Something new
Der Wind zerzauste meine langen braunen Haare, die heute morgen schon lange bearbeitet worden waren. Ich hatte sie geglättet, denn das verschaffte mir ein gewisses Maß an Freiheit wenn ich sie dann natürlich trug. Mein Blick glitt über das ruhige, aber künstliche Biotop zu meinen Füßen.
Ich stand auf der Dachterrasse meines zweigeschossigen und mehr als großzügigen Penthouse am Phoenixsee.
Die Sonne schien an diesem Tag im Juli von einem stahlblauen Himmel. Der Klang lärmender und lachender Menschen vermischte sich schon am Morgen mit dem typischen Strassenlärm des Dortmunder Ortsteils in welchem ich jetzt seit anderthalb Monaten lebte. Man durfte zwar nicht in dem Gewässer baden, aber viele nutzten das Areal um zu entspannen. Es war die Zeit der Sommerferien, die seit einer Woche liefen, und viele Familien nutzten bereits die freie Zeit für gemeinsame Aktivitäten, welche hier breit gefächert waren. So sah man jetzt kleine Boote über das Wasser schaukeln.
Lange hatte ich etwas gesucht, was mich erfüllte, aber mein Leben erlaubte nicht viele Wankelmütigkeiten. Ich musste stets im Hinterkopf behalten, was mein Handeln für Auswirkungen haben könnte. Immer musste ich im Hinterkopf halten, was dieses oder jenes was ich machte, für Auswirkungen auf mein Umfeld haben könnte.
Meine Herkunft erlaubte keine Irritationen.
Meine Familie erlaubte keine Ausflüchte.
Mein Dasein bedeutete Disziplin, was ich früh lernen musste. In der Art, wie es jetzt lief zu früh.
Als ich meiner Großmutter eröffnete, das ich ins Ruhrgebiet ziehen würde und das Familienanwesen in Mannheim verließ, war dieses Penthouse am Phoenixsee der Kompromiss für sie gewesen. Sie wollte, daß ich standesgemäß lebte. Sie wollte mich so in Sicherheit wissen.
Sie hatte Verständnis, dass ich ein freieres Leben führen wollte, nach allem was mir bereits widerfahren war, solange es mir noch möglich war, aber von Geburt an, war mir ein Weg vorherbestimmt gewesen.
Neben den Verpflichtungen meines Geburtsrechtes hatte ich nach dem Abitur eine Ausbildung zur Krankenschwester und Notfallsanitäterin gemacht. Danach hatte ich auch noch eine Ausbildung zur Physiotherapeutin und zertifizierter Fitnesstrainerin gemacht. Aktuell war ich auch noch in meinem Fernstudium involviert. Das dritte Semester meines Studienganges für den Bachelor in Marketing und Kommunikation hatte ich gerade erfolgreich und mit Bestnoten abgeschlossen. Drei weitere Semester sowie ein Praktikum lagen noch vor mir. Für meine Bachelorarbeit war ich bereits in Vorbereitungen. Mein Praktikumsplatz war auch schon gesichert.
Mit nun 24 Jahren im Jahr 2016 hatte ich eine Anstellung bei der Borussia in Dortmund gefunden. Eine Stelle mit 25 Stunden in der Woche. Der dort zuständige Mediziner hatte einen leitenden Oberarztposten in einer Dortmunder Klinik angenommen, was ihn daran hinderte, immer zu den Spielen aufbrechen zu können.
Beworben hatte ich mich mit dem Mädchennamen meiner Mutter. Als Madelaine "Maddy" Schwanenburg war ich zwei Monate vor meinem Umzug zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.
Dr. Markus Braun, der Mannschaftsarzt, hatte ein ausführliches Gespräch mit mir geführt und mir die Stelle nach zwei Stunden angeboten. Einen Probetag sollte ich nicht absolvieren. Er hatte ganz klar gesagt, das sein Bauchgefühl ihm sagte das ich zur Borussia gehörte und sein Bauchgefühl ihn noch nie betrogen habe. Ich hatte dort offen kommuniziert, das ich nebenbei studierte, was für niemanden ein Problem darstellte. Man hatte mir dierekt auch Herr Watzke und Herr Zorc vorgestellt.
