Kapitel 13
Ich rechnete bereits damit, dass Lukas jeden Moment durch den Aufzug hereingestürmt kam. Als ich jedoch den Pizzalieferanten sah, fiel mir ein Stein vom Herzen. Logan drückte ihm ein paar Scheine in die Hand und nahm die Schachtel entgegen. Die Aufzugtüren schlossen sich wieder hinter dem Lieferjungen und Logan kam mit der Pizza zurück geschlendert. Er stellte den Karton vor mir ab und verschwand in der Küche, woraufhin er mit einer Flasche Mineralwasser zurückkehrte. Dann ließ er sich neben mir auf dem Sofa nieder und öffnete die Schachtel. Sofort stieg mir der deftige ölige Geruch der Pizza in die Nase und mein Magen begann zu knurren. Sie war genauso wie ich sie mochte, mit viel extra Käse.
»Lass es dir schmecken.« Sagte er und deutete auf die Pizza, um mir zu signalisieren, dass ich zugreifen sollte.
»Danke.« Erwiderte ich und griff nach einem Stück mit besonders viel Käse. Auch Logan bediente sich und so saßen wir nebeneinander und aßen. Es war auf gewisse Art und Weise merkwürdig. Ich saß an einem Freitagabend bei Logan, meinem Englischlehrer, und aß gemeinsam mit ihm eine Pizza. Hätte mir das heute Morgen nach meinem misslungenen Kussversuch jemand gesagt, hätte ich ihm womöglich den Vogel gezeigt. Ich wusste, dass es falsch war. Es war falsch hier zu sitzen, falsch, mit ihm Zeit außerhalb der Schule zu verbringen und ein Verhältnis zu ihm aufzubauen. Doch wieso fühlte es sich dann so schön an? Ich genoss seine Anwesenheit, genoss es einfach nur mit ihm hier zu sitzen und eine Pizza zu essen. Obwohl ich ihn kaum kannte, beruhigte mich seine Nähe gewissermaßen. Gleichzeitig allerdings machte sie mich auch nervös. Ich wollte mehr über ihn erfahren, wollte den Menschen kennen lernen, den er hinter dieser Maske war. Insbesondere wollte ich noch einmal dieses aufrichtige Lächeln mit den tiefen Grübchen sehen, welches mein Herz höher schlagen ließ.
»Hast du noch Kopfschmerzen wegen des Unfalls vorgestern?« Fragte Logan plötzlich und ich hielt zwischen zwei Bissen inne. Unfall? Ach ja, ich hatte ja einen Autounfall vor zwei Tagen. Den Unfall hatte ich vollkommen verdrängt. Bilder rauschten an meinem inneren Auge vorbei. Bilder der letzten Sekunden, bevor das andere Auto mich gerammt und ich die Kontrolle über meinen Wagen verloren hatte. Gänsehaut legte sich über meinen Körper und ich unterdrückte ein Frösteln. Ich hatte wirklich Glück gehabt, dass ich nur mit einer Gehirnerschütterung davon gekommen war.
»Nein«, ich schüttelte den Kopf »Mir geht es bestens. Ich habe mich ausreichend erholt. Ich bin nur froh, dass niemand schwer verletzt wurde. Der Unfallverursacher hat glücklicherweise auch nur ein kleines Schleudertrauma erlebt.« Ich lächelte ihn schwach über den Rand meines Pizzastückes hinweg an. Logan hob die Brauen und der Blick in seinen blauen Augen verdüsterte sich.
»Dieser Mann hätte mehr verdient als nur ein Schleudertrauma. So unachtsam zu fahren und fahrlässig das Leben anderer Menschen aufs Spiel zu setzen, dazu auch noch unter Alkoholeinfluss«, Logan schnaubte verächtlich und ich beobachtete, wie sich seine Gesichtszüge abwertend verzogen.
»Der Mann hat wohl eben einfach zu viel getrunken. So etwas kommt vor.« Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste selbst nicht, weshalb ich den Mann, der die Schuld des Unfalls zu verantworten hatte, verteidigte. Jedoch tat er mir aus einem unerfindlichen Grund leid und ich fand es schrecklich, dass sich alle darüber aufregten, dass er nur mit einem Schleudertrauma davongekommen war. Bei Poppy überraschte es mich nicht sonderlich, sie war eine knallharte Nuss, die den Mund aufriss, bevor sie nachdachte. Doch dass mein Dad und nun sogar Logan so über diesem fremden Mann redeten fand ich nicht richtig. Schließlich sollte man niemandem so etwas wünschen.
»Nein«, beharrte Logan mit dunkler Stimme. »Man sollte seine Grenzen kennen.«Seine Augen waren starr und sein Gesicht wirkte streng, hatte jegliche Unbekümmertheit verloren. Fragend hob ich die Brauen. Irgendwie ließ mich das Gefühl nicht los, dass mehr dahinter steckte.
»Klingt als würdest du Alkohol nicht besonders mögen?« Hakte ich vorsichtig nach.
»Stimmt. Ich trinke keinen Alkohol.« Erwiderte er mit kalter Stimme und konzentrierte sich auf sein Pizzastück in der Hand.
»Gar nicht?« Fragte ich erstaunt.
