Kapitel 14
»Was habe ich bloß getan?«
Ich starrte auf den Bildschirm und konnte immer noch nicht fassen, was ich dort sah.
»Nein, nein, nein!«
Ich schlug das Notebook zu.
»Shit!«
Ich warf mich aufs Bett und bedeckte meine Augen. Vielleicht hatten sie sich das alles nur eingebildet? Vielleicht hatte ich doch nicht das getan, was dort auf dem Bildschirm zu sehen war?
Doch der Briefumschlag neben dem Notebook ließ jegliche Hoffnung schwinden. Ich stöhnte. Das konnte nicht wahr sein.
Ich stürmte zum Tisch und zog das Blatt Papier aus dem Umschlag. Die Schrift da drauf war weder sorgfältig noch schön. Vielmehr war sie mit aller Eile dahin gekritzelt worden. Doch das war mein kleinstes Problem.
Gabe,
Die Unendlichkeit macht mir Angst. Ehrlich. So viel Angst, dass ich auch den Rest deiner Weinflasche ausgetrunken habe.
Aber wenn ich sehe, wie gut du und die anderen sie bis jetzt meistern, werde ich zuversichtlicher.
Weißt du noch, wie unsere gemeinsame Reise begonnen hat? Ich spreche nicht von Sizilien. Ich spreche von der Nacht in Deutschland, in der wir gemeinsam in die Sterne gesehen haben. Damals wusste ich noch nicht, wieviel du ... wir mit ihnen gemeinsam haben.
Sie sind quasi unsterblich. Genauso wie wir.
Deshalb sollst du nichts minder Langwieriges an deinem Geburtstag erhalten.
Wenn du das nächste Mal zum Firmament blickst, wird ein Stern mit dem Namen "Casanova e Micina" für dich funkeln.
Bis zur Unendlichkeit
Deine Micina
Da stand es, schwarz auf weiß.
Ich hatte für Gabe einen Stern taufen lassen. Und, wenn mich nicht alles täuschte, per Express-Bestellung. Ohne Rücknahme.
Gestern Nacht noch hatte sich das nach dem besten Geburtstagsgeschenk aller Zeiten angehört. Heute würde ich meinem gestrigen Ich am liebsten den schmerzhaftesten Tritt in den Hintern verpassen.
Mit Argusaugen bedachte ich die zwei leeren Rotweinflaschen.
»Ihr seid schuld!«
Mit den Händen fuhr ich mir durch die wirren Haare. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich gerade aussah. Es war eine mindestens genauso schlechte Idee gewesen, mit feuchten Haaren ins Bett zu gehen und sie nicht vorher durchzukämmen, wie dieses blöde Geschenk. Ich brauchte dringend ein Haargummi.
Ein Blick durch das Zimmer verschaffte mir weder den gewünschten Gegenstand noch bessere Laune. Dieses Zimmer – dieses Gebäude – ging mir sehr stark auf die Nerven. Das Bedürfnis, endlich mal aus diesem Loch zu entkommen und frische Luft zu schnappen, war enorm. Ich blickte aus dem Fenster, das immer noch ein dunkles, verschneites Norwegen offenbarte, und zuckte mit den Schultern.
»Wieso eigentlich nicht?«
Es stellte sich als eine ziemliche Herausforderung dar, jemanden in diesem riesigen Wohnbunker ausfindig zu machen. Nachdem ich in jedem mir bekannten Raum – dem Speisesaal, der Küche, dem Krisensitzungsraum und dem Zimmer, wo mir Elise ein Umstyling verpasst hatte – nach irgendjemandem, der mir potenziell bei meiner Mission aushelfen konnte, Ausschau gehalten hatte, blieb nur noch der Trainingsraum.
Als ich Ilvy, Dorian und Dimitri in einer der mit Matten ausgelegten Ecken entdeckte, fragte ich mich, wieso ich nicht gleich hier nach ihnen gesucht hatte. Ich würde mein Leben darauf verwetten, dass sie so gut wie jeden Tag in diesem Raum waren und für die anstehende Schlacht trainierten.
Mein Bauch grummelte. Ich konnte nicht genau sagen, ob es Hunger oder doch schlechtes Gewissen war, welches sich meldete.
Ich schüttelte den Kopf. Das war jetzt irrelevant. Für heute hatte ich eine andere Mission im Kopf.
»Ich brauche eure Hilfe«, sagte ich, als ich meine ehemaligen Mitstreiter erreichte.
