
Kapitel 32
Was ich sah, schnürte mir die Kehle zu und lähmte mich für mehrere Sekunden. Dads Worte spiegelten genau das wider, was ich in diesem Moment dachte.
Was zu Hölle?
Zunächst hatte es ganz den Anschein, als würden Logan und Lukas lautstark miteinander streiten. Doch bei genauerem Betrachten erkannte ich, dass Lukas auf Logan einredete, als versuchte er ihn von etwas zu überzeugen, ihn fast schon zu besänftigen. Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können und dann erkannte ich es. Ich erkannte die Wut, die Logans Gesicht verzerrte, erkannte den Hass, der sich in seinen Augen spiegelte, wie ein loderndes Feuer, das alles und jeden um sich herum zu verschlingen drohte. Sein Körper, jede Faser davon, war angespannt, als wäre er bereit, sich jeden Moment in den Kampf stürzen zu können.
Ich hatte diesen Zorn, diese Wut schon einmal an ihm gesehen und noch ehe ich meinen Gedanken zu Ende denken konnte, wanderten meine Augen weiter. Nur wenige Meter entfernt entdeckte ich Tante Carolyn, die Mia auf dem Arm hielt und neben ihr stand ... Adam.
Im Bruchteil einer Sekunde rasselten Bilder auf mein inneres Auge herab. Bilder davon, wie Adam und ich am Tag des Umzugs alleine im Haus waren. Bilder davon, wie er versucht hatte mich zu etwas zu zwingen, dass ich nicht wollte. Ich erinnerte mich zu gut an seine ekelhaften Berührungen, seine großen Hände, die mich auf widerliche Art und Weise gepackt hatten und Dinge mit mir anstellen wollten, die ich abgrundtief verabscheute.
Seit diesem verhängnisvollen Tag vor zwei Monaten hatte ich ihm nicht mehr unter die Augen treten müssen - Gott sei Dank. Aber ihn ausgerechnet hier im Krankenhaus zum ersten Mal wieder sehen zu müssen, damit hatte ich keinesfalls gerechnet. Und Logan ganz offensichtlich auch nicht.
»Ich sehe mal nach, was da draußen los ist«, hörte ich meinen Dad sagen, während er sich erhob und Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen.
Ich dagegen konnte nur unbeweglich dasitzen. Ich war wie versteinert und hatte alle Mühe, meinen unkontrollierten Atem und mein pochendes Herz zu beruhigen. Es fühlte sich an, als könnte es jeden Moment brechen.
Ich hatte gedacht, dass ich damit umgehen könnte, ihn wieder zu sehen. Irgendwann. Ich hatte es wirklich gedacht, hatte es gehofft. Aber in dem Moment, als ich Adam nun sah, kam alles in mir hoch und ich begriff - ich konnte es nicht.
Erst als die Tür hinter Dad mit einem lauten Knall ins Schloss fiel, zuckte ich erschrocken zusammen und erwachte aus meiner Trance.
Ich musste ihm folgen. Ich musste die Situation noch irgendwie retten. Ich musste Logan retten, bevor er etwas tat, was er im Nachhinein bereuen würde. Sofort schwang ich die Beine über das Bett und wollte aufstehen, als ich von einem schmerzhaften Ziehen am Arm unterbrochen wurde.
Mir wurde bewusst, dass ich ja noch immer die Infusion in meinem Arm hatte. Eilig ergriff ich die ganzen Kabel und riss sie einfach heraus. Ich spürte einen kurzen Stich und Blut sickerte aus der Wunde, aber das war mir egal. Auch entfernte ich dieses verdammte Teil an meiner Nase und sprang auf die Füße. Kurz begann es vor meinen Augen gefährlich zu flimmern und kleine schwarze Punkte tanzten am Rande meines Gesichtsfelds. Schnell nahm ich einen tiefen Atemzug und stütze mich kurz an der Wand ab, bis mein Kreislauf sich etwas normalisiert hatte. Dann ging ich weiter zur Tür und öffnete sie einen kleinen Spalt breit, um herausspitzeln zu können.
»Er hat hier überhaupt nichts verloren!«, hörte ich Logans wutentbrannte Stimme. »Er soll sich verpissen!«
»Logan, bitte beruhige dich doch!«, sagte Lukas.