»Gar nicht.«
Überrascht ließ ich von meinem Essen ab und starrte ihn an. Ob es dafür wohl einen bestimmten Grund gab? Wieder schien er diese Maske aufgelegt zu haben, die ihn unnahbar machte. Neugierde brannte in mir und ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht weiter nachzuhaken, denn es war mehr als offensichtlich, dass dies ein Thema war, über das er nicht gerne sprach. Also bekämpfte ich mein Bedürfnis, ihn weiter zu löchern. Zu gut wusste ich wie es war, wenn man dazu gedrängt wurde über Dinge zu sprechen, über die man lieber Stillschweigen bewahren wollte. Schnell überlegte ich mir ein unverfänglicheres Thema, um die Stimmung wieder aufzulockern und um diese Maske, hinter der Logan sich versteckte wieder zu überwinden.
»Danke nochmal, dass ich hier bleiben darf. Ich hoffe ich habe deine Pläne für heute Abend nicht allzu durcheinander gebracht.« Mein Versuch das Gespräch in eine harmlosere Richtung zu lenken schien wohl aufzugehen, denn Logan richtete sein Blick nun wieder auf mich und seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Der Ansatz seiner Grübchen trat hervor.
»Nein, das hast du nicht, Drea.«Seine Augen leuchteten in einem intensiven Farbton und blickten mich geradewegs an. Mein Puls schoss in die Höhe und wieder vergaß ich das Atmen. Schnell wollte ich mich abwenden und nach einem weiteren Stück Pizza greifen, um mich zu beruhigen, als seine Stimme mich davon abhielt.
»Warte, du hast da was.« Seine Hand schnellte reflexartig vor und im nächsten Moment strich sein Daumen über meine Unterlippe. Für ein paar Sekunden war ich wie hypnotisiert, konnte nicht aufhören in seine blauen Augen zu sehen, die meine Lippen fixierten. Noch immer umfing seine Hand mein Gesicht und ich spürte ein Kribbeln dort auf dem Mund, wo er mich mit dem Daumen berührte. Erst jetzt schien er sich bewusst zu werden, was er da eigentlich tat. Denn seine Pupillen weiteten sich und sein Blick wanderte langsam von meinen Lippen zu meinen Augen. Sein glühender Blick ging mir unter die Haut und raubte mir die Luft zum Atmen. Es war einer dieser typischen Momente, in denen man sich ansah, bevor man sich küsste. Mein Herz klopfte von innen so laut gegen meinen Brustkorb, dass ich schon Angst hatte er könnte es womöglich hören. Ich wollte meine Augen bereits schließen, wollte den Moment willkommen heißen, in dem er sich vorlehnte und seine Lippen endlich die meine berühren würden. Wollte seine Nähe spüren, endlich diese Gefühle zulassen, die er in mir hervorrief. Doch der Moment kam nicht. Stattdessen zog Logan ruckartig seinen Arm zurück, als hätte er sich verbrannt. Schnell senkte er die Augen und unterbrach den Blickkontakt. Sein Gesicht wirkte starr und emotionslos.
»Tut mir leid. Du hattest da etwas Tomatensauce.« Murmelte er und rückte ein Stück von mir ab, ehe er sich wieder seiner Pizza widmete und nach der Fernbedienung griff, um den Fernseher einzuschalten. Noch immer saß ich da wie erstarrt, bewegte mich keinen Zentimeter. War das gerade ernsthaft passiert? Erst wischte er mir diese verdammte Soße mit den Fingern von der Lippe, dann sah er mich an als wollte er mich küssen und nun drehte er sich einfach weg? Ständig gab er mir das Gefühl, dass er dasselbe für mich empfand, nur um mich im nächsten Moment wieder vom Gegenteil zu überzeugen. Ich verstand diesen Mann nicht. Fühlte er denn nun dasselbe für mich oder nicht? Dieses ständige heiß-kalt Spiel zerrte an meinen Nerven. Gut, andererseits wusste ich, dass zwischen uns nichts entstehen durfte und das musste ich mir immer und immer wieder in Erinnerung rufen. Im Grunde sollte ich mir nicht einmal den Kopf darüber zerbrechen, ob Logan sich ebenfalls zu mir hingezogen fühlte. Jedoch stellte sich dies als äußerst schwierig heraus, wenn er mich mit solch einem Blick wie dem eben ansah.
Langsam normalisierte sich mein Atem wieder und mein Blick fiel auf die Pizzaschachtel vor mir. Mit einem Mal hatte ich absolut keinen Appetit mehr, im Gegenteil, Übelkeit stieg in mir auf und ein beklemmendes Gefühl entstand in meiner Brust. Ich musste hier weg, weg von Logan, weg von diesen verwirrenden Gefühlen, die er in mir hervorrief, weg von seinen hypnotisierenden blauen Augen.
»Ich bin ziemlich müde. Ich werde mich schon mal schlafen legen«, ich stand auf, während ich seinen Blick geflissentlich mied. »Gute Nacht. Und danke für die Pizza.«
»Drea warte«, ertönte es hinter mir und ich drehte mich um. »Ich komme kurz mit nach oben und gebe dir noch ein paar Schlafsachen.«Logan erhob sich und kam auf mich zu. Sofort reagierte mein Körper auf seine Nähe und spannte sich an. Ich tat mein Bestes, um diese Reaktion zu unterdrücken und folgte ihm die Treppen nach oben. Logan ging den Flur durch bis zu seinem Zimmer, ich dagegen blieb vor dem Gästezimmer stehen und wartete. Ich war zwar schon einmal in seinem Schlafzimmer gewesen, aber auch nur, weil ich das Badezimmer gesucht hatte. Ihm dieses Mal in sein Zimmer zu folgen, erschien mir irgendwie unangebracht. Kurze Zeit später trat er durch die Tür wieder hinaus auf den Flur, kam näher und sah mich aus seinen klaren Augen an.
