Kapitel 30: Fawkes
„Lass uns langsam zurückgehen, Albus", schlug ich nun vor.
„Lass uns erst noch woanders hingehen." Verwirrt sah ich ihn an, nickte aber schließlich. Gemeinsam richteten wir uns auf. Albus griff nach meiner Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Ich lächelte, weil sich das so gut anfühlte.
Wir verließen den Friedhof, schlenderten auf dem Weg entlang, der aus dem Dorf hinausführte, auf den Wald zu.
„Was hast du vor?", wollte ich neugierig wissen.
„Das wirst du schon noch sehen", antwortete er mit sanfter Stimme und warf mir von der Seite einen geheimnisvollen Blick zu. Die Tränenspuren auf seinen Wangen trockneten nur langsam, glitzerten noch immer im fahlen Mondlicht. Trotz dem Schmerz, oder vielleicht gerade deswegen, sah er schön aus. Weil er echt war, ungefiltert.
Die Umgebung kam mir langsam vage bekannt vor und allmählich konnte ich mir zusammenreimen, wo Albus uns hinführte und diese Vermutung bestätigte sich einige Minuten später, als ich durch die kahlen Stämme hindurch das dunkle Wasser erkennen konnte. Hier an diesem See waren wir einige Male zusammen gewesen, es war wunderschön und abgelegen genug, um seine Ruhe zu haben, was wir immer sehr genossen hatten.
Die Steine knirschten unter unseren Füßen, als wir uns dem Ufer näherten, wo wir schließlich stehenblieben. Schweigend betrachteten wir das Wasser und die seichten Wellen, die leise ans Ufer schlugen, verursacht von dem kühlen Wind, der über die Wasseroberfläche wehte. Der schmale Sichelmond, der nur wenig Licht spendete, verstärkte die vorherrschende Stimmung.
Albus zitterte, der Kälte wegen? Da fiel mir plötzlich sein Schal wieder ein. „Ich habe hier noch etwas für dich", nuschelte ich, während ich seinen Schal herausholte.
„Danke, Gellert, aber ich habe meinen hier", erklärte Albus, hob einen identischen Schal hoch und legte sich diesen um seinen Hals.
„Nimm du den anderen", schlug Albus vor, „Partnerlook des Hauses Gryffindor." Ich schüttelte lächelnd den Kopf. „Na gut, weil du es bist", gab ich nach, während ich mir den dunkelroten Schal mit den goldenen Streifen um meinen Hals band. „Zufrieden?" Mein Gegenüber nickte. „Mehr als zufrieden!"
Ich spürte, wie Albus seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte und lehnte meinen leicht dagegen. Ich lauschte auf das Geräusch des Wassers, das noch immer an das steinige Ufer schlug, und auf Albus' Atem, seinen Herzschlag. In diesem Augenblick war alles perfekt.
„Gellert?", flüsterte Albus schließlich. Ich drehte mein Gesicht zu ihm, um ihm direkt in seine Augen zu sehen. Der Ausdruck der darin lag, machte mich schwach, er erinnerte mich an den, den mein Freund mir früher immer gezeigt hatte, in unserem gemeinsamen Sommer. Meine Mundwinkel zuckten und ich konnte das Lächeln nicht unterdrücken.
„Ich weiß, was ich in dir gesehen habe", hauchte Albus, legte seine Hand an meine Wange und küsste mich. Die Wärme, die diese Worte in mir eben erzeugt hatten, verstärkte sich durch diesen Kuss noch einmal mehr und breitete sich in meinem ganzen Körper aus.
„Würdest du mir glauben, wenn ich dir jetzt sagen würde, dass ich dich liebe, Albus?", fragte ich flüsternd und Albus sah mich überrascht an, lächelte schließlich aber. „Ich weiß nicht... Probiere es doch aus."
„Ich liebe dich, Albus", flüsterte ich, bisher hatten sich nie Worte, die über meine Lippen kamen, so richtig angefühlt. Um meine Worte zu unterstreichen, zog ich Albus ganz nah zu mir, unsere Lippen verschmolzen.
„Ich wünschte, wir hätten die ganzen letzten Jahre so verbringen können", seufze ich, nachdem sich unsere Lippen voneinander gelöst hatten.
„Halt den Mund, du Idiot und genieße den Augenblick", verlangte Albus, nicht ohne ein Lächeln.
„Einverstanden", stimmte ich zu.
Auf einmal verblasste Albus Lächeln und er hielt inne.
