17 - Jetzt gehts los!
Jetzt gehts los!
Diva ist heute morgen sehr still. Diese Untersuchung gestern war seltsam mit diesem Dings und dem ganzen Glitschkram. Aber es scheint alles in Ordnung zu sein. Natürlich habe ich Diva sofort verraten, dass wir drei wundervolle Kinder bekommen werden, und sie freut sich genauso darauf wie ich.
Während Diva sich ausruht und unsere Menschen nur seeehr langsam in die Gänge kommen, suche ich nach weiteren Stoffen und Kissen, um auch noch im Arbeitszimmer ein Nest für unsere Babys zu bauen. Tae hat ausnahmsweise mal die Tür zum Bad offen gelassen, und so kann ich einen Haufen Handtücher stibitzen Und eine schwarze Hose. Die trägt Tae so selten, die kann nicht wichtig sein. Also kann ich sie benutzen.
Ich werde gerade mit dem neuen Schlafplatz fertig und will ihn stolz Diva präsentieren, als ich Taehyung durch die Wohnung brüllen höre.
"TANNI!"
Diva schaut mich fragend an, aber ich weiß auch nicht, warum er so aufgebracht klingt.
"Ich schau mal eben, was los ist", teile ich Diva mit und tapse zu Tae in den Flur. Er hat beide Hände in die Seiten gestemmt und sieht so gar nicht fröhlich aus.
"Bei aller Liebe, Tanni. So geh das nicht! Ich weiß ja, dass du es nur gut meinst, aber erstens braucht Diva nicht NOCH ein Nest. Und zweitens: Du kannst doch nicht meinen guten Anzug nehmen, um das Nest gemütlich zu machen!"
Tae sieht wirklich sauer aus, aber als ich ein leises Lachen hinter ihm höre, sehe ich, wie er sich wieder entspannt. Jungkook kommt zu uns in den Flur (wahrscheinlich weil man Taes Gebrülle überall in der Wohnung gehört hat) und streicht meinem Herrchen über den Rücken. Ich erkenne sofort, dass er angestrengt versucht, ernst zu bleiben. Er kennt Tae mittlerweile eben genauso gut wie ich. Solche Kleinigkeiten lassen ihn immer noch ein bisschen aus der Haut fahren.
Im Gegensatz zu mir weiß Jungkook allerdings sofort, wie er ihn wieder beruhigen kann. Er dreht Tae zu sich und küsst ihn sanft. Ich schaue lieber ganz schnell weg und beschließe Diva zu sagen, dass es nichts Wichtiges war.
Aber dann höre ich es. Diva winselt, wie sie noch nie gewinselt hat. Mir rutscht das Herz in die Hose. Geht es jetzt los?
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Besonnenheit
Manchmal denke ich, Jungkook kann zaubern. Im Handumdrehen hat er mich vom Missbrauch meines besten Kleidungsstücks abgelenkt und wieder runtergeholt von der Palme.
Wie macht er das? Und warum kann ich ihm das nicht genauso zurückgeben? Manchmal fühle ich mich echt wie eine klemmende Schublade. Oder - etwas weniger kreativ - wie ein Schmarotzer.
Dieser Gedanke gefällt mir gar nicht. Aber ändern kann ich daran im Moment leider nichts. Immerhin versuche ich es mit einem schrägen Grinsen und einer kurzen Umarmung. Jungkooks Augen leuchten auf. Und ich? Habe ein schlechtes Gewissen, dass ich ihm damit vielleicht 'zu viel versprochen' habe.
Bei dir piepts wohl! Zuviel versprochen ...
Örks. Ja, bei mir piepts. Du piepst - dauernd dazwischen. Lass mich in Ruhe!
Habe ich mich inzwischen an meinen Kopfbesetzer gewöhnt? Nicht die Bohne! Hat er recht? Mit großer Wahrscheinlichkeit ja.
Jungkook sieht mich fragend an. Ich bin wohl mal wieder eingefroren. Wir kommen allerdings nicht mehr dazu, das zu klären, denn plötzlich hören wir ein ängstliches Winseln von Diva. Das Geräusch ist neu. Und es ist eindeutig. Es geht los! Yeontan schießt wie ein Pfeil von der Sehne geschnellt ins Arbeitszimmer. Die Frage, wo Diva grade ist, ist damit auch geklärt.