»Hier.« er streckte mir ein paar Kleider entgegen, die ich dankend annahm, peinlich darauf bedacht, dass sich unsere Hände nicht berührten.
»Gute Nacht, Drea.« Seine tiefe Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken und ich unterdrückte den Impuls die Augen schließen zu wollen, um dem hypnotischen Klang seiner Stimme zu verinnerlichen.
»Gute Nacht.« Nuschelte ich und sah kurz auf. Sogleich senkte ich den Blick wieder, bevor ich mich in seinen Augen verlieren würde und erneut einer dieser peinlichen Momente entstehen konnte. Logan entfernte sich, ging ein paar Schritte rückwärts, ehe er sich umdrehte und wieder nach unten ging. Sekunden, vielleicht sogar Minuten waren vergangen, in denen ich mich nicht rührte und lediglich auf die Treppen starrte, die er eben hinabgestiegen war. Dann richtete sich mein Blick langsam auf die Kleidungsstücke in meiner Hand. Ich hielt sie an mein Gesicht. Sie rochen nach Vanille, Aftershave und nach ihm. Schmetterlinge tanzten in meinem Bauch und ich tat mein Möglichstes, sie zu ignorieren. Mit einem tiefen Seufzer ging ich auf das Badezimmer zu und schloss die Tür hinter mir ab. Dann schlüpfte ich in die Kleider, die Logan mir gegeben hatte. In diesem Fall ein schlichtes schwarzes T-Shirt, das mir viel zu groß war und eine graue kurze Jogginghose, die nur bis zu den Knien reichte, oder zumindest sollte sie das. An mir waren die Kleider selbstverständlich viel zu groß, woraus ich schloss, dass es sich diesmal nicht um Kleidung von Logans Schwester handelte. Die Jogginghose rutschte mir immer wieder von den Hüften, also ließ ich sie einfach aus, das T-Shirt reichte mir ohnehin fast bis zu den Knien und kam einem Nachthemd somit so gut wie gleich.
Nachdem ich mich umgezogen hatte suchte ich in dem Schrank über dem Waschbecken nach einer unbenutzten Zahnbürste. Zu meinem Glück fand ich sogar eine und erledigte somit meine Abendroutine. Dann schlich ich mich auf Zehenspitzen aus dem Bad und rüber zu dem Gästezimmer. Ich ließ mich auf dem großen gemütlichen Bett nieder und schnappte mir mein Handy. Poppy hatte zweimal versucht mich zu erreichen. Ich tippte auf den Rückrufbuttom und drückte das Handy an mein Ohr. Es dauerte nicht lange bis sie abnahm.
»Na endlich! Ich dachte schon einer dieser vergammelten Telefonmasten in diesem Kaff sei kaputt!«, erklang Poppys Geschnatter vom anderen Ende der Leitung. »Stell dir vor ich säße das komplette Wochenende ohne Kontakt zur Außenwelt hier fest! Das wäre mein Untergang.«
Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als ich Poppys vertraute Stimme hörte. Sofort wurde mir warm ums Herz und es gelang mir Logan für ein paar Sekunden aus meinem Gedächtnis zu streichen.
»Hey Poppy«, begrüßte ich sie mit einem leisen Lachen. »Wie war eure Fahrt?«
Poppy seufzte in den Hörer. »Gott! Frag nicht. Grausam, einfach nur grausam! Noah ist mir die ganze Fahrt über auf die Nerven gegangen. Glaub mir, irgendwann erwürge ich meinen Bruder noch.« Poppy kam gar nicht mehr aus ihren Flüchen über ihren siebenjährigen Bruder heraus und beschrieb mir die fünfstündige Folterfahrt, wie sie es nannte, bis ins Detail. Schließlich hob sich ihre Laune jedoch, als sie von ihrer Ankunft zu erzählen begann.
»Du hättest die Gesichter meiner Großeltern sehen müssen«, gluckste sie in den Hörer. »Die waren völlig außer sich, als sie meine grauen Haare gesehen haben. Fürs nächste Mal färbe ich sie mir vielleicht blau.«Ich konnte nur den Kopf darüber schütteln. Ich kannte keine Person die so verrückt war wie Poppy, doch genau das mochte ich so sehr an ihr. Dennoch verstand ich nicht, weshalb sie so sehr Gefallen daran fand, ihre Großeltern bis aufs Blut zu reizen. Sie liebte die beiden, dies stand außer Frage, doch Poppy hatte es sich aus einem mir unerfindlichen Grund zur Aufgabe gemacht, die beiden zu provozieren. Wir plauderten noch ein bisschen über ihr Wochenende in Neah Bay, bis sie schließlich ein Thema anschnitt, das ich lieber gemieden hätte.
»Hast du nach deinem Kussversuch eigentlich nochmal etwas von unserem heißen Englischlehrer alias Mr. Logan Black gehört?« Fragte sie. Ich schluckte schwer und überlegte wie viel ich ihr sagen sollte, entschied mich letztendlich jedoch für die Wahrheit, früher oder später würde sie sowieso erfahren, dass ich die Nacht bei Logan verbracht hatte.