»Ich beruhige mich erst, wenn er verschwunden ist. Wie kannst du nach allem was passiert ist noch zulassen, dass er hierher kommt?«
Mein Blick wanderte zu Logan, der bei Lukas stand und wirkte, als könnte er jeden Moment auf meinen Cousin losgehen. Wieder. Das Einzige, was ihn noch davon abzuhalten schien, war Lukas' fester Griff um seine Oberarme. Logan war völlig durch den Wind.
»Hey Jungs, was ist hier los?«, Dads energische Stimme hallte durch den Krankenhausflur und riss wohl die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich.
»Dad«, Lukas' Griff um Logans Arme verstärkte sich und ich konnte förmlich sehen, wie Lukas Kopf hochrot anlief. »Es ist nichts, nur ...«
»Ich würde auch sehr gerne wissen was hier los ist!«, hörte ich nun auch Tante Carolyns Stimme, die mit einem verständnislosen Blick zwischen Logan und Adam hin und her blickte.
»Adam, Schatz, würdest du mir bitte erklären, was hier gerade vor sich geht?«, fassungslos stemmte sie die Hände in die Hüfte und schaute ihren Sohn erwartungsvoll an.
»Ich weiß nicht, Mom«, Adam wirkte eingeschüchtert, das war nicht zu übersehen. »Offensichtlich hat Mr Black irgendein Problem mit mir.«
Kopfschüttelnd setzte er eine Unschuldsmiene auf, als könnte er kein Wässerchen trüben. Der Ekel und der Hass in mir schwollen immer weiter an. Wie konnte man nur so scheinheilig sein? Ich hasste diesen Menschen. Ich hasste ihn einfach.
»Ich hätte kein Problem mit dir, wenn du deine Finger bei dir behältst, du verdammtes Arschloch! Halte dich von Drea fern!«, Logans Stimme war eiskalt, unberechenbar. Scharf sog ich den Atem ein und konnte nicht glauben, was Logan soeben gesagt hatte. Und das auch noch vor meiner ganzen Familie. Er bewegte sich auf sehr dünnem Eis. Ich musste einschreiten. Sofort.
»Ich weiß nicht wovon er redet, Mom«, Adam wandte sich Tante Carolyn zu und schüttelte ungläubig den Kopf. Logan schien so sehr in Rage zu sein, dass er keine Kontrolle mehr über sich selbst zu haben schien. Die Gefahr, dass er jeden Moment die Bombe platzen lassen könnte, wurde immer größer und innerlich sammelte ich all meinen Mut zusammen, um Adam gleich gegenüberzutreten. Leider geschah dann etwas, womit ich am allerwenigsten gerechnet hatte. Es war nämlich nicht Logan, der für eine böse Überraschung sorgte. Noch ehe ich aus dem Raum getreten war, hatten die Worte seine Lippen verlassen.
»Er redet davon, wie du versucht hast meine Schwester zu vergewaltigen, du Arschloch!«
Lukas. Mein Bruder. Mein eigener Bruder, der mir versprochen hatte immer zu mir zu halten und mir Zeit zu geben. Der versprochen hatte, über diese ganze Sache niemals ein Wort zu verlieren, so lange ich nicht bereit dazu war, darüber zu reden. Wie konnte er nur?
Dies war der Moment, in dem die Tür hinter mir mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.
Lukas' Worte ließen mich zur Salzsäule erstarren. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein. Ich fühlte mich wie betäubt, während alle Blicke sich plötzlich auf mich richteten. Für kurze Zeit herrschte absolute Stille. Keiner wagte es, etwas zu sagen und ich glaubte beinahe schon meinen eigenen Herzschlag pochen zu hören. Lukas' Worte schlugen ein, wie das Krachen eines Donners und ließen alle in absoluter Fassungslosigkeit zurück.
Tränen schossen mir in die Augen.
Ich hatte gewusst, dass ich früher oder später mit der Sprache rausrücken und Dad und Tante Carolyn die Wahrheit hätte erzählen müssen. Aber niemals hätte ich gedacht - oder gewollt - dass es auf diese Art und Weise geschieht. Nicht hier. Nicht so.
