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Play with fire


~*~

Oh Gott, ich hätte das nicht tun sollen. Ich hätte nicht herkommen sollen. Eine Mutprobe – sowas war doch was für Kinder und ich war schon lange kein Kind mehr.

Und trotzdem lief ich immer noch weiter, schritt über das kahle Pflaster, vielleicht etwas langsamer jetzt, wo ich geglaubt hatte, die ersten Klänge von Musik zu hören. Wenn es nicht Einbildung war. Obwohl es ganz sicher Einbildung war. Weil niemand hier war – hier sein konnte – in dieser ... Ruine.

Ich lief weiter und hatte dabei die lachenden und feixenden Stimmen der Jungs aus meiner Clique im Ohr, die mich angetrieben hatten. Na los, Felix, du kleiner Schisser – eine Nacht – du traust dich doch sowieso nicht.

Vielleicht hätte ich sie fragen sollen, wer von ihnen selbst schon eine Nacht dort drin verbracht hatte. Wahrscheinlich keiner.

Die kahlen Mauern ragten jetzt steil rechts und links von mir auf und begrenzten den Eingang auf einen schmalen Durchlass, der zudem von losem Geröll und herabgefallenen Steinen halb verschüttet war. Ich blieb stehen und rieb mir die schweißfeuchten Hände an der Hose ab. Man kam rein in das Gemäuer, das war nicht das Ding. Aber kam man auch schnell genug wieder raus, wenn es nötig war? Oder ... stürzte dieses ganze baufällige Gebilde einfach über mir ein, wenn ich darin war?

„Du kleiner Schisser", wiederholte ich flüsternd die spöttischen Worte und trat bis an das Hindernis heran, legte die Hand auf einen der größeren Steinbrocken. Wieder ging mein Blick nach oben, aber jetzt war es bereits so dunkel, dass man die Bruchstelle nicht mehr erkennen konnte. Ich stellte mir vor wie sich weitere Steine lösen und mich einfach zermalmen würden, wenn sie herabstürzten, während ich versuchte hinüberzuklettern.

Das Handy in meiner Hosentasche vibrierte, also zog ich es heraus und las die Nachricht. Hätte ich mir auch sparen können. Noch mehr Schmähungen, ob ich schon abgehauen wäre, ob ich mich schon nass gemacht hätte, ich solle doch mal ein Selfie schicken.

Würde ich – sobald ich mich dazu durchgerungen hatte, wirklich hineinzugehen.

Okay, ich konnte ja auch einfach nur mal ... – ein bisschen ungelenk, weil ich das, was ich tat einfach noch nicht zu Ende gedacht hatte, krabbelte ich über die ersten Steine und rutschte prompt aus, als just in diesem Moment wieder leise Musik an meine Ohren drang. Erschrocken hielt ich in der Bewegung inne, verlor das Gleichgewicht und schlitterte über mehr oder weniger kleine Steine ein Stück abwärts. Dabei setzte ich mich außerdem in den Dreck, riss mir die Handflächen auf und fluchte leise, als mein unfreiwilliger Abgang endlich zum Stillstand kam.

Na bitte, immerhin war ich jetzt auf der anderen Seite. Nicht, dass ich mir so sicher gewesen wäre, das auch zu wollen. Leise schimpfend rappelte ich mich auf und sah mich um. Hier war es noch finsterer, die Decken über mir alle intakt, sodass kein bisschen Licht hindurchfiel. Und wieder erklang leise Musik, deutlicher jetzt, und ein Schauer jagte meinen Rücken hinab.

Das konnte nicht sein.

Nun, es konnte natürlich schon, wenn man davon ausging, dass meine idiotischen Freunde das alles hier geplant und entsprechend präpariert hatten. Wenn sie irgendwo einen Lautsprecher versteckt hatten und womöglich sogar Kameras, damit sie feixend verfolgen konnten, wie ich hier mit schlotternden Knien herumtappte.

„Reiß dich zusammen", rief ich mich selbst zur Ordnung, aber es brachte nicht viel. Ich ging weiter, nahm die erste Abzweigung die wohl in einen Raum führte, der ehemals eine Eingangshalle gewesen war und griff wieder nach meinem Handy, dieses Mal der Taschenlampe wegen. Außerdem hielt ich den Kopf oben, die Schultern gerade – nur für den Fall, dass diese Idioten mich tatsächlich filmten und das Ganze dann womöglich noch im Internet verbreiteten.

#Felix scheißt sich die Hosen voll

Oder ähnlich klangvoll beschlagwortet.

Ich versuchte eine gewisse Lässigkeit in meinen Gang zu bringen und stolperte über die nächste Vertiefung im Boden. „Fuck!" Es knirschte hässlich und ein brennender Schmerz zuckte durch mein Knie. Fuck ehrlich – fuck! Das war meine Lieblingsjeans! Jetzt hatte sie einen breiten Riss auf Höhe meines rechten Knies, den man nicht mal mit viel gutem Willen als „gewollt" verkaufen konnte. Und schon gar nicht, nachdem er sich an den Kanten allmählich mit Blut vollsog.

So eine elende Scheiße, wirklich. Ich zog ein wenig an den Stoff, aber im Grunde wollte ich lieber gar nicht sehen, wie es darunter aussah. Es brannte höllisch und es zu sehen würde es nur schlimmer machen, also hievte ich mich wieder auf, griff mir mein Handy und lief weiter.

Die Musik ... war lauter geworden.

Mein brennendes Knie und meine schmerzenden Handflächen sorgten im Moment jedoch dafür, dass es weniger Angst als Ärger war, der mich durchflutete. Jede Wette, das war ein versteckter Lautsprecher. Ich musste ihn nur finden und dann würden sie ihr Scheiß-Selfie bekommen.

Also folgte ich der leisen Melodie, die Klänge einer Spieluhr, wie ich glaubte. Diese Vollpfosten! Echt Mann!! Hatten sie wirklich gedacht, ich würde davonlaufen, wenn sie irgendwo so eine creepy Spieluhr aufstellten? Entschlossen durchquerte ich die Halle, mit nur einem vagen Blick nach oben. Treppen waren da zu erkennen, aber sie reichten nicht bis nach unten, waren in etwa ab der Mitte geborsten und einfach weggebrochen. Dafür gab es auf der gegenüberliegenden Seite zwei Rundgänge, die weiter in die Dunkelheit führten. Ich nahm den rechten Gang, folgte dem langen Bogen und lauschte weiter auf die Musik.

Die Melodie wurde lauter und ich glaubte auch, sie zu kennen, zumindest ertappte ich mich dabei, dass ich sie mitsummte. Und mittendrin endete der Gang, ich stolperte erneut über einen losen Steinquader in der Dunkelheit, taumelte in den nächsten Raum und schlagartig war die Musik verstummt.

„Wirklich witzig", grummelte ich und versuchte den Raum mit meinem Handy auszuleuchten. Zunächst traf der Lichtkegel jedoch etwas, das mir dann doch irgendwie eine Gänsehaut bereitete, denn keine vier Schritte von mir entfernt, stand auf dem nackten Steinboden tatsächlich eine Spieluhr aus weißem Holz. Sie sah aus wie ein altes Jahrmarktkarussell, mit kleinen geschnitzten Pferden. Die Farbe war gelblich verblichen und blätterte bereits ab. Ich ging in die Knie und hob die Spieluhr auf, vielleicht, um sie nochmal in Gang zu setzen. Die Vorstellung, dass ich entscheiden konnte ob sie spielte oder nicht, hatte etwas Beruhigendes, was jedoch augenblicklich verflog als mir klar wurde, dass der Aufzugsmechanismus defekt war. In meiner Verzweiflung schüttelte ich das Ding auch noch, hörte im Inneren leise, schabende Geräusche und ließ sie angewidert wieder fallen. Rasch wich ich einen Schritt zurück, das Licht meines Handys unausgesetzt auf die umgekippte Spieluhr gerichtet.

