Chinareise 1
Es folgten drei vollgestopfte Tage, ehe es am Mittwoch nach China gehen sollte. Mit Roman schrieb ich zeitweise einige Nachrichten, was mir gefiel.
Im Training wurde der Kader zusammen gestellt. Die Reise auf den asiatischen Kontinent freute alle. Allerdings freute ich mich auch sehr auf ein paar andere Sachen.
Am Sonntag schlief ich aus und hing meinen Gedanken nach. Ich dachte an den kleinen Jungen, ich dachte an Roman, der mir abends beigestanden war.
Ein ausgiebiges Frühstück auf der Terrasse weckte meine Lebensgeister. Leonie, Walter und meine langjährige Haushälterin Ottilie saßen mit mir am Tisch. Hier bestand ich darauf, aber meine Oma würde einen Anfall bekommen. Das Leonie als Freundin meine Hofdame geworden war, hatte dabei einen besonderen Stellenwert. Granny war auch mit ihrer Hofdame befreundet. Jegliche weiteren Helferlein im Haushalt waren allerdings nichts als Personal für meine Oma.
Aus der Kinderklinik erfuhr ich, daß die Beerdigung am Mittwoch Mittag stattfinden würde. Nicht nur, daß ich die Kosten bei dem Bestatter übernahm, ich wollte auch dort erscheinen.
Ausserdem bat ich Leonie eine hochkarätige Spendengala für die Kinderklinik zu organisieren, in einem offiziellen Rahmen. In Dortmund wollte man eine Forschungsstation eröffnen und in meinen Augen musste man alles erdenkliche tun, um den Kindern zu helfen.
Meine Freundin besuchte im Anschluss ihre Familie, die in Köln wohnte. So konnte ich meinen Gedanken nachhängen. Und ich ging am frühen Abend joggen, drehte zwei Runden um den See, machte Yoga auf meiner Dachterrasse. Belanglos textete ich mit Roman sowie mit Jules Freundin Sarah.
Montag und Dienstag wurde noch mal trainiert.
Am Montag war ich auch im Krankenhaus bei Dr. Braun. Er erhielt die ersten finalen Trainingspläne, welche er seinen Unterlagen der einzelnen Spieler zuordnen würde. Auch sprach ich mit ihm über die Einlagen von Roman und die verbesserte Haltung sowie seine Schmerzfreiheit. Er befürwortete es, mit den Gelkissen zu arbeiten.
Am Montag Abend war ich in Düsseldorf bei meinem Schneider, der mein neues Abendkleid für die Gala fertigte. Auch machte ich Besorgungen, was ich in Asien benötigte. Dabei wurde ich von einem Photografen abgelichtet, was mich dort nicht weiter interessierte. Es war bekannt, daß ich regelmäßig in Dortmund war, wegen meinem charitativen Engagement.
Das Training am Dienstag Mittag führte zwischen dem Cheftrainer und mir zu einer hitzigen Diskussion.
Seit zwei Tagen litt Matthias Ginter unter einem Magen-Darm-Infekt. Er kotzte sich regelrecht die Seele aus dem Leib. Er war kaum in der Lage vernünftig zu trainieren, musste immer wieder abbrechen und pausieren. Am Tag zuvor hatte ich bereits mitbekommen, daß seine Freundin Christina überhaupt nicht einverstanden war, das er so geschwächt überhaupt trainierte. Es ging Matthias aber darum nicht auf dem Abstellgleis zu landen.
Die Profis standen am Eingang zu ihren Umkleiden und sie wurden Zeuge einer Auseinandersetzung.
Ich wollte eine Kaderänderung, wollte, daß Ginter zuhause blieb.
"Ich bin der Cheftrainer, ich entscheide über die Aufstellung der Mannschaft, nicht Du!", wurde er laut.
"Auf der Chinareise bin ich für die Gesundheit aller verantwortlich und ich kann das nicht gutheißen. Nicht nur das Matthias bei der in China herrschenden Luftfeuchtigkeit selbst körperlichen Schaden davon tragen kann, du setzt alle dem Infekt aus! Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, mir übermorgen dreißig mal anhören zu müssen das ich von irgendwem die Mutter anrufen möge, weil sie just in dem Moment sterben, Cheftrainer inklusive!", echauffierte ich mich. Ich kannte die Spieler nicht lange, hatte noch lange nicht mit jedem mehr als zehn Worte gewechselt, aber bei der Gesundheitsfürsorge verstand ich keinen Spass.
