Kapitel 35: Magie
Nachdem ich das Schloss geräumt hatte, Kathrin und den anderen Anweisungen gegeben hatte, war ich mit Albus zurückgekehrt, nach Hogwarts. Es war nicht ohne Risiko für mich, und schon gar nicht für Albus, dass ich mich weiterhin hier aufhielt. Sollte davon jemand Wind bekommen, würde Albus mächtige Probleme bekommen und das mussten wir natürlich verhindern. Der bevorstehende Krieg und das Chaos, das er mit sich bringen würde, waren schlimm genug.
Die Tage verbrachte ich meist in Albus' Gemach, las Bücher und hielt mäßigen Kontakt mit meinen Anhängern, die sich mehr oder weniger erfolgreich in Berlin in die Regierung einschleusten, um mir Informationen zu beschaffen. Dabei mussten sie selbstverständlich höchste Vorsicht walten lassen, denn wenn ihre Absichten herauskamen, waren nicht nur sie in Gefahr, sondern auch ich und ich hatte keine Zeit zu fliehen oder mich zu verstecken und wollte ohnehin bei Albus bleiben.
Am späten Nachmittag kehrte Albus meist zurück; er war oft mit den Nerven total am Ende nach seinem Unterricht und ich konnte es ihm nicht verdenken. Umso mehr genoss ich dann die Abendstunden, die wir gemeinsam verbrachten, es war mein Lichtblick in dieser dunklen Zeit.
Und so vergingen die Wochen, der Sommer brach langsam über die Insel herein und das Schuljahr neigte sich seinem Ende zu. Während die Nachrichten über geplante Kriegshandlungen immer weiter zunahmen, regte sich in Hogwarts nichts und nicht nur deshalb mochte ich es, hier meine Zeit zu verbringen. Ich vergaß bei dem Anblick dieser Landschaft oft, was dahinter lauerte und verdrängte die Tatsache, dass der Frieden, der über dem Land lag, nicht mehr von langer Dauer sein würde und dass die vorherrschende Ruhe nur den Sturm ankündigte.
Als ich eines Abends auf Albus wartete und aus dem Fenster blickte, erschrak mich der Anblick so sehr, dass ich beinahe gestürzt wäre. Meine Augen klebten förmlich am Horizont, ich war unfähig, mich zu bewegen als ich die Feuerseule sah, die dort aufstieg, weit nach oben und so hell.
Nach mehrmaligem Blinzeln verschwand sie wieder, doch der Geruch nach Tod, Asche und Verwesung hing mir trotzdem in der Nase. Ich zündete eine Kerze an, um dem Geruch zu entkommen, bevor ich mich auf das Bett sinken ließ und mein Gesicht in meinen Händen vergrub. Doch sobald ich meine Augen schloss, stiegen weitere Bilder in mir auf. Ich schreckte zurück als eine riesige Schlange sich aus der Dunkelheit löste, ihr Maul aufsperrte und auf mich zugeschossen kam. Ich wurde nicht schlau daraus, doch im Vergleich zu dem Feuer, schien mir die Schlange harmlos.
Das Bild der Feuersäule, das sich mir eben geboten hatte, hatte ich schon einmal gesehen, vor mehr als 10 Jahren und ich hatte es den Zauberern gezeigt, in Paris auf dem Père Lachaise. Doch diesmal wirkte es noch bedrohlicher auf mich, zeigte eine noch gewaltigere Zerstörung und von dem Geruch, den die Vision dieses Mal mit sich brachte, wurde mir speiübel.
Die Tür flog auf. „Gellert, da bin ich!", rief Albus freudig und kam auf mich zu.
Ich reagierte nicht, sah in die Leere, weil mit dem Aufstoßen der Tür, der Geruch in meiner Nase, der, wie ich wusste, gar nicht wirklich da war, noch stärker geworden war.
Albus merkte sofort, dass etwas nicht stimmte und kam besorgt auf mich zu. „Gellert? Was ist los?" Er setzte sich neben mich, legte seine Hand an meine Wange. Ich gab mir Mühe, doch den Anflug an Schrecken, den ich noch immer verspürte, wenn ich an die Vision dachte, konnte ich aus meinem Gesicht nicht verbannen.
Albus' Augen weiteten sich entsetzt. „Gellert, was ist passiert?"
Ich antwortete noch immer nicht, war nicht fähig dazu. Das Einzige, woran ich denken konnte, waren Überlegungen darüber, woher diese Bedrohung kam und wie sich all das verhindern ließ.
Langsam schüttelte ich den Kopf. „Ich ... will darüber nicht reden."
In Albus' Augen spiegelte sich Enttäuschung und Sorge. „Du weißt, dass du mir vertrauen kannst."
Ich seufzte. „Ich vertraue dir, Albus, aber manche Dinge mache ich lieber mit mir allein aus."
