Trainingslager
Nach der Ankunft konnte ich vom Foyer aus sehen, wie einige Spieler Autogrammwünsche der Fans erfüllten. Sie machten Photos.
Ich telefonierte währenddessen äußerlich gelassen mit Leonie, das sie die Klatschspalten im Auge behalten möge. Der anwesenden Klatschreporterin Karla Reina war ich schon einige Male ins Netz gegangen. In Mannheim hatte sie mich manches Mal mit Liebschaften aufgespürt. Bei ihr hatte ich das Gefühl, sie würde sich noch mehr in etwas verbeißen als andere Reporter. Das sie allerdings im Sportbereich berichtete war für mich neu. Was wollte sie hier?
Hatte sie mitbekommen das ich unter meinem Mädchennamen dort arbeitete?
An dem Abend wurden nur noch die Zimmer aufgeteilt. Ich hatte ein Einzelzimmer mit Balkon. Auf meiner Etage waren einige Spieler in Doppelzimmern untergebracht, unter anderem die vier mit welchen ich im Bus geflachst hatte.
Nach einem gemeinsamen Abendessen war der restliche Abend zur freien Verfügung. Eine knappe Stunde waren fast alle auf der Terrasse des Hotels, wo gequatscht und etwas getrunken wurde. Lange blieb ich nicht dort. Es war erkennbar, daß die Mannschaft in der Konstellation noch nicht grün war. Sie bat mich, am Samstag, wenn ich wieder da war, einen Termin von sich zu übernehmen, da sich zwei ihrer Termine zeitlich überschneiden würden. Leonie würde dort die Planung übernehmen.
Ich arbeitete in meinem Zimmer noch etwas, ehe ich auf dem Balkon mit meiner Großmutter telefonierte. Das ich nicht als einzige den Balkon des Zimmers nutzte konnte ich hören, als auf dem nebenan telefoniert wurde.
"Hi, ich bins... Wer soll schon ich sein... Ja, genau der ist hier... Wollen wir noch einmal... Jetzt reg dich doch nicht direkt auf.... lass mich doch ausreden.... du weisst genau wie ich dazu stehe und wir haben diese Diskussion schon im letzten Jahr gehabt. Genau genommen diskutieren wir das jedes Jahr... So kann es auf Dauer nicht weitergehen... ich will das so nicht mehr und ich kann das auch nicht mehr... wir schieben eine Entscheidung doch nur noch vor uns her. Wir sind wieder gescheitert, merkst Du das eigentlich nicht... Nein, immer wieder halten wir an etwas fest, wo es nichts mehr festzuhalten gibt... Nastassja.... Hallo...."
Mehr bekam ich nicht mehr mit, da ich ins Zimmer ging und schlafen wollte. Lediglich am Akzent und der Stimme hatte ich Roman erkannt, sowie der Tatsache, das er seinen Namen genannt hatte. Er schien wirklich ein Problem zu haben, was ihn auch während der Anreise belastet hatte, was zumindest den Gesichtsausdruck erklären würde, denn er hatte immer wieder grimmig auf sein Handy gestarrt.
Noch vor dem Sonnenaufgang wurde ich am Morgen wach. Durch die offene Balkontür kam klare und frische Bergluft herein. Ich liebte die Luft in den Bergen, generell in der Schweiz.
Diese Zeit wollte ich hier wie auch Zuhause nutzen. Schnell zog ich mir meine dünnen Sportsachen an und verließ mein Zimmer. Es war noch so früh, das mir niemand aus der Mannschaft begegnete und nur wenige Angestellte zu sehen waren.
Auf der Sonnenterrasse am großzügigen Pool stand noch keine Liege, so dass ich mit der aufgehenden Sonne, dem Hotel im Rücken und in vollkommener Ruhe Yoga praktizierte. Barfuss stand ich auf meiner türkisen Matte und begann ruhig mit dem Sonnengruß. Diese Übungen hatten mir stets geholfen ruhig und entspannt zu sein, ich konnte beim Yoga meine Gedanken sortieren. Yoga hatte mir im größten Trubel geholfen wieder zu mir zu finden. Es hatte mir geholfen mich auf mich zu besinnen, als ich mich nach dem Tod meiner Eltern fast verloren hätte.