Diese Stelle beinhaltete die medizinische Begleitung und seine Assistenz in der Fussballsparte der Borussia. Man hatte beim Training dabei zu sein, Trainingspläne abzustimmen und die Spiele zu begleiten, vor allem die Auswärtsspiele. Auch der Fitnesszustand der Spieler war ein Augenmerk der beachtet werden musste. Die Arbeitszeiten würden stets am Zeitplan der erfolgreichen Bundesligamannschaft abhängig gemacht. Damit konnte ich mich anfreunden, denn das ließ mir ausreichend Zeit für die offiziellen Tätigkeiten, die auf mich warteten.
Der Arzt hatte mich noch über das Gelände geführt und mich zum Personalbüro begleitet, als hinter mir eine Stimme ertönte.
"Madelaine, bist Du das wirklich?"
Nur wenige Menschen sprachen mich unter diesem Namen an, so dass ich kaum merklich versteifte und mich umdrehte.
"Onkel Reinhard, was eine Überraschung!", ertönte meine Stimme erfreut, ehe ich mich umarmen ließ.
Der Präsident des Vereins war mit meiner Tante, der Schwester meiner Mutter verheiratet, aber was er beruflich machte, war für mich nie relevant gewesen. Bei ihnen war ich in meiner Kindheit oft gewesen und sie hatten mich Kind sein lassen. Seit meine Eltern verstorben waren, war der Kontakt merklich weniger geworden. Nicht beabsichtigt, aber mein Leben war aus den Fugen geraten und fortan durch andere Dinge geprägt gewesen.
Freundlich grüsste er auch den Mannschaftsarzt. Dieser berichtete dem betagten Mann, das ich nun im Verein eine medizinische Stelle bekleiden würde, was meinen Onkel freute.
Wir verabschiedeten uns und nach den ersten Formalitäten war ich an dem Tag zurück zum Familienanwesen nach Mannheim gefahren. Granny freute sich für mich, fürchtete sich aber auch ein wenig.
Nun ertönte hinter mir ein leises Räuspern, welches mich in die Realität holte.
"Ihre königliche Hoheit, es ist halb zehn. Sie müssen gleich aufbrechen!" Die Stimme meiner Hofdame, auch ein Zugeständnis für meine Großmutter, klang freundlich.
Während ich mich umwandte erwiderte ich: "Leonie, wie oft soll ich Dir das noch sagen. Du sollst mich hier Maddy nennen. Ich will nicht, daß direkt zu Beginn schon alle etwas von meiner Herkunft wissen! Und Du bist dazu meine liebste Freundin."
Leonie grinste, war sie nicht nur meine Hofdame sondern auch meine älteste Freundin. Und an ihrem Grinsen sah ich, daß sie mich absichtlich offiziell angesprochen hatte. Sie machte das gerne um mich aufzuziehen. Ich machte mir nichts aus diesem Standesdenken.
Nun wurde es Zeit für mich. Schnell zog ich meine blaue Boyfriend Jeans mit dünnem Pulli und High Heels an. Auf diesen konnte ich ebenso sicher laufen, wie in Sneaker.
Meine Lockenmähne war geglättet und die ließ ich offen, steckte sie aus dem Gesicht heraus. Ich trug sie meistens geglättet, um die Locken für mich zu haben, um auch unerkannt sein zu können, insbesondere in Deutschland. Dann schnappte ich meine Sporttasche sowie die rotbraune Aktentasche und lief aus meinen Privaträumen in das Erdgeschoß des Penthouse. Von der Küchentheke schnappte ich meinen Schlüsselbund sowie mein Handy. Leonie reichte mir meinen schwarzen Getränkebecher und wünschte mir einen schönen Tag ehe ich mit dem Aufzug in die Tiefgarage fuhr.
Mein Audi A6 TDI glänzte und ich stieg schwungvoll ein. Der Auspuff röhrte, als ich den Wagen aus der Garage lenkte und in den morgendlichen Verkehr einfädelte.