Nichts geschah. Sie richtete sich nicht selbständig wieder auf, sie begann nicht von allein zu spielen und sie trippelte auch nicht auf unsichtbaren Füßchen aus der Lichtquelle. Erst als mir klar wurde, dass ich schon die ganze Zeit den Atem anhielt, schalt ich mich selbst einen Idioten, stieß die Luft hörbar aus und schüttelte über mich selbst den Kopf.

Für einen Moment erwog ich auch, der Spieluhr einen Tritt zu verpassen, doch die Vorstellung, sie nochmal zu berühren, war so unangenehm, dass ich schlussendlich einfach weiterging und mich nicht mehr nach dem Spielzeug umwandte.

Nur wenige Schritte weiter, der Durchbruch war sicher nicht größer als 20 oder 30 Quadratmeter, erreichte ich erneut eine Wand und dieses Mal hatte ich die Wahl zwischen gleich drei Durchgängen. Stirnrunzelnd überlegte ich, wagte mich in jeden ein Stück hinein, um zu lauschen. Schließlich entschied ich mich dieses Mal für den linken Gang und folgte ihm. Er war niedriger, dafür breiter als der erste und er führte beinahe in gerader Linie, mit nur einem schwachen Bogen nach rechts, endete bei einem ebenso unspektakulären Durchlass.

Wieder leuchtete ich meine Umgebung aus, musste jedoch schnell feststellen, dass der Raum bei weitem zu groß war, um mit meinem Handy irgendwas zu erreichen. Vor mir erstreckte sich eine weitläufige Halle mit jeder Menge Säulen und ich schob mich ziellos mal an der einen, mal an der anderen vorbei. Erst als ich gut die Hälfte der Halle auf diese Weise durchquert hatte, wurde mir klar, dass ich bewusst auf etwas zusteuerte. Ein... anderes Licht oder zumindest etwas, das die Dunkelheit vor mir durchbrach. Und – wie ich nun auch feststellte – es bewegte sich, tauchte auf und verschwand hinter der nächsten Säule, genau wie ich.

„Hallo?"

Meine Stimme hallte von den kahlen Wänden wider.

„Wer auch immer, ihr könnt rauskommen, okay?"

Aber nichts rührte sich.

Erst als ich weiterging, tauchte das schwankende Licht wieder auf und nach weiteren gut zehn oder noch mehr Metern, wusste ich endlich, was diese Lichtquelle war. Die Reflektion meines eigenen Handys.

Ich stand vor einem bodentiefen Spiegel mit aufwändig verziertem Rahmen und kam mir ziemlich dumm vor, wie ich so auf mein Spiegelbild starrte.

Zum einen sah ich ziemlich mitgenommen aus. Die dreckige, kaputte Jeans, mein Shirt war auch voller Staub und Erde, die aufgerissenen Hände und nicht zuletzt der verschreckte Blick. Hier und jetzt konnte ich wohl schlecht leugnen, dass es mich eben nicht kaltließ, dass mir die ganze Situation unheimlich war und ich eigentlich nur weg wollte. Und was wäre dabei? Ich hätte eine Wette verloren. Unentschlossen trat ich noch einen Schritt näher und starrte in meine eigenen Augen. Ich strich mir die hellen Haarsträhnen zurück, die mir wirr in die Stirn hingen und seufzte leise. Da sah ich im Spiegel hinter mir eine Bewegung und fuhr erschrocken herum.

„Wer ist da?!", rief ich wieder. Lauter, auch wenn meine Stimme etwas zitterte, doch niemand antwortete. Ich machte die Taschenlampe an meinem Handy aus und schob es in meine Hosentasche. Wenn hier jemand war der mich erschrecken wollte, brauchte ich keinen Spot auf mich richten. Hastig huschte ich nun weg vom Spiegel und zur ersten Säule, hinter der ich in Deckung ging und vorsichtig um sie herumspähte. Wenn ich den anderen zuerst entdeckte ...!

Zwei oder drei weitere Säulen passierte ich auf diese Weise, doch ich konnte niemanden ausmachen, auch wenn ich hin und wieder glaubte, dass etwas an mir vorbeihuschte, genau in dem Winkel, wo ich nichts mehr erkennen konnte. Ich rief kein zweites Mal, überlegte, ob ich mich nicht auf demselben Weg wieder zum Ausgang vorarbeiten sollte, doch zwei Säulen weiter gefror ich regelrecht mitten in der Bewegung, als hinter mir ein leises Lachen zu hören war.

Es war nicht abscheulich oder grausam, sondern glockenhell und fröhlich, fast wie ein Kinderlachen und doch ... irgendwas stimmte daran nicht, denn es flatterte durch den Raum, als wäre es selbst eine Melodie, ein kleiner Vogel, der sich ziellos zwischen den Säulen bewegte.

Dann verstummte das Lachen, Schritte waren zu hören und überall rings um mich herum flammten kleine Lichter auf, wie Laternen, die irgendwo im Nichts zu schweben schienen. Das Licht reichte, um zum ersten Mal die Größe dieser Halle wahrhaft zu begreifen, aber es reichte nicht, um alle Schatten zu vertreiben. Und genau in jene drückte ich mich nun, als die Schritte näherkamen.

Dann sah ich ihn.

Langsam schlenderte er zwischen den Säulen hindurch, direkt auf den Spiegel zu. Ich bildete mir ein, dass ich seine Schritte hören konnte, gleichzeitig wusste ich, dass er keinen einzigen Laut verursachte. Die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf.

Erst als er vor dem Spiegel stehen blieb, konnte ich auch sein Gesicht sehen und stellte überrascht fest, dass es ein junger Mann war. Seine Haare waren zu lang und fielen ihm ständig in die Stirn, seine Statur wirkte übertrieben schlank. Seine Züge hingegen waren fein und wunderschön, was ihm ein zartes, fast feminines Aussehen verlieh. Und immer noch starrte er in den Spiegel, neigte dabei den Kopf etwas, als suche er darin etwas bestimmtes.

Die Musik erscholl so plötzlich, so laut, dass ich in meinem Versteck regelrecht zusammenfuhr und mich hektisch umsah, wo das denn so plötzlich herkam. Der Unbekannte schien jedoch genau darauf gewartet zu haben, denn mittendrin begann er zu tanzen und wann immer er sich herumdrehte und ich einen Blick auf sein Gesicht erhaschen konnte, erkannte ich diesen verklärten, völlig losgelösten Ausdruck.

Er wirbelte herum, sein Körper wand und bog sich zu den Klängen, die aus allen Richtungen zu kommen schienen und mehr und mehr glich das alles einem sinnlichen Taumel, als wäre er völlig losgelöst von dieser Welt. Verschmolzen mit einer Idee, die nur in seinem Kopf existierte und ihn antrieb. Seine Bewegungen waren anmutig und geschmeidig, gleichzeitig aber auch kraftvoll und beinahe ungezähmt.

Ich hockte mittlerweile auf Knien hinter meiner Säule, spähte um eben jene herum und verfolgte atemlos jede einzelne Bewegung. Noch nie zuvor hatte ich jemanden so tanzen gesehen und etwas daran, an seinen Bewegungen, an der Art, wie er sich der Musik hingab, wühlte sich tief in mein Herz.

Gerade wollte ich den Gedanken, dass das alles inszeniert sein musste, um mich zu verunsichern, gar nicht zulassen, denn er passte kein bisschen zu dem, was ich sah. Mit wild klopfendem Herzen saugte ich jedes Detail auf und als die Musik endete und er sich einfach umdrehte und ging, fühlte es sich an als hätte mir jemand ein Stück Freude aus meinem Inneren gerissen.

Schwankend kam ich auf die Beine, und endlich, endlich konnte ich wieder atmen. Hektisch schnappte ich also nach Luft, machte eine paar unsichere Schritte und rief ihm ein krächzendes „hey!", hinterher, bevor er im Torbogen verschwinden konnte.