„In Ordnung. Aber wenn du reden möchtest, ich bin da." Mit diesen Worten küsste er mich.
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Dieses Mal stieg die feurige Wolke noch weiter hinauf in den Himmel; die Druckwelle, die sich auf mich zubewegte, ließ Bäume einknicken, Häuser explodieren. Ich wollte mich umdrehen und davonrennen doch als ich mich umwandte, stand vor mir eine krumme Gestalt, schwarz gebrannt von Kopf bis Fuß, Gliedmaßen fehlten, kein Gesicht war zu erkennen. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg mir in die Nase, bevor die Druckwelle mich auseinanderriss.
Panisch schrak ich hoch und der Schrei, den ich dabei ausstieß, war laut. Albus, der neben mir lag, fuhr erschrocken hoch und sah mich aus vor Schreck geweiteten Augen an. „Gellert, was ist los?"
Ich war normalerweise kein sonderlich ängstlicher Mensch, doch dieser Traum gerade hatte etwas in mir ausgelöst. „Albtraum", erklärte ich knapp, während ich versuchte, den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, hinunterzuschlucken.
Albus nahm mich wortlos in den Arm und strich mir beruhigend über den Rücken, ich drückte mich an ihn und es half, die Bilder und Gerüche aus meinem Traum hinter mir zu lassen. Schließlich löste Albus sich von mir, rückte ein Stück von mir ab und sah mich an. „Es ist eine Vision nicht wahr?", fragte er vorsichtig und ich nickte langsam.
„Möchtest du darüber reden?"
Ich schüttelte den Kopf. „Ich möchte dich nicht beunruhigen. Ich will nicht, dass du – "
„Gellert!" Albus' Stimme war mit einem Mal lauter geworden. „Ich bin immer für dich da, das weißt du!"
„Das weiß ich auch", versuchte ich zu erklären.
Albus seufzte nur resigniert. „Ich weiß, dass du deine Gründe hast, mir nicht alles zu sagen, was in dir vorgeht, aber wenn es dich so sehr belastet, musst du darüber reden. Es hilft dir nicht, wenn du es in dich hineinfrisst", versuchte Albus mich zu überzeugen, ihm zu erzählen, was ich gesehen hatte.
„Du verstehst das nicht", murmelte ich.
Albus stand auf. „Ich habe die Nase voll von solchen Aussagen. Ich vertraue dir alles an, mein Leben, ja? Und du hältst es nicht für nötig, mir Vertrauen entgegenzubringen und was noch schlimmer ist, wirfst mir vor, ich würde dich nicht verstehen. Das ist nicht fair, Gellert." Albus ging einige Schritte im Raum umher, bis er sich schließlich wieder neben mich setzte, seine Stimme wurde wieder sanfter, während er mir eine Hand auf meine Schulter legte. „Lass endlich los, Liebling, gib die Kontrolle ab."
„Ich kann die Kontrolle nicht abgeben. Ich muss dafür sorgen, dass – "
„Komm mit", Albus griff nach meiner Hand, stand auf und zog mich hoch.
„Was – "
Ohne mich ausreden zu lassen, zog er mich hinter sich her, nach draußen. „Albus, die Schüler!"
„Lass sie meine Sorge sein", erwiderte er nur und zog mich weiter hinter sich her.
Ich gab meinen Widerstand auf, ließ mich von ihm mitziehen, nach draußen. Wir steuerten auf einen dunklen Wald zu, der von hieraus aussah als wäre er eine Grenze zu einer anderen Welt. Düster, das Mondlicht drang nicht durch die Baumkronen bis auf den Boden, es war stockfinster. Dieses Gefühl würde noch einmal stärker als wir den ersten Fuß auf den feuchten dunklen Boden setzten. Dennoch sagte ich kein Wort, folgte Albus schweigend.
Schließlich blieb er stehen, starrte in die Dunkelheit, in der ich auf einmal eine Bewegung wahrnahm. Ein schwarzes Wesen, das aussah wie ein vom finsteren Wasser umhülltes Skelett eines Pferdes löste sich aus dem Schatten der Bäume.
„Ein Theatral!"
Albus nickte und streckte mir seine Hand entgegen. Verwirrt sah ich ihn an.
„Ich helfe dir, die Kontrolle abzugeben, loszulassen." Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, ergriff er meine Hand und zog mich mit sich, auf das Tier zu, das uns neugierig beäugte.
„Albus, was wird das?" Ohne mir zu antworten, zog er seinen Zauberstab, zauberte ein Tuch herbei, das sich um meine Augen band, ich sah nichts mehr. „Albus!"
„Shhh, ich bin da." Langsam wurde ich unruhig. Was wollte Albus damit erreichen?
Mir entfuhr ein leiser Schrei als ich spürte, wie Albus' warme Hände mich an der Hüfte packten und meine Füße dadurch den Kontakt zum Boden verloren. „Beine breit, Liebster", forderte mein Freund mich mit sanfter Stimme auf.
