Kapitel 16: Eifersucht
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus als sich immer mehr Menschen hier versammelten. Es waren noch mehr gekommen als vor einigen Tagen in Berlin. Mein Ziel dort war gewesen, einen Angriff zu provozieren, um erneut aufzuzeigen, dass die Muggel unsere Feinde waren. Das war mehr als erfolgreich gewesen. Heute ging es mir allein darum, den Menschen glaubhaft zu vermitteln, wieso es für alle Beteiligten von Vorteil war, wenn die Zauberer die Verantwortung der Macht übertragen bekamen.
Vinda wusste von der Bedeutung dieses Tages und hatte sich mir gestern nicht weiter aufgedrängt, auch wenn sie das gern getan hätte, das war ihr anzusehen gewesen. Ich spürte, dass sie es langsam ein wenig störte, dass ich mir so wenig Zeit für sie nahm. Darum hatte ich ihr heute Morgen vor unserem Aufbruch versprochen, dass ich mir nach diesem Tag hier ausführlich Zeit für sie nehmen würde. Ohnehin war dann, wenn alles glatt lief, erst einmal abwarten angesagt.
Der Gedanke daran, Vinda endlich das zu geben, wonach sie seit langem verlangte, verursachte einen stetig ansteigenden Brechreiz in mir. Doch so zickig und skeptisch wie sie sich in den letzten Wochen verhielt, war das wohl der einzige Ausweg, sie noch zu besänftigen, so bescheuert das auch war.
Aber nicht nur mein Brechreiz hielt mich davon ab, sondern auch meine Sorge, meine Vision, die ich vor einiger Zeit gehabt hatte, könnte in naher Zukunft Realität werden. Wenn Vinda sich wirklich gegen mich stellte – wovon ich ausgehen musste, den Bildern in meinem Kopf nach zu urteilen – musste ich auf der Hut sein und durfte den entscheidenden Wendepunkt nicht verpassen, wenn ich Schlimmeres verhindern wollte. Ich musste immer im Hinterkopf behalten, dass das jeden Moment der Fall sein konnte.
Entgegen dieser Vorsicht, die ich mir vorgenommen hatte, legte ich meinen Arm um die Schultern, der Frau, die wie immer neben mir stand. Nicht gerade glücklich sah sie zu mir auf. Sie war noch immer gekränkt von unserer Auseinandersetzung gestern, schätzte ich. Sie hatte Zweifel an meinen Motiven und das, wie ich ihr natürlich nicht sagte, zurecht.
Ich wandte mich ganz ihr zu, legte schließlich meine Hände an ihre Wangen. „Ich verstehe, dass dir das nicht gefällt, Vinda", erklärte ich ihr leise. „Nach der Versammlung heute haben wir erst einmal unsere Ruhe, in Ordnung? Ich freue mich sehr auf heute Abend." Ich beugte mich zu ihr, küsste sie. Da Vinda ihre Augen geschlossen hatte, merkte sie nicht wie mein Blick hinter sie glitt.
Mir gefror das Blut in den Adern als ich Albus erkannte, der mich, in der Menge stehend, direkt ansah. Was hatte er hier verloren? Eilig löste ich mich von Vinda, meinen Blick immer noch auf Albus gerichtet. Die Hitze stieg mir in den Kopf.
Mit Mühe richtete ich meinen Blick wieder auf die Frau vor mir, setzte ein vielsagendes Lächeln auf, das sie mit Mühe erwiderte. „Für das größere Wohl", erinnerte ich sie flüsternd.
„Für das größere Wohl", wiederholte sie. Sie war zu abwesend, um meinem Blick zu folgen. Ich musste viel vorsichtiger sein, denn das eben hätte so einfach eskalieren können.
Ich ließ meine Hände sinken, wandte mich eilig von Vinda ab. Ich vermied es derweil, den Blick noch einmal in die Richtung gleiten zu lassen, in welcher Albus stand. Was tat er hier? Dass er hier war, war keine Überraschung. Mich verwunderte nur, dass er das so offensichtlich zeigte und nicht mit tief in die Stirn gezogenem Hut in der letzten Reihe stand, sondern mich direkt anblickte und in der unmittelbaren Nähe stand, beinahe so als wollte er sicher gehen, dass ich ihn bemerkte.
Ich zwang mich, meine Gedanken von Albus wegzulenken. Es war wichtig, dass ich mich jetzt auf die Worte konzentrierte, die ich zu sagen gedachte. Ich durfte mich nicht aus dem Konzept bringen lassen also trat ich ein paar Schritte nach vorn, das Gemurmel verstummte und ich richtete meinen Blick in die Menge – erneut darauf bedacht, Albus nicht anzusehen.