Jungkook will hinterherstürzen, aber ich halte ihn zurück.
"Warte, Jungkook. Keine Panik bitte. Wir müssen noch ganz lange gar nichts. Es kann sechs bis zwölf Stunden dauern, bis sich wirklich was tut. Wir machen jetzt alles, wie wir es besprochen haben.
Wir schauen nach Diva und versuchen, es ihr bequem zu machen. Wir ziehen uns in Ruhe an und frühstücken, damit wir ..."
"Frühstücken?!"
Ich höre Panik in seiner Stimme. Das ist seltsam ungewohnt von ihm, bringt mich aber zum Glück nicht aus dem Konzept.
"Ja, Kookie, frühstücken. Damit wir in der Ruhe und bei Verstand sind, wenn es drauf ankommt."
Jungkook zittert.
Das wird lustig. Gleich bin ich hier nämlich der einzige, der noch bei Verstand ist.
"Wir werden entspannte Musik anmachen, den ganz normalen samstäglichen Wohnungsputz und Wocheneinkauf in Angriff nehmen und dabei immer mal wieder nach ..."
"ICH werde NICHT die Wohnung verlassen!"
"JUNGKOOK!"
Er zuckt zusammen. Leise rede ich weiter.
"Entschuldige, dass ich laut geworden bin, aber du darfst jetzt nicht durchdrehen. Komm runter! Du machst es Diva nur schwerer, wenn du jetzt deiner Sorge nachgibst. Sie braucht von dir das Gefühl, dass alles normal und in Ordnung ist. Und der Instinkt einer gebärenden Hündin ist verdammt treffsicher. Atme tief durch, geh kurz da rein und versprich ihr, dass alles gut gehen wird. Und dann geh unter die Dusche und krieg Dich wieder ein. ... Los! Das ist ein Befehl."
Kook atmet tief ein, stakst mechanisch ins Arbeitszimmer, bemüht sich um einen ruhigen Tonfall und spult mein Sprüchlein runter. Dann kommt der Roboter wieder in den Flur, steuert das Bad an und verschwindet unter der Dusche.
So. Selber durchatmen, Hunde beruhigen, Frühstück machen.
Im Arbeitszimmer finde ich eine rührende Szene vor. Diva wälzt sich auf dem Handtuchhaufen unruhig hin und her. Yeontan steht vor ihr und leckt ihr über den Bauch, wann immer die Kulle dabei für ihn erreichbar ist.
Hm. Das geht besser.
Ich sehe mich um.
Ja, hier kann Diva bleiben.
Ich schiebe den Schreibtischstuhl beiseite, räume ein paar Papiere auf, damit genug Platz ist, und hole alles Notwendige in Divas Nähe. Dann hocke ich mich zu den beiden Hunden auf den Boden. Yeontan sieht mich mit flehenden Augen an. Ich streichele beide.
"Ach, Tanni. Du musst dir keine Sorgen machen. Ja, Diva hat jetzt Schmerzen, und das wird eine Weile so bleiben. Aber du machst das schon ganz richtig. Wenn du ihr über den Bauch leckst, kann sie etwas entspannen. Das hilft ihr. Schau, so."
Mir ist jetzt egal, dass die Hunde mich nicht verstehen können. Der Tonfall zählt. Ich reibe meine Hände aneinander, damit sie warm werden, und streichele gleichmäßig Divas angespannte Bauchdecke. Allmählich beruhigt sie sich. Jetzt kann Yeontan gut an sie rankommen und beginnt, liebevoll ihren Bauch zu lecken. Diva legt sich auf die Seite und lässt ihn machen. Ich bin ganz begeistert von seiner Ausdauer.
In der Küche bereite ich alles vor für ein gemütliches Frühstück. Plötzlich steht Jungkook vor mir, klatschnass, nur dürftig in ein Handtuch gewickelt, das Gesicht weiß wie die Wand. Der Rest ... sehr ansehnlich. Ich weiß überhaupt nicht, wo ich hinsehen soll, und beschäftige mich ruckartig mit der Teekanne. Seine Stimme fleht mich an.
"Tae? Bitte! Glaubst du, sie schafft das?"