„Was?", entwich es mir, doch ich gehorchte und spürte im selben Moment etwas Warmes unter mir. Ich saß auf dem Rücken des Thestrals. Nur einen Moment später spürte ich wie Albus sich hinter mich setzte, seine Arme um meine Taille legte und sich dadurch an mir festhielt.
„Los geht's", sagte Albus nur und bevor ich etwas erwidern konnte, begann das Tier schon, loszulaufen. Ich hörte das sanfte Schlagen der Flügel und schon spürte ich, wie wir den Kontakt zum Boden verloren und wie der Wind mir ins Gesicht schlug. Wir flogen.
Verkrampft krallten sich meine Hände an dem Körper des Tieres fest.
„Entspanne dich, Gellert." Ich fühlte seinen warmen Atem in meinem Nacken, bevor er mir einen Kuss auf meine Haut hauchte, was ein kribbelndes Gefühl an dieser Stelle auslöste.
Schließlich legte er seinen Kopf an meine Schulter und ganz langsam fiel all die Spannung, die sich über lange Zeit in mir aufgebaut hatte, von mir ab. Ich schloss meine Augen, obwohl ich durch das Tuch vor meinem Gesicht ohnehin nichts sah. Ich konzentriere mich auf die Wärme von Albus, den Wind in meinem Gesicht und das Gefühl von Freiheit. Ich musste lächeln.
Albus' Arme, die um meine Taille lagen, beruhigten mich, gaben mir Halt. Für einen Augenblick vergaß ich den Schrecken über die Vision, die Angst vor der Zukunft, ich lockerte meinen Griff und ließ schließlich ganz los, vertraute darauf, dass das Tier wusste, was es tat und so auch Albus.
„Albus?"
„Ja?", kam die Antwort von hinten. Ich lehnte mich mit meinem Rücken an ihn, nahm ganz bewusst die Wärme wahr, die von seinem Körper ausstrahlte.
„Ich habe Angst", flüsterte ich tonlos, „vor allem, was passieren wird. Vor allem, was passieren könnte und vor der Tatsache, dass jeden Moment alles passieren kann."
„In jedem Moment kann alles passieren und das ist die Magie, die uns das Leben bietet", kam es von Albus und ich musste lachen.
„Hast du einen Sprüche-Kalender verschluckt?", wollte ich amüsiert von ihm wissen.
„Nein", erwiderte Albus, ich konnte das Lächeln förmlich hören.
Auf einmal löste sich das Tuch vor meinen Augen auf und der Mond, in den ich direkt hineinblickte, schien mir so hell, dass ich die Augen zusammenkniff. „Albus, das... ist wundervoll."
„Egal, was passiert, Gellert, und das verspreche ich dir, zwischen uns wird sich nichts ändern", flüsterte Albus mir ins Ohr. Meine Nackenhärchen stellten sich auf, eine Gänsehaut überkam mich und ich musste lächeln.
„Wieso hast du mich hierhergebracht, Albus?", stellte ich nun endlich die Frage, die mich die ganze Zeit beschäftigte.
„Damit du loslässt und dich für einen Moment auf das Wesentliche konzentrierst", war seine kryptische Antwort, „und wie es mir scheint, habe ich das geschafft. Tiere können Wunder bewirken, das wollte ich dir auch zeigen. So habe ich zwei Niffler mit einer Münze gefangen." Er löste seine Arme von meiner Taille und griff mit seinen Händen nach meinen, drückte sie.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber ich bin froh, dass Antonio mich in die Hand gebissen hat. Ohne ihn wäre ich jetzt vielleicht nicht hier. Aber sag mal Albus, wie hast du einen Thestral gefunden? Und vor allem... gezähmt...?" Noch bevor Albus antwortete, war mir schon klar, was er sagen würde.
„Newt war vor kurzem hier, weißt du? Er hat ein paar Tiere vorbeigebracht, das macht er ab und zu. Darunter waren auch zwei Thestrale. Sie sind hier sicher und Newt hat mich gebeten, nach ihnen zu sehen und da kam mir die Idee."
Lachend schüttelte ich den Kopf. „Ihr zwei seid unmöglich."
„Ich wusste, es würde dir gefallen", meinte Albus und ich hörte an seiner Stimme, dass er lächelte. Das erste Mal seit Ewigkeiten fühlte ich mich nicht hilflos dabei, die Kontrolle abzugeben.
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Ich finde, Gellert ist auf einem guten Weg, was denkt ihr?
Ich habe außerdem eine Nachricht für euch: ab nächster Woche werde ich wieder zweimal wöchentlich updaten. Das bedeutet aber auch, dass die Geschichte in ca. 4 Wochen ihr Ende finden wird, ich bin fast fertig mit dem Schreiben und schon gespannt auf eure Reaktionen. 🤗
Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag, man liest sich! ☀️
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