»Drea?«, das fassungslose und schuldbewusste Gesicht meines Bruders, dem meine unmittelbare Anwesenheit nun auch auffiel, blickte mir entgegen. »Was machst du hier? Hast du etwa mit angehört...«, seine Augen wurden groß und man musste Lukas nicht gut kennen, um ihm das schlechte Gewissen in diesem Moment an der Nasenspitze ansehen zu können. »Oh mein Gott, ich wollte das nicht... es tut mir leid, Drea.«
Doch ich brachte keinen Ton über meine Lippen. Ich sah ihn lediglich aus tränenverschwommenen Augen enttäuscht an. Wie konnte er es wagen? Wie konnte er mir das nur antun?
»Jetzt reicht es aber! Wir sind hier in einem Krankenhaus! Egal welches Problem ihr offenbar mit meinem Sohn habt, ich verbiete euch eine solch absurde Unterstellung! Zudem sind hier Kinder anwesend, Herrgott! Besitzt ihr denn keinen Anstand?«, Tante Carolyn war völlig außer sich, während sie versuchte, Mia die Ohren zuzuhalten.
»Es ist wahr«, hörte ich meine eigene Stimme sagen, so leise, dass ich schon fast befürchtete, es hätte niemand gehört. Doch mein Dad, der unmittelbar neben mir stand, drehte sich sofort zu mir herum.
»Wie bitte?«, aus seinen großen, braunen Augen sah er verständnislos auf mich herab. Schnell wandte ich den Blick ab, da ich es nicht ertrug, ihm in diesem Moment in die Augen zu schauen. Niemals hätte ich gedacht, dass es etwas gab, das so schwer und schmerzhaft sein würde, als diese drei Worte auszusprechen.
»Es... Es ist wahr«, wiederholte ich sie und spürte, wie mir auch schon Unmengen von Tränen über die Wangen rollten, als die Erinnerungen an Adams Taten in mir aufstiegen. Wieder herrschte Stillschweigen. Niemand wagte es etwas zu sagen. Und dann brach die Hölle aus.
»Halt dein verdammtes Maul!«, schrie Adam laut. »Sie lügt! Verdammt, sie lügt doch!«
»Oh mein Gott«, hörte ich Tante Carolyn flüstern, während ihre Augen zuerst auf mir lagen, dann weiter zu Adam wanderten und wieder zurück zu mir.
»Oh mein Gott«, sagte sie erneut mit einem hysterischen Tonfall, diesmal jedoch etwas lauter. Sie schien vollkommen unter Schock zu stehen. Es sah aus, als könnte sie Mia nicht mehr halten, als würde sie die Kleine jeden Moment einfach fallen lassen. Schnell setzte sie meine kleine Schwester auf die Füße. Mias Augen waren so groß wie zwei Untertassen, während sie fragend durch die Runde wanderten. Natürlich hatte sie nicht die geringste Ahnung davon, was hier gerade vor sich ging und das war auch gut so. Meine kleine Schwester war noch viel zu jung, um über solch abscheuliche Dinge Bescheid zu wissen und Joanna war, Gott sei Dank, sofort zur Stelle, um dafür zu sorgen, dass dies auch so blieb. Eilig nahm sie Mia bei der Hand.
»Okay ähm... Mia, hey! Kennst du mich noch? Ich bin Joanna. Ich habe da vorne einen Süßigkeitenautomat entdeckt. Komm, du darfst dir etwas aussuchen«, sie schnappte sich die Kleine und lief zügig mit ihr den Flur entlang. Ich sah ihnen nach, bis sie um die Ecke verschwunden waren.
Immerhin eine Person, die in dieser Situation noch einen kühlen Kopf hatte bewahren konnte.
»Oh mein Gott«, Tante Carolyn schnappte erneut in fieberhafter Aufregung nach Luft und ihre Augen starrten irgendwo ins Leere.
»Drea«, hörte ich Dads Stimme mit Nachdruck in meinen Ohren hallen. »Ist dir klar, was du da gerade behauptest?«
»Es hat angefangen, als wir zum ersten Mal in Florida waren«, unverwandt nahm ich schweren Herzens das Gespräch wieder auf und versuchte mit aller Macht das aufkommende Schluchzen zu unterdrücken, das unweigerlich in mir aufstieg, als ich an diesen unheilvollen Tag zurückdachte.