Romans Sicht
Wir waren alle auf den Weg nach drinnen, als wir laute Stimmen hinter uns auf dem Weg hörten. Thomas und Maddy diskutierten lautstark. Ginter war seit zwei Tagen krank, war auch jetzt ohne Dusche und Umziehen direkt nach Hause gefahren, um sich in die Fürsorge seiner Freundin Christina zu begeben. Unsere Fitnesstrainerin wollte das er aus dem Kader für China gestrichen wurde.
Alle lachten auf, das diese zierliche Person dem Chef die Leviten las. Sie gestikulierte wild, deutete immer wieder in unsere Richtung. Sie nahm es ernst und setzte sich für unseren Teamkameraden ein, weshalb sie sich mächtig Achtung unter den Jungs erarbeitete, in der kurzen Zeit. Einen halben Kopf war sie kleiner als Tuchel, aber das tat ihrem energischen Auftreten keinen Abbruch. Sie war lauter als üblich, sie vertrat ihre Meinung sehr deutlich und sie gestikulierte weiter wild mit den Händen. Wir lachten, als wir sahen, wie sie mit ihrem Zeigefinger immer wieder in die Brust von Thomas piekste. Er war irritiert über ihre Entschlossenheit.
Es dauerte nicht lange, bis Thomas an uns vorbei marschierte und "Ich will nichts darüber hören!" zischte. Keine Minute später folgte Maddy, triumphierend grinsend.
Erst danach gingen auch wir Spieler alle hinein.
~~~
Nach einigen Minuten fand ich mich im Büro von Thomas ein. Lässig lehnte ich am Türrahmen und wartete darauf, daß er das Gespräch am Handy beendete.
"Für meinen Tonfall entschuldige ich mich. Für das was ich gesagt habe nicht!", gab ich an. Der Trainer sah zu mir. "Ja ja, schon gut. Ich habe ihn soeben aus dem Kader gestrichen. Und spar dir das Grinsen!", gab er zurück. Das sparte ich mir nicht und er erwiderte das Grinsen leicht. Er seufzte und mit einem Fingerzeig verwies er mich dann des Raumes.
Zufrieden schlug ich den Weg in mein Büro ein und packte die notwendigen Unterlagen ein, die ich für China benötigte. Ich schrieb auch Christina, das ihr Freund nicht mitfliegen würde. Dann packte ich noch das medizinische Material zusammen und brachte die vollgepackten Metallkoffer zum Zeugwart, der die Mannschaftsmaterialien für den Flug vorbereitete. Auch Frank grinste mich an. "Wie ich hörte hast Du Dich mit dem Chef angelegt!", kam es von ihm. "Ich habe nur agiert, wie es normal sein sollte. Gesundheit geht vor!", entgegnete ich und er klopfte mir auf die Schulter. "Du machst das schon echt gut! Die Jungs haben mächtig Respekt vor dir!", verriet er mir. Ich musterte ihn, überlegte auch, ob er bestimmte Spieler meinte.
Danach machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ich stand am Auto, nur Trainingsklamotten an, Haare aus den Pferdeschwanz befreit und die Sonnenbrille auf der Nase. Kurz sah ich gedankenlos in die Ferne. Das ich dabei von Roman beobachtet wurde, bemerkte ich nicht.
Im Penthouse lag mein Samsonite in meinem begehbaren Kleiderzimmer. Für die beiden offiziellen Termine waren bereits zwei Kleider sorgfältig im Kleidersack untergebracht. Die übrigen Kleidungsstücke landeten im Trolli. Es war viel Sportkleidung, etwas um Ausgehen zu können.
Am Mittwoch mittag wohnte ich der Beerdigung des kleinen Mario bei. Er war ein Fan von Roman Weidenfeller gewesen und ich hatte für die Eltern ein Trikot mit Unterschrift von ihm, welches sie in einem Glaskasten auf das Grab legen wollten.
Dort, inmitten all der trauernden Menschen verbarg ich meine Tränen hinter meiner Sonnenbrille.
Dort, zu Ehren des kleinen Mario, gestattete ich mir den Moment der Schwäche. Schwäche, die ich mir nicht oft erlaubte, denn das passte nicht zu meiner Herkunft.
Oma hatte stets gesagt, schwach sein und Tränen zeigen steht uns in der Öffentlichkeit nicht zu. Wir stünden an einer Position, in der wir stark zu sein hatten. Eine antiquierte Ansicht, die sie eisern durchzog. Als mein Vater, ihr Sohn, starb und zu Grabe getragen wurde, hatte ich nie eine Träne von ihr gesehen oder ein Wort des Klagen vernommen. Ob das für die Psyche immer so gesund war, vermochte ich nicht sagen zu können. Bei mir zeigte sie sich aber verständnisvoller.
Ich empfand mich nicht immer als so konsequent und wollte es auch nicht sein. Ich wollte nahbar sein.