»Ehrlich gesagt bin ich gerade bei ihm zuhause.« Gestand ich. Für ein paar Sekunden herrschte absolute Stille in der Leitung. Dann brach der Sturm los.
»Oh.Mein.Gott.«, stieß sie aufgeregt hervor. »Das ist jetzt nicht dein ernst, Drea?«
»Naja, ich...« Setzte ich an, doch kam nicht weit mit dem Reden.
»Wieso zum Teufel sagst du das erst jetzt?«, Blaffte sie so laut in den Hörer, dass mir beinahe die Ohren abfielen. »Um Himmels Willen, das ist doch viel wichtiger als mein langweiliges Geschwafel über dieses Kaff hier.«
»Naja, es erschien mir nicht sehr wichtig, ich meine...«
»Nicht sehr wichtig?« Brach Poppy aufgebracht hervor. »Bist du noch ganz sauber? Wie kann es nicht wichtig sein, dass du bei unserem Englischlehrer, der mal so ganz nebenbei angemerkt aussieht wie aus einem GQ Magazin, zuhause bist? Verdammt, sogar die NSA würde sich für diese Information interessieren!«
»Poppy, jetzt komm mal wieder runter. Willst du jetzt wissen warum ich hier bin oder fällst du mir wieder ins Wort?« Ich hob die Brauen und hörte Poppy tief ein und wieder ausatmen.
»Okay. Ich bin bereit, leg los.«Entgegnete sie und ich konnte ihre vor Neugierde funkelnden Augen förmlich vor mir sehen, wusste genau, wie sich ihre Züge veränderten, wenn sie gespannt dem neusten Klatsch und Tratsch lauschte. Ich begann ihr zu erzählen, wie es dazu kam, dass ich bei Logan zuhause gelandet bin, wobei ich den Vorfall mit Adam in meinem Zimmer absichtlich überging. Stattdessen erzählte ich ihr lediglich, dass ich mit meinem Cousin nicht besonders gut klar kam und wir eine kleine Auseinandersetzung gehabt hätten. Ich hatte fast schon erwartet, dass sie mich über diese Sache mit meinem Cousin auslöchern würde, doch als ich von diesem merkwürdigen Moment zwischen Logan und mir beim Pizzaessen berichtete, war sie völlig aus dem Häuschen.
»Er steht auf dich. Definitiv.« Behauptete sie felsenfest.
»Ich weiß nicht, Poppy.« Ich zwirbelte an Logans T-Shirt herum, während ich an seine Berührung mit dem Daumen auf meinen Lippen denken musste. Noch immer hallte das Kribbeln in meinem Körper wider. Sein Verhalten war mir ein Rätsel.
»Vertrau mir, das tut er«, Poppy legte eine nachdenkliche Pause ein. »Ich denke nur, er weiß einfach nicht, wie er sich dir gegenüber verhalten soll, gerade weil er sich zu dir hingezogen fühlt und zu allem Übel auch noch dein Lehrer ist. Ehrlich gesagt wüsste ich an seiner Stelle auch nicht, was ich tun würde. Mich von dir fernhalten oder nicht? Ich meine, hier steht immerhin sein Job auf dem Spiel. Das ist wirklich 'ne ziemliche Scheiße.«
»Du hast wirklich ein Talent dafür, die Dinge auf den Punkt zu bringen«, ich seufzte und versuchte das Thema zu wechseln. »Gibt es was Neues nach deinem katzenhaften Abgang vor Lukas?«
»Lenk nicht ab, Dupree.« Knurrte Poppy verärgert und ich hörte an einem kurzen Rascheln, wie sie ihr Handy vom einen zum anderen Ohr wechselte.
»Ich lenke nicht ab, ich bin dieses Thema nur so langsam leid.«
»Na schön«, gab sie nach. »Nein, nichts neues von Lukas. Ich habe mich noch nicht für meinen katzenhaften Abgang entschuldigt, das erledige ich wenn ich wieder zurück bin.«
»Lass ihn aber nicht zu lange warten, pack den Bullen bei den Hörnern.«Feixte ich, worauf Poppy nur ein gereiztes Grummeln von sich gab. »Ich muss jetzt auflegen. Meine Großeltern wollen einen Spieleabend mit uns machen, fürchterlich oder? Hoffentlich finde ich noch etwas Alkohol im Keller, andernfalls werde ich ihr Gezanke unmögliche ertragen können.«
»Sei nicht so streng mit ihnen, es sind alte Leute.« Lachte ich in den Hörer und kurze Zeit später hatten wir das Telefonat beendet. Bereits jetzt vermisste ich Poppy und ihre wilde Art. Zu wissen, dass wir so viele Meilen voneinander entfernt waren gefiel mir ganz und gar nicht. Seufzend widmete ich mich wieder meinem Handy und checkte noch schnell meine SMS. Überrascht stellte ich fest, dass Danny mir geschrieben hatte. Verwirrt öffnete ich die Nachricht.