»Mom wusste es und hat dafür gesorgt, dass ich ihn danach nicht mehr sehen musste. Aber als Tante Carolyn und ... Adam vor zwei Monaten zu uns gezogen sind, hat es wieder angefangen, Dad. Ich habe versucht ihm aus dem Weg zu gehen, aber am Tag des Umzugs«, nun konnte ich das Schluchzen nichz mehr unterdrücken. Hektisch kam es über meine Lippen und die Gedanken daran, wie Adam mich angefasst hatte, trieben mir nur noch mehr Tränen in die Augen. Ich wagte es kaum in seine Richtung zu sehen. Ich fühlte mich schrecklich, auf gewisse Art und Weise nackt, vor allen entblößt. Selbst einige der Krankenschwester starrten ungeniert auf das unschöne Spektakel zwischen uns und steckten ihre Köpfe zusammen, während sie leise tuschelten, was die Scham in mir nur noch mehr bestärkte. Ich schaffte es nicht einmal zu Poppy zu schauen, meiner besten Freundin. Allerdings spürte ich ihren bohrenden Blick auf mir. Ob sie enttäuscht darüber war, dass ich mich ihr nicht anvertraut hatte? Schockiert über das, was mir angetan worden war?
»Sie lügt, verdammt nochmal!«, hörte ich Adams verzweifelte Stimme, die durch den Krankenhausflur hallte.
»Hör auf so über sie zu reden oder hat dir die gebrochene Nase nicht gereicht?«, meldete sich nun Logan wieder zu Wort, der noch immer von Lukas festgehalten wurde. Hätten Blicke töten können, wäre Adam in diesem Moment tot umgefallen.
»Du hast gar nichts zu melden!«, baffte Adam und deutete mit dem Finger auf Logan. »Du wolltest sie doch auch ficken, obwohl du ihr Lehrer bist. Das ist noch viel schlimmer!«
»Okay, das reicht jetzt!«, in Logan schien eine Sicherung durchzubrennen und mit aller Kraft versuchte er sich gegen Lukas' Griff zur Wehr zu setzen.
»Logan, fuck! Jetzt beruhige dich! Lass dich nicht von ihm provozieren, hörst du?«, versuchte Lukas ihn zur Vernunft zu bringen und hatte große Mühe damit, seinen Freund im Zaum zu halten. Poppy eilte jedoch sogleich zur Hilfe und griff nach Logans anderem Arm. Auch wenn sie mit ihrer zarten Statur den Eindruck erweckte, als könnte sie keiner Fliege etwas zuleide tun, so unterschätzte man sie regelmäßig.
»Dad«, setzte ich nun wieder zum Sprechen an. »Ich lüge nicht, ich ...«
»Du verfickte Schlampe! Halt dein scheiß Maul!«, Adam spie mir die Worte regelrecht entgegen. Beim Klang seiner Stimme zuckte ich heftig zusammen. Doch ich ließ mich nicht von ihm einschüchtern. Dieses Mal musste ich ehrlich sein. Zu meinem Dad. Zu Tante Carolyn. Aber vor allem zu mir selbst.
»Er hat mich angefasst, Dad. Er wollte ... «, ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, konnte das Wort nicht in den Mund nehmen.
Er wollte mich vergewaltigen.
Es war zu schmerzhaft.
Im Augenwinkel sah ich, wie Logan sich von Lukas und Poppy losriss. Aber dieses Mal war es nicht Adam, auf den er zuging. Nein, er kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Ich vergrub das Gesicht in den Händen und weinte so heftig, dass es mich innerlich zu zerreißen drohte. Es war schrecklich. Doch das Schlimmste war der Schmerz und die Scham, die mich von innen heraus auszubrennen drohten.
»Drea«, Logans Stimme erklang unmittelbar neben meinem Ohr. Im nächsten Moment spürte ich auch schon seine starken Arme, die sich um meinen Oberkörper schlangen. Und obwohl Logan soeben ebenfalls kurz davor gewesen war, mein dunkelstes und intimstes Geheimnis vor meiner ganzen Familie preiszugeben, ließ ich es einfach geschehen. Ich ließ mich in seine Umarmung fallen, denn sie war das Einzige, was mir in diesem Moment half, was mir irgendwie Halt gab. Er gab mir Halt.