"Ja, Kookie. Sie wird das schaffen. Ich stecke nicht drin in dem Bauch. Aber die Natur hat das alles ziemlich gut geregelt. Diva wird intuitiv wissen, was sie wann zu tun hat."
Ich ignoriere den Rest meines tropfenden Freundes, schaue ihm lächelnd in die Augen und rede mit fester Stimme weiter.
"Geh jetzt, zieh dich an, lass uns was essen. Dann geht es auch Dir wieder besser. Frag alles, was du fragen willst. Ich bin da."
Ich gebe ihm ein Küsschen und schiebe ihn in den Flur. Seine Schritte entfernen sich in Richtung Schlafzimmer.
Gut!
Oder so, denn jetzt muss ich erstmal meine eigenen Gefühle und ... naja ... meine ... Hormone in den Griff kriegen. Denn kaum ist Kook zur Tür raus und ich bin nicht mehr auf "ich muss hier den Verstand wahren" gepolt, spüre ich auf einmal meinen Körper. Und der sagt grade: "Musst du dich in einem Ameisenhaufen wälzen, nur weil dein Freund in seiner Panik fast nackt vor dir auftaucht?"
ALLES kribbelt, mir ist auf einmal sehr warm, und wenn ich zeichnen könnte, dann könnte ich jetzt blind jeden einzelnen Wassertropfen auf seiner makellosen Haut zeichnen. Unter der sich seine Muskeln abgezeichnet haben. Und die fein geduftet hat. Nach Jungkook.
Ich bewundere dich wirklich! Das ist DER Top-100-Moment, um dein Testosteron von der Leine zu lassen.
Örks. Der Kopfbesetzer. Der war doch endlich still geworden. Jaaaaa - ich weiß. Heute darf ich ausnahmsweise mal nur aus Verstand bestehen.
Hat ja super geklappt.
Ich beschließe, jetzt wieder auf sachlich zu schalten. Und weil der Typ "vom anderen Ufer" geschrieben hat, dass kalte Luft im Nacken hilft, ... tja, wie ... Ich gehe - etwas skeptisch - ins Bad und lasse den Föhn kalt in meinen Nacken pusten.
Hei. Wirkt!
Noch besser wirkt allerdings Jungkooks Kichern von der Badezimmertür her. Das ist die berühmte, seeehr peinliche kalte Dusche. Mein Körper kann wieder denken. Ich mache den Föhn aus und bleibe noch einen Moment hilflos so stehen.
Wie soll ich dem denn jetzt in die Augen kucken?!
"Ganz einfach, Tae. Ich lache dich nicht aus. Ich hatte nur grade ein Dejavu. Ich habe nämlich mal genau so auf einer Party im Bad des Gastgebers gestanden und nicht gewusst, wo hin mit mir und meinem Ameisenhaufen. Bitte schäme dich nicht."
Na gut. Oder so.
Ich atme durch.
Dann hatte diese Aktion doch wenigstens den Effekt, dass Kook wieder geerdet ist. Passt.
Ich drehe mich langsam um, bin auf alles gefasst - und fange seinen liebevollen Blick auf. Es ist wirklich okay für ihn.
"Danke!"
Es wird ein ganz gemütliches Frühstück. Ab und zu schauen wir nach den Hunden und finden alles normal. Beide trinken sehr viel, Tan frisst auch mal was, Diva hat keinen Hunger.
Als nächstes bringe ich den Wocheneinkauf hinter mich und sehe zu, dass ich schnell wieder nach Hause komme. Die Wohnungstür ist kaum einen Spalt auf, da rast Yeontan an mir vorbei durch die offene Haustür, peilt den aller-, allernächsten Busch an und fliegt wieder rein zu Diva.
Jungkook hat es sich im Arbeitszimmer gemütlich gemacht und liest was. Ich räume schnell die Lebensmittel weg und sehe dann nach, ob sich bei Diva was verändert hat. Hat es nicht. Alles gut.
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Nervös
Langsam weiß ich nicht mehr wohin mit meiner Nervosität. Diva liegt da jetzt schon seit Stunden und leidet, aber es tut sich einfach nichts! Und ich habe nicht die leiseste Ahnung, ob das normal ist oder gerade etwas schief geht.