Hey Drea, meine Mum sagte mir, dass sie dich vor ein paar Tagen getroffen hatte und zum Essen einladen wollte. Sie kocht morgen Abend und ich soll dir Bescheid geben. Kommst du? Ich würde mich wirklich sehr freuen dich zu sehen. Bitte komm doch. X
Stöhnend ließ ich mich zurück in die Kissen sinken. Er gab es wohl nie auf. Wie deutlich musste ich noch werden, bis er mich endlich in Ruhe ließ? Gut, Danny war mir nicht egal, noch immer war er mir sehr wichtig und ich wollte ihn nicht verletzen. Erst durch ihn hatte ich wieder gelernt Vertrauen in andere Jungs zu fassen. Er hat mir wieder gezeigt, wie ich mich öffnen kann, hat mich dazu gebracht, ihm all die schlimmen Erinnerungen zu erzählen, die Adam beinhalteten. Doch andererseits hatte auch er mich in gewisser Hinsicht betrogen und das konnte ich ihm einfach nicht verzeihen. Mal ganz abgesehen davon, hatte ich kaum noch Gefühle für ihn, was er aber offenbar nicht wahrhaben wollte. Also textete ich ihm zurück, dass es besser wäre wenn ich dem morgigen Essen nicht beiwohnte. Prompt kam eine Antwort.
Bitte überleg es dir nochmal. Du kannst mir morgen Mittag Bescheid geben. X
Ich seufzte und simste lediglich ein Okay zurück. Doch ich wusste bereits, dass ich es mir nicht anders überlegen würde. Die Sache mit Danny war vorbei, so schön die Zeit mit ihm auch war, was er getan hatte, konnte ich ihm einfach nicht verzeihen. Für mich war es vorbei. Ich schaltete die Tastensperre ein, legte mein Handy auf dem Nachttisch ab und schlüpfte unter die Decke. Dann schaltete ich das Licht aus und blickte in die Dunkelheit. Sofort schlich sich Logan in meine Gedanken, doch genauso schnell verdrängte ich den Gedanken an ihn und versuchte mich in die Dunkelheit des Schlafes zu hüllen.
Stundenlang verbrachte ich in einem wechselnden Zustand zwischen schlafen und wachen. Aus irgendeinem Grund wollte mich der Schlaf einfach nicht vollends einholen. Als ich um zwei Uhr in der Nacht auf die Uhr sah, beschloss ich nach unten zu gehen, um etwas zu trinken. Womöglich konnte ich nach einem Schluck Wasser oder Milch besser einschlafen. Zwar fühlte ich mich unwohl bei Nacht alleine in Logans Heim herumzuirren, doch er schlief mit Sicherheit schon tief und fest und hätte bestimmt nichts dagegen. Also trat ich hinaus auf den Flur, wo wieder einmal Totenstille herrschte. Auf Zehenspitzen tapste ich zur Treppe und schlich mich nach unten. Die Nachtlichter Seattles, die durch die hohen Panoramafenster schienen, hüllten die dunkle Penthousewohnung in eine gespenstische Atmosphäre, spendeten jedoch gerade so genügend Licht, um zu sehen, wohin ich ging. Ich schlenderte weiter Richtung Küche.
Da ich noch nie in Logans Küche gewesen war, brauchte ich einen Moment, bis ich mich im Halbdunkel zurechtfand und den Kühlschrank erblickte. Ich war gerade im Begriff ihn zu öffnen, als ich vom Wohnzimmer aus einen Laut vernahm. Mein Herzschlag schnellte in die Höhe und ich erschrak mich so sehr, dass ich mir das Bein an der Anrichte anstieß. Leise fluchend fasste ich mir an mein schmerzendes Knie und spitzte schnell die Ohren. Was zum Teufel war das? Und da ertönte dieser Laut erneut, vielmehr ein Stöhnen. Ich schluckte schwer, während eine Mischung aus Angst und Adrenalin durch meine Adern pumpte. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und ging zurück zum Wohnzimmer. War etwa jemand eingebrochen? Nein, das war eher unwahrscheinlich, schließlich wurde der Eingang unten rund um die Uhr von einem Portier bewacht und die Aufzugtüren ließen sich nur vom Penthouse aus öffnen, es sei denn man hatte einen Schlüssel, zumindest vermutete ich das. Also konnte es nur eine Person sein. Genau in dem Moment, als ich den Gedanken zu Ende dachte, sah ich Logan auf dem Sofa im Wohnzimmer liegen. Als ich mich zur Küche geschlichen hatte, musste ich ihn in der Dunkelheit wohl völlig übersehen haben.
Ich wusste, dass ich eigentlich hätte zurück gehen sollen, zurück in das Gästezimmer und abschließen, um erst gar nicht in Versuchung zu kommen. Doch ich konnte nicht anders, stattdessen ging ich einen weiteren Schritt auf ihn zu. Er lag ausgestreckt auf dem Sofa, ein Arm über dem Kopf, den anderen auf seinem Bauch, das Gesicht von mir abgewandt. Als ich genauer hinsah, erkannte ich dass er seine Kleidung irgendwann heute Nacht gewechselt haben musste, denn er trug lediglich eine graue Schlafhose und ... kein Oberteil. Nichts. Er lag oberkörperfrei vor mir auf dem Sofa. Meine Kinnlade fiel auf den Boden und mein Blick blieb an seinem durchtrainierten Oberkörper hängen. Stahlharte Muskeln zeichneten sich unter seiner Haut ab und weckten in mir den Wunsch sie anzufassen, sie unter meinen Handflächen zu spüren. Um seinen Hals hing ein silberner Rosenkranz. Das kühle Metall des Kreuzes ruhte auf seinem Brustbein und schimmerte hell im Licht der Nacht. Logan Black war die pure Versuchung, er war eine Sünde.
