Kapitel 13 (Ciarans POV)
Entgeistert starrte ich Aurelia an. Ich hatte ihr Kinn anheben wollen, um sie zu zwingen mich anzusehen, doch sie dachte ich wollte sie schlagen. Schlagen. Sie glaubte allen Ernstes ich würde ihr weh tun, weil sie was? Frech zu mir war? Würde sie mir etwas bedeuten, dann hätte mich dieser Gedanke tatsächlich verletzt. Ich war ein skrupelloser Mann, ohne Frage aber eine wehrlose Frau zu schlagen? Das würde ich niemals tun.
Meine Augen waren an die Dunkelheit gewöhnt und ich erkannte, wie Aurelia vor Angst zu zittern begann. Ihr fragiler Körper zitterte, wie Espenlaub und sie machte sich klein. Ihre Augen waren zusammengekniffen, als könnte sie mich nicht ansehen. Wieso hatte sie solche Angst? Ich hatte bloß die verdammte Hand gehoben. Ich war nicht mal ansatzweise nah dran gewesen auszuholen und trotzdem hatte sie das so sehr erschüttert.
„Aurelia?" hauchte ich leise. Ich war vollkommen überfordert und das nervte mich. Ich wusste nicht was los war, geschweige denn, was ich tun sollte. Ich würde die kleine Prinzessin sicherlich nicht in den Arm nehmen und trösten, aber sie war nun mal meine Partnerin in diesem Überfall. Ich konnte sie nicht gebrauchen, wenn sie vor Hyperventilation ohnmächtig wurde und es sah gerade ganz danach aus. Mein Blick wanderte zu ihrer Brust, die sich unregelmäßig und hektisch hob und senkte. Ganz offensichtlich hatte sie Panik, doch ich verstand nicht wieso. Sie hatte keine Angst vor mir. Bei jeder Gelegenheit widersprach diese Frau mir und jetzt zuckte sie so, wegen einer Handbewegung.
„Aurelia beruhig dich" versuchte ich es erneut. Sie öffnete immerhin die Augen, doch was ich darin sah, ließ selbst mich stocken. Die pure Angst. Aurelia war vollkommen verängstigt und schien gar nicht zu realisieren, was hier passierte. Einen Moment haderte ich mit mir. Ich wollte ihr nicht helfen. Sie musste damit allein klarkommen. Ich war nicht ihr verdammter Freund und trotzdem stellte ich mir die Frage, ob ihr helfen sollte. Ein weiterer Blick in ihre Augen, nahm mir die Entscheidung ab. Ich konnte sie nicht so hier stehenlassen.
„Ich tu dir nichts Prinzessin. Sieh mich an. Ich weiß nicht, was in deinem kleinen Kopf gerade vorgeht, aber dir wird nichts passieren" meinte ich und meine Stimme erfüllte eine Sanftheit, die mir selbst fremd vorkam. Ich war kein sanfter Mann. Ich war brutal und gefühllos und das würde sich für eine adlige Frau nicht ändern. Niemals würde ich mich für eine von ihnen ändern.
Mit großen Augen sah Aurelia mich an und ich musste fast grinsen. Wäre sie keine verwöhnte Prinzessin wäre es fast niedlich, wie verschreckt sie aussah. Meine Worte schienen gar nicht zu ihr durchzudringen. Noch immer war sie voller Panik und ihr Atem wurde fast noch schneller. Scheiße. Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich tun sollte, also tat ich das Einzige, was ich wirklich gut konnte. Ich ärgerte sie.
Bestimmend, aber vorsichtig trat ich erneut auf sie zu und drückte sie sanft gegen die Wand. Meine Arme kesselten sie ein und ich senkte den Kopf an ihren entblößten Hals. Sofort stockte ihr der Atem und ich grinste. Anfangs hatte ich es verabscheut ihr nahe zu kommen. Sie war ein verwöhntes Ding und ich wollte solch einer Seuche nicht zu nah kommen, aber mittlerweile fand ich es amüsant, wie leicht ich sie dazu bringen konnte auf mich zu reagieren. Ich genoss die Macht, die ich über sie hatte.