„Dass so viele heute hierhergekommen sind", begann ich, „zeigt mir – zeigt uns – dass die Lage wirklich ernst ist; dass viele unzufrieden sind mit den Entwicklungen. Ihr, die ihr heute erschienen seid, wollt etwas unternehmen, ich sehe es in euren Gesichtern. Ihr wollt nicht tatenlos zusehen, wie man eure Freunde tötet, eure Kinder. Ihr wollt euch wehren und zeigen, dass ihr euch das nicht mehr gefallen lasst. So sehr ich diese Gefühle und dieses Motiv der Gerechtigkeit nachvollziehen kann, so sehr muss ich euch daran erinnern, dass wir nichts überstürzen dürfen. Wir müssen mit Bedacht vorgehen, so wenig Opfer wie möglich riskieren. Doch auch zu viel Vorsicht kann schaden, denn ohne Opfer, meine Freunde, das sei euch versichert, kommen wir nicht voran. Ich sehe euch an, dass ihr Angst habt vor einem neuen Krieg, mir geht es nicht anders. Es gibt viele Menschen, die mir unterstellen, ich würde jeden einzelnen leichtfertig in den Kampf schicken und damit zulassen, dass unschuldiges Blut vergossen wird. Ich kann euch versichern, keine der Entscheidungen, die ich treffe, ist leichtfertig, nein. Ich wäge das Risiko ab und das sollte jeder von euch tun. Niemand will einen Krieg. Aber er ist notwendig. Ohne Krieg kann es keinen Frieden geben. Das ist das Opfer, das wir bringen müssen. Es kann keinen Sieg ohne Opfer geben."
Ich machte eine Pause, um meine Worte sacken zu lassen. Bei den meisten Anwesenden hatten sie den gewünschten Effekt. Ihre Blicke waren zur Seite oder in die Ferne gerichtet, nachdenklich, während ein paar wenige im Flüsterton miteinander diskutierten.
„Das Opfer, das wir bringen, wenn wir unsere Geheimhaltung aufgeben, ist unsere stille Überlegenheit. Die Muggel geben das Unwissen auf, wenn auch unfreiwillig. Letztendlich sind sie aber die Gewinner dieser Entscheidung. Sie werden am allermeisten davon profitieren, dass es Menschen wie uns gibt, die ihr Leben um einiges erleichtern können. Wir hingegen übernehmen damit die Verantwortung und die Macht. Ist dieser Preis dafür, dass die Muggel durch unsere Fähigkeiten ein weitaus weniger schlimmes Leben haben als bisher, nicht mehr als gerechtfertigt?" Zustimmendes Nicken von überall, nur an wenigen Stellen Kopfschütteln oder leise Widersprüche. Ich lächelte in mich hinein, alles lief nach Plan. Triumphal ließ ich meinen Blick über die Gesichter der Anwesenden gleiten, als mir zum zweiten Mal heute jemand auffiel, von dessen Anwesenheit ich absolut nichts hielt. Direkt neben Albus entdeckte ich ein altbekanntes Gesicht: Newt Scamander. Mit ausdruckslosem Gesicht sah er zu mir. Ich könnte ihn jetzt einfach töten, so wie ich es schon oft versucht hatte.
Ich sprach weiter als sei nichts geschehen, ließ mir nichts anmerken. „Wir haben es in der Hand", sagte ich gerade als ich hinter meinem Rücken meinen Zauberstab zückte. „Wir können darüber entscheiden, wie unsere Zukunft aussieht." Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung meines Zauberstabs in die Richtung von Scamander ließ ich den jungen Mann stürzen, der Koffer fiel ihm dabei aus der Hand. Bevor ich mich diesem widmen konnte, trat Albus dazwischen und sah mich mit einem eiskalten Blick an, während ich minutenlang weitersprach, die Menge aufheizte, ohne mich wirklich auf das Gesagte zu konzentrieren. Er wusste, was ich vorhatte.
„Geht nun, meine Brüder und Schwestern", rief ich schließlich. „Überlegt euch, wie ihr in Zukunft leben wollt. Wir schaden niemandem, wenn wir über die Muggel herrschen. Sie profitieren am allermeisten davon und es wird dauern, bis sie das verstehen. Wir wollen niemandes Tod, doch wenn ein paar Leben der Preis sind, müssen wir diesen zahlen. Wir müssen das Risiko abwägen, meine Freunde. Denkt immer daran." Mit diesen Worten entließ ich die Zusammengekommenen. Die Menge löste sich recht schnell auf, die Leute verschwanden in den umliegenden Gassen und Straßen.
Nun konzentrierte ich mich wieder auf den jungen Scamander und seinen Koffer, dessen Inhalt mir schon mehrmals Ärger gemacht hatte. Es wäre mir eine Genugtuung, diesem Möchtegern-Schönling mit seinen bescheuerten Locken endlich eine Lektion zu erteilen.