Genau in diesem Moment kam wieder ein Stöhnen über seine Lippen und er warf den Kopf herum. Im ersten Moment zuckte ich erschrocken zusammen und befürchtete bereits, er wäre aufgewacht und ertappte mich auf frischer Tat. Doch dann sah ich, dass seine Augen noch geschlossen waren und er komplett verschwitzt war. Schweißperlen rannen ihm über die Stirn und Brust. Sein Gesicht wirkte angespannt, die Brauen waren zusammengezogen und seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Plötzlich schnellte seine Hand, die zuvor noch über seinem Kopf gelegen hatte nach vorn, als wolle sie nach etwas, mir verborgenes, schlagen.
»Nein.« Stöhnte Logan und wieder schien es, als würde er nach etwas schlagen. Sein Atem beschleunigte sich, kam keuchend und angestrengt über seine Lippen. Sein Brustkorb hob sich unregelmäßig und der Schweiß perlte ihm von den Schläfen. Es war mehr als offensichtlich, dass er gerade einen Albtraum durchlebte. Kurz spielte ich mit dem Gedanken ihn aufzuwecken, allerdings stand ich lediglich in einem T-Shirt bekleidet vor ihm. Und er war halbnackt. Eine Schülerin und ein Lehrer sollten nicht so spärlich bekleidet voreinander stehen. Gott, er war mein Lehrer. Die Situation zwischen uns war ohnehin schon merkwürdig genug, ich sollte sie nicht noch verkomplizieren. Und dennoch, ich wusste zu gut, wie es sich anfühlte Albträume zu haben. In Ängsten festzustecken, die sich so verdammt real anfühlten. Ich wusste wie es war, sich ruhelos in der Nacht von der einen Seite auf die andere zu rollen, im Versuch diesem Trugbild der Wirklichkeit zu entgehen. Ich schloss die Augen und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Sollte ich ihn aufwecken oder einfach nach oben gehen? Er wirkte unheimlich verletzlich und zu gern hätte ich in diesem Moment einen Blick in seinen Kopf geworfen. War es einfach nur ein flüchtiger Traum oder träumte er von etwas, das ihn beschäftigte, etwas, das ihm Nacht für Nacht den Schlaf raubte, so wie es Adams Taten damals bei mir getan hatten? Als Logan erneut zu stöhnen begann und fieberhaft um sich schlug war meine Entscheidung gefallen. Mit schnellen Schritten hatte ich die Entfernung zwischen uns überbrückt und ließ mich vor dem Sofa auf die Knie nieder. Ich musste mich erst kurz sammeln, da mir seine Nähe unter die Haut ging. Zögernd griff ich nach seinen wild um sich schlagenden Armen.
»Logan.« Sagte ich in einem etwas lauteren Tonfall, um ihn aufzuwecken, was jedoch gewaltig nach hinten losging. Denn im nächsten Moment hatte er meine Handgelenke gepackt und rollte sich von dem Sofa herunter. Ich landete unsanft mit Rücken auf dem Boden und die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst, als ich Logans Gewicht auf meinen Körper spürte. In meinem Rücken befand sich glücklicherweise ein Teppich, der meinen Sturz etwas abfing. Blitzschnell hatte Logan meine Handgelenke wieder in eisernem Griff und drückte sie rechts und links über meinem Kopf auf den Boden. Als ich mir der Situation in der ich mich befand bewusst wurde, begann mein Herz wie wild gegen meine Brust zu schlagen und Furcht ergriff Besitz von meinem Geist. Ich war völlig gefangen. Logans Körper auf meinem, der verhinderte, dass ich mich auch nur einen Zentimeter bewegen konnte; sein eiserner Griff um meine Handgelenke, der es mir unmöglich machte, mich mit den Armen irgendwie zu befreien. In dieser Situation hatte ich mich schon einmal befunden und ich verband keine schönen Erinnerungen damit. Ein Bild von Adams hämischem Grinsen schoss mir durch den Kopf und Panik erfasste jede einzelne Zelle meines Körpers. Doch das hier war nicht Adam, es war Logan. Er würde so etwas nicht tun, er war nicht wie Adam, das konnte ich fühlen. Mein Blick richtete sich auf Logans Gesicht und ich erkannte, dass er noch immer nicht ganz bei sich war. Seine Augen waren halb geöffnet und wirkten starr, als wäre er gar nicht hier, offenbar befand er sich immer noch im Schlaf, in einem Traum. Weitere Schweißperlen rannen ihm über die Schläfen und Brust, während er meinen Körper mit seinem gefangen hielt und fieberhaft irgendwelche unverständlichen Worte nuschelte. Er wirkte wie gefangen in seinem Delirium.
»Logan!« Brachte ich erstickt hervor und rüttelte an meinen festgehaltenen Handgelenken. »Logan, wach auf! Ich bin es, Drea.«. Im nächsten Moment riss er die Lider hoch und sah mich aus seinen blauen Augen heraus an. Sein Blick klärte sich langsam auf. Zunächst spiegelte sich Verwirrung auf seinem Gesicht wider, als seine Augen jedoch über mich hinweg wanderten, bis hin zu meinen Händen, die er fest gefangen hielt, machte die Verwirrung dem Entsetzen Platz. Wie von der Tarantel gestochen ließ er von mir ab und stemmte sich auf die Knie.