Aber weder zuckte er, noch drehte er sich zu mir um. Hatte er mich nicht gehört?

„Hey du!" Ich machte noch einen Schritt, aber auch jetzt erhielt ich keine Reaktion. Nur einen Augenblick später war er im dunklen Durchgang verschwunden und ich fluchte leise. Rasch lief ich ihm nun hinterher, immerhin musste er ja wissen, wer hinter dieser ganzen abgekarteten Sache steckte, doch als ich in den Durchgang trat, erstreckte sich vor mir nur ein langer, völlig leerer Gang.

Das konnte doch gar nicht sein. Ich war selbst durch diesen Gang gekommen und wusste, dass er keine Abzweigungen hatte. Wie hätte er denn so schnell am anderen Ende ankommen und verschwinden sollen? Trotzdem – vielleicht auch einfach nur, weil ich mir beweisen wollte, dass ich recht hatte – lief ich jetzt ebenfalls den Gang zurück, an dessen Ende ich wieder in der Halle mit der Spieluhr ankam. Sie lag immer noch so, wie ich sie hatte fallen lassen, trotzdem machte ich einen großen Bogen darum. Dann hastete ich den Mittelgang entlang, spähte in alle Nischen, gab es schließlich auf, rannte zurück und nahm auch noch den letzten. Ich hatte ihn gerade erst betreten, als die Musik erneut einsetzte. Sie dröhnte durch den Gang, nicht so laut wie sie in der Halle gewesen war, aber laut genug, um zu erkennen, dass es dasselbe Lied war. Auf dem Absatz machte ich kehrt und rannte so schnell ich konnte zurück, durch das kurze Stück Flur, durch den Raum mit der Spieluhr und wieder den langen Gang entlang, der mich in die Halle führte. Noch im Durchgang blieb ich wie angewurzelt stehen und starrte mit offenem Mund auf den Tänzer. Da war er wieder. Anmutig, wunderschön, genau wie zuvor, als würde ich eben jenen Augenblick jetzt ein zweites Mal erleben. Für einen Moment zuckte mein Blick auch zu der Säule, hinter der ich gekauert hatte, in der panischen Vorstellung, mich selbst dort hocken zu sehen, aber da war niemand.

Nur dieser junge Mann, der sich zum Takt der dröhnenden Musik bewegte, durch die Melodie floss, als wäre sie ein Teil von ihm. Und wieder schaffte ich es nicht, mich auch nur einen Schritt weit zu bewegen, weil ich ihn nicht stören wollte – ihn nicht stören durfte – in dieser ... Hingabe.

Auch dieses Mal war jeder Schritt, jede noch so kleine Geste perfekt und auf eine sehr eigenartige und beklemmende Weise vermittelte das, was ich sah, dass diese Leidenschaft, der Schmerz, echt waren. Kein Spiel mit der Musik, keine Interpretation, sondern etwas, dass aus seinem Inneren herausbrach. Als die letzten Töne verklangen endete der sinnliche Wirbel und genau wie zuvor drehte er sich einfach um und ging.

Nur, dass er dieses Mal direkt auf mich zukam.

Mit einem Schlag war meine Ruhe dahin, mein Puls jagte in die Höhe und obwohl ich mich an einem Lächeln versuchte, ahnte ich, dass meine Miene wohl eher einer Grimasse glich.

Unterdessen kam der Fremde heran, die dunklen Haare umrahmten sein Gesicht, während er den Blick auf den Boden gerichtet hatte und nicht ein einziges Mal aufsah.

„Hey", sagte ich wieder. Meine Stimme rau und krächzend.

„Ich ... es ... es tut mir leid, ich ...ahm, wollte nicht ..."

Aber genau wie beim ersten Mal ignorierte er mich völlig, lief an mir vorbei, hätte mich womöglich umgestoßen, wenn ich nicht rechtzeitig ausgewichen wäre, und – ging einfach! Ungläubig drehte ich mich um und sah ihm nach.

„Hey!", rief ich lauter. „Echt jetzt? Kannst du mich nicht hören?" Unfassbar, der Kerl zuckte nicht mal mit dem kleinen Finger. „Willst du vielleicht auch noch behaupten, du hättest mich nicht gesehen?!"

Nun, Behauptung oder nicht, er ging und ließ mich einfach stehen. Zu spät bemerkte ich, was im Begriff stand zu geschehen, dass er wieder durch irgendeine geheime Tür verschwinden würde. Der perfekte Streich – aber so nicht. Nicht mit mir.

Wütend rannte ich ihm ein zweites Mal nach, jagte in den Gang, nur um nach wenigen Schritten stehenzubleiben und den Kopf zu schütteln. Nein, das konnte einfach nicht sein! Aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Also machte ich mich noch einmal auf den Weg, rannte dieses Mal nicht, sondern ging, ließ meine Hand dabei über die Steinwand gleiten um vielleicht den geheimen Durchgang zu entdecken, den er genommen haben musste. Ich fand ihn nicht, landete am Ende wieder in diesem Raum mit der Spieluhr und wandte mich schaudernd von dem umgekippten Spielzeug ab. Sollte ich jetzt wieder die beiden anderen Gänge absuchen? Und dann?

Ich entschied mich, dem rechten Gang bis zu seinem Ende zu folgen, tastete auch hier die Wände ab und als ich bereits auf dem Rückweg war, setzte die Musik wieder ein. Kopfschüttelnd blieb ich stehen und lauschte. Es war dasselbe Lied. Ich rannte los.

Schweratmend jagte ich den Gang entlang, stolperte über die Schwelle und damit mitten hinein in eine Darbietung, dich ich jetzt schon zweimal hatte sehen dürfen. Wie die Male davor fesselte mich das was ich sah und ich stand, reglos, mit angehaltenem Atem, bevor ich mich fast gewaltsam von diesem Anblick losriss und mich langsam näherte. Doch nichts veränderte sich. Er tanzte – ungeachtet dessen, dass ich inmitten dieser Wirbel stand, die er schuf, ungeachtet dessen, dass ich mit meinem Rufen die Musik zu übertönen versuchte – als wäre er nicht von dieser Welt.

Mit einem Kopfschütteln, einem Seufzen drehte ich mich um, sah in den Spiegel und mittendrin, traf ich seinen Blick. Die Zeit stand still.

Immer noch dröhnte die Musik rings um uns, aber er tanzte nicht mehr, sah mich nur an, aus dunklen, fragenden Augen und ich wagte es nicht mich umzudrehen, ja, wagte es nicht einmal mich zu bewegen. Unverwandt starrte ich in den Spiegel, verfolgte wie er näherkam, so nah, dass ich mein eigenes Spiegelbild gar nicht mehr sehen konnte, nur noch ihn, sah, wie er die Hand ausstreckte und meine berührte.

Ein Blick aus schimmernden dunklen Augen, der meinen festhielt und kühle Finger, die zwischen meine glitten. Vielleicht lächelte er, ich wusste es gar nicht zu sagen, aber ich wusste, dass ich unfähig war, irgendetwas zu tun oder auch nur zu denken. Hilflos und stumm stolperte ich also diesen Schritt nach vorn, als er an meiner Hand zog, geradewegs durch die glatte, schillernde Oberfläche des Spiegels hindurch.

Leidlich verblüfft sah ich zurück, sah in denselben Spiegel wie zuvor, nur dass es jetzt wirkte, als wäre ich auf der anderen Seite. Ich sah mich selbst, wie ich auf den Gang zurannte und in der Dunkelheit verschwand, dann verblasste das Bild.

„Aber ...", wieder sah ich ihn an, registrierte dabei, dass er immer noch meine Hand hielt, was mich nun doch verlegen machte. „Wie hast du das gemacht?"

Er ignorierte das sanfte Ziehen, mit dem ich meine Finger zu befreien versuchte, so wie er meine Worte ignorierte, stattdessen vage lächelte und die Nase ein wenig kraus zog.