»Schafft ihn mir aus den Augen, bevor ich mich verliere«, drang die gedämpfte Stimme meines Dads an meine Ohren und ich musste nicht aufschauen, um zu wissen, dass er von Adam sprach. Doch ich nahm kaum mehr etwas wahr und krallte mich noch fester in Logans Shirt fest, da ich das Gefühl hatte, als könnten mir jeden Moment die Beine ihren Dienst versagen.
»Komm schon, Drea, ich bringe dich zurück«, hörte ich Logans Flüstern an meinem Ohr. Gleich darauf rief er noch eine Krankenschwester herbei. Willenlos nickte ich und ließ mich einfach von ihm zurück bugsieren. Noch immer konnte ich nicht aufhören zu weinen. Die Tränen flossen und flossen. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich den Vorfall damals beim Umzug einfach verdrängt hatte, dass ich nie wirklich versucht hatte, ihn zu verarbeiten und allmählich beschlich mich das Gefühl, dass ich das alleine auch nicht schaffte. Ich brauchte Hilfe. Professionelle Hilfe.
Nachdem ich mich zurück auf das Krankenbett gesetzt hatte und eine Schwester mir wieder die ganzen Schläuche angelegt hatte, öffnete sich die Tür zu dem Zimmer erneut und Lukas erschien. Er blieb kurz stehen und musterte mich aus seinen wachsamen, blauen Augen. Dann erst trat er näher und sah beschämt zu Boden.
»Drea, es tut mir so leid, was passiert ist, ehrlich.«
»Es tut dir leid?«, wiederholte ich seine Worte und meine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. Mit einen vernichtenden Blick begann ich weiter zu sprechen.
»Du wolltest doch von Anfang an, dass alle davon erfahren!«
»Aber nicht so«, entgegnete er und schaute mit traurigen Augen zu Boden.
»Du hast mich vor allen bloßgestellt! Weißt du eigentlich, was du mir damit angetan hast?«, brüllte ich wütend und wischte mir energisch die Tränen aus dem Gesicht. Ich hatte keine Kraft, um jetzt mit ihm darüber zu diskutieren und ließ mich einfach zurück auf die Matratze sinken, wo ich den Tränen freien Lauf ließ. Logan, der wieder auf dem Stuhl vor dem Bett Platz genomen hatte, hielt die ganze Zeit über meine Hand.
»Geh«, sagte ich kurz darau leise an meinen Bruder gewandt. Ich konnte seinen Anblick jetzt nicht ertragen.
»Drea, bitte lass uns darüber reden ...«, versuchte er es noch einmal, aber ich fiel ihm sofort ins Wort.
»Hau endlich ab!«, brüllte ich und erschrak fast von dem Klang meiner eigenen Stimme. Sie hörte sich fremdartig an, hasserfüllt und wütend, so gar nicht nach mir.
Lukas seufzte, schien aber einzulenken und wandte sich zum Gehen. Gerade, als er den Raum verlassen wollte, öffnete sich die Tür von selbst und mein Dad erschien im Türrahmen.
Sein Gesichtsausdruck drückte eine Eiseskälte aus, die ich so noch nie an ihm gesehen hatte. Wäre da nicht dieser wütende Ausdruck in seinen Augen gewesen, hätte ich fast schon gesagt er wirkte leer, gefühlskalt.
»Euch beide«, er deutete zuerst auf Lukas, dann auf Logan. »Möchte ich jetzt auf der Stelle sprechen«, sein Tonfall war gefährlich ruhig und dennoch durchschnitt er die Luft wie der Blitz in einer nebligen Gewitternacht.
Lukas seufzte, setzte sich aber in Bewegung. Schuldbewusst und mit hängenden Schultern lief er an Dad vorbei und trat nach draußen auf den Flur. Auch Logan schluckte schwer und sein Blick fand den meinen. Obgleich sein Gesichtsausdruck wieder diese Maske trug, die absolut nichts über seine aktuelle Gefühlslage verriet, so wusste ich, dass er innerlich alles andere als gelassen war. Noch immer hielt er meine Hand fest umschlossen und langsam aber sicher entzog er sie mir. Ein ungutes Gefühl braute sich in meinem Innern zusammen und irgendetwas sagte mir, dass dieses Gespräch mit meinem Dad nicht sehr gut für ihn ausgehen würde, was mir nur noch mehr Tränen in die Augen trieb.