Das ich dabei von einem der Sportler und auch meinem Onkel beobachtet wurde, ahnte ich nicht.
Eine halbe Stunde genehmigte ich mir, ehe ich mich im Zimmer duschte und im Trainingsoutfit zur vorgegebenen Zeit zum Frühstück eintraf.
Mit Müsli, frischem Obst und einem Kakao sass ich auf der Terrasse des Speisesaals. Der Trubel nahm zu, es wurde lauter. Einige lachten. Viele der Spieler blieben drin, doch Roman ließ sich an meinem Tisch in einen Stuhl sinken.
Kurz musterte ich ihn. "Dir auch einen guten Morgen, setz Dich doch!", gab ich ein wenig ironisch von mir. Unverständlich brummte er etwas, sah mich nur einmal kurz an. Er hatte eine Tasse Kaffee vor sich stehen und ein Brötchen mit Rührei. Sein Frühstück war allerdings uninteressant, denn er starrte nur mehr auf sein Handy und das, obwohl Handys bei den Mahlzeiten untersagt waren. Immer wieder tippte er etwas ein. Einige Minuten beobachtete ich das Geschehen. Dann seufzte ich innerlich und legte meinen Löffel in mein Müsli.
"Roman, ist alles in Ordnung?", erfragte ich, nachdem ich sein Telefongespräch am Abend zuvor unfreiwillig gehört habe. Seine Schultern hoben sich zu einem Zucken, ehe sein Blick zu mir schnellte. Thomas blickte über die Sportler und ich stupste Roman schnell an, der sein Smartphone in seiner Tasche verschwinden ließ. "Ich verstehe sie halt einfach nicht mehr!", gab er leise zu, beantwortete er noch meine Frage von zuvor. Ich zog eine Augenbraue hoch. Ich glaubte nicht, das diese Aussage bewusst war, so sah er mich auch an.
"Ach, nicht so wichtig.", winkte er ab. Ich deutete mit meinem Zeigefinger auf seine Stirn. "Wenn du so grummelig bist und deine Stirn so in Falten liegt, dann beschäftigt es dich und ist wichtig. Zumindest für dich ist es wichtig. Ich kann nur anbieten zuzuhören. Manchmal kann ein Außenstehender objektiver sein!", sagte ich leise.
Kurz sah er mich an, ehe wir uns beide schweigend unserem Frühstück widmeten. Es wurde erst bei uns lebhafter, als Jule und Marco dazu kamen, die sich ungefragt dazu setzten. Sie bezogen mich ein, als sei es das normalste der Welt.
Hin und wieder musterte ich Roman, der bedrückt wirkte. Jule bemerkte das, dem ich dann stets kurz zulächelte. Er sah immer wieder zwischen Roman und mir hin und her. Was ihn dazu
An diesem Tag wurde dann am Vormittag eine Fitnesseinheit und ein Trainingsspiel durchgeführt. Das Spiel sah ich mir vom Rand aus an, wo auch die Offiziellen des Vereins anwesend waren und am Eingang zum Trainingsplatz stand ein Fernsehteam von Sky Sport. Ebenfalls waren dort einige Fans anzutreffen. Diesen wurden Autogrammwünsche erfüllt.
Nachmittags ging es für die gesamte Mannschaft zum Kletterpark. In zufällig zusammen gewürfelten Kleingruppe sollte der Zusammenhalt mit den neuen Spielern und neuen Teammitglieder gefördert werden. Ich musste mir eingestehen, das es Spaß machte. Meine Gruppe war mit Roman Weidenfeller, Marcel Schmelzer und Kagawa. Das Roman Bürki mich beobachtete fiel mir nicht wirklich auf, aber seinem Kumpel Jule. Der stupste ihn an, wollte wissen was los ist. Während fast alle die tieferen Ebenen nutzten, kletterte ich auf die höchste Ebene, auch der Schweizer Torwart stand da oben. Ein Guide war dort oben. Wir machten ein paar Bilder. Wir hatten Spaß, machten Witzchen.