Im Anschluß ging ich mit Leonie im Acqua zum Mittagessen. Ein angesagtes Restaurant der italienischen Küche, was auch von den Spielern frequentiert wurde. Mit dem Betriebsleiter Sandro verband mich eine lange Bekanntheit, da er zuvor ein Restaurant in Mannheim geführt hatte, wo ich ihn auch kennengelernt hatte. Hier in Dortmund bekam ich stets mein Lieblingsgericht , welches eigentlich nicht auf der Karte stand. Und er hatte stets Tiramisu ohne Kaffee für mich.
Wir besprachen einige Dinge, die während meiner Abwesenheit zu erledigen waren.
Es war ein Datum für die Spendengala festgelegt worden, die am Donnerstag den 17. 11.2016 stattfinden sollte. Um 19 Uhr würde die Gala eröffnet werden. Direkt mit einer Rede durch meine Person. Der Veranstaltungsort würde die Philharmonie sein. Leonie sollte erste Caterer anfragen und eine Gästeliste erstellen. Für ausgewählte Gäste würde es dann auch noch eine Aftershow Party geben.
Auch gab sie Infos zu den offiziellen Terminen in Shanghai weiter. Es war einmal ein Besuch in einer Kunsthochschule, die meine Granny förderte und ein Mittagessen mit hochrangigen Persönlichkeiten.
Zuhause wartete noch ein Telefonat mit meiner Großmutter sowie ein Nickerchen vor dem Flug.
Leonie fuhr mich dann abends um halb sechs nach Brackel, von wo wir alle mit dem Bus zum Flughafen Dortmund aufbrechen würden.
Jule wurde von seiner Freundin Sarah gebracht, mit der ich beim Training schon einmal gesprochen hatte, sowie das wir schrieben. Sie hatten auch Roman im Schlepptau. Das schien zu bedeuten, daß sich die Situation, die er mir in den Alpen mitgeteilt hatte, nicht einfacher geworden war. Sarah und ich sprachen kurz darüber uns nach der Reise treffen zu wollen, wir überlegten mal auszugehen.
Pünktlich um 18h starteten wir zum Flughafen wo das Einchecken zügig voranschritt. Der Präsident, der mich persönlich und herzlich begrüßte, flog ebenfalls mit. Mein Onkel machte keinen Hehl daraus, froh zu sein, daß ich wieder in seiner Nähe war.
Alle waren leger gekleidet, was bei der Flugzeit von fast elf Stunden vollkommen zu verstehen war.
Planmäßig hob die Maschine ab.
Nach und nach wurde es ruhig in der Maschine. Fast alle hatten einen Doppelsitz für sich.
Ich lag ausgestreckt auf dem Rücken, meine Beine an der Flugzeugwand nach oben gestreckt. Die Kopfhörer auf den Ohren sah ich auf meinem Tablet einige Folgen meiner Lieblingsserie Revenge.
Als Roman's Kopf verkehrt herum in meinem Blickfeld auftauchte pausierte ich die Folge.
"Die schlafen fast alle, was machst Du?", wollte er wissen. Kurz zeigte ich auf die pausierte Folge und richtete mich auf.
Er trug wie ich sportliche Kleidung und er fragte ob er mitschauen könnte.
Wir befestigten das Tablet am Vordersitz, teilten meine Kopfhörer und schauten die Serie weiter. Wir redeten nicht und irgendwie war das auch nicht notwendig.
Irgendwann mussten auch wir eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffnete, lag mein Kopf auf seiner Brust gebettet. Einen Arm hatte er um mich gelegt. Er lag mehr, als das er sass und schlief ebenfalls. Kein unangenehmes Gefühl, aber mehr als unangebracht. Sein Duft vernebelte mir im wach werden noch die Sinne, welche sich immer mehr einschalten.
Abrupt richtete ich mich auf. Das war mehr Nähe als gut war. Alles an ihm ließ meine Synapsen Alarmglocken auslösen. Noch immer war das Licht in der Maschine gedimmt und es war ruhig. Somit hoffte ich, daß niemand mitbekommen hatte, wie wir dort lagen.
Auch der Schweizer wachte auf, lächelte kurz als er mich ansah und blickte sich dann zunächst verwirrt um sich. Nach einem kurzen geflüsterten Wortwechsel ging er dann wieder auf seinen Platz.
Pünktlich landeten wir im Land der aufgehenden Sonne. Mit dem Zeitunterschied hatten wir dort mittags. Ein mörderisches Klima schlug uns allen entgegen. Alle waren wir froh im klimatisierten Hotel anzukommen.
