Chan P.O.V.

Die Fahrt zu unseren Tanzräumen verlief vollkommen ruhig. Niemand wagte es ein einziges Wort zu sprechen, geschweige denn hatte jemand weiter gestritten.

Nur ein einziges Mal hörte ich ein leises Kichern, welches wohl Minho zuzuordnen war. Fast musste ich mit lächeln. Doch wollte ich mich nicht durch die Stimmung der anderen beeinflussen lassen. Ich war wütend, und würde es noch eine Zeit lang bleiben.

Beziehungsweise wusste ich nicht genau, welches Gefühl es war, das sich so schwer in meiner Brust absetzte.

Ich meine, wie konnte Woojin nur die Jüngeren als Schwuchteln bezeichnen? Wusste er denn nicht wie verletztend das alles war?

Konnte er sich nicht vorstellen wie sehr seine Aussage mein Herz zerstörte?

Nach der Fahrt lief unsere kleine Gruppe mit deutlich bedrückten Mienen über den Parkplatz. Ebenso stumm zogen wir uns um und ich konnte förmlich spüren, wie die Luft begann vor lauter Kälte zu gefrieren.

Während die meisten von uns also einige Minuten später begannen ihre Muskeln zu dehnen oder sich erst einmal locker zu machen, griff ich nach dem Arm meines Hyungs.

Seinen irritierten und vermutlich ängstlichen Blick nicht beachtenden, zog ich ihn einfach auf die andere, leere Seite des Trainingsraumes.

Während ich ihn hinter mir her zur Musikanlage zog, spürte ich, wie meine Beine langsam aber sicher zu Pudding wurden. Selbst dieser kleine Körperkontakt versetzte meine Eingeweide in hohe Aufruhr.

Ich hätte mich dafür schlagen können, als meine Hand wirklich begann zu schwitzen. Es verwunderte mich, dass er es anscheinend nicht bemerkte, trotz meiner Hand an seinem ziemlich durchtrainierten Oberarm.

"Wir unterhalten uns nachher noch mal, verstanden?!" zischte ich mit einer ungewohnt strengen Stimme. Ich fixierte sein wunderschönes Gesicht mit meinen Augen. Er schaute mich einen Moment lang an, bevor er seinen Kopf langsam senkte.

Sein Blick wanderte nicht über den Boden oder war sonst in irgendeiner Weise unruhig, sondern lag nur stumm auf seinen Füßen.

Okay, wahrscheinlich haben ihn meine Worte eben doch mehr getroffen als sie es eigentlich sollten. Aber im Moment tat er mir nicht wirklich leid. Er sollte lernen, jeden einzelnen, mit seinen besonderen Charakterzügen zu respektieren.

Und selbst wenn er sagte, dass er nichts gegen homosexuelle Personen hatte, kam es nicht so vor, als fände er es so gut.

Ja klar, jeder hatte eine andere Meinung. Aber war es nicht total unnötig jemanden dafür zu verurteilen, dass er sich verliebte?

Wo lag das verdammte Problem dabei, wenn sich zwei Jungen liebten? Hatten Menschen wie Hyunjin und Seungmin, wie ich es etwa nicht verdient sich verlieben und glücklich sein zu dürfen?

Auf meine kleine Aufforderung hin, nickte der Ältere leicht, aber wich dennoch meinem hypnotisierenden Blick aus.

"Ob du mich verstanden hast, will ich wissen!"

Vielleicht nutzte ich gerade meine Leader-Position dafür aus, Respekt von meinem Hyung zu bekommen. Aber nur ganz vielleicht.

"Ja. Verstanden..." sagte Woojin mit einer kratzigen Stimme. Sein Oberkörper begann sich langsam von mir weg zu bewegen, weshalb ich sehr geschockt war als ich meine Hand, welche noch immer an den angespannten Muskeln Woojin's lag, realisierte.

Schlagartig nahmen meine Wangen einen zarten Pink Ton an und ich entfernte mich mit einem großen Schritt von dem Schwarzhaarigen. Mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst bekam es könnte mir aus der Brust hüpfen.

Während ich mich zu der Musikanlage umdrehte und eines meiner Lieblingslieder einlegte, habe ich mich selber verflucht.

Ich sollte definitiv besser aufpassen, was meine Gefühle für meinen Hyung betraf. Es war nämlich besser wenn er nicht herausfinden würde, wie sehr ich ihn liebte.

Die Musik spielte nun, und gab mir das Bedürfnis all meine Frust raus zu lassen. Traurig lächelte ich nun einmal die Wand an. Liebeskummer war etwas unglaublich Schreckliches.

Wie konnte Felix das nur die ganze Zeit aushalten? Und dann versteckte er es auch noch so gut, als wäre er ein verdammter Schauspieler...

"Chan-Hyung, kommst du?" riss mich die schüchterne Stimme unseres Maknaes aus den Gedanken. Er zupfte leicht an meinem Ärmel und versuchte anscheinend meine Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Kurz zuckte ich zusammen, aber lächelte ihn daraufhin beruhigend an.  Er sollte nicht denken dass ich seine Anwesenheit nicht wert schätzte, denn das tat ich sehr wohl.

"Natürlich..." Ich folgte dem jüngsten in die Mitte des Raumes, wo auch schon Minho auf uns wartete. Er wollte uns schon die Choreographie weiter erklären. Dank Felix und Changbin haben wir es ja heute nicht wirklich geschafft.

"Beginnen wir gleich mit dem Übergang vom Refrain in Strophe zwei. Hyunjin fehlt, deshalb übernimmst du jetzt seinen Part Chan. Der Rest tanzt so wie immer. Und achtet auf Fehler!" erklärte der Junge vor uns.