»Oh mein Gott, Drea«, Murmelte er, während seine wunderschönen Augen vor Schrecken geweitet waren. »Was ist... was tust du hier?«
Ich lag noch immer unter ihm, hatte mich keinen Zentimeter gerührt, die Hände noch immer über dem Kopf ausgestreckt. Mein Puls raste und ich hatte mit Erinnerungen zu kämpfen, die in meinem Innern aufkeimten. Schnell kämpfte ich dagegen an, versperrte sie in der hintersten Schublade meines Kopfes und schloss einen Riegel davor. Ich atmete einmal tief ein und wieder aus, dann bewegte ich vorsichtig meine Arme und rieb mir die schmerzenden Handgelenke. Meine Augen wanderten wieder zu Logan. Noch immer schien er etwas aufgebracht zu sein und schluckte schwer. Einige Strähnen fielen ihm in seine verschwitzte Stirn, fahrig fuhr er sich durch sein goldenes Haar und versuchte seinen rasselnden Atem unter Kontrolle zu bekommen. Er stützte sich mit dem einen Arm auf dem Sofa und mit dem anderen auf dem Couchtisch ab, während seine Augen ziellos durch den Raum wanderten, als wolle er sich versichern, wo er war. Dann glitten sie wieder zu mir und unsere Blicke trafen sich. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass mein T-Shirt nach oben gerutscht war. Röte schoss mir in die Wangen und mit einem Ruck setzte ich mich auf. Wir befanden uns nun auf gleicher Augenhöhe, nur wenige Zentimeter entfernt voneinander. Auf seinem Gesicht zeichnete sich eine Mischung aus Schmerz, Angst und Reue ab.
»Es tut mir so leid, Drea«, Flüsterte und seine Augen wanderten zu meinen Lippen. »Es tut mir leid...« Er schüttelte den Kopf und schloss gequält die Augen.
»Ist schon in Ordnung. Du konntest doch nichts dafür, du hattest einen Albtraum.« Mitfühlend legte ich ihm eine Hand auf den Arm. Sofort spannten sich die Muskeln und Sehnen unter meiner Hand an. Doch er ließ es geschehen. Für ein paar Sekunden saßen wir einfach nur nebeneinander, gefangen zwischen Sofa und Tisch und sagten kein Wort zueinander. Doch das war auch nicht nötig, denn Logan benötigte diese Stille offenbar um wieder zu sich zu kommen und den Schock, aus dem er gerade aufgewacht war zu verdauen. Nach und nach nahm sein Gesicht wieder klarere Züge an, die Emotionen die zuvor noch seine Züge verzerrt hatte, lichteten sich. Schließlich räusperte er sich und fuhr sich erneut in einer hastigen Bewegung durch das Haar.
»Du solltest wieder schlafen gehen.« Er sah mich an und kniff seine blauen Augen etwas zusammen. Sein Blick war undurchdringlich, brannte sich in meinen hinein. Ich spürte seine Nähe und seine Wärme, spürte sie mit jeder Faser meines Daseins. Nur wenige Zentimeter trennten uns voneinander, es wäre ein Leichtes diesen kleinen Abstand zu überbrücken, dieser Anziehung die zwischen uns herrschte einfach nachzugeben, nicht mehr dagegen anzukämpfen.
»Ja das sollte ich.« Entgegnete ich, war jedoch außerstande mich zu bewegen, war verloren in dem Blau seiner Augen. Wieder entstand einer dieser besonderen Momente, der Moment, bevor sich zwei Menschen vereinten, ihre Lippen zueinander fanden. Gerade als ich im Begriff war mich vorzulehnen, rückte Logan abrupt ein Stück von mir zurück.
»Ich brauche etwas frische Luft.« Brachte er gepresst hervor, war mit einem Mal auf den Beinen, und eilte zu den Balkontüren, die hinaus auf die kleine Dachterrasse führten. Mich ließ er alleine und verwirrt auf dem Teppichboden zurück, als er hinaus auf die Terrasse trat. Mein Herz schlug verletzt und verzweifelt gegen meine Brust und versuchte auf sein Verhalten eine plausible Antwort zu finden. Doch es fand keine. Wieso sah er mich jedes Mal an, als wäre ich das einzige Mädchen auf der Welt, nur um mich im nächsten Moment wieder eiskalt fallen zu lassen. Mein Herz war derart aufgewühlt und durcheinander, dass es mich in diesem Moment nicht einmal im Geringsten interessierte, ob es sich bei Logan um meinen Lehrer handelte oder nicht. Nein, in diesem Moment war ich einfach nur ein Mädchen, das wissen wollte woran es war. Noch ehe ich darüber nachdenken konnte was ich tat, war ich auf den Beinen und folgte ihm nach draußen. Die kalte Nachtluft des Septembers blies mir entgegen und ließ mich frösteln, zumal ich nur mit einem T-Shirt bekleidet war. Ich spürte die beißende Kälte der Steinfliesen unter meinen bloßen Füßen, doch selbst diese Tatsache war mir egal. Alles was ich wollte war Gewissheit und ich war festen Willens sie mir zu verschaffen.