»Dir auch einen wunderschönen, guten Morgen, liebe Cassie«, verkündete Dorian. Seine Augen verengten sich, als er etwas über meinem Kopf betrachtete. »Hast du in die Steckdose gefasst?«
Ilvy und Dimitri fingen an, zu kichern. Ich verdrehte die Augen.
»Ha ha, sehr witzig.« Das Bedürfnis nach einem Haargummi wurde immer stärker, doch ich durfte meine Mission nicht aus den Augen verlieren. »Ihr könnt mir doch bestimmt sagen, wo ich das Zubehör dafür finde, wenn ich einen kleinen Ausflug nach draußen machen will?«
Jegliches Amüsement verschwand aus den Gesichtern vor mir.
»Ist das dein Ernst?«, fragte Ilvy. Sie bedachte mich eines Blickes, den ich erwarten würde, wenn ich kurz davor war, in eine psychiatrische Klinik eingewiesen zu werden, weil ich eine Gefahr für mich selbst und andere darstellte.
»Natürlich ist das mein Ernst. Also, wo finde ich die passende Kleidung, Rucksäcke, Schuhe ...?«
Dimitri räusperte sich.
»Da bist du bei uns an der falschen Adresse.«
Ich trat einen Schritt zurück.
»Moment mal, in den Monaten, wo ich im Schlummerland war, da seid ihr doch draußen gewesen, oder?«
Dorian schüttelte den Kopf.
»Cassie, wir stehen kurz vor einem Krieg. Es gibt Wichtigeres, als bei Dunkelheit einen Spaziergang im Schnee zu machen.«
Mir stand der Mund offen.
»Ihr wollt mir also sagen, dass ihr, nachdem ihr jahrelang in einem Keller eingesperrt wart, euch in dem nächsten Bunker einschließen lasst, ohne auch nur dagegen zu protestieren?«
Ilvy strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und lächelte verunsichert.
»Na ja, also ... weißt du ...?«
»Was?«
Dimitri ergriff das Wort.
»Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber ich kann mir unendlich viele Sachen vorstellen, die besser sind, als in diese eisige Schneehölle da draußen zu gehen.«
»Wow!« Ich schüttelte langsam den Kopf und rümpfte die Nase. »Ihr macht mich krank! Dieser verdammte Ort macht mich krank! Gut, wenn ihr mir nicht sagen könnt, wo ich ein paar passende Klamotten finden kann, werde ich jemand anderes finden, der dazu in der Lage ist!«
Ich machte auf dem Absatz kehrt.
»Cassie, warte!« Dorian klang, als würde er mit einem Kleinkind sprechen. »Ich werde mit dir mitkommen, denn dein Verhalten macht mir ehrlich gesagt Angst.«
Ich schaute ihn aus verengten Augen an.
»Siehst du? Und jetzt siehst du mich an, als wäre ich dein größter Feind hier.«
Ich rollte mit den Augen.
»Nein, danke. Auf deine großzügigen Almosen kann ich verzichten, Dorian.«
»Ich komme auch mit«, verkündete Ilvy strahlend. »Ein Ausflug wird uns allen ganz guttun. Da bin ich mir sicher.«
»Ohne mich«, murmelte Dimitri und drehte sich weg. Ilvy ging auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter.
»Komm schon, das wird lustig.« Dimitri versteifte sich, entspannte sich kurz darauf jedoch wieder. »Bitte, Großer!«
Das, was zuvor an Widerstand in Dimitri dagewesen war, zerfloss bei Ilvys Worten. Er drehte sich zu uns um.
»Na schön. Aber nur weil ihr euch ohne mich mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit da draußen verlaufen würdet.«
Ilvy klatsche in die Hände.
»Das wird toll. Klasse Idee, Cassie!«
Wenn ich in Dorians und Dimitris Gesichter blickte, war Ilvy die Einzige, die sich jetzt noch auf den Ausflug freute. Ich zuckte mit den Schultern.
»Gern geschehen, schätze ich.«
Ilvy und ich gingen voran, während Dimitri und Dorian uns aus dem Trainingsraum folgten.
»Du hast die beiden gut im Griff«, murmelte ich an Ilvy gerichtet.
Ilvy wurde rot. »Das ist doch nicht der Rede wert.«
»Doch, du bist verdammt gut in diesem Führungsding, ob du es wahrhaben willst oder nicht.«
Als Kamal uns entgegenlief, runzelte er dir Stirn.
»Hey Leute, ich dachte wir wollten trainieren.«
Als er in Griffweite war, packte ich ihn bei der Hand und zog ihn mit mir mit.
Ich schaute zu Ilvy und wackelte mit den Augenbrauen.