„Prinzessin, du bist doch sonst so schlagfertig. Habe ich dir etwa die Sprache verschlagen?" raunte ich ihr ins Ohr. Einen Moment tat sie gar nichts und ich fürchtete bereits, dass sie jetzt endgültig zusammenbrechen würde, doch stattdessen normalisierte sich ihre Atmung langsam wieder. Einige Sekunden blieb ich ihr noch so nah, bis sie sich ganz beruhig hatte, bevor ich mich dann von ihr löste, um ihr in die Augen zu sehen. Offensichtlich hatte sie keine Ahnung, was sie sagen sollte, denn ihr Mund öffnete und schloss sie wieder. Beschämt sah sie zu Boden.
„Was zur Hölle war das denn bitte?" fragte ich sie, jetzt wo meine Verwirrung zurückkehrte. Ich verstand absolut nicht, was hier gerade passiert war. Aurelia sah mich immer noch nicht an, was mich zunehmend nervte. Ich hatte den ganzen Abend mit ihr und diesen verdammten Schnöseln aushalten müssen und nun hatte sie nicht mal die Güte mir zu sagen, was das beschissene Problem war.
„Das geht dich nichts an Ciaran" erwiderte sie plötzlich. Das ging mich nichts an? Nur mit Mühe konnte ich meine Wut unterdrücken. Wenn ich jetzt zu laut oder aufbrausend war, liefen wir Gefahr entdeckt zu werden oder sie bekam eine neue Attacke. Beides war schlecht für unsere Mission, also riss ich mich zusammen.
„Wieso zum Teufel fängst du wegen einer kleinen Handbewegung fast an zu heulen? Falls du es vergessen haben solltest, du musst diesen Auftrag für uns ausführen und wir wissen beide ganz genau was passiert, wenn du das hier ruinierst" knurrte ich. So langsam war meine Geduld am Ende mit ihr. Ich mochte Aurelia nicht. Sie war reich, hatte eine Familie, die sie gut behandelte und fiel selbst bei einem blauen Fleck in Ohnmacht. Der Fleck. Ich war von Anfang an misstrauisch gewesen, dass eine Ecke solch einen schlimmen Fleck auslösen konnte und nun zuckte sie wegen einer Handbewegung? Stammte dieser blaue Fleck etwa von etwas anderem?
Stur reckte Aurelia mir das Kinn entgegen. „Ich habe gesagt, dass dich das nichts angeht" wiederholte sie und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie diese ganze Situation vollkommen aus der Bahn warf. Ihre Wangen waren gerötet und ich sah die Scham in ihrem Blick. Wenn ihr das so peinlich war, dann musste es einen tieferen Grund geben als Angst vor mir. Sie hatte Angst vor jemand anderem. Sie hatte Angst, dass jemand anders sie schlug. Der blaue Fleck stammte ganz sicher nicht von einem Unfall. Die Realisation traf mich härter als ich gedacht hätte.
„Wer?" fragte ich und meine Stimme klang ungewöhnlich kratzig. Ich schob es auf meine eigene Vergangenheit. Ich hatte es in meiner Kindheit nie leicht gehabt. Ich wurde von meiner Mutter öfter verprügelt, als ich zählen konnte, und ich kannte den Schmerz. Ich wusste, wie es sich anfühlte, wenn die Person, die einen lieben sollte, nichts als Schmerz und Angst brachte. Trotzdem waren wir uns nicht ähnlicher, nur weil sie so etwas auch durchlitten, hatte. Nein. Sie durchlitt es, bis wir sie entführt hatten.
„Was?" erwiderte sie. Es war ihr anzusehen, dass sie gleichermaßen verwirrt und nervös war. Kein Wunder. Ich hatte gerade ihr kleines Geheimnis erkannt. Wie ironisch. Eine Adlige, die doch kein so perfektes Leben hatte. Die Götter schienen ihren Preis zu fordern für das viel Geld, dass ihre Familie achtlos verschwendete.
