Kapitel 19
Ich war so verwirrt von dem, was grade passiert war, dass ich gar nicht mitbekam, wie wir wieder aufs Schiff zurückkehrten. Ciaran und Isaac schienen sich über die Mission zu unterhalten, aber ich konnte nur an die Sache in der Seitengasse denken. Ciarans Lippen... seine Hände... Gott einfach alles. Ich war nicht angezogen von ihm. Ich konnte ihn nicht einmal leiden und dennoch war ich... feucht geworden? Noch immer spürte ich die pochende Hitze zwischen meinen Beinen und verstand nicht, was da passiert war. Wieso hatte er mich so angefasst? War er wirklich eifersüchtig gewesen? Beim Gedanken daran überkam mich eine seltsame Nervosität, die ich nicht einordnen konnte.
„Shira hat mir gesagt, wo wir die silbernen Berge finden und wie wir dort hinkommen" erklärte Isaac und riss mich damit aus meinen Gedanken. Wir standen an Deck der Blackburn und wurden nur schwach vom Licht einer Öllampe beleuchtet. Entschieden mied ich Ciarans Blick und versuchte mich auf die Mission zu konzentrieren und nicht auf das, was vorhin passiert war.
„Sie sagte, dass die Berge östlich von den Hochebenen liegen und wir durch den Dead man's Pass müssen, um dorthin zu gelangen. Dann sagte sie..." erklärte er und hielt plötzlich inne. Verwirrt sahen wir ihn an, doch Isaac grinste bloß. „Nun, was sie dann gesagt hat, sollte ich euch wohl nicht erzählen" brummte er und ich verdrehte augenblicklich die Augen. Ich hatte mir schon gedacht, dass er sie anflirten würde aber, dass sie es erwiderte?
„Es gibt Frauen, die deine flachen Anmachsprüche aushalten?" fragte ich neckisch. Normalerweise war ich Männern gegenüber sehr verhalten aber Isaac und ich waren in den letzten Wochen so etwas, wie Freunde geworden. Ich wusste, dass ihn solche Sprüche nicht störten. Es spornte ihn höchstens noch mehr an.
„Hey! Meine Sprüche sind fabulös" erwiderte er und sah mich beleidigt an. Ich konnte nicht anders als leise zu lachen und ein „bestimmt" zu murmeln. Es war schön sich mit jemanden zu Kappeln, der nicht so... angsteinflößend war, wie Ciaran.
„Bleibt beim Thema" knurrte Ciaran plötzlich und ich zuckte zusammen. „Du hast gesagt es gibt schlechte Nachrichten, also was ist los?" fragte er und sah Isaac ernst an. Er schien meinen Blick genauso zu meiden, wie ich seinen. Kein Wunder, wir hatten schließlich vor weniger als einer Stunde etwas getan, was alles verändern könnte. Ich wusste selbst nicht, wieso ich ihn gebeten hatte, weiterzumachen, und ich wollte es auch jetzt nicht ergründen.
„Eine andere Crew ist ebenfalls auf dem Weg dorthin. Shira wusste nicht, ob sie ähnliche Gründe haben wie wir, aber sie belagern offenbar den Pass. Wir könnten zwar drum herumfahren, aber das würde uns mehrere Wochen kosten" erklärte Isaac besorgt. Ich zog überrascht die Luft ein und sah die beiden mit großen Augen an. Eine andere Crew? Ich wusste zwar, dass die Blackburn bei weitem nicht das einzige Piratenschiff war aber es von jemandem direkt zu hören, war etwas ganz anderes.
„Was wenn wir ihnen begegnen? Müssen wir gegen sie kämpfen? Ich meine, sie werden uns ja wohl kaum einfach so durchlassen, oder?" fragte ich neugierig. Ich wusste natürlich, dass die Mannschaft der Blackburn auch sehr gut im Kampf war, dennoch bedeutete sowas immer Blut und vielleicht sogar Tod. Ich wollte das nicht.