„Du hast da 'was", murmelte Albus und strich mir mit seinem Daumen über meine Wange. „Phönixasche", stieß er verblüfft aus und wandte seinen Blick gen Himmel, ich tat es ihm gleich. Und tatsächlich: dort oben kreiste ein feuerrot leuchtender Vogel. Langsam sank er immer tiefer hinab und landete schließlich genau vor Albus' Füßen.
„Hallo, Fawkes", begrüßte er den Vogel, der legte seinen Kopf schief und sah den Zauberer vor ihm neugierig an. Das war der Phönix, der vor wenigen Tagen noch an Aurelius' Bett gewacht hatte.
„Fawkes?", fragte ich nach.
„Aurelius hat ihm diesen Namen gegeben und er passt zu ihm, findest du nicht?"
Ohne darauf einzugehen, stellte ich fest: „Er hat sich wohl einen neuen Schützling gesucht", vermutete ich.
„Sieht so aus", erwiderte Albus geistesabwesend, betrachtete das Tier, das ihn immer noch ansah. Die Sorge, die ich in seinem Gesicht erkennen konnte, überschattete die Freude über das Auftauchen des Phönix.
„Was hast du, Albus?"
„Es heißt, dass ein Phönix dann zu einem Dumbledore kommt, wenn er in großer Not ist."
„Die Not der letzten Tage..."
„Ich bin mir nicht sicher, ob die reichen würde", widersprach Albus.
Verständnislos sah ich ihn an. „Du meinst... dass da noch mehr ist? Weitere Gefahr, die lauern könnte?"
Albus nickte, bückte sich und streckte seine Hand aus. Er streichelte dem Phönix über seine feuerroten Federn.
„Er ist wunderschön", gab ich zu.
Verwundert blickte Albus zu mir auf. „Ach, wirklich?", neckte er mich. „Nach 'Mufflern' und 'Echsen-Viechern' wäre das aber das erste Tierwesen, das du magst."
„Er ist etwas Besonderes", wich ich aus, „und er sieht, dass du das auch bist."
„Seit wann verhältst du dich so kitschig, Gellert?", wollte Albus lachend wissen, während er sich wieder aufrichtete. Zumindest ein Teil der Sorge schien aus seinem Gesicht gewichen zu sein.
Ich schmunzelte und antwortete: „Ich muss schließlich alles aufholen, was ich in den letzten Jahrzehnten versäumt habe."
Und schon wieder küssten wir uns.
Da fiel mir etwas ein und ich wich erschrocken zurück.
„Was ist?", wollte Albus unruhig wissen. „Wir sollten besser zurückgehen, Bathilda macht sich sicherlich schon große Sorgen."
„Was sagt es über dich aus, dass du an deine Großtante denkst, wenn wir uns küssen?"
„Albus!", empörte ich mich. „Manchmal bist du echt nicht weniger Arschloch als ich."
„Mag sein", gab Albus zu, „aber ich kenne den Unterschied zwischen Maulwürfen und Nifflern."
Von Fawkes mit einigem Abstand begleitet, machten wir uns auf den Rückweg. Die Stille, die durch die Nacht über der Welt lag und das Auftauchen des Phönixes, hatte Albus einen Teil seiner Hoffnung zurückgegeben, ich spürte das in seiner Körperhaltung, der Art wie er nun ging, nicht mehr so gebeugt und kraftlos wie auf dem Hinweg.
Schon bevor ich an der Tür klopfen konnte, wurde sie von innen aufgerissen und Bathilda fiel zuerst Albus, dann mir um den Hals. „Merlin sei Dank, ich habe mir solche Sorgen gemacht! Wo wart ihr so lange?"
„Lange Geschichte", wich ich aus und Bathilda lächelte wissend. „Ich bin so froh, dass ihr das wieder hinbekommen habt. Ich habe doch gewusst, dass euch beide nichts wirklich trennen kann. Und wie es aussieht, hatte ich Recht."
„Das hattest du", stimmte ich meiner Großtante zu und drückte bei diesen Worten leicht Albus' Hand, der mir daraufhin zuzwinkerte.
„Na dann lasse ich euch zwei Mal lieber ein bisschen allein", säuselte Bathilda. „Ihr könnt mir ja morgen erzählen, was passiert ist. Schlaft gut, ihr zwei."
„Gute Nacht", erwiderten Albus und ich, gingen schließlich die Treppe hinauf zu unserem Gemach.
„Wie in den guten alten Zeiten", seufzte ich als ich mich auf mein Bett niedersinken ließ und Albus auf meinen Schoß zog.
„Wie in den guten alten Zeiten", wiederholte er mit einem traurigen Unterton. Ich schlang meine Arme um ihn und schmiegte mich an ihn.
„Danke, dass du da bist", flüsterte Albus.
