Unser Weihnachten
Romans Sicht
Es war der Heilige Abend.
Gestern Abend waren Marco, Papa und ich im Wald und haben unseren Christbaum geschlagen. Wir machten das immer und hatten dabei Spaß. Mama dachte immer wir würden dann nur Mist machen, aber dem war nicht so. Wir hatten eine Schneeballschlacht gemacht, Marco hat mich eingeseift, aber wir redeten auch über unsere Wünsche vom vergangenen Jahr. In diesem Jahr hatten meine Wünsche alle einen Schritt nach hinten machen müssen. In meinem Leben hatte sich einiges gewandelt. Ich hatte Maddy bekommen. Sie hatte mein Leben so bereichert und ich konnte es kaum abwarten, wenn sie am ersten Feiertag ankäme.
Marco zog mich damit auf, aber mein Vater hatte mich, glaube ich, verstanden. Er hatte mich wissend angesehen, als ich ihn angesehen und gefragt hatte: "Papa, wann hast Du gewusst, daß es Mama war?" Mein Vater musterte mich eingehend, versuchte in meinem Gesicht zu lesen. Marco wurde ernster und musterte mich ebenfalls. "Es war kein direkter Moment, aber es war einen Monat nachdem wir uns kennengelernt haben. Wir waren mit Freunden Ski laufen und wir wollten was essen gehen. Ich habe mich zu ihr umgedreht, sie lachte und da waren so viele Dinge, aber von da an war es sicher. Jungs, behaltet das für euch. Solltet ihr es verraten, werde ich alles leugnen!", erzählte er uns. Wir hatten gelacht.
Heute Vormittag hatten wir den Baum geschmückt und waren gemeinsam spazieren gewesen. Zuhause in den Bergen war es immer anders als in Dortmund, hier fühlte ich mich freier.
Und die ganze Zeit hatte ich das Handy in der Hand, um keine Nachricht von Maddy zu verpassen. Und jede Nachricht ließ mich lächeln.
Um sechs hatten wir uns traditionell um den Esstisch eingefunden. Das Käsefondue war unser Weihnachtsessen zu Heiligabend. Den Nachtisch würde es erst am späten Abend geben. Bis zur Messe war auch noch unsere Großmutter dabei. Oma fand es traurig, Maddy nicht kennenzulernen.
Um halb acht machten wir uns auf den Weg zur Weihnachtsmesse. Der Weg durch die Gassen von Münsingen hatte etwas besinnliches. Es schneite. Es war ruhig.
Zurück zuhause, nach zwei Stunden in der Kirche, schob Mama den Nusskuchen in den Ofen und Papa machte den Punsch warm. Ehe wir dann mit der Bescherung anfangen konnten verschwand Marco noch einmal raus. Er hatte in den vergangenen Stunden häufig am Handy gehangen. Ich konnte nur vermuten, daß er mit Leonie telefonierte und schrieb, da sie inzwischen einen intensiven Kontakt pflegten.
Ich sass auf der Couch mit dem Rücken zur Tür und Marco setzte sich wieder zu mir.
"Morgen werde ich früher los fahren!", kündigte ich an. Mama hatte mich sofort durchschaut. Sie lächelte. "Wirst Du Maddy entgegen fahren?" Ich nickte. "Ich will sie in Bern am Bahnsteig abholen, ich will nicht warten bis sie hier aus dem Zug steigt. Sie fehlt mir und ich will sie wieder bei mir haben!", gab ich zu.
"Du hast mir auch gefehlt, mehr als ich in Worte fassen kann! Ich konnte allerdings nicht mehr bis morgen warten.", ertönte diese Stimme in unserem Wohnzimmer. Ihre Stimme. Ich schnellte herum und da stand sie. Strahlend, zerzaust, wunderschön und sie war zu mir gekommen. "Mon Coeur!", platzte mein Kosename für sie aus meinem Mund.
Ich stürzte regelrecht zu ihr und schloss sie in eine feste Umarmung. Sie lachte leise, als ich sie anhob und mich einmal mit ihr drehte. Ich sog ihren ganz eigenen Duft ein, Kokos und Vanille. Noch niemand von meiner Familie hatte mich so gesehen. Es waren zwei Tage gewesen, in denen ich sie mehr als alles andere vermisst hatte, aber jetzt war sie hier. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und küsste mich. Der Kuss wurde inniger und ließ uns für einen Moment vergessen, das wir nicht allein waren, ehe Marco mich anstupste. Wir lösten uns kurz.