Einen Moment sahen Ciaran und Isaac sich bloß an, bevor sie nickten. „Es ist unwahrscheinlich, dass sie uns durchlassen. Ich bezweifle allerdings, dass sie wissen, wohin wir wollen. Vermutlich werden sie versuchen uns zu überfallen und auszurauben" erklärte Ciaran mit verschränkten Armen. Er schien offensichtlich nachzudenken und auch meine Gedanken verirrten sich. Ich dachte an einen blutigen Kampf und ich konnte nicht verhindern, dass die Angst in mir hochstieg. Ich konnte nicht kämpfen. Ich wusste nicht, wie ich mich wehren sollte, wenn jemand uns überfiel. Nervös spielte ich mit dem Griff des Dolches.
„Wir haben aber das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Der Pass ist nicht sonderlich lang und wird nur an einer Stelle eng genug, um einen Überfall durchzuführen. Ich kenne die Gebirge um den Pass. Sie sind leicht zu erreichen, wenn wir einige Meilen weiter nördlich anhalten" erwiderte Isaac. Er schien genauso in Gedanken versunken und seine gebräunte Stirn war in Falten gelegt. Ich hatte schon oft beobachtet, wie ähnlich die beiden dachten. Es war, als bräuchte es nur einen Schalter und schon waren sie im Taktik-Modus.
Ciaran schüttelte plötzlich den Kopf. „Nein. Es gibt mehrere Stellen. Du hast recht, nur an einer Stelle ist der Pass zu eng für zwei Schiffe, was perfekt für eine falle ist aber an drei weiteren Stellen gibt es Höhlen in den Gebirgswänden. Dort könnte die Mannschaft sich verstecken, während das Schiff die durchfahrt blockiert" erwiderte er. Einen Moment sahen sich beide bloß an und schienen völlig vergessen zu haben, dass ich existierte. Ich räusperte mich und sofort sahen die beiden zu mir herüber.
„Was, wenn wir sie austricksen? Wir wissen nicht, wo sie sind, richtig? Schicken wir doch ein falsches Boot durch den Pass und sehen, wo sie sich befinden" bot ich an und spielte weiter mit dem Griff des Dolches. Ich war kein Stratege und ich hatte absolut keine Ahnung von Piraten, aber ich wollte Teil dieser Unterhaltung sein. Ich war mittlerweile auch ein Mitglied dieser Crew und mein Schicksal schien unmittelbar mit den silbernen Bergen zusammenzuhängen. Ich würde nicht danebenstehen, wenn ich vielleicht helfen konnte.
Isaac begann zu grinsen. „Sieh mal an, sie ist schlauer als wir beide zusammen" brummte er amüsiert. Seine schokobraunen Augen bekamen dieses lebhafte Leuchten und es zeigten sich seine Grübchen. Isaac war ohne Frage ein attraktiver Mann und ich verstand, dass er noch mehr Blicke auf sich zog als Ciaran.
Ciaran verdrehte die Augen und musterte mich dann. Mir blieb der Atem weg. Sofort dachte ich an den Augenblick in der Gasse. Er hatte mich auch so intensiv angesehen, kurz bevor wir... Gott, wir hätten uns beinahe geküsste und das, was er gesagt hatte? Ich war in der Tat wirklich feucht gewesen und das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass ich jetzt errötete. Sein Blick blieb an meinen Wangen hängen und wanderte dann zu meinen Lippen. Unbewusst biss ich mir wieder auf die Unterlippe und ich hätte schwören können, dass sein Kiefer gezuckt hatte.
„Schlauer und offensichtlich auch um einiges überzeugender als ich. Ich krieg ihn nie dazu sprachlos zu sein" meinte Isaac plötzlich und mein Kopf zuckte zu ihm herum. Wie bitte? Ciaran war doch nicht sprachlos wegen mir. Ich öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder, was ihn dazu brachte herzhaft zu lachen. Es dauerte jedoch nur einige Sekunden, da hatte Ciaran ihm auch schon auf den Oberarm geschlagen. „Aua" murrte Isaac gespielt beleidigt und diesmal war ich diejenige die lachen musste. Die zwei waren wirklich besondere Freunde.