Da die Sonne schien, hatte ich meine Sonnenbrille aufgesetzt. Nach knapp 20 Minuten Fahrt lenkte ich den Wagen mit meinem provisorischen Berechtigungsausweis auf den Parkplatz am Trainingsgelände der Borussia in Brackel.
Kaum machte ich mich auf den Weg zum Eingang wurde ich von einigen ankommenden Menschen gemustert, aber auch gegrüßt. Am Empfang lächelte mich die dort sitzende Blondine falsch an.
"Frau Schwanenburg, richtig?", fragte sie mit einer Stimme die einen Tick zu hoch und zu affektiert klang. Ich nickte ihr zu. "Ich informiere Herrn Watzke und Dr. Braun, das sie da sind, wenn sie solange warten möchten!" Höflich bedankte ich mich, trat zwei Schritte zur Seite und beobachtete das mäßige Treiben in dem Gebäude. Da es sehr offen gestaltet ist, konnte man das Hin und Her gut einsehen. Es war ein angenehmes Miteinander wie ich sehen und hören konnte.
Während sie gesprochen hatte, hatte sie mir schon keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Durch den Haupteingang traten drei Männer. Der leichte Windhauch, der dabei entstand sorgte dafür, das ich aufmerksam in diese Richtung blickte. Einer von ihnen nickte mir zu, ein anderer grüsste mit spanischem Akzent. Der dritte, hochgewachsen und mit top gestylten Haaren musterte mich kurz. "Hallo Roman!", flötete die junge Frau vom Empfang. Wieder erklang ihre Stimme eine Spur zu hoch. Der Angesprochene sah in ihre Richtung und nahm die Sonnenbrille ab. Er zwinkerte ihr zu und verzog einen Mundwinkel zu einem Lächeln. "Hey Melanie, wie geht's?", ertönte eine markante Stimme mit schwacher Schweizer Dialektik. Für die Empfangsdame war das wohl der Himmel auf Erden, denn sie seufzte leise. Ich hingegen musste ein Lachen ersticken, gluckste leise auf.
Der von der Empfangsdame angehimmelte Typ ließ seinen Blick zu mir schnellen, musterte mich, was ich aber nicht bemerkte, denn Herr Watzke und Dr. Braun kamen auf mich zu. Man begrüßte mich herzlich, reichte mir die Hand mit festem Händedruck. Als wir die Treppe hochgingen, blieb der Kerl mit dem Schweizer Dialekt stehen, die Empfangsdame folgte mit ihrem Blick seinem. Ich hörte noch leise wie er fragte: "Melanie, wer ist das?" Und ich hörte sie noch schnippisch antworten: "Das ist die Neue! Sie ist die neue Assistentin von Dr. Braun und für die Fitness zuständig." Wenn sie wüsste wer ich wirklich war.
Doch das war nur beiläufig, denn ich konzentrierte mich auf meine Gesprächspartner. Man redete auf mich ein, überfiel mich direkt mit Informationen.
Man führte mich in das Personalbüro. Für meinen endgültigen Berechtigungsausweis für das Gelände in Brackel wurde ich umgehend abgelichtet. Für den Signal Iduna Park würde ein weiterer Ausweis angefertigt, wenn meine Mannschaftskleidung bereit wäre.
Im Anschluß ging es in den Sportbereich. Ich hatte mein eigenes Büro mit eigenem Umkleidebereich. Von dort konnte ich direkt, durch die Glasfront, in den riesigen Fitnessbereich blicken. Dieser war hochmodern eingerichtet. Es gab auch einen Spiegelraum. Ich erfuhr, daß dieser für Physio Einheiten genutzt wurde und es hatte auch einmal ein Angebot für die "Spielerfrauen" gegeben, was aus Mangel an Kapazität eingeschlafen war. Die Glasfront am Balkon konnte komplett aufgeschoben werden und gab den Blick auf den großen Trainingsplatz frei.