"Nun, klettern oder die rasante Abfahrt, die geht aber nur zu zweit!", erklärte der. Ich sah Roman an. "Bereit für ein bisschen Nervenkitzel!", wollte ich wissen. Er nickte und wir ließen uns in das Führseil der Abfahrt einklinken. Der Guide stieß uns ab und die rasante Steilfahrt ließ uns beide übermütig lachen. Unten knallten wir euphorisch und überschwänglich abgemildert in das Becken mit den Schaumstoffkissen. Die dortigen Guides halfen uns raus. Wir lachten, Adrenalin durchflutet uns. Ich überlegte bereits, erneut hochzuklettern, als der Mannschaftsarzt dazu kam und uns beide bereits schalt, unsere Gesundheit aufs Spiel gesetzt zu haben. Roman murmelte eine Entschuldigung. "Ich hatte ja keine Ahnung, das Spaß verboten ist!", gab ich an und wurde aufgrund dessen zur Kasse gebeten. Es gab einen Strafenkatalog bei den Profis, der auch für die direkten Mannschaftsmitglieder galt, der angestrengt wurde. Die Spieler besahen mich dabei, denn auch ich lotete Grenzen aus. Die Strafe zahlte ich ohne mit der Wimper zu zucken mittels Überweisung an meinem Smartphone.
Kaum zurück im Hotel nutzte ich den Pool mit Olympiamaßen. Ich pflügte kraulend durch das erfrischende Nass, wie auch wenige andere Spieler. Mein Sportbadeanzug verdeckte einige meiner Tattoos, denn das mussten sie nicht alle direkt sehen.
Nachdem ich aus dem Wasser stieg kam Markus zu mir. "Spaß ist nicht verboten. Wir können nur keine leichtsinnigen Verletzungen riskieren!", erklärte er sein Handeln vom Nachmittag. Ich wrang meine Haare aus und band sie zusammen, wickelte ein Handtuch auch um mich. "Ist schon gut Markus, du musst nichts erklären!", zwinkerte ich.
Im Zimmer duschte ich, glättete meine Haare, die ich zu einem Pferdeschwanz am Hinterkopf band. Auf dem Weg zur Mannschaft schrieb ich mit Leonie und meinem alten Freund Marius. Kurz telefonierte ich mit meinem Cousin.
Abends sassen alle auf der großen Terrasse. Es wurde gegrillt. Man merkte, daß die Chemie noch immer nicht ganz stimmte. Es war, als würde ihnen untereinander Lockerheit fehlen. Die eigentlichen Stammspieler checkten die neuen Profis aus, wussten nicht, ob ihr Stammplatz gefährdet war. Solch ein Verhalten war aber normal.
Andrea aus der Presseabteilung war mit mir die einzige anwesende Frau. Wir saßen an einem Tisch. Ich sass mit einem unverschämt großen Rumpsteak dort, wo mich schon der ein oder andere wegen musterte, hatte dazu ein gekühltes Glas fruchtigen Weißwein gewählt. Markus hatte mich grinsend angesehen. "Was denn, das Glas Wein wird wohl okay sein! Oder ist das auch zuviel Spass?", sagte ich leise. "Ich bezahle sofort und dazu direkt noch ein zweites!", könnte ich mir nicht verkneifen.
Manchmal konnte ich sehr sarkastisch oder provozierendwerden und das spielte ich jetzt aus. Die Mannschaft würde nun an ihrer männlichen Ehre gepackt werden. So eine Diskussion hatte oft helfen können. Gerade hatte ich den letzten Bissen meines Steaks genommen und lehnte mich bequem zurück.