Ich lachte verunsichert. „Ist das ein Trick?"

Dieses Mal schüttelte er den Kopf. Dunkle Haarsträhnen flogen wild von rechts nach links, bevor er einen halben Schritt näher trat, sich ein wenig zu mir beugte und den Kopf neigte. Sein Blick glitt über mein Gesicht, schien jede Einzelheit aufzusaugen und blieb am Ende an meinen Augen hängen. Neugierig, beinahe fragend, ganz so, als hätte er noch nie einen anderen Menschen gesehen. Das war doch verrückt.

„Sprichst du nicht?"

Schon wieder schüttelte er den Kopf, übermütig fast, wie ein junger Hund, lachte dann, ohne dass ein Laut zu hören waren. Ich blinzelte überrascht. Er – konnte tatsächlich nicht sprechen? Aber ganz offensichtlich konnte er jedes Wort verstehen, also konstruierte ich in Windeseile alle Fragen die ich zu diesem seltsamen Spiel hatte in einer Form, die ja oder nein als Antwort zuließ.

„Haben meine Freunde dich angeheuert? Haben sie dir gesagt, was das hier ist? Wollen sie mir einen Streich spielen?" Aber egal was ich fragte, mein Gegenüber beantwortete jede einzelne Frage, die ich stellte mit einem übermütig-vergnügten Kopfschütteln. Ich gab auf und seufzte. „Verstehst du eigentlich, was ich meine?" Da war ich mir nicht mehr so sicher, denn bisher hatte er alles verneint, was dafürsprach, dass er das einfach nur gern machte – den Kopf schütteln, doch jetzt nickte er plötzlich. Ganz wenig nur und für einen Moment huschte ein trauriger Ausdruck über seine Miene.

Nun wenn das so war. Ich warf einen Blick auf unsere immer noch verschränkten Finger und zog schief grinsend an seiner Hand.

„Willst du mich denn gar nicht mehr loslassen?" Es war scherzhaft gemeint, doch das nachfolgende Kopfschütteln, sorgte dafür, dass ein Schauer meinen Rücken hinabjagte. Das konnte er doch unmöglich so ernst meinen, wie es sich gerade anfühlte? Überdeutlich spürte ich jetzt den Griff um meine Hand und schon wieder kam sein Gesicht dem meinen so nah, musterte mich dieser intensive Blick.

„Hör mal", begann ich rau, meine Stimme plötzlich brüchig und kaum wiederzuerkennen. „Ich bin sicher d-"

Mittendrin presste sich sein Mund auf meinen und ich verstummte augenblicklich.

DAS hatte er nicht getan?!

Dabei tat er es noch, verschlossen diese warmen, weichen Lippen immer noch die meinen und lösten sich erst jetzt ganz behutsam wieder von mir. Ich war so entsetzt, so perplex, dass ich zu keinem vernünftigen Gedanken fähig war, von einer angemessenen Reaktion ganz zu schweigen. Anschreien wollte ich ihn, mich endlich von ihm losreißen, stattdessen stand ich da und starrte wie hypnotisiert in seine Augen. Etwas lag darin verborgen, ein Wissen vielleicht, das ich lieber gar nicht ergründen wollte und eine Wahrheit, die ich nicht auszusprechen wagte.

Als ich endlich meine Fassung wiedererlangte, mich verlegen räusperte, weil ich nicht wusste was ich jetzt tun sollte, traf mich obendrein ein verschmitztes Grinsen und plötzlich zupfte er fast spielerisch an meiner Hand, drehte sich um und lief einfach los.

„Hey!" Na bitte, da war meine Stimme wieder. Klang zwar nicht nach mir, eher nach Reibeisen trifft Rasierklinge, aber immerhin war es hörbar. „Du kannst doch nicht einfach- Hörst du nicht?"

Urplötzlich blieb er stehen, wirbelte auf dem Absatz herum und riss mich ruckartig zu sich heran. Ich stolperte, taumelte und kollidierte ungebremst mit dem warmen Körper vor mir. Augenblicklich packte mich ein zweiter Arm um die Mitte und ein diabolisches Grinsen traf mich. Das Gesicht so nah an meinem, dass ich seinen Atem auf der Haut spüren konnte.

Okay, das reichte jetzt. Das war ... definitiv kein Spiel, das ich zu spielen bereit war. Umständlich versuchte ich mich aus seinem Klammergriff zu befreien, was mir nicht gelang, so wenig, wie ich es schaffte, meine Hand aus seiner zu lösen.

„Lass mich los", murrte ich irgendwann atemlos.

Kopfschütteln.

„Das ist nicht mehr witzig, okay?" Allmählich wurde ich echt sauer. „Also lass mich auf der Stelle los!"

Kopfschütteln.

Verärgert bemühte ich mich erneut, mich aus seinem Griff zu winden, da beugte er sich noch näher, ganz so als wolle er mich schon wieder küssen, nur tat er es nicht. Trotzdem erstarrte ich regelrecht, gab nun jede Gegenwehr auf und atmete stattdessen hektisch ein und aus.

Aus dem Verharren wurde ein Abwarten. Das war nichts, was ich an irgendeiner speziellen Geste oder etwas Ähnlichem festmachen konnte. Es war lediglich ein Gefühl. Er wartete ab, ob ich mich dagegen wehren oder es doch zulassen würde.

Was auch immer ihn auf die Idee bringen mochte, dass ich mir das wünschen könnte.

Wieder riss ich an meiner Hand, was nichts brachte. Mein keuchender Atem vermischte sich mit seinem und ich leckte mir nervös über die trockenen Lippen. Dann spürte ich, wie sein Daumen ganz sanft über meine Hand strich, ohne dass sich sein Griff gelockert hätte und ich erschauerte. Meine Lippen öffneten sich zu einem weiteren bebenden Atemzug.

Gott, wie sehr ich mir in diesem Augenblick wünschte, er würde mich küssen.

Und als hätte er meine Gedanken gelesen, tat er es.

Nun gut, vielleicht musste man keine Gedanken lesen können, um meinen aufgewühlten, bebenden Gesamteindruck richtig zu interpretieren. Auf alle Fälle senkte sich dieser wundervolle Mund jetzt wieder auf meinen, so behutsam, so sanft, dass ich die Anspannung kaum mehr ertragen konnte. Meine Augen fielen einfach zu und meine Knie fühlten sich plötzlich ganz schwach an, als wollten sie jeden Moment unter mir nachgeben.

Das ... konnte er doch nicht tun. Er konnte mich nicht einfach ... küssen. Nicht einfach so, ohne-

Der Gedanke entglitt mir, denn eben tupfte seine Zungenspitze federleicht an meine Lippen, hinterließ dort eine feuchte Spur, sodass jeder weitere Atemzug spürbar kühl über jene Stelle strich. Und dann verschloss sein Mund erneut den meinen. Mit zu wenig Nachdruck, als dass ich mich nicht daraus hätte lösen können, wenn mein Verstand noch irgendwelche Signale und Botschaften weitergegeben hätte. Stattdessen ließ er Welle um Welle ein feines Prickeln durch meinen Körper laufen und ohne es zu merken hob ich meine freie Hand und grub meine bebenden Finger in sein Hemd. Der Stoff war weich, so weich, und durchtränkt von seiner Körperwärme. So wie ich die Finger in sein Hemd schlang, spürte ich, dass er an meinem Mund lächelte, aber auch jetzt ließ er mir keine Zeit, diesen Moment vernünftig zu bewerten.

Mit klarem Kopf hätte ich vielleicht entschieden, dass er sich bei weitem zu sicher war, wenn er lächelte, weil er mich so einfach um den Finger wickeln konnte. Aber mit klarem Kopf hätte ich mich auch nicht von einem wildfremden Kerl küssen lassen, von dem ich gar nichts wusste, noch nicht mal den Namen. Stattdessen stand ich in dieser halben Umarmung, an ihn gepresst, zitternd und bebend zwar, aber unfähig, der Situation zu entfliehen.