Maddy begrüßte meine Eltern. Mein Vater zog sie in eine Umarmung. Dann schloss Maddie meine Mutter an sich. Als sie sich lösten sagte meine Freundin: "Ich hoffe, es stört nicht, das ich schon da bin." Mama legte ihr ihre Hand auf die Wange. "Nein, es ist alles gut. Ich glaube sogar das wir jetzt gerade vollständig sind!", strahlte sie meine Freundin an, blickte zu mir. Dann bedankte Maddie sich mit einer Umarmung bei meinem Bruder. Anschließend zog ich sie wieder an mich, um sie erneut zu küssen.
Nach der gelungenen Überraschung widmeten wir uns der Bescherung. Maddy hatte auch jeweils eine Kleinigkeit für meine Eltern und meinem Bruder. Marco und ich schenkten unseren Eltern eine Woche Urlaub in Italien. Marco selber erhielt einen Gutschein für ein Auswärtsspiel in der Champions League mit Hotel. Ich mochte es, meine Familie regelmäßig dabei zu haben. Dann holte ich die zwei Schachteln hervor die ich für Maddie hatte. Ich reichte ihr die größere. Vorsichtig löste sie die Schleife und hob den Deckel der Box an. Sie schlug das Seidenpapier auf und stotterte: "Das... Woher? Gott Roman, das muss ein Vermögen gekostet haben!" Sie umarmte mich, küsste mich. Marco besah das Geschenk. "Ein altes Buch! Spannend!", sagte er sarkastisch. Geradezu ehrfürchtig holte sie das ledergebundene Werk aus der Schachtel. "Das ist eine Erstausgabe von Krieg und Frieden. Das beste Buch überhaupt. Von 1885.", entgegnete sie und ihre Augen leuchteten. Sie hatte einmal von dem Buch gesprochen und dann hatte ich es zufällig entdeckt. Dann widmete sie sich der zweiten Schachtel, darin ein Gutschein für eine Fahrt im Heißluftballon. Beiläufig hatte sie erwähnt, das sie das gerne einmal machen wollte.
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Roman hatte sich Gedanken gemacht und ich wusste nun kaum mehr, ob meine Geschenke gut waren.
Zum einen war es der Titan- Chronometer mit dem er geliebäugelt hatte. Er legte ihn umgehend an. Und die Bilder, die bei unserem Besuch in Mannheim abseits der Fotostrecke entstanden waren.
Karin war von den Bildern sehr begeistert, wollte unbedingt eines haben, denn sie wollte uns auf ihren Kaminsims stellen. Das Bild aber photografierte er direkt ab und stellte es als Hintergrundbild im Handy ein.
Karin holte dann den Nachtisch. Ich folgte ihr, um sie zu fragen ob ich ihr helfen könnte. Allerdings ertappte ich sie dabei, wie sie sich Tränen wegwischte. Aus einem Impuls heraus nahm ich sie einfach in den Arm. Sie erwiderte die Umarmung. Wir sprachen nichts, sie löste sich nur irgendwann, tätschelte meine Wange und widmete sich dem Nachtisch. Auf meinen Teller des Nusskuchen machte sie noch Schokoladeneis, worüber ich lachte.
Ich sass dann auf der gepolsterten Armlehne der Couch, neben Roman und beobachte mit meinem Nachtisch ihren Umgang miteinander, lauschte ihren Gesprächen. Roman hatte seinen Arm auf meinen Beinen liegen, was eine beiläufige Geste war, für mich aber viel bedeutete.
Um halb zwei fielen wir dann ins Bett. Das Zimmer in welchem wir nächtigten, war Romans altes Jugendzimmer, in welchem zwar ein großes Bett stand, aber sonst war noch einiges von dem kleinen Jungen der er einmal war zu erkennen. Kaum das wir in dem Bett lagen war es so erleichternd endlich wieder zusammen in einem Bett zu liegen. Engumschlungen schliefen wir, lösten uns die ganze Nacht nicht voneinander. Früh wurde ich wach, wie üblich.
In einem schwarzen Rock zu Leggings und Strickpulli hatte ich meine Haare nach dem Duschen locker geflochten. Ungeschminkt ging ich runter, wo ich Martin in der Küche antraf, der gerade dabei war hinaus zu gehen, denn er wollte Schnee schaufeln. Über Nacht war einiges hinzugekommen. Ich zog meine kniehohen Stiefel und Romans Jacke an, in der ich verloren aussah. Ich ging mit raus, einfach nur um ihm Gesellschaft zu leisten. Wir unterhielten uns leise. Irgendwann kam Marco dazu. Wir unterhielten uns weiter. Wir alberten mit dem Schnee.