Dagegen ist Diva erstaunlicherweise ganz ruhig. Sie krümmt sich zwar vor Schmerz, scheint aber genau zu wissen, was los ist und was sie tun soll. Ich bewundere sie dadurch noch ein ganzes Stück mehr, als es eh schon der Fall war. Es ist ihr zu verdanken, dass ich es irgendwie schaffe, annähernd ruhig neben ihr liegen zu bleiben, ohne durchzudrehen.
Ich bin gerade am wegnicken, als ich sie plötzlich ganz schrecklich fiepen höre. Sofort bin ich wieder hellwach. Und panisch.
"Was ist los?", frage ich sie, aber sie schafft es nicht mal zu antworten. Hilflos schaue ich mich um, aber genau jetzt ist weder von Tae noch von Jungkook was zu sehen. Mir entweicht ein klägliches Jaulen und nur Sekunden später kommen unsere Herrchen in den Raum gestürmt.
Ich mache ihnen Platz, will aber auch sehen, was mit Diva ist, frage tausend Fragen und bekomme keine Antwort, weil sie viel zu sehr mit sich und ihren Schmerzen beschäftigt ist. Völlig durch den Wind laufe ich um sie herum und weiß nicht, was ich tun soll.
Schließlich schafft Diva doch, mir endlich zu antworten.
"Tani! Du machst mich nervös!"
"Ich will dir helfen, aber..."
"Geh einfach!"
Ich wage es nicht, ihr zu widersprechen, und befolge ihren Befehl. Ein kleiner Teil in mir ist sogar ein bisschen erleichtert, dass ich gehen darf. Denn ehrlich ... ich habe zwar versucht, mich darauf vorzubereiten, aber ich wusste nicht, das es SO eine Qual wird.
Ich verkrieche mich im Wohnzimmer unter der Couch und spitze trotzdem die Ohren. Falls Diva nach mir rufen sollte, will ich sofort reagieren können.
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Endspurt
Mitten am Nachmittag spüre ich bei Diva wieder eine Veränderung. Die Welpen scheinen gewandert zu sein, die Wehen werden stärker. Und Tannie dreht durch. Diva hat Schmerzen und jault. Tannie springt aufgeregt um sie drumrum. Diva bellt ihn einmal kurz an - und mein kleiner Held schleicht mit eingeklemmtem Schwanz in den Flur.
Besser so. Diva muss sich jetzt auf sich konzentrieren können.
Ich muss schmunzeln.
Fast sieht es aus, als hätte Diva ihn einfach rausgeschmissen.
Ab jetzt sollte alles Routine sein. Da fällt mein Blick auf Jungkook. Er versteht offensichtlich nur: "Jetzt wirds ernst."
Der Rest seines Verstandes ersäuft in Sorge um Diva.
"Kookie, komm grade mal mit."
Keine Reaktion.
"Kookie?"
Sein Blick ist wie festgefroren an seiner Hündin.
Kurzerhand ziehe ich ihn am Pulli hoch und durch den Flur zum Bad.
"So, mein Lieber, was haben wir geübt?"
Er bringt kein Wort raus.
"Wir ziehen uns saubere Sachen an, desinfizieren unsere Hände und lassen Diva machen."
Mechanisch macht er mir alles nach.
Wenigstens etwas.
Ganz nach dem Schulbuch bringt Diva den ersten Welpen zur Welt, beißt die Nabelschnur durch, leckt das kleine blinde Würmchen sauber und konzentriert sich auf das nächste. Dazwischen ist eine Pause, in der sie sich ein bisschen erholt.
Ich untersuche die Kleinen, die wohlauf sind, und schiebe sie zu Jungkook, sobald Diva sie freigibt. Der hat was zu tun, indem er sie ein bisschen wäscht und beknuddelt. Er wirkt ruhiger, und seine Augen leuchten beim Anblick der hilflosen, piepsenden Welpen.
Ich warte ab. Diva arbeitet schwer. Aber das dritte kommt nicht. Also muss ich eingreifen. Ich streichele sie, taste ihren krampfenden Bauch ab und helfe von außen nach, damit sich das Tierchen aus seiner Ecke in Bewegung setzt.
Das dauert zu lange!
