musik laufen und damit das Zimmer nicht allzu stickig war, das Fenster weit geöffnet.
„Claire", sprach Aidan leise, doch anscheinend laut genug, dass alle verstummten. Es war, als würde jeder wissen, was jetzt kommen würde und ich wusste es leider auch. Bevor die Frage überhaupt gestellt wurde, antwortete ich ihm bereits: „Ich weiß, dass ich darüber reden muss, aber nicht jetzt, nicht hier. Lasst mir einfach Zeit, ja?"
Eine unangenehme Stille kehrte ein und peinlich berührt schaute jeder wo anders hin. Wir alle hängten unseren eigenen Gedanken hinterher, aber das machte uns nichts. Dennoch hatte ich nichts dagegen, als Dean uns unterbrach: „Dennoch kannst du immer mit uns sprechen, wenn du deine Gedanken los werden willst, Kleines. Wir werden dir immer zuhören, ja?"
Berührt lächelte ich ihn an, die Tränen unterrückend, und umarmte ihn. „Oh mein Gott, das ist einer dieser unglaublich süßen Teeniefilmszenen, in denen eine Freundesgruppe sich aufeinander schmeißt? Gruppenkuscheln!", quietschte Ash, ehe ich ihr Gewicht auf uns spürte.
Kurz darauf verstärkte sich die Last um das Vielfache, als auch Aidan, Logan und Jack sich auf uns gestürzt hatten. Ein „Uff" verließ meinen Mund, welches Dean erwiderte, dessen Kopf in meiner Halsbeuge vergraben war. „Fehlt nur noch Phil." Ich spürte ihn lachen, doch zeitgleich wusste ich, dass er wie ich aus dieser engen Umarmung befreit werden wollte.
Ein Lachen verließ meinen Mund und ließ ein wenig Leben in mir aufkehren. Wenig später tauchte Deans Gesicht vor meinem auf und strahlte mich mit einem Grinsen an. Sein Gesichtsausdruck schrie förmlich: „Das ist meine Kleine." Er liebte es, mich seine Kleine zu bezeichnen und er war der einzige, bei dem ich es auch mochte. Er und Aidan.
„Zu viel körperliche Nähe", meinte ich und schaute ihn auffordernd an. Wenig später schüttelte Dean alle von uns herunter und wir lagen verteilt auf meiner Matratze.
Während sich alle entspannt unterhielten, lag ich mit geschlossenen Augen auf Deans Brust und genoss die sanften Bewegungen seiner Finger an meiner Kopfhaut.
„Lasst uns heute Abend einen Horrorfilm schauen, Dean hat Sinister, Conjuring und die Insidious Teile mitgebracht", wechselte Logan, welcher ziemlich nah bei Ash saß, das Thema. Sofort stimmten wir alle zu und zu meiner Überraschung ebenso Ash, obwohl sie für gewöhnlich totale Angst vor Horrorfilmen hatte. Vielleicht lag das aber auch daran, dass Logan diesmal für sie den Beschützer spielen konnte.
„Horrorfilm? Wir sind dabei", kam auf einmal von draußen und erschrocken drehten wir uns alle dorthin. Vier Jungs waren zu sehen, als auch ein Mädchen. Jason stand am Fenster angelehnt, welches gegenüber meinem war, zu uns blickend. Auf seinem Gesicht war ein süffisantes Grinsen und die beiden Zwillinge starrten mich dabei desinteressiert an. Ich fand die beiden wirklich seltsam.
Liz blickte mir besorgt, aber freundlich entgegen. Sie sah heute wirklich hübsch aus mit ihrem Messy Dutt, welcher zu ihr passte, und dem dezenten Eyelinerstrich.
Im Hintergrund lehnte ein gewisser Herr von Nathan an der Wand und blickte interessiert, aber zeitgleich nachdenklich zu mir. „Und wer hat euch eingeladen?", fragte Ash provokant und grinste spitzbübisch.
Herausfordernd blitzten Liz Augen auf und erwiderte: „Definitiv nicht du, sonst würde ich es gar nicht erst in Erwägung ziehen." Überrascht blickte Ashley sie an, bis sie anfing sie grinsen. „Das Mädchen hat Wortfertigkeiten, ich mag sie", sprach sie zu mir, doch ich realisierte das gar nicht so, weil ich mir mit Nathan ein Blickduell lieferte.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen analysierte ich, wie er mich von oben bis unten musterte, seinen Blick wieder hochgleiten ließ und schließlich an meinen Augen stehen blieb. Dabei entging mir nicht, dass er ständig mit seinem Daumen an seiner Unterlippe rumspielte. Und zu meinem Leidwesen sah dies wirklich attraktiv aus.
„Wie auch immer, ihr könnt gern rüberkommen, dann machen wir eine kleine Party", holte mich Aidan aus meinen Gedanken und stand seufzend von meinem Schreibtischstuhl auf, welches er an mein Bett geschoben hatte.
„Gut, wir sind gleich da, wir packen noch ein paar Getränke und Essen mit. Und es ist Samstag, es ist gerade einmal sechszehn Uhr, die Nacht ist jung. Lasst uns doch noch auf eine Party!", schlug einer der Zwillinge uns vor, worauf auch Begeisterung folgte. Lediglich ich blieb stumm und schaute auf meine Hände. Mir war bewusst, dass Nathan mich wahrscheinlich noch immer anblickte, aber das interessierte mich in dem Moment nicht.
Es war klar, dass ich auf keinen Fall mitkommen würde, dann würde ich lieber alleine zuhause bleiben und meine Serien weiterschauen. Aber das würde ich erst sagen, wenn es soweit war, denn jetzt sollte ich mich eher auf meine Freunde konzentrieren. Und auf diese gottverdammt leckeren Kirschen.
Freu mich über Votes und Kommentare~
Xx, T~
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