Romans Sicht
Als ich aufwachte, war Maddie schon aufgestanden. Das war nichts ungewöhnliches. Hier aber war sie zum ersten Mal. Kannte sich nicht aus. Ich duschte schnell und ging umgezogen hinunter. Meine Mutter stand im Wohnzimmer, blickte aus dem Fenster. Ich legte einen Arm um sie und blickte ebenfalls nach draußen.
Papa schaufelte den Schnee weg, während Marco und Maddie jeweils einen kleinen Schneemann auf der Holzbank vor der Tür bauten. Papa bewarf Marco mit einem Schneeball, was Maddy lachen ließ. Allerdings war das Ansporn für meinen kleinen Bruder. Er seifte Maddie ein, doch sie revanchierte sich sofort.
"Mama, wann hast Du gewusst, daß es Papa ist?", wollte ich von ihr wissen, was ich bereits zwei Tage vorher ihn gefragt habe. "Der hatte mich, als er mich angesprochen hatte. Mein Name ist Martin Bürki, ich wünsche mir zwei Söhne, einer soll Roman heissen, willst Du seine Mutter werden! Er war so anders, er wusste so genau was seine Pläne waren und er hat mir nie das Gefühl gegeben, daß es anders war. Warum fragst Du?", antwortete sie mir.
Das da draußen war sie für mich. Maddie war es. Ich wusste es vorher schon, aber als sie gestern plötzlich da war, da war es klarer als klar.
"Maddie ist es oder?", wollte sie leise wissen. Sie drehte sich zu mir um, lächelte wissend. "Sie war es in dem Moment, als ich sie das erste Mal gesehen habe! Sie hat mich ausgelacht, wobei sie damit auch recht hatte. Ist das verrückt?", antwortete ich mit einer Gegenfrage. "Nein, das ist nicht verrückt. Das ist Liebe!", schniefte sie leise. "Und das da, das eins deiner Mädels einfach nur mit raus ging, daß gab es noch nie. Sicher, sie ist eine Prinzessin, aber sie bleibt bodenständig und herzlich. Du hattest die kurzen Geschichten, du hattest Nastassja, aber jetzt ist es anders. Ich glaube wirklich das ihr das schaffen könnt, nicht für eine Weile, sondern für immer!", führte sie weiter an. Ich hielt sie weiter im Arm, während sie sentimental ein paar Tränen laufen ließ. Von draußen polterten die anderen rein. Marco kam direkt dazu. "Was ist mit Mama?", wollte er wissen.
Ich sah Maddie an, strahlte sie an. Auch Mama lächelte mit Tränen in den Augen. Papa legte einen Arm um meine Freundin. "Komm mein Lieblings Mädchen, kümmern wir uns um das Frühstück!", verschwand er mit Maddie in die Küche.
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Mit Martin bereitete ich das Frühstück zu. Er rührte meinen Kakao an, so wie auch Roman ihn machte. Alle frühstückten dann ausgiebig.
Im Anschluss begann Karin sich um das Feiertagsmenue zu kümmern. Ich war im Esszimmer dabei den Tisch zu decken, summte dabei leise vor mich hin, war in Gedanken. Roman lehnte an dem Türrahmen und beobachtete mich. Sein Vater war mit Marco unterwegs ihre Großeltern abzuholen.
Kurz war ich oben, um meine Wimpern zu tuschen, aber mehr schminkte ich mich nicht. Als ich die Treppe wieder hinunter kam, wartete Roman dort. Er zog mich an sich und drückte mich mit dem Rücken gegen die Wand. Er küsste mich, liebkoste meinen Hals. Ich presste mich an ihn, schlang meine Arme um seinen Hals. Seine Hände wanderten unter meinen Pullover. "Du ahnst nicht, wie gern ich mit Dir allein wäre!", raunte er leise und ich lachte heiser auf.