„Ich werde mich mit meinem Vater besprechen. Es dauerte knapp 4 tage, bis wir am Pass und den Hochebenen sind, bis dahin haben wir einen Plan" verkündete Ciaran selbstsicher und beendete damit das Gespräch. Es war bereits sehr spät und wir alle bauchten Schlaf. Ich wollte am liebsten einfach nur in einen tiefen, mehrstündigen Schlaf sinken und vergessen, was mit Ciaran passiert war. Realistisch gesehen würde ich allerdings die nächsten zwei Stunden wachliegen und darüber nachdenken, was passiert war.
„Gute Nacht Aurelia" rief Isaac mir zu und verschwand unter Deck. Ich sah ihm nach und wollte grade ebenfalls gehen, als Ciaran plötzlich mein Handgelenk griff. Überrascht drehte ich mich zu ihm um und sah ihn mit großen Augen an. Wollte er mit mir etwa über die Sache in der Gasse sprechen? Mein Herzschlag überschlug sich.
„In wenigen Tagen wird es wahrscheinlich zu einem Kampf kommen" erklärte er. Es ging um den Kampf? Gott sei Dank. Ich nickte und legte den Kopf schief. Worauf wollte er hinaus?
„Ich weiß, dass Aspen und Candra dich trainiert haben aber sie können nur mit dem Schwert umgehen. Dir ist das Schwert zu schwer, nicht wahr?" fragte er und ich sah ihn überrascht an. Ciaran war das aufgefallen? Ich konnte das Schwert zwar schwingen, aber ich war einfach nicht schnell genug durch das zusätzliche Gewicht.
„Das stimmt. Sie haben mich aber auch im Nahkampf unterrichtet" erklärte ich verlegen. Ich wusste, dass ich keine sehr gute Kämpferin war, aber ich konnte mich immerhin verteidigen. Zumindest hoffte ich das.
„Mag sein aber gegen einen bewaffneten Piraten kommst du mit deiner Körpergröße und ohne Waffe sicher nicht an Prinzessin" erwiderte er und ich hätte schwören können er begann zu grinsen. Idiot. „Hast du die Wurfmesser noch?" fragte er neugierig.
Einen Moment zögerte ich, doch dann nickte ich. „Sie sind in meinem Zimmer versteckt. Ich wollte damit üben, bin aber nur einmal dazu gekommen" erklärte ich ihm und spielte nervös mit meinen Fingern. Es war mir wirklich peinlich ausgerechnet mit ihm darüber zu reden. Er hatte mich bisher nur fertig gemacht für meine Herkunft und meine Schwäche.
„Und wie bist du damit klargekommen Prinzessin?" fragte Ciaran und musterte mich neugierig. Seine vollen Lippen, zierte ein freches Grinsen und zum ersten Mal in dieser ganzen Zeit, wirkte er nicht herablassend und arrogant. Es schien, als wäre Ciaran tatsächlich interessiert.
„Es lief... ganz gut. Ich habe die Wand immerhin getroffen, aber richtige Ziele? Ich kann mir nicht vorstellen so schnell zu zielen und zu werfen" erwiderte ich vorsichtig. Ich wusste nicht, wie man Wurfmesser warf und wie man beurteilte, ob man das gut oder schlecht konnte.
Ciaran nickte und sah mich einen Moment prüfend an. „Morgen um 7, hier oben auf dem Deck. Ich bring dir bei, wie du sie benutzt" meinte er bestimmt. Was? Ungläubig sah ich ihn an. Ciaran wollte mich unterrichten? Das musste ein Scherz sein. Ich wollte etwas erwidern, doch er wandte sich bereits zum gehen.
„Ach und Prinzessin?" meinte er und blieb stehen. „Ja?" erwiderte ich verwirrt. Was wollte er denn jetzt noch? Ging es vielleicht doch um die Sache in der Gasse? Wollte er endlich darüber reden?
„Sei pünktlich". Mit diesen Worten verschwand er und ließ mich allein auf dem Deck zurück. Mal wieder.
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