„Ich werde dich nie wieder allein lassen, das verspreche ich dir", versicherte ich ihm und er lächelte.
Zeitnah legten wir uns in mein Bett, wo ich die Decke über uns zog und mich ganz nah an Albus kuschelte. „Schlaf gut, Liebling", flüsterte ich und drückte ihm einen Kuss auf seine Stirn.
„Wie geht es ihm?", fragte mich Bathilda am nächsten Morgen als ich mich an den Tisch niederließ. Albus schlief noch und ich würde ihn solange schlafen lassen, wie er es brauchte. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und ich gönnte ihm diese Ruhe.
„Viel besser als gestern", informierte ich meine Großtante. „Er war auf dem Friedhof, bei Ariana. Er hat sich noch immer nicht vergeben, aber ich glaube, gestern Abend dorthin zurückzukehren, war ein wichtiger Schritt."
„Ja, das war das Richtige", fand Bathilda, die sich mir gegenüber gerade auf den Stuhl sinken ließ und anfing, an ihrem Tee zu nippen. „Hast du es ihm gesagt?", fragte sie mich etwas leiser.
Ich nickte. „Ja, er hat indirekt beinahe schon gefragt, es musste raus. Es ist besser so, denke ich. Ich hätte erwartet, dass er mir eine klatscht oder abhaut, aber er hat mir gesagt, dass er mir schon verziehen hat. Er ist zu gut für diese Welt."
„Das ist er wirklich", stimmte meine Großtante mir zu. „Er hat so viel Schlimmes erlebt, mehr als viele sich vorstellen können und trotzdem ist er dieser gutherzige und liebevolle Mensch geblieben. Ich bin sehr stolz auf ihn."
„War das ein Vorwurf?", bohrte ich nach.
„Natürlich war das einer. Ich sitze mit einem Massenmörder an einem Tisch. Erwarte bitte nicht von mir, dass ich dir das so schnell vergesse."
„Das erwarte ich nicht", versuchte ich sie zu beschwichtigen. „Ich weiß, dass du sauer bist und das auch zurecht."
„Wie wirst du dann weitermachen?", informierte sich Bathilda nun.
Ratlos ließ ich meine Schultern sinken. „Ich weiß es noch nicht", gab ich zu. „Aber ich bin sicher, dass es einen Weg gibt, meine Ziele weiterhin zu verfolgen, ohne Albus dabei zu schaden."
„Oder wie wäre es damit, wenn du mit diesem Eulenmist endlich aufhörst, Gellert? Willst du deine wahren Absichten vor Albus geheim halten oder wie stellst du dir das vor?" Bathilda schien ungehalten.
„Das muss ich wohl", beschloss ich.
„Das ist nicht fair, Gellert. Wieso redest du nicht mit ihm? Ihr seid beide zwei helle Köpfe, euch wird etwas einfallen, wie ihr die Welt verbessern könnt, ohne dass so viele Menschen dafür sterben müssen."
„Wie soll ich ihm das denn erklären? Er weiß nichts von dem, was damals passiert ist."
„Du hast es ihm nicht erzählt?" Verwundert sah sie mich an.
Ich schüttelte nur den Kopf. „Wann denn? Als wir uns kennengelernt haben, war seine Mutter eben erst gestorben, Ariana war ein Wrack. Er hatte genug gelitten, ich wollte ihn nicht noch mit meinen Problemen belasten."
„Das ist eine faule Ausrede, Gellert", fuhr meine Großtante mich an. „Du willst dich nur weiter abschotten. Albus wird das nicht zulassen, er wird merken, dass du etwas vor ihm verheimlichst. Sprich mit ihm."
„Halte dich da raus", entgegnete ich. „Ich weiß, was ich tue."
Bathilda schüttelte resigniert den Kopf. „Mach, was du denkst. Aber wenn du Albus noch einmal wehtust, dann verpasse ich dir wirklich eine."
Entnervt sprang ich auf und verließ das Wohnzimmer, im Flur stieß ich mit Albus zusammen, der alles andere als gut gelaunt aussah. „Was verheimlichst du mir?"
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Oh oh, das riecht nach Ärger. Wie das wohl ausgeht...? 👀
Ich habe letzte Nacht die wohl beknackteste Schreibblockade, die ich jemals hatte, überwunden. Merlin, ich habe die ganze Welt verflucht, so festgefahren war ich... Aber nach einer langen Nacht, gründlicher Recherche und wenig Schlaf bin ich jetzt wieder auf dem richtigen Weg und ihr bekommt heute das neue Kapitel. :)
macht's gut, wir lesen uns hoffentlich bald! <3
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