Erneut leckte diese freche Zungenspitze an meinen Lippen, schob sich dann einfach zwischen sie und drängte sanft in meinen Mund. Ich konnte mich nicht wehren, wie hätte ich mich ihm entziehen sollen, wenn jede einzelne Berührung von ihm sich anfühlte, als würden kleine Stromstöße durch meinen Körper gejagt. Und dann gab er meine Hand doch noch frei, entzog sich sanft dem Griff der jetzt weit mehr von mir selbst ausging, als von ihm und legte stattdessen beide Hände um mein Gesicht. Warme Fingerspitzen, die über meine Haut strichen, während er meinen Mund eroberte, nicht stürmisch und trotzdem so vereinnahmend, dass mir ein leises Seufzen entkam. Aber bereits einen Augenblick später hielt ich erneut den Atem an, kaum dass unsere Zungen sich das erste Mal berührt hatten. Auch diese Empfindung war in ihrer Schlichtheit überwältigend, ließ mich erschauern, woraufhin seine Hände nun exakt dort ruhten, wo sie eben gewesen waren. Die Daumen auf meinen Wangen, die Finger halb in meine Haare geschoben, Halt gebend und liebkosend in gleichem Maße. Der Druck auf meine Lippen verstärkte sich, die Intensität nahm zu und immer noch war es doch eigentlich nur ein simpler Kuss.

Nein, war es nicht. Verdammt.

Er war ja nicht der erste Mann, der mich küsste und auch wenn ich das für gewöhnlich wirklich ausdauernd und gerne tat – küssen – war das hier doch etwas ganz anderes. Es war etwas, das mir jede Kraft raubte, jeden Funken klaren Verstandes, ganz so, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen, sodass ich eigentlich nur noch fallen konnte.

Und ich fiel, taumelnd und schlingernd, durch unzählige Ebenen einer Wirklichkeit die überhaupt keine Bedeutung mehr zu haben schien. Fühlte mich frei, fühlte mich sicher, während ich umschlungen wurde, von Armen die mich auffingen, Händen, die mich hielten. Fühlte mich begehrt – oh ja, mit jeder Faser – und mochte mich gar nicht lösen von diesem wundervollen Mund, der jetzt gierig alles vereinnahmte. Dann und wann drang ein einzelner, leiser Laut über meine Lippen, doch gleich wurde mein Mund erneut verschlossen und erobert. Ich hatte beide Hände in seine Seiten gekrallt, die Finger in den Stoff geschlungen und beinahe zu Fäusten geballt und ich war selbst dann nicht fähig loszulassen, als sich sein Mund doch noch von meinem löste. Schimmernde Lippen, feucht und rot.

Ich wollte die Hand heben, sie berühren, aber ich schaffte es nicht den Griff zu lösen, also tat ich das Einzige, was wirklich Sinn machte, beugte mich zu ihm und küsste ihn nun meinerseits.

Am Ende war er es, der es unterbrach, seufzend wie ich meinte, auch wenn nichts davon zu hören war. Ein feines Lächeln spannte sich um seine Mundwinkel, ließ sie amüsiert zucken und dann stupste er mich mit der Nasenspitze an, erneut verspielt, rieb mit der Stirn über meine, bevor er den Blick schließlich langsam und auffordernd zur Decke hob. Unwillkürlich folgte ich der Bewegung sah nun ebenfalls nach oben und hielt überrascht inne. Meine Hände, eben noch unfähig sich zu lösen, fielen kraftlos herab und der Griff, mit dem ich gehalten wurde, löste sich ein wenig, sodass ich mich ein Stück drehen und umsehen konnte.

Das war doch gar nicht möglich!

Zunächst war da Licht, überall, nicht grell, sondern das sanfte warme Schimmern unzähliger Kerzen die in ihren Wandhalterungen flackerten und knisterten. Die Wände dazwischen waren auch nicht mehr nur kahler Stein, sondern mit kunstvollen Wandteppichen bedeckt. Ich ließ ihn ganz los, drehte mich herum und versuchte – den Mund vor Erstaunen offen – zu begreifen, was ich sah. Zierliche Möbel aus dunklem Holz, mit geschnitzten Füßen, breite Stoffbahnen an jenen Stellen der Wände, wo vorher Lücken geklafft hatten. Links von mir stand eine breite Kommode, auf der ein wahres Ungetüm von einer Uhr thronte, doch bei näherer Betrachtung stelle ich fest, dass sie keine Zeiger hatte und man somit nichts von ihr ablesen konnte. In der einen Ecke stand ein Schreibtisch, ein monströses Ding, das übersät war mit Büchern und Papier, einzelne Seiten waren – vielleicht einem Luftzug geschuldet – hinabgefallen und lagen auf dem Boden. Die Blumenvase an der Ecke war umgekippt, aber kein Wasser war zu sehen. Dafür ergoss sich ein Regen aus weißen Rosen oder auch losen Blütenblättern über das Holz, Papier und den Boden. Es fühlte sich unwirklich an, als wäre es nur gemalt. Ein Gemälde auf einem Tisch ... nur, dass die Blütenblätter, die herabgefallen waren, echt waren. Mein Blick folgte der versiegenden Spur und so drehte ich mich ganz um. Direkt hinter mir, an der Wand, stand ein riesiges Himmelbett, an dessen Säulen sich ebenfalls weiße Stoffbahnen bauschten, gehalten von blauen Seidenbändern.

Wie hypnotisiert blieb mein Blick eben an jenem Bett hängen und in Sekunden projizierte mein Verstand Bilder in meinen Kopf, die der Verlegenheit spotteten die mich gleich darauf durchströmte. Ruckartig wandte ich mich ab, mein Gesicht brannte vor Scham und es wurde noch schlimmer, als mir bewusst wurde, dass ich ganz genau beobachtet worden war.

Aber es sollte noch weitere, endlos lange Sekunden dauern, bis ich endlich begriff.

Ich träumte!

Natürlich! Das war die einzige Erklärung die Sinn machte. Ich war eingeschlafen und träumte. Wahrscheinlich würde ich, ginge ich jetzt zurück in die große Halle, meinen eigenen zusammengesunkenen Körper dort an eine der Säulen gelehnt vorfinden. Erneut drehte ich mich herum und sah in das Gesicht des Fremden, der mich still beobachtete. Etwas lauerndes lag in seinem Blick und das wiederum bescherte mir eine Gänsehaut.

Nun, ich hatte schon Sexträume gehabt – wer nicht? Und ja ich war – einmal zu oft, wie ich anmerken möchte – verschwitzt und erregt gleichermaßen, aufgewacht, unfähig, im Traum selbst die Erfüllung zu finden, die ich mir gewünscht hätte, weswegen ich es in der wachen Realität, zwar nicht mehr ganz so anregend, wie im Traum vielleicht, nachgeholt hatte. Dass mein Kopf mich, der fehlenden realen Auslastung wegen, die echt schon viel zu lange anhielt, mit nicht existenter, sinnlicher Erotik flutete, war also nicht neu. Dass er es jetzt allerdings mit feudalem Prunk und obendrein mit einem mysteriösen Fremden als Verführer krönte, war schon irgendwie beeindruckend. Vielleicht sollte es mir auch zu denken geben, dass mein Unterbewusstsein, eine so simple Sache auf solch ein Podest hob, denn offenbar bewertete mein Kopf die vorübergehende Flaute in meinem Liebesleben längst nicht mehr als solche, sondern hatten den Katastrophenfall ausgerufen. Wozu sonst die Kavallerie, inklusive Fanfaren und wehender Flaggen?

Ich atmete tief ein und langsam wieder aus. Also schön, wenn das mein Traum war, war es dann nicht auch mein gutes Recht, ihn so zu erleben, wie ich es wollte? Sicher, aber nervös machte es mich trotzdem. Mit verkniffener Miene hob ich den Blick und betrachtete erneut den Mann, den meine Fantasie für mich zurechtgeschneidert hatte.