Logan hatte mir den Rücken zugekehrt, stützte sich mit beiden Händen auf dem Glasgeländer ab und starrte auf die Skyline Seattles hinaus. Im Dunkeln und aus der Entfernung erkannte ich nur seine schemenhaften Umrisse. Also trat ich näher, verschränkte die Arme vor der Brust. Er hörte mich wohl kommen, denn er neigte den Kopf leicht über die Schulter und offenbarte mir sein wunderschönes Profil. Der Wind wirbelte seine Haare durcheinander und er wirkte mit einem Mal so unglaublich unnahbar und unwirklich. Er hob sich von den Lichtern der Stadt und dem dunklen Nachthimmel ab wie ein gefallener Engel.
»Du solltest schlafen gehen.« Sagte er mit tiefer Stimme, drehte sich aber dennoch nicht ganz zu mir um.
»Wieso verhältst du dich so?« Schoss es sofort aus mir heraus. Mein Puls beschleunigte sich vor Aufregung und ich spürte wie mir die Röte in die Wangen stieg. Ich hatte es satt ständig dem Thema aus dem Weg zu gehen. Verdammt, die Grenze zwischen einem gewöhnlichen Lehrer-Schüler-Verhältnis hatten wir ohnehin bereits überschritten, also konnten wir auch genauso gut Klartext miteinander sprechen. Ich wusste nicht woher ich die Kraft nahm, mich ihm so direkt zu stellen, so frei über meine Gefühle zu reden, doch offenbar war ein Teil meines Temperaments, das ich vor Mums Unfall besessen hatte, zurückgekehrt. Logan seufzte und drehte sich schließlich doch zu mir um. Mit einer Hand fuhr er sich über seine müden Augen, bevor er seinen Blick auf mich richtete.
»Was genau meinst du?«
»Du weißt genau was ich meine.« Verärgert kam ich auf ihn zu und lehnte mich neben ihm an das Glasgeländer, wobei ich die Tatsache verdrängte, dass er noch immer zur Hälfte unbekleidet vor mir in der nächtlichen Kälte stand. Die Nachlichter spiegelten sich in seinen blauen Augen wider und leuchteten seinen Körper von der Seite her an. Er sah so wunderschön aus, dass ich den Kloß in meinem Hals herunterschlucken musste.
»Wieso lassen wir diese Ausflüchte nicht endlich und hören auf uns etwas vorzumachen?« Flüsterte ich leise in die Nacht hinein und spürte seinen glühenden Blick auf mir ruhen. Für einige Sekunden herrschte Stille. Seine Miene schien undurchdringlich und ich hätte alles getan um zu erfahren, was er in diesem Moment dachte.
»Drea«, setzte er an und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich kann nicht...« Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab.
»Warum nicht?« Wisperte ich so leise, dass ich beinahe befürchtete der Wind hätte meine Worte davongetragen, ohne dass er sie gehört hatte. Natürlich wusste ich warum er es sich nicht erlauben konnte, seinen Gefühlen nachzugeben. Allerdings wollte ich es nicht wahr haben, wollte wenigstens für den Moment so tun, als gäbe es nichts, das zwischen uns stand. Als Logan mir keine Antwort gab, sondern sich lediglich wieder den Stadtlichtern zuwandte, setzte ich meine Ansprach fort.
»Manchmal denke ich du magst mich, aber im nächsten Moment vermittelst du mir wieder das völlige Gegenteil. « Ich zuckte verzweifelt mit den Schultern.
»Dich mögen?« Er stieß ein spöttisches Lachen aus und schüttelte den Kopf. Ich spürte ein Stechen in der Brust bei dem seltsamen unterschwelligen Klang seiner Stimme. Mochte er mich denn nicht? Hatte ich ihm irgendetwas getan? Ich spürte wie der Schmerz und die Wut mir gleichermaßen Tränen in die Augen trieben. Seine blauen Augen blickten mich für ein paar Sekunden einfach nur an. Er sagte nichts, tat nichts, schaute mich einfach nur an. Es schien wieder einmal, als würde er über irgendetwas nachdenken, als führe er einen innerlichen Kampf, dessen Qualen ich nur erahnen konnte. Geschlagen schüttelte er wieder den Kopf und in diesem Augenblick schien sich irgendetwas in Logan zu regen. Das Blau seiner Augen nahm wieder diesen glühenden Ausdruck an, während er langsam näher kam. »Ich mag dich nicht nur, Drea. Ich begehre dich.«Und mit diesen Worten nahm er meinen Kopf in beide Hände und presste seine Lippen hart auf meine. Völlig überrumpelt taumelte ich einige Schritte zurück und erstarrte. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich konnte kaum glauben, was gerade geschah. Meine Knie drohten unter mir nachzugeben und ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Ich nahm nichts mehr wahr außer dem hungrigen, beinahe schon verzweifelten Druck seiner Lippen auf meinen. In diesem Moment waren wir nicht Lehrer und Schüler, nein, ich war einfach nur ein normales Mädchen und er ein normaler junger Mann, die sich nicht mehr länger voneinander fernhalten konnten. Ich begann den Kuss zu erwidern.
Ich hoffe sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat und dass diese heiß ersehnte Kussszene nach eurem Geschmack war :D Falls dies der Fall ist würde ich mich wirklich wahnsinnig darüber freuen, wenn ihr mir ein Vote oder ein kleines Feedback hinterlässt. Würde echtgerne erfahren, was ihr von der Geschichte, insbesondere von diesem Teil hält :)
GLG und ein großes Dankeschön fürs Lesen <3
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