Im Untergeschoss befanden sich die Umkleideräume der Profis sowie deren Spinde. Auch waren dort die Behandlungsräume zu finden sowie eine Sauna und zwei Whirlpools. Alle Annehmlichkeiten des Trainingsgeländes durfte ich auch nutzen.
Während ich mitbekam das die ersten Spieler zum Trainingsauftakt zum Trainingsplatz aufbrachen, wurde ich dem Zeugwart Frank vorgestellt. Dieser begrüßte mich freundlich und stattete mich mit mit den ersten Stücken der Mannschaftskleidung aus die bereits mit meinem Namen vorhanden waren. Das führte dazu, das ich mich kurz umzog und im Personalbüro den Ausweis für das Stadion ausgestellt bekam.
Nach zwei Stunden des Trainings auf dem Platz kamen die Spieler rein. Im Besprechungsraum wurde ich offiziell vorgestellt. Ich stellte mich als Madelaine vor, bat aber darum, daß sie Maddie sagten. Ich wurde gemustert, man schätzte ab. Inmitten der Spieler auch der Mann mit der Schweizer Dialektik vom Empfangsbereich. Dieser musterte mich genauer, aber das war ich gewöhnt.
Bis zum Ende der ersten Woche würde ich täglich Fitnesschecks machen, da bereits am 8. und 9. Juli Testspiele anstanden.
In der Mittagspause wurde auf Anraten meines Onkels und auch in dessen Beisein eine Besprechung mit Aki Watzke und dem Mannschaftsarzt einberufen. Meine Identität wurde dort bekannt gegeben mit der Bitte Stillschweigen zu bewahren und sich besonders bei Auswärtsspielen nicht zu wundern wenn ein Bodyguard in meiner Nähe wäre. Aki sah man an, daß er es ganz hervorragend fand, das eine Kronprinzessin beim BVB war, auch wenn ich das jetzt geheim halten wollte. Mir war klar, das es irgendwann herauskommen würde, aber ich wollte es nicht in die Welt posaunen.
Bevor ich nach meinem ersten Tag den Heimweg antrat, erhielt ich vom Zeugwart noch eine Tasche mit Sportbekleidung des Sponsors Puma. Da er wegen der Mannschaftskleidung meine Größe kannte, hatte er dort etwas schnell besorgen können. Er bat mich, auf dem Gelände des Vereins ausschließlich Puma zu tragen, was ich als solches umgehend akzeptierte. Schließlich war Puma ein riesiger Sponsor. "Lass Dich von der Bande nicht unterkriegen!", gab er mir zum Abschied noch mit. "Da muss erst was anderes passieren, um mich unterkriegen zu können.", lachte ich. Mit den Sachen ging ich zu meinem Auto, wurde dabei von einigen Sportlern beobachtet. Nach der Vorstellung im Besprechungsraum wurde ich dort immer mal wieder offenkundig und auch verstohlen gemustert. Aber mir machte das nichts, denn ich war das gewohnt.
Mit den ersten Terminen im Gepäck kam ich zuhause an.
Leonie übernahm die ersten Termine in meinen Kalender, nachdem ich mir selber einen Salat vorbereitet hatte. Ich konnte kochen, auch wenn meine Haushälterin es meistens tat. Diese war aber an diesem Abend bei einem Walking Kurs am See. Wir unterhielten uns über meinen Tag und ich berichtete ihr auch von der kleinen Episode am Empfang, worüber wir uns beide sehr amüsieren. Über den Profifußballer, der mich sehr offen gemustert hatte, sagte ich nichts.
In meinem Büro führte ich noch einige Telefonate und unterschrieb einige offiziellen Schreiben der Familie, ehe ich müde ins Bett fiel.
Da ist es, das erste Kapitel.
Ich würde mich freuen, wenn einige her finden und hier bleiben.
Über Kommentare würde ich mich freuen!
Also... Danke für Votes und Kommis!
Anmerkung... Wir haben den 27.1 und plötzlich waren bis auf zwei Kapitel alle wieder auf Entwurf gestellt.
Werden nun neu veröffentlicht.
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