Hölle ja, er sah so unglaublich gut aus, wie er jetzt vor mir stand, in dieser weißen Hose, die halb über seine nackten Füße rutschte. Aber ... war sie nicht vorhin, in der Halle, noch schwarz gewesen und hatte er nicht Schuhe getragen? Das ebenso weiße Hemd, das halb offenstand, gerade genug Haut zeigte, um meine Fantasie anzuheizen. Das neckische weiße Haarband, dass die dunklen Strähnen doch nicht bändigen konnte und – Moment, und wann genau hatte er sich die Haare zusammengebunden? Verwirrt schüttelte ich den Kopf, leckte mir ruhelos über die Lippen und grinste dann schief.

„Ich habe gar keinen Namen für dich", murmelte ich vor mich hin. „Ich wünschte, du könntest ihn mir sagen." Immerhin war das mein Traum, meine fleischgewordene Sünde, meine Regeln. Ich war mir auch ziemlich sicher, dass er jetzt an mich herantreten würde, die Hand erneut an mein Gesicht gelegt, bevor er mir seinen Namen zuflüstern würde, mit einer Stimme sicherlich, die wie dunkle Schokolade über meine Haut floss.

Aber nichts, nein. Das mit dem luziden Träumen musste ich wohl noch üben. Weder kam er zu mir, noch sprach er. Stattdessen sah er mich wieder so fragend an, neigte den Kopf ein wenig und zeigte ein trauriges, kleines Lächeln, gefolgt von einem kaum wahrnehmbaren Schulterzucken.

Noch mehr Gänsehaut breitete sich über meinem gesamten Körper aus. Verrückt. Das hörte überhaupt nicht mehr auf. Ich schüttelte den Kopf, ob der seltsamen Unwirklichkeit die mich erfasst hatte, aber während ich noch überlegte, was genau ich jetzt eigentlich tun sollte oder gar wollte, kam er doch zu mir, griff erneut meine Hand und hob sie an, die Handfläche an meine gelegt, bevor seine Finger langsam zwischen meine glitten. Seine Stirn senkte sich auf meine und ganz verschwommen konnte ich ein Lächeln erkennen. Im nächsten Moment wich er bereits wieder zurück, der Griff um meine Hand lockerte sich ein wenig und abrupt wurde ich herumgewirbelt, einmal, noch ein zweites Mal. Gegen meinen Willen musste ich lachen, kam wieder zum Stillstand und schwankte kurz, bevor ein Arm mich fest um die Mitte packte. Jetzt stand er in meinem Rücken und wieder beugte er sich ohne Hast über mich. Weiche Haarsträhnen kitzelten mich und ich spürte wie sich sein Mund sanft auf meine Haut senkte, dort am Übergang von meinem Hals zu meiner Schulter, und wie er einige sanfte Küsse darauf platzierte.

Okay, das war ... unruhig blinzelte ich in den mit warmem Licht ausgekleideten Raum und schon wieder waren meine bebenden Atemzüge in der Stille deutlich zu hören. Erst als mein Blick erneut das Bett streifte, schloss ich die Augen rasch.

Es war mein Traum, sagte ich mir immer wieder im Stillen. Mein Traum. Meiner. Aber warum hatte ich dann so wenig Kontrolle über das, was geschah? War auch das unbewusst gesteuert? War ich, obwohl ich so oft mit meinen – in meinen Augen viel zu heftigen – Gefühlsausbrüchen haderte, immer noch zu sehr Kopfmensch? War es das, was mein Unterbewusstsein mir vermitteln wollte? Dass ich endlich aufhören sollte, alles kontrollieren zu wollen? Und wo oder wann wäre es einfacher gewesen, als jetzt im Moment.

Mit einem leisen Seufzen neigte ich den Kopf etwas, gewährte ihm somit ein wenig mehr Platz für seine Liebkosungen und seufzte gleich darauf noch einmal. Lauter, deutlicher, während sich warme Lippen auf meine Haut senkten, seine Zunge leckend feuchte Spuren über meinen Nacken zog, bevor sich sein Mund erneut saugend an einer Stelle festhielt.

Jetzt löste er unsere Finger wieder, gab meine Hand frei und schlüpfte stattdessen mit beiden Händen unter den Saum meines Shirts. Ohne sich überhaupt damit aufzuhalten, schob er den Stoff vor sich her, höher, sodass ich unwillkürlich die Arme hob, und streifte ihn mir einfach ab. Nahezu lautlos, faltete sich das Kleidungstück zu meinen Füßen zu einem kleinen Stoffberg. Unterdessen waren seine Hände wieder an meinen Seiten, strichen nun tastend und neugierig über meine nackte Haut, ein Stück nach oben und unterhalb meiner Rippen nach vorne. Die Finger kreuzten sich über meinem Bauch, verharrte aber auch hier nicht, sondern wanderten weiter. Eine Hand strich nach oben, fuhr über meine Brust und suchende Fingerspitzen rieben über meine Brustwarze, die andere Hand schob sich weiter nach unten. Für einen Moment schlüpften seine Finger unter den Bund meiner Jeans, schienen es sich dann anders überlegt zu haben und krochen wieder unter dem Stoff hervor. Dann folgten sie dem Weg weiter, über den groben Stoff, streichelnd, tastend. Die Zielstrebigkeit mit der es geschah, machte mich völlig willenlos und so sank mein Kopf zurück gegen seine Brust, während ich mein Becken gegen seine Hand drängte.

Sofort nahmen seine Finger diese Bewegung auf, rieben jetzt mit stetem Druck über meine spürbare Erregung und mein leises Seufzen ging in ein verhaltenes Stöhnen über. Ich kopierte die gleichbleibende Bewegung seiner Hand, um den Druck zu verstärken, aber es reichte nicht. Ein frustrierter Laut drang über meine Lippen und ich hob eine Hand, tastete hinter mich, bekam jedoch nur seine Haare zu fassen.

Da zwickten mich seine Zähne leicht in die Halsseite, was mich überrascht zucken ließ, gleichzeitig rutschte nun auch seine zweite Hand ab und binnen eines Herzschlags, hatte er den Knopf meiner Jeans geöffnet, den Reißverschluss, bevor seine Hand direkt unter alle Stoffschichten fuhr und sich auf meinen harten Schaft legte.

Großer Gott! Seine Finger waren warm – nein heiß! – umfassten mich trotz der beengten Möglichkeiten und ich riss überrascht die Augen auf. Ein weiteres heiseres Stöhnen entfuhr mir. Und ja, mir war klar, dass ich dieses Spiel nicht würde beherrschen können, dass er mir weder die Zeit und ganz sicherlich nicht die Chance dafür lassen würde. Aber das war okay, es war gut, oder wäre es gewesen, wenn ich nicht da schon gewusst hätte, dass ich es wohl kaum so lange würde genießen können, wie ich wollte. Viel zu hoch brandeten jetzt schon die Wellen meiner Erregung, obwohl er mich doch kaum berührt hatte – das war nicht fair.

Es war mein Traum. Meiner. Mein ...

Mein eigenes Keuchen durchbrach den Taumel, als einziges Geräusch, das laut genug war, um all die anderen zu übertönen. Das Reiben von Stoff auf Haut, das Suchen eines gierigen Mundes, gehauchter Atem. Er zog die Hand zurück, schob mich noch in der Bewegung nach vorn und ich stolperte, immer noch gehalten, auf das Fußende des Bettes zu. Auf dem Weg dorthin schaffte ich es tatsächlich, mich umzudrehen, schlang dann die Arme um seinen Nacken, genau in dem Moment, wo sich die Bettkante in meine Kniekehlen drückte.