»Du hast deine Methoden, Leute zu etwas zu motivieren, ich habe meine.«
Es war verdammt kalt. Es war so kalt, dass sich jeder noch so kleine Windhauch anfühlte, als würden Tausende kleiner Nadeln in meinem Gesicht landen. Obwohl mir Tamara – eine der Bediensteten, die uns schlussendlich bei der Ausstattung hatte helfen können – zugesichert hatte, dass wir uns einen milden Wintertag für unsere Wanderung ausgesucht hatten, wollte mein Körper nichts mehr als wieder in den warmen, wohligen Temperaturen unserer Unterkunft zu verschwinden.
Doch meine Seele hatte sich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt wie in diesem Moment. Ich zog die Luft durch die Nase ein und begrüßte den Schmerz, den sie in meinen Nasenlöchern und meinem Rachen hinterließ.
Seit unserem Aufbruch hatte keiner von uns etwas gesagt, einzig das Knirschen von Schnee begleitete unseren Weg. Vermutlich waren alle damit beschäftigt, die Wärme in ihren Körpern aufrechtzuerhalten und die karge Schönheit um uns herum zu bewundern. Wir hatten die Tannenbäume bereits hinter uns gelassen und einen Aufstieg vor uns, der so manch erfahrene Wanderer abgeschreckt hätte.
Stumm setzten wir einen Fuß vor den anderen, Ilvy allen voran, und erklommen einen Höhenmeter nach dem anderen. Ich schmunzelte, als ich daran dachte, wie die frühere Cassie niemals solch einer Wanderung zugestimmt hätte. Bereits nach den ersten Schritten wäre ihr Seitenstechen derart präsent gewesen, dass sie beleidigt umgekehrt wäre und sich lieber eine Packung Eis gegönnt hätte. Doch die jetzige Version meiner selbst umarmte den Schmerz, der mich – wie ich wusste – nur stärker und erfahrener machen würde.
»Schade, dass gerade heute keine Polarlichter zu sehen sind«, rief Ilvy in unsere Richtung. Das Licht ihrer Kopflampe blendete mich, doch das Grinsen, das ich trotzdem auf ihren Lippen erkennen konnte, zeigte mir, dass sie die Wanderung ebenso genoss wie ich.
»Dafür kann man die Sterne umso besser sehen«, hörte ich Dorian hinter mir rufen. Ich schluckte. Ein Blick in den nachtblauen Himmel offenbarte zahlreiche, unendlich viele leuchtende Punkte in den unterschiedlichsten Größen und Helligkeitsabstufungen. Nur ich wusste, dass einer dieser Sterne seit gestern einen ganz bestimmten Namen trug und das war das Letzte, woran ich gerade denken wollte.
»Mir hätte auch eine Aurora Borealis besser gefallen«, murmelte ich eher zu mir selbst.
»Können wir bitte weitergehen? Ich habe das Gefühl, dass ich sofort zu Eis erstarre, wenn wir nicht umgehend weiterlaufen«, brachte Kamal hervor.
Damit war das kurze Gespräch beendet und wir setzten unseren Aufstieg fort. Ich war froh, dass ich die meiste Zeit dazu gezwungen war, vor meine Füße zu schauen, denn die Sterne wollten mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Was wird er denken?
Wie wird er reagieren?
Wird er etwas in dieses Geschenk hineininterpretieren? Will ich, dass er es tut?
Unablässig schwirrten mir diese Fragen im Kopf umher, wenn eine Passage nicht gerade meine volle Aufmerksamkeit benötigte. Und so ging es weiter, bis Ilvy ruckartig stehen blieb und ich fast in sie hineinrannte.
»Hey, gib doch Bescheid, wenn du stehenbleibst!«
Doch Ilvy starrte bloß geradeaus.
»Wir sind da!«
Ich trat an Ilvy vorbei auf das Plateau des Berges und starrte wie gebannt auf die Szenerie vor mir. Um uns herum gab es nichts als Berge, Schnee, vereinzelte Tannenwäldchen und die Sterne. Da war weder das Geräusch von Autos noch irgendwelche anderen Anzeichen von Menschen, bloß die Natur und wir mittendrin.
»Na endlich.« Kamal trat neben mich. »Dann können wir ja wieder umkehren«, sagte Kamal grinsend. Sein Körper zitterte wie Espenlaub und ich hatte das Gefühl, dass er die Aussicht nicht so sehr genießen konnte wie Ilvy und ich.
»Dir ist wirklich kalt, was?«, fragte ich ihn.
»Dir etwa nicht?«
»Ein Lagerfeuer wäre jetzt optimal«, verkündete Dorian mit einer Kraft, als wäre es die brillanteste Idee der Welt.