Dann mussten wir uns lösen, denn Romans Vater kam mit Marco zurück. Wir waren im Wohnzimmer, als eine bekannte Stimme fragte: "Madelaine, bist Du das?" Mein Blick schnellte herum und ich begann zu strahlen. "Leni!", freute ich mich und trat in die geöffneten Arme der betagten Dame. Ihr Mann deutete eine Verbeugung an, was ich abwinkte und dann seine Hand ergriff. Karin war aus der Küche getreten. "Mama, was ist denn hier los?", wollte sie wissen. "Das ist die Enkeltochter von Charlotte!", erklärte die Dame. "Ihre Großmutter!", sagte sie hinterher. Roman sah mich an. "Deine Großmutter heißt doch Sofie, und die Eltern Deiner Mutter sind schon verstorben!", bemerkte er. Leni sah zu ihm, verwundert das er das alles wusste. Ich griff seine Hand, mit welcher er mich zu sich zog. "Das ist die Krux in den Adelskreisen. Allein ich habe vier Vornamen. Granny hat fünf und einer ist eben Charlotte! Deine Oma und meine sind seid Urzeiten Freundinnen. Und Du bist der Enkel den sie mir seit Jahren vorstellen will.", erwiderte ich, kichernd, da es schon immer eine Verbindung gegeben hatte. Auch Roman lachte auf. "Hattest Du mal auf meine Oma gehört. Sie hat mir Dich auch immer angepriesen!", sagte Roman.
Leni und ihr Mann Valentin zogen aber nun erst einmal ihre Jacken aus und begrüßten alle. Als letztes hielt sie Roman im Arm, tätschelte seine Wangen. "Nun mein hübscher Enkel, mir wurde berichtet, daß Du eine wahnsinnig hübsche und umwerfende Freundin hast und wir sie kennenlernen werden.", zeigte sie sich neugierig. Jetzt zog er mich an sich. "Oma, Opa, darf ich vorstellen. Maddy, meine Freundin.", stellte er mich noch einmal vor. Seine Großeltern lachten. "Sie ist in der Tat hübsch und umwerfend, das stimmt!", frohlockte sie. Seine Oma beobachtete, wie wir miteinander umgingen, mit welcher Selbstverständlichkeit ich mich in das Familienbild fügte, wie wir uns neckten und das es mir rein garnicht ausmachte, wenn er mich vor allen küsste. Das tat er gern und oft, mal flüchtig, mal zart, mal schallend fest. Marco verdrehte meist gespielt dramatisch die Augen.
Nachdem wir alle im Esszimmer einen Platz gefunden hatten, wurde gegessen. Karin fuhr drei Gänge auf. Alle tranken einen Dole dazu, einen Schweizer Rotwein. Ich ging Karin immer wieder zur Hand. Das lärmende Gewühl am Tisch genoss ich, war integriert. Der Nachtisch stand gerade auf dem Tisch, als ich Marco ausgelassen foppte. Das führte dazu, daß alle lachten, Marco mir spielerisch Rache androhte und Roman mich küsste.
Nach dem Essen räumten Roman, Marco und ich die Küche auf. Wir alberten dabei herum. Danach war die Wolkendecke aufgerissen. Die Sonne verwandelte Münsingen in ein Wintermärchen. Alle gingen wir spazieren.
Auf den Hügeln fuhren einige Familien mit dem Schlitten die Wiesen hinab. Kinder lachten, was wir eine Weile beobachteten. Roman hielt mich umarmt, während wir seinem Bruder lauschten, der irgendwas mit seinem Vater ausheckte. Marco und ich schwatzten ein paar Kindern einen Schlitten ab und wir sausten auch einige Male den Hügel hinab. Wie wir das schafften weiss ich nicht, aber einmal saßen Marco, Roman und ich bei einer Abfahrt zusammen auf dem Holzgefährt. Roman musste auch immer noch auf seine Hand achten, aber ich achtete einfach mit drauf.
Zuhause war es dann noch ein amüsanter Tag. Roman und ich fuhren seine Großeltern abends zurück.
Auf dem Rückweg fuhren wir dann an meinem Haus vorbei. Ich wollte, das er es kannte. Das urige Häuschen im Nachbarort war mir immer wieder ein Rückhalt gewesen. Leonie und Ottilie würden es in den kommenden Tagen nutzen, sie würden am zweiten Feiertag ankommen.
Wir nutzten den zweiten Feiertag um uns zu erholen, um zu entspannen. Am Morgen schliefen wir aus, auch ich, nutzten die Zeit für Zweisamkeit und Zärtlichkeiten. Wir planten, wie wir die Tage gestalten könnten. Einen Tag wollte ich auf die Gipfel steigen, ich wollte Snowboarden und ich wollte Romans Heimat kennenlernen.
Dazu wollten wir Zeit mit seiner Familie verbringen, schließlich waren wir genau deshalb dort.
Da haben sie auch Weihnachten überstanden. Lasst doch bitte einmal Feedback da!
Danke für Votes und Kommentare!
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