„Wer hat dir diesen blauen Fleck verpasst?" sprach ich die Frage aus, die mir auf der Zunge lag. Es interessierte mich nicht. Das war ihre Sache, aber ich wollte wissen, ob ich richtig lag und offensichtlich tat ich das. Aurelia zuckte sichtbar zusammen und schüttele stur den Kopf. Noch immer wollte sie mir nicht sagen, was genau in ihrer Vergangenheit passiert war. Nun ja, eigentlich konnte ich ihr das ja nicht verübeln. Ich würde niemals mit einem Fremden über meine Mutter sprechen, also war es kein Wunder, dass sie ähnlich handelte.
„Also habe ich recht" brummte ich leise und seufzte. Es interessierte mich wirklich nicht. Sie war mir egal. Sie und ihre Geschichte. Es war mir egal, vor wem sie Angst hatte und wer ihr diese Wunden zugefügt hatte. Es war nicht meine Aufgabe ihr zu helfen und das würde ich auch nicht. Sie tat mir leid, dass war alles. Niemand verdiente es misshandelt zu werden. Wahrscheinlich war es bei ihr sowieso nicht so schlimm gewesen. Vermutlich hatten ihre Eltern sie hin und wieder gezüchtigt, in dem sie ihr eine klatschten oder sie mal stießen. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass ihre Eltern sie tatsächlich verprügelten. Ihre Trauer hatte ehrlich gewirkt, als wir das Geld gefordert hatten. Andererseits hatten sie nicht bezahlt. Eine Entscheidung, die ich bis heute nicht verstand.
„Du hast unrecht. Ich habe mich bloß gestoßen und falls es dir nicht aufgefallen ist, du hast mich bedroht. Natürlich bekommen ich Angst, wenn du die Hand hebst" erklärte sie mir erneut. Gelogen. „Meine Eltern würden sowas niemals tun". Wieder eine Lüge. „Wir sind nicht, wie ihr Piraten. Wir sind nicht gewalttätig". Diesen Satz würde sie bereuen. Ohne zu zögern, drückte ich sie unsanft gegen die Wand und ignorierte dabei ihr schmerzverzogenes Gesicht. Nein, besser gesagt ich freute mich darüber. Diese Arroganz in ihrer Stimme. Jetzt wusste ich wieder, warum ich sie nicht leiden konnte. Jeder Funken an Sympathie war verflogen.
„Ihr? Eurer schicke Adel würde sowas nie tun? Ich weiß ja nicht, ob es dir aufgefallen ist Prinzessin, aber du gehörst nicht mehr zu ihnen. Deine eigenen Eltern wollten dich nicht mehr. Wie fühlt sich das an? Vermisst du das ganze Geld? Deine Zofen? Deinen großen Bruder, der dich beschützt?" fuhr ich sie an. Ihre Augen weiteten sich und eine Sekunde lang hatte ich den Eindruck, dass mein letzter Satz sie aus der Bahn geworfen hatte, doch dieser Ausdruck verwandelte sich innerhalb von Sekunden in Hass und Wut. Gut, Sollte sie mich doch hassen. So musste ich mich wenigstens nicht mit ihr abgeben.
„Fick dich" warf sie mir entgegen und ich schnaubte verächtlich. Der Dolch an meinem Bein drückte verführerisch gegen meine Haut und ich musste mich zusammenreißen. Candra würde mich töten, wenn ich ihr etwas antat, und das wollte ich nun wirklich nicht riskieren. Stattdessen würde ich sie mental verletzten. Das war es was ich am besten konnte.
Langsam ließ ich meine Lippen über ihren Hals streichen. Ihr stockte der Atem und ich hörte erst auf als ich ihr Ohr erreicht hatte. Ein Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus als ich flüsterte „Nicht mal dafür bist du gut genug Prinzessin". Mit diesen Worten ließ ich von ihr ab und hielt auf die Tür zu. Ich hatte keine Zeit mich mit ihren Emotionen zu beschäftigen.
Ich musste eine Schriftrolle stehlen.
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