»Aha. Und wie soll das bitte gehen, Schlaumeier? So ganz ohne Holz?«, fragte Dimitri, während er im gleichen Atemzug seinen Kopf in meine Richtung drehte. Auch die anderen drei schauten mich an, als wäre ich der Messias persönlich.
»Was?«
»Ach, schon gut.« Ilvy winkte die Idee ab als das, was es auch war. Eine Schnapsidee.
»Wisst ihr? Ich kann zwar viel, aber zaubern gehört nicht dazu«, antwortete ich schnippisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Also willst du es nicht einmal versuchen?«
Ich wusste ganz genau, was Dimitri tat. Er versuchte, mich zu provozieren. Das Schlimme war, dass ich voll darauf einstieg.
»Dass ich ein Feuer kurzzeitig entfachen kann, ist nicht das Problem. Uns fehlt aber das brennbare Material, damit es auch bei einem Feuer bleibt. Möchtest du dich zur Verfügung stellen?« Ich bemerkte meinen Fehler, noch bevor Dimitris Miene in sich zusammenfiel. »Ich ... es tut mir ...«
»Lass es gut sein.«
»Dimitri, ich habe nicht nachgedacht. Es ist mir einfach so ausgerutscht.«
»Ach ja? Soll mich das jetzt beruhigen? Ist es bei meinem Vater auch einer dieser kleinen, unschuldigen Versehen gewesen, Cassie? Sollen wir alle in ständiger Angst vor dir leben, etwas Falsches zu sagen, weil du mal wieder nicht nachdenken und überreagieren könntest?«
Ich wich einen Schritt zurück. Er wusste genauso gut wie ich, dass die Sache mit Michail viel komplexer war als das. Und doch hatte er mich erwischt und in die Ecke gedrängt.
Energischen Schrittes stapfte ich auf ihn zu und riss den Ärmel meiner Jacke und meines Pullovers nach oben. Ich zeigte auf die erste der sieben Linien meiner Tätowierung.
»Die hier ist für Michail Morosov.« Ich zeigte auf die anderen sechs Linien. »Und die hier sind für die Menschen, die ebenfalls durch meine Hand umgekommen sind.«
Ich schluchzte.
»Weißt du, was das Schlimmste ist? Ich kenne noch nicht einmal ihre Namen. Ich kenne nicht einmal die Namen von den Personen, die wegen mir nicht mehr leben.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Weißt du, was das für ein Gefühl ist, benutzt worden zu sein? Lian und Akuma – für die bin ich und sind wir nur Spielzeuge. Schachfiguren auf einem Brett. Mehr nicht. Und ich fürchte, egal wie das Ganze ausgeht, wenn wir nicht sterben, dann werden wir ein Leben lang das Spielzeug von mächtigen Personen sein und deren Drecksarbeit erledigen.«
In Dimitris Augen sammelten sich Tränen.
»Also ja, Dimitri, es war kein Versehen. Ich wollte deinem Vater wehtun so wie er mir wehgetan hat. Ich wollte, dass er für seine Taten bezahlt – und das hat er mit dem höchst denkbaren Preis.«
Ich schniefte und schluchzte und verbarg mein Gesicht in den behandschuhten Händen. Mehr als einen unschuldigen, kleinen Ausflug hatte ich nicht verlangt. Doch es war scheinbar unmöglich, der Realität und seinen Problemen zu entfliehen.
Breite Arme schlossen sich um meinen zitternden Körper und drückten fest zu.
»Andy Dickens, Shao Dong, Lizzie Ellen, Ahmad Kamun, Silvio Deluccie, Noah Hintz.«
Ich blickte auf. Dimitris Gesicht verschwamm in meinem tränenverschleierten Blick, doch sein Lächeln war echt. Auch wenn ich diesen Post-Hölle-Dimitri nicht gut kannte, wusste ich, dass das seine Art war, mir zu vergeben.
»Danke«, flüsterte ich.
Und plötzlich wusste ich, was ich den anderen sagen musste. Ich spürte es in meinem Herzen und wusste es tief in meinem Inneren.
»Das, was sie euch dort unten in der Hölle beigebracht haben – ihr solltet wissen, dass das nicht stimmt.«
»Was meinst du?«, fragte Dorian.
»Allein seid ihr nicht stärker. Wenn man jemanden hat, der zu einem steht, ist das Leben viel einfacher.«
Ich wischte die Spuren von Tränen weg, bevor sie gänzlich zufroren und lächelte. Dimitri schüttelte den Kopf.