Die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit nötigten uns dazu das erste Training auf 21 Uhr zu legen. Bei diesem gab es lediglich ein lockeres Auslaufen und einfache Geschicklichkeitsübungen mit dem Ball. Bei diesen leichten Sachen machte ich mittlerweile mit, um die Bewegungen beim Fußball zu verstehen. Die Jungs zeigten sich dann auch immer mal frotzelnd, aber die Momente des Spaßes ließ ich ihnen.
Am nächsten Tag erwartete mich ein enger Zeitplan. Beide Termine die ich wahrzunehmen hatte, waren am selben Tag. In einem typischen schwarzen Kleid trug ich dazu flache Schuhe, um den kleingewachsenen Chinesen meinen Respekt anzubieten, und hatte meine Locken locker gesteckt und mit Orchideen drapiert. Für den zweiten Termin hatte ich High Heels dabei.
In der Hotellobby wurde ich von der chinesischen Kontaktperson erwartet und abgeholt. Jetzt dort sahen sie eine andere Maddy. Sie sahen die stolze Prinzessin, von der sie nichts ahnten, die aufrecht und würdevoll ihre Termine wahrnahm. Sie sahen wie ich hofiert wurde und ganz ladylike durch die Halle schritt. Einige Spieler bekamen dies mit und ich wusste, daß ich befragt werden würde. Man war neugierig, weshalb ich so herausgeputzt war.
Beim Abendessen, welches ich gerade so erreichte, war es auch prompt soweit. Durch die Halle des Hotels hatte ich noch die fürstliche Haltung bewahrt. In dem Kleid, ohne mich umzuziehen, ließ ich mich bei Jule und Roman am Tisch nieder, war mir der Blicke mehr als bewusst. Allein die Tatsache, wie ich nun auf den High Heels balancierte, ließ sie staunen.
Sven Bender und Eric Durm saßen an meinem Nachbartisch und schaufelten sich Nudelberge in den Mund. "Sag mal Maddie, war das dein Lover der dich heute mittag so herausgeputzt abgeholt hat?", wollte Eric wissen. Die Gespräche am Tisch verstummten und alle sahen zu mir.
"Ich musste einen Termin im Namen meiner Familie wahrnehmen!", beantwortete ich die Frage ehrlich ohne die Wahrheit preiszugeben. "Hast Du einen Lover?", hakte Eric erneut nach. Ich sah ihn an, war mir der noch intensiveren Blicke bewusst. "Nein, ich habe keinen Lover! Ich will auch keinen Lover wie Du es nennst.", beantwortete ich die Frage wahrheitsgemäß. Ich sah Eric an. Kurz lächelte ich. "Ich will ein für immer! Ich will meine eigene kleine Ewigkeit. Kinder, die vom Alter nicht soweit auseinander sind. Mit nicht weniger als das gebe ich mich zufrieden!", stellte ich klar und bemerkte in dem Moment nicht den Blick, den Roman mir zuwarf. Dann holte ich mir einen Salat, zog meine High Heels aus und schlug meine Beine unter. So lauschte ich den Gesprächen. Unbewusst löste ich meine Hochsteckfrisur, bis sich meine gewellten Haare über meinen Rücken ergossen. Was das in Verbindung mit dem Kleid für eine Ausstrahlung hatte, dessen war ich mir wie so oft nicht bewusst. So bemerkte ich auch nicht, das Roman mich immer wieder verstohlen musterte. Beim Rausgehen klingelte mein Handy. Auf der Terrasse nahm ich den Videocall an. Es war meine angeheiratete Cousine mit ihrem kleinen Mädchen. Wir quatschten etwas und in dem kleinen Sessel schnitt ich über die Kamera Grimassen für das Kleinkind. "Lia lieb!", brabbelte sie, es war erschreckend, das sie bereits so früh sprach. "Lia?", wollte dann Roman wissen, der auch draussen war. Ich sah ihn an. "Madelaine und Maddie bekommt sie nicht hin!", gab ich zurück.
Mehr Fragen liess die Zeit nicht zu, denn das Testspiel gegen Manchester United wartete auf die Mannschaft.
Trotz der vorgerückten Stunde waren viele Fans dort.
Die Aufwärmübungen fielen aufgrund der Klimabedingungen leichter aus.
Das Spiel konnten die Jungs für uns entscheiden, was allen ein Hochgefühl bescherte.
Auf der Rückfahrt ins Hotel herrschte eine ausgelassene Stimmung. Alle tranken noch etwas an der Hotelbar.
Schon sind die ersten beiden Tage der Chinareise vorbei.
Maddy musste eine Frage beantworten.
Findet ihr es in Ordnung das sie ihre wahre Herkunft verheimlicht?
Freue mich, wenn ihr euch äußert!
Danke für Votes und Kommentare!
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