Warte, wollte ich sagen, brachte es aber nicht heraus und dann war es auch schon zu spät, denn er schob mit einer einzigen, fließenden Bewegung meine Jeans hinab und mich weit genug zurück, dass ich das Gleichgewicht verlor und auf die Bettkante plumpste. Noch während ich da saß, trat er zu mir, schob mir mit einem Knie die Beine weiter auseinander und drängte sich dazwischen. Ein wissendes Lächeln traf mich und eine auffordernd ausgestreckte Hand wartete darauf, dass ich ihm meine reichte. Kaum lagen meine Finger in seinen, umschloss er sie, führte meine Hand nun auf das Stück freie Haut auf seinem Bauch und hielt sie dort fest.

Herrgott! Warum? Ich wollte aufstehen, wollte ihn berühren, überall. Wollte den Stoff von seinen Schultern schälen, jeden Zentimeter seines Körpers mit meinem Mund erforschen. Jede Erhebung, jede Vertiefung mit meiner Zunge nachfahren, wollte all das, aber ich kam nicht dazu. Die Hand, die meine führte, schob meine Finger auf den Bund seiner Hose zu, also kam ich der Aufforderung nach. Löste den Gürtel, öffnete seine Hose. Meine Finger zitterten nur ganz wenig. Da er mich nicht aufhielt, schob ich den Stoff hinab bis über seine Knie, Unterwäsche und Hose zugleich, strich mit den Händen in entgegengesetzter Richtung über seine nackten Beine wieder hinauf und folgte diesem Weg mit meinem Blick. Unwillkürlich musste ich lächeln, konnte er doch seine Erregung so wenig verbergen wie ich meine. Ungeduldig zuckte mir sein steifes Glied entgegen, aber nein, jetzt berührte ich ihn nicht, jetzt musste er warten, ganz gleich wie sehr er es wollte. Stattdessen ließ ich meine Hände seitlich vorbeigleiten, löste meinen Blick ebenfalls davon und fuhr, die Finger gespreizt ein Stück weiter über seinen Bauch hinauf. Meine Fingerkuppen pressten sich in seine Haut, nur für eine Sekunde, dann wanderten meine Hände weiter, jetzt zur Seite hin und damit unter den Stoff seines Hemdes.

Da öffnete er ohne jegliche Hast die verbliebenen Knöpfe und der helle Stoff rutschte lautlos über seine Schultern.

Hatte ich schon erwähnt, wie wunderschön er war? Und jetzt, hier – genau in diesem Moment – war es so überwältigend, dass meine eigene Erregung mich aufgeregt zittern ließ. Er war makellos in seiner Nacktheit, das war vielleicht die richtige Bezeichnung, obwohl ich ein halbes Dutzend Kleinigkeiten hätte aufzählen können, die ihn eben nicht perfekt machten. Oder es war genau das, ich wusste es nicht. Und weil ich es nicht wusste, weil ich es kaum ertragen konnte, ihn weiterhin einfach nur anzusehen, sank ich jetzt nach vorn, bis meine Stirn seinen Unterbauch berührte. Sicherlich spürte er meinen harten Atem, dafür war die Berührung, mit der seine Finger in meine Haare glitten, ganz sanft. Sie reichte dennoch.

Blinzelnd öffnete ich die Augen wieder, umfasste mit einer Hand seinen harten Schaft, der sich mir entgegenreckte und ich öffnete meinen Mund ein wenig. Ein dünner Speichelfaden tropfte von meiner Lippe auf seine Eichel, welchen ich mit dem Daumen verrieb, bis sie feucht glänzte. Dann erst hob ich den Kopf, traf erneut seinen Blick, der immer noch auf mich gerichtet war, hungrig jetzt und schimmernd vor Erregung. Ich sah auch, wie er einen Moment lang die Zähne in seine Unterlippe grub und schließlich seinen Kopf in den Nacken fallen ließ, der Mund geöffnet in einer Mischung aus stummer Qual und Lust, während ich meine Lippen um die samtene Spitze schloss, fest genug. Während meine Zunge über die Haut rieb, eher spielerisch noch und während ich ihn tiefer in meinen Mund gleiten ließ, viel zu langsam. So langsam, dass sich seine Finger grob in meine Haare schlangen. Seine Bauchmuskeln vibrierten sichtbar zitternd unter der Anspannung, den Moment als solchen hinzunehmen, doch als ich es wiederholte, entwand er sich mir mit einem leisen Zischen. Es war der erste, bewusste Laut, den ich von ihm hörte.

Wieder hob ich den Kopf, gleichzeitig beugte er sich zu mir, packte mich am Kinn, küsste mich wild, bevor er mich einfach umstieß. Er griff in den Bund meiner Unterwäsche, riss den Stoff mit einem Ruck über meine Beine hinunter und kroch rasch über mich, bevor ich mich aufrappeln konnte. Ohne Vorwarnung beugte er sich herab, ließ seine Zunge dabei in einer einzigen, langen Bewegung von meinem Bauchnabel bis hinauf zu meiner Brust gleiten, bevor er aufsah, schmunzelnd, erneut den Kopf geneigt, während ich hektisch ein- und ausatmete.

Noch einmal küsste er mich und ich griff in seine Haare, zog an dem weißen Stoffband, dass sie zusammenhielt, sodass sich ein duftender, dunkler Vorhang auf meine Stirn und Wangen ergoss. Mit beiden Händen fasste ich in die dunklen Strähnen, hielt ihn fest, wollte ihn noch einmal küssen, aber womöglich war er jetzt des Spielens überdrüssig.

So könnte man es vielleicht bezeichnen, denn so wie er mich auf das Bett dirigierte, ohne großartige Neckerei, rutschte er nun hinab, seine Hand griff in meinen Schritt und legte sich um mein steifes Glied. Er hockte dabei zwischen meinen Beinen, massierte meinen harten Schaft, trieb mich ohne irgendwelche Nebensächlichkeiten gnadenlos auf einen Höhepunkt zu, womöglich identisch zu einem Akt harter und schneller Befriedigung, die ich mir oft genug selbst verschafft hatte, genau auf diese Weise. Auf irgendeiner Herrentoilette, unter der Dusche, ganz gleich wo. Es war diese Art von Befriedigung, die im Wesentlichen nur Erleichterung verschaffte, weil Zeit und Ort gerade nichts anderes zuließen.

Und dann hörte er mit einem Mal auf, beugte sich noch weiter vor und ich war so plötzlich in seinem Mund, dass mein Verstand tatsächlich sekundenlang hinterherhinkte. Großer Gott! Mit einem dumpfen Keuchen bäumte ich mich auf, grub die Finger in das Laken unter mir, bevor mein eigenes lautes Stöhnen zu hören war. Was ... was tat er nur? Blinzelnd starrte ich ins Nichts, während mein Becken der Bewegung entgegenzuckte und dafür sorgte, dass ich mich noch tiefer in diese feuchte Wärme versenkte. Das Saugen wurde härter, die Bewegungen schneller und selbst wenn ich gewollt hätte, wäre es mir wohl nicht mehr möglich gewesen, ihn in irgendeiner Weise vorzuwarnen.

Meine Hand legte sich mit leichtem Druck auf seinen Scheitel. Ich wollte kommen und ich wollte es in seinem Mund, wollte es sehen, wollte ...

Mein hilfloser Aufschrei begleitete das wilde Zucken meines Körpers, als es soweit war. Und ich spürte die Bewegungen seiner Zunge, das immer noch heftige Saugen, während ich mich in seinen Mund ergoss. Der nächste Laut war kaum mehr als ein Wimmern, weil es zu viel war, jede Empfindung total überreizt. Tatsächlich ließ er jetzt von mir ab. Mein erschlaffendes Glied glitt mit einem leisen, unanständigen Geräusch aus seinem Mund und für einen Moment presste er die Lippen zusammen hob den Kopf und schloss die Augen. Dann sah er mich an und ein vages Schmunzeln zupfte an seinen Mundwinkeln.