»Weißt du, Cassie? Du kannst das leicht von dir behaupten. Du hast eine Familie, Freunde, Menschen, die dich so akzeptieren, wie du bist.« Er schnaubte. »Selbst mein eigener Vater hat mich nicht lieben können. Also entschuldige bitte, wenn ich dem nicht zustimmen kann.«
»Du bist zu hart zu dir selbst.« Dorian legte eine Hand auf Dimitris Rücken. »Das warst du schon immer.«
»Außerdem hast du jetzt uns«, verkündete Ilvy mit dem einnehmendsten Lächeln, das ich je gesehen habe. Selbst Dimitri konnte dieses Lächeln nicht kalt lassen, doch er schüttelte weiterhin vehement den Kopf.
»Nach allem, was ich euch angetan habe?«
Dorian schmunzelte.
»Wir alle taten unser Bestes, um zu überleben.«
»Oh, ihr beiden seid so süß!« Ilvy warf sich den beiden in die Arme und blickte zu Kamal und mir. »Na los, ihr auch!«
Mit den Worten »Ich will in die Mitte!« lief Kamal an mir vorbei. Ich lachte.
»Dir muss wirklich verdammt kalt sein, Kleiner.«
»Und wie!«
Als auch ich mich zu der Gruppenumarmung gesellte, lachten wir alle. Auch wenn jeder Atemzug in der Lunge schmerzte, war es den Schmerz wert. Es war mir nicht klar gewesen, aber ich hatte, neben meinen Großeltern und meinen Freunden aus Deutschland, eine weitere Familie dazugewonnen.
»Können wir jetzt bitte, bitte wieder zurücklaufen?«, stotterte Kamal hervor.
Wir lösten uns aus der Umarmung.
»Wir sollten wirklich gehen. Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, eine enttäuschte oder gar wütende Giulia zu erleben«, sagte Dorian. Ilvy, selbst Dimitri, nickten zustimmend.
Die Party. Mit einer der Gründe, warum ich überhaupt hier auf dem Berg bin.
»Geht ihr schon mal vor, ich komme nach.«
Dimitri sah mich aus verengten Augen an.
»Oh nein, du kannst dich nicht davor drücken. Keiner von uns kann das! Glaube mir, ich habe mein Bestes versucht.«
»Außerdem weiß jeder, warum du nicht auf die Party gehen willst. Wirklich jeder. Und glaube mir, wenn ich dir sage, dass sie alle zu doll Angst vor dir haben, um das auch nur ansatzweise anzusprechen«, versicherte mir Dorian.
»Ach wirklich? Jeder – wirklich jeder – weiß, warum ich da nicht hingehen will?«
Ilvy legte eine Hand auf meine Schulter.
»Klar doch. Nach deiner Rede gestern willst du dich nicht bei den Leuten zeigen. Das ist auch nicht verwunderlich.«
Erleichterung durchflutete meinen gesamten Körper und ließ mich lächeln.
Sie haben gar keine Ahnung, warum ich da nicht hingehen möchte. Und ich dachte, ich wäre leicht zu durchschauen.
»Na gut, wenn ihr meint, dass es nicht so schlimm wird, muss ich mich wohl oder übel meinem Schicksal fügen.«
Obwohl der Abstieg vom Berg gefährlicher war als der Aufstieg, schafften wir es viel schneller hinunter als erwartet. Am motiviertesten, in unseren neuen Bunker zurückzugelangen, schien Kamal, der mit rasendem Tempo voranschritt.
»Erinnert ihr euch noch an Mona?«
»Die Gesangsunterricht-Mona?«, erwiderten Dimitri und Dorian unisono.
Kamal nickte.
»Sie war anders als die anderen Lehrer. Sie hat uns gezeigt, dass man zusammen stärker sein kann.«
»Wovon redet ihr?«, fragte ich.
Als Antwort stimmte Kamal die ersten Zeilen des weltbekannten Liedes Hallelujah an. Danach stimmte Ilvy mit ein, bis schlussendlich Dorian und Dimitri das Acappella-Stück ab dem Refrain perfekt machten. Und auch wenn ich mit meiner Stimme das gesamte Stück zerstören wurde, setzte ich ab der zweiten Strophe mit ein.
Ihr Lieben,
mir hat es unheimlich Spaß gemacht, dieses Kapitel zu schreiben. Ich mochte diese Leichtigkeit und die Hoffnung zum Schluss, die in diesem Kapitel so greifbar gewesen ist. Hat es sich für euch beim Lesen genauso angefühlt? 😅
Im nächsten Kapitel wird es um ein gewisse Party gehen. Was da wohl so alles passieren wird?
Habt noch einen wunderschönen Sonntag 🤗
Eure Kat 🧡
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