Bevor ich diesen Gedanken in die Tat umsetzen konnte, griff Albus nach Scamanders Arm und verschwand in einer Nebengasse. Die Wut loderte wie eine heiße Flamme in mir und ohne das Für und Wider abzuwägen, folgte ich den beiden in die dunkle Gasse. Hinter der nächsten Ecke wartete Albus auf mich, seinen Zauberstab auf mich gerichtet. „Lass es gut sein, Gellert." Seine Stimme war ruhig, doch ich konnte ihm seine Anspannung ansehen.
Ich lächelte ihn provokant an. „Sonst... was?"
Albus hielt seinen Zauberstab noch ein wenig höher. „Du treibst es zu weit, Gellert."
„Ach findest du, Albus?" Verächtlich betrachtete ich ihn und Scamander, der sich förmlich hinter seinem früheren Lehrer versteckte. „Ich dachte immer, deine Ansprüche seien höher, Liebster. Doch so wie es aussieht, habe ich mich geirrt. Der große Albus Dumbledore lässt sich auf einen Zoohändler ein, rührend!" Meine Stimme triefte vor Hohn. Scamander rührte sich kein Stück, sah mich nicht einmal an. Er hatte den Blick seitlich auf den Boden gerichtet, wahrscheinlich unfähig auch nur zu irgendwem Augenkontakt aufzubauen. So hielt er sich hinter Albus, der mir nicht antwortete.
„Wie hast du ihn rumgekriegt, hm?" Damit wandte ich mich an Scamander, warf ihm einen verächtlichen Blick dabei zu. „Tee und Zitronenkuchen?" Ich spürte wie mir die Kontrolle über meine Emotionen immer weiter entglitt. „Wollt ihr demnächst ein Geschäft aufmachen und Knuddelmuffs verkaufen?" Am liebsten hätte ich diesem wandelnden Flohzirkus den Todesfluch entgegengeschleudert, doch Albus stand mir im Weg.
„Ich bin enttäuscht von dir, Albus, dass du deine Zeit mit solch einem Schwachkopf verschwendest. Dein Intellekt sollte dir dafür zu schade sein, findest du nicht?"
Albus ging nicht darauf ein, setzte stattdessen ein Lächeln auf, welches rein gar nichts mit Freundlichkeit zu tun hatte. „Vielleicht solltest du deine Eifersucht mal in den Griff bekommen, Liebster. Ich fürchte, deiner französischen Flamme gefällt das nicht." Seine Stimme hatte einen überheblichen Ton angenommen, den ich so gar nicht von ihm kannte.
Erst durch Albus' Worte fiel mir Vinda wieder ein. Unruhig sah ich mich um, erblickte sie sogleich, sie stand schräg hinter mir. Eine düstere Vorahnung beschlich mich. Albus drehte sich zu Newt um und flüsterte ihm etwas zu und das nutzte Vinda aus, um ihren Zauberstab zu heben und einen Fluch auf den abgelenkten Albus zu schleudern, der ihn durch die Luft fliegen und mit einem unangenehm klingenden Geräusch auf den Boden krachen ließ. Überrascht von Vindas plötzlichem Eingriff, sah ich sie an. Wie feige konnte man sein?
Erst jetzt entsann ich mich wieder meiner Vision und ich hätte mich in diesem Moment dafür verfluchen können, dass ich das aus den Augen verloren hatte. Wie bereits vor einigen Wochen in meinen Gedanken, stand mir Vinda jetzt mit erhobenem Zauberstab gegenüber, ihr Gesicht vor Hass verzogen.
„Erledige ihn, Gellert!", schrie sie mich an. Ich riskierte einen schnellen Blick über meine Schulter, sah Albus reglos am Boden liegen, Scamander über ihn gebeugt. Auf einmal stieg die pure Panik in mir auf. Bestimmt stellte ich mich vor Vinda, schüttelte meinen Kopf.
„Ich habe es gewusst! Du hast mir etwas vorgemacht, die ganze Zeit! Von wegen, du willst ihn aus dem Weg haben. Seit ich dich kenne, willst du ihn immer nur beschützen! Aurelius zu schicken, um ihn zu töten, war ebenfalls nur ein Vorwand, ist es nicht so? Du wusstest doch genau, dass er nicht dazu fähig sein würde, ihn zu erledigen!" Mit dieser Vermutung hatte sie mehr oder weniger ins Schwarze getroffen.
„Er manipuliert dich nur, Gellert. Wenn du ihn nicht erledigen kannst, mache ich das für dich." Sie schubste mich beiseite, packte ihren Zauberstab fester, in ihren Augen spiegelte sich der pure Hass.
„Avada kedavra!"
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Was sich in den letzten Kapiteln angedeutet hat, wurde jetzt also wahr: hier habt ihr eure fliegenden Fetzen. Hm... Wie das wohl ausgeht?
Seid gespannt... :D Bis bald! <3
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