"Nun Jungs, wenn ihr beim Grillen wählen müsstet, Holzkohle oder Gas?", wollte ich laut wissen. Zunächst sahen mich alle an, als stünde ein Auto vor ihnen. Ein entsetztes Raunen war zu hören. André Schürrle reagierte als erstes. "Was ist das denn für eine Frage. Natürlich Gas!", äußerte er sich. Roman war es, der entgegnete: "Schürrle, du grillst ja auch wie ein Mädchen. Echte Kerle grillen auf Kohle!" Allgemeines Gelächter war zu hören. "Echte Kerle also? Ihr seid es doch, die sich auf dem Rasen rumrollen, bis einer mit den Wunderdosen ankommt.", setzte ich eine Provokation nach. Einige schnappten keuchend entsetzt nach Luft. Auch die Vereinsoberen. "Wunderdosen?", wollte Schmelle wissen. Ich nickte theatralisch. "Ein Gegenspieler pustet euch an, ihr fallt und dann kommt jemand mit den Sprühdosen. Und Puff, ein Wunder und ihr steht auf, als wäre nichts geschehen!" Nach meiner Erklärung lachten einige. Meine Mission hatte Erfolg.
Es entbrannte eine hitzige Diskussion, von Witzen und Frotzeleien genährt, über Grillen und die Wunderdosen, wie ich sie genannt hatte. Mit dem Glas in der Hand grinste ich mir einen, weswegen Thomas Tuchel mir zuprostete. Dieser Abend brach das Eis ein wenig mehr und sie wurden langsam ein Team, sie näherten sich an.
Frank setzte sich später noch zu mir. "Dein Sohlen Coup von Roman ist auch zu mir vorgedrungen. Nach der Chinareise kommt der Schuhtechniker von Puma. Es werden neue Schuhe angepasst. Für alle. Ich hätte dich gerne dabei, vielleicht geht auch der Reha Techniker. Wenn wir zurück in Dortmund sind kann ich Dir den genauen Termin mitteilen. Ich wage nämlich mal zu behaupten, daß Roman nicht der einzige ist, der diese Probleme hat!", sprach er aus. Thomas stimmte dem zu. "Das ist wirklich denkbar. Und wenn es diese Fehlstellungen gibt, können durch das Gel ja vielleicht auch Verletzungen vermieden werden." Ich sagte zu, Peter, den Reha Techniker, zu kontaktieren, um diese Thematik mit ihm zu klären. Gleichzeitig bat ich darum, das er abklärt, das ich auch Schuhe angepasst bekäme. Wenn ich mit am Ball tätig war, wollte ich direkt das richtige Schuhwerk haben.
Gegen halb neun erhob ich mich dann um zum Zimmer zu gehen. Bei meinem Onkel gab ich mein Vorhaben für den frühen Morgen bekannt, der mit dem Trainerstab an einem Tisch sass. Er hielt meine Hand. "Aber sei vorsichtig Kindchen!", sagte er leise. Das war mein Sicherheitsnetz, falls etwas geschehen würde. Ich lächelte meinen Onkel nickend an.
Von der Mannschaft verabschiedete ich mich und wünschte allen eine gute Nacht.
Der Schweizer hatte mein Vorhaben ebenfalls mitbekommen. Nur kurz nach mir machte er sich auf den Weg in sein Bett, wie mir irgendwann einmal mitgeteilt wurde.
Im Zimmer duschte ich flott und zog mich zum Schlafen um. Für mein Vorhaben am Morgen legte ich bereits alles zurecht. Leonie und ich schrieben noch einige Nachrichten. Von ihr erfuhr ich, daß meine ersten Unterlagen zum neuen Semester des Fernstudium bekommen hatte.
Ich bat sie ausserdem darum, dafür zu sorgen, daß ich nach meiner Rückkehr am Wochenende mein Herzensprojekt besuchen könnte.
Danach erst ging ich ins Bett, um ausreichend Schlaf zu finden.
Da ist schon mal ein Teil des Trainingslagers vorbei.
Gefällt es euch bisher?
Ich würde mich über Votes und Kommis freuen.
Vielleicht habt ihr Kritikpunkte, etwas das man verbessern kann.
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