Schluchzend beobachtete ich, wie Logan von mir abließ, seine Jacke nahm und auf meinen Dad zuging. Bevor er das Zimmer jedoch verließ, warf er mir einen letzten Blick zu, der mir endgültig den Rest gab. Ich wollte nicht, dass er ging. Ich wollte nicht, dass wir schon wieder voneinander getrennt wurden, gerade jetzt, wo wir doch endlich zueinander gefunden hatten. Denn eines stand außer Frage, mein Dad war ein scharfsinniger Mann, der sich so leicht nicht an der Nase herumführen ließ. Und sollte er durch Logans Verhalten und Adams bissige Kommentare nicht schon längst eine leise Ahnung haben, dann würde er spätestens in diesem Gespräch herausfinden, was zwischen Logan und mir wirklich lief. Das Tragische daran war jedoch, dass nicht nur unsere Beziehung auf dem Spiel stand, sondern auch Logans Leben, seine gesamte Existenz. Logans Zukunft lag nun in den Händen meines Vaters und der hatte die Macht, all das mit einem einzigen Anruf bei der Schulleitung zu zerstören. Ich konnte nur zu Gott beten und hoffen, dass mein Dad genügend Herz und Seele besaß, um Logan zu verschonen.
In meinem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander, ein Wirbelsturm an Gefühlen tobte in mir und es war, als könnte mein Körper sich überhaupt nicht entscheiden, was er gerade fühlen sollte.
Trauer.
Liebe.
Wut.
Hoffnung.
Es war schrecklich und ich wollte in diesem Moment alles andere, als alleine zu sein. Doch wie sich herausstellte, sollte ich das auch nicht sein. Sobald Logan nämlich das Zimmer verlassen hatte, schien Dad jemanden hereinzubitten.
Keine Sekunde später erschien Poppy im Türrahmen.
Ich musste absolut nichts sagen.
Kein Wort.
Ein einziger Blick genügte.
Mit schnellen Schritten hatte sie das Zimmer durchquert, krabbelte umständlich aufs Bett und kuschelte sich an meinen Rücken. Sie drückte mich so fest, dass ich beinahe keine Luft mehr bekam, doch das war mir egal. Ihre Nähe spendete mir Trost.
Und so lagen wir eine halbe Ewigkeiten einfach nur da, schweigend, während meine beste Freundin mich stumm im Arm hielt und ich mir die Augen aus dem Kopf weinte, weil meine Gedanken ununterbrochen um Logan kreisten.
Gerade erst hatten Logan und ich uns angenähert, hatten beschlossen, aufeinander zu warten, hatten einen Weg gefunden, wie wir in naher Zukunft zusammen sein konnten. Aber nun? Nun schien meine heile Welt in einem absoluten Chaos zu versinken, als wäre mir mein Glück vom Schicksal nicht vergönnt. Denn egal, wie dieses Gespräch nun ausging, es gab eine Sache, derer ich mir absolut sicher war; mein Dad würde diese Beziehung niemals dulden.
- Ende -
Hellooo meine Lieben!
Jap, ihr habt richtig gelesen. Ende Gelände. Aus die Maus. Der zweite Band der Please-Reihe ist hiermit offiziell beendet. In diesem Sinne möchte ich mich noch einmal bei euch allen, jedem einzelnen von euch bedanken. Ich weiß, ich wiederhole mich immer wieder, aber ihr seid die besten Leser, die man sich nur vorstellen kann. Jeder Vote und jedes noch so kleine Feedback bedeutet mir einfach die Welt. Ihr seid der Grund, weshalb ich überhaupt an mich glaube und meine Träume verwirkliche. Ich danke euch aus tiefstem Herzen.
Natürlich ist die Geschichte von Drea & Logan noch nicht vorbei, wie ich bereits im letzten Kapitel angekündigt habe. Morgen könnt ihr den 3. und somit letzten Band der Please-Reihe schon mal in eure Bibliotheken einfügen!
Ich hoffe ihr hattet genauso viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Schreiben von „Please don't leave me". Ich freue mich schon darauf, euch bei „Please stay with me" begrüßen zu dürfen ;)
Ganz viel Liebe,
Eure Lora
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