Ich wollte etwas sagen, aber es gab keine Worte und mein sanfter Griff, mit dem ich ihn zu mir ziehen wollte, wurde abgewehrt. Er schob meine Hand einfach weg, kniete dabei immer noch zwischen meinen Beinen, den Blick glitzernd auf meine Augen gerichtet.

Dann öffnete er den Mund und eine glitschige Mischung aus seinem Speichel und meinem Sperma floss über seine Unterlippe, welche er mit der Hand auffing. Die nasse Hand fuhr zwischen meine Beine, Sekunden später glitten zwei seiner Finger in mich und ich schnappte überrascht nach Luft. Ich wusste überhaupt nicht wie mir geschah, verfolgte immer noch, wie er mit einem schwachen Grinsen und fast genüsslich die letzten Reste mit der Zunge von seiner Unterlippe leckte, was so verrucht aussah, dass mir der Atem stockte. Gleichzeitig schob er jedoch seine Finger in mich und die Zielstrebigkeit dieser Bewegung hebelte erneut mein Denken aus.

Er nahm sich nicht übermäßig viel Zeit, mich vorzubereiten, aber vielleicht war das auch nicht mehr nötig und das nächste, was ich überdeutlich wahrnahm war, wie er mich ausfüllte. Nicht das Eindringen, nicht die paar Stöße, die es brauchte, bevor er sich vollständig in mir versenken konnte, sondern der Moment danach, wo ich ihn spüren konnte und sich meine Muskeln nicht mehr krampfhaft wehrten, sondern um ihn schlossen. Wo seine Präsenz so überdeutlich war, dass es fast zu viel war, um es zu bewältigen. Ich wollte, dass er sich bewegte, dass er mir Raum gab, diese Empfindung anzunehmen, aber er tat es nicht. Stattdessen zwang er meinen Körper es hinzunehmen und das war brutal, in jeder Weise wie man dieses Wort interpretieren konnte. Ich grub die Finger laut keuchend in seine Haare, bohrte meine Fingernägel in seine Haut und suchte mit bebenden Lippen seinen Mund.

Mein eigener Geschmack traf mich unerwartet, obwohl ich doch darauf hätte vorbereitet sein müssen. Salzig, vielleicht in wenig nussig war das Aroma, das auf seine Lippen haftengeblieben war und ich zuckte unwillkürlich zurück, doch jetzt ließ er mich nicht mehr entkommen. Gierig zwang er mich in diesen Kuss, bis ich nachgab, mich ihm seufzend öffnete. Dann wurde er sanfter, seine Zunge umschmeichelte meine, forderte mich auf zu kosten, also tat ich es.

Verfangen in diesem Kuss, nahm ich nur am Rande wahr, wie er sich ein Stück zurückzog, nur um mich erneut mit einem tiefen Stoß auszufüllen. Ein hemmungsloses Stöhnen meinerseits folgte. Und dann tat er es nochmal, nochmal. Und nochmal.

Ich hatte keinen Atem mehr, um ihn zu küssen, meine Kraft reichte nicht mehr, um ihm entgegenzukommen, also nahm er sich meinen willenlos bebenden Körper auf seine Weise, langsam und gründlich. Auf der einen Seite war es sicherlich erschütternd, zu erleben, wie mein Körper einfach aufgab, auf der anderen Seite war es aber auch irgendwie erhebend. Berauschend, weil es nichts mehr gab, was ich verbergen konnte, weil jegliche Kontrolle unter all dem begraben lag, was irgendwann mal verborgen war und jetzt nackt und bloß vor ihm ausgebreitet war. Und er nahm sich alles. Jedes einzelne wilde Hämmern meines Herzens, jedes Bruchstück meiner Seele, mit jedem Stoß, der meinen Körper erschütterte. Mein Höhepunkt kam und ging, doch weder hielt er inne, noch konnte mein dumpfes Stöhnen ihn irgendwie aufhalten. Als ich spürte wie er in mir kam, heiß und zuckend, erschauerte ich erneut. Da war die Feuchtigkeit zwischen unseren Leibern längst klebrig erkaltet.

Still und ruhig senkte sich sein Mund auf meinen, küsste er meine geschwollenen Lippen, atemlos immer noch, aber schon mit jener Trägheit, der man die Erschöpfung anmerkte. Ich musste schmunzeln, strich wieder durch seine Haare, die feucht an seinen Wangen klebten und verfing mich in den dunklen Augen. Es war ein einzigartiger Moment, die Stille allumfassend und berührend. Jedes Wort hätte den Augenblick zerstört.

Und dann küssten wir uns doch wieder, sanft und viel zu müde eigentlich, aber immer noch ineinander verschlungen. Meine Augen fielen zu, während seine Fingerspitzen sanfte Muster auf meinen Rücken malten und ehe ich mich dagegen wehren konnte, war ich eingeschlafen.

*

Mein Erwachen war vor allem durch eine Empfindung gekennzeichnet. Dem untrüglichen Gefühl, dass irgendetwas ganz gewaltig nicht stimmte. Noch bevor ich die Augen aufschlug, wurde mir die Kälte bewusst, die von den Steinen ausging und längst durch meine Kleidung gedrungen war. Ich blinzelte und hob den Kopf. Verwirrt blickte ich mich um, lag dabei immer noch halb zusammengekauert auf dem Boden neben einer Steinsäule und schaffte es nur mühevoll, mich aufzurappeln. Mein ganzer Körper war steif und schmerzte, mein Nacken war verspannt und mein Mund war ganz trocken. Da nutzte es auch nichts, dass ich mit der Zunge immer wieder über meine Lippen fuhr. Was mich geweckt hatte, konnte ich ebenfalls nicht sagen, vielleicht das beständige Vibrieren meines Handys in der Hosentasche, aber ich reagierte nicht darauf. Ein zweites Mal sah ich mich um, entdeckte nun den Spiegel und war schlagartig hellwach. Die Erinnerung schlug beinahe gewaltsam zu und ich kam keuchend auf die Beine, taumelte verwirrt zu dem großen Spiegel hin und starrte eine ganze Weile nur hinein.

Das ... war nicht möglich.

Meine zitternde Hand legte sich auf die glatte Oberfläche, doch was immer ich auch erwartet hatte geschah nicht. In der Folge umrundete ich den Spiegel einmal, tastete erneut über die schimmernde Fläche, aber er blieb, was er war. Ein Spiegel, die feine Staubschicht auf seiner Vorderseite jetzt durchbrochen durch die Spuren meiner tastenden Finger.

Verwirrt sank ich vor dem Spiegel auf die Knie und blieb dort hocken. Meine Gedanken wirbelten wild durch meinen Kopf und ließen sich nicht einfangen und erst als jemand meine Schulter berührte, fuhr ich mit einem Aufschrei herum.

Der andere schrie ebenfalls, dann war ein leises Schnauben zu hören.

„Herrgott, Felix, hast du mich erschreckt. Warum sitzt du hier herum und starrst Löcher in die Luft? Warum gehst du nicht an dein verdammtes Handy? Wir suchen dich seit über einer Stunde. Es ist fast Mittag, wolltest du auch irgendwann wieder rauskommen?"

Vertrocknete cremeweiße Rosenblätter wurden von einem Luftzug über den Boden geweht, hingen einen Moment an seinen Schuhen und tanzten dann weiter über den Stein.

Womöglich interpretierte er mein Unverständnis als Trotz, denn während er mich auf die Beine zog und einfach mitschleifte, hin zum Kreis meiner ganzen Clique die am Eingang wartete, plapperte er unverdrossen weiter, ein wenig schuldbewusst jetzt vielleicht.

Aber ich hörte ihm nicht zu.

Das Blut rauschte in meinen Ohren und mein Atem stockte, während sich meine Finger um ein weißes Haarband aus Stoff schlangen, dass ich soeben aus meiner Hosentasche gefischt hatte. Ich schloss die Faust darum, in meinem Kopf erklangen die leisen Töne einer Spieluhr.

~FIN~

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