Zustimmend nickten wir und begannen sobald die Liedstelle einsetzte uns zu bewegen. Einige wenige Stellen müssten von Minho korrigiert werden, jedoch ging es sehr viel schneller als heute Mittag.

Nach einiger Zeit waren wir allesamt aus der Puste und lagen völlig fertig auf dem kühlen Fußboden. Das braune Holz drückte sich angenehm kalt gegen meine linke Wange und ich war wirklich kurz davor einzuschlafen.

"Das war sehr gut, Leute. Am besten machen wir morgen weiter. Schau nicht so, Minho! Wir haben genug trainiert. Ich meine, schau dir Mal Jeonginnie an, der ist doch total kaputt. Setzt euch schon ins Auto, Chan und ich kommen gleich nach."

Bei Woojin's Stimme lief es mir eiskalt den Rücken runter und eine Gänsehaut breitete sich über meine Arme aus. Meine Atmung begann sich zu verschnellern und flacher zu werden.

Aber meine Augen ließ ich dennoch geschlossen, da ich Angst hatte, dem Blick meines Hyungs zu begegnen. Ein winziger Moment den ich in seine Augen sah, und ich könnte mich für immer in diesen verlieren. Und das durfte mir nicht passieren.

Um mich herum waren einige leise Lacher und Fußgetrampel zu hören. Sie entfernten sich im gleichmäßigen Tempo von mir, ließen mich auf dem Boden liegend zurück.

Dann vernahm ich eine Tür die zu schlug. Der dumpfe Prall welcher von dieser ausging schreckte mich auf.

Ich öffnete zitternd die Lider, weshalb ich mir umso mehr wünschte ich hätte sie geschlossen gelassen.

Dort saß Woojin. Er starrte mich an. Ich starrte zurück. Alles in meinem Körper sträubte sich dagegen aus diesem Raum zu gehen,denn ich war wie fest genagelt durch seinen stechenden Blick auf mir.

Seine Augen wanderten über mein gesamtes Gesicht, bevor diese für den Bruchteil einer Sekunde auf meinen Lippen liegen blieben.

Ihm erging es anscheinend nicht anders als mir. Auch seine Nerven spielten offensichtlich verrückt und waren durch diese anhaltende Stille mehr als strapaziert.

Ich beobachtete jede seiner Mimiken, seine flackernden Augen und die ihm ins Gesicht fallenden Haare. Alles an ihm war so unglaublich perfekt. Wieso genau habe ich mir auch nur zu träumen gewagt, mit ihm eine feste Beziehung einzugehen?

Er sah mich doch sicher sowieso nur als Freund an. Traurig, aber wahr.
"Du wolltest mit mir reden, Chan?" fragte er mich nach einer Weile der Stille. Ich starrte ihn einfach weiter an, bevor sich meine Lippen zu einem leicht abfälligen Grinsen verzogen.

"Ja."
"U-und worüber...?" Er fuhr sich einmal durch die Haare, wobei er sich dann verlegen im Nacken kratzte.

Alleine diese kleine Bewegung brachte mein Herz schon fast zum durchdrehen. Aber äußerlich blieb ich noch immer regungslos, nur mit einem kleinen, ironischen Lächeln im Gesicht.

"Das weißt du ganz genau. Wieso, Woojin? Wieso beleidigt du Hyunjin und Seungmin als Schwuchteln? Sie haben die gar nichts getan." antwortete ich ziemlich ernst.

Langsam setzte ich mich auf, wobei ich ihn nicht ein einziges Mal aus den Augen ließ. Er beobachtete mich während dessen verunsichert, aber auch reuevoll.

"Ich... Ich meinte es doch überhaupt nicht so... Nur...diese Einstellung sollte jeder haben. Schwul sein ist falsch, Chan. Ich will es ja selber nicht glauben, aber... Es sollte nicht so sein. Ich sollte nicht so sein..."

"Warte was...?"
"Ich bin eine verdammte Schwuchtel, Chris! Und ich hasse mich dafür, kapiert?!" Woojin stand wütend auf.

Ich wollte ihm dies logischerweise nach machen und sprang auch schon direkt auf die Füße, als der Junge bereits vor mir war. So schnell, dass ich sie gar nicht wahr nahm, legte er seine weiche Hand an meine erhitzte Wange.

"Verstehst du?" flüsterte er fast gequält in meine Richtung. Durch seinen plötzlichen Stimmungswechsel war ich irritiert und starrte ihn nur geistesabwesend an.

Er fuhr mit seinem Daumen langsam meine Wange entlang. Ich konnte es fast gar nicht spüren. Zum einen, weil er mich nur so zart berührte, und zum anderen weil die Schmetterlinge in meinem Bauch gerade fast explodierten.

Ich starrte ununterbrochen auf die Lippen des anderen. Sie sahen so verdammt weich aus und ich hatte das Gefühl mit jeder Sekunde würde ihre Anziehungskraft stärker.

Träge schüttelte ich meinen Kopf, bevor ich nach oben in seine Augen schaute. Er blickte mich so intensiv an, wie noch nie zuvor.

"Und weil du das nächste nicht verstehen kannst und wirst, will ich dir sagen wieso ich das nun tun werde. Weil ich dich liebe, Chris."

Für einen Moment war ich zu geschockt um ihm antworten zu können, doch als er seine weichen Lippen auf meine presste, kam wieder Leben in meinen Körper.
Und ich erwiederte.

"Chan? Chan wach auf, wir gehen!"

I'm sorry (oder auch nicht c:)