Ich schiebe energischer mit. Da endlich rutscht der dritte Welpe raus. Diva sackt erschöpft in sich zusammen. Also packe ich das Kleine aus, trenne die Nabelschnur - und stelle fest, dass es nicht atmet. Neben mir hält Jungkook die Luft an.
Der darf mir jetzt nicht durchdrehen!
Ich bemühe mich um einen ruhigen Tonfall.
"Zwei sind in Ordnung, der Kleine hier braucht Hilfe. Machst du bitte Herzmassage, so wie wir es geübt haben? Schön gleichmäßig."
Kook gibt einen erstickten Laut von sich, schafft es dann aber, sich auf die Wiederbelebung zu konzentrieren. Ich kümmere mich so lange um Diva und die beiden anderen, denn die Hündin kann nicht mehr mithelfen. Ich versorge die Nachgeburt, wasche alle drei sauber, wechsele die Handtücher und lege die suchenden Welpen bei Diva an.
"Tae? Tae, ich schaffs nicht. Das atmet einfach nicht!"
Jungkooks Stimme klingt unglaublich kläglich und gequält. Ich kenne ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, wie beschissen es ihm geht, wenn er so leise wird. Kurz schaue ich ihm zu.
"Du machst das gut, Kook. Noch ist es nicht verloren. Bitte halte noch ein bisschen durch."
In diesem Moment bellt Diva mit letzter Kraft einmal sehr laut. Und wenige Sekunden später kommt Yeontan wie ein geölter Blitz zur Tür reingeflitzt. Er hypnotisiert Diva gradezu, während er ihrem nun ganz erschöpften, leisen Bellen zuhört. Dann dreht er sich schlagartig um und rennt zu Kook.
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Diva ruft mich!
Ich zweifle an mir, während ich unter der Couch hocke. Ich hätte Diva so gerne mehr geholfen, aber so stark wie sie bin ich nicht. Hoffentlich ist sie nicht enttäuscht von mir. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn sie ... -
"TANNI!"
Diva ruft mich! Ich bin sofort im Hier und Jetzt und flitze, so schnell mich meine kurzen Beine tragen, wieder zu ihr. Sie sieht völlig fertig aus, ich erkenne Blut und ... wende ganz schnell meinen Blick ab, bevor sich mir der Magen umdreht. Verrückt, denn bei Futter macht mir das nichts aus.
"Tanni! Der Welpe! Bring ihn mir!", fordert sie mich auf, und ich eile sofort zu unseren Herrchen. Jungkook bearbeitet das kleine etwas mit den Fingerspitzen auf der Brust und sieht dabei ziemlich verzweifelt aus. Stimmt mit dem was nicht? Egal. Ich schnappe mir das leblose, klebrige Etwas im Nacken und ziehe es zu Diva. Sie beginnt sofort, es abzulecken, und blendet scheinbar alles andere aus.
Wie kann sie wissen, was sie jetzt tun soll? Denn ehrlich? Ich habe gar keine Ahnung. Die Welpen sehen komisch aus, nicht so, wie ich mir Welpen vorgestellt habe. Ich sollte sie süß finden und bekomme ein schlechtes Gewissen, dass ich das nicht fühlen kann.
Wie aufopferungsvoll Diva sich aber um das Kleine kümmert, rührt mich dann doch ziemlich. Ich wage mich ein Stück näher an sie heran und beginne ebenfalls, das Kleine abzulecken. Ich hab zwar keine Ahnung, ob das überhaupt was bringt, aber ich will Diva zeigen, dass sie nicht alleine ist.
Kurz darauf kommt endlich Leben in den Welpen. Er beginnt sich zu bewegen, erinnert mich dabei eher an einen Wurm als an einen kleinen Hund, und trotzdem bin ich so erleichtert, dass ich nicht weiß, wie ich reagieren soll. Neugierig betrachte ich, wie Tae die anderen beiden an Divas Bauch legt und schließlich auch unser Sorgenkind dazulegt. Sie beginnen zu trinken und in dem Moment fällt von Diva alle Anspannung ab. Ich erhalte noch einen erleichterten, dankbaren Blick von ihr, ehe sie sich endlich etwas zurücklehnt und die Augen schließt. Ich lege mich zu ihr, allerdings an ihren Rücken, um unseren Babys den Platz zu lassen, den sie brauchen.
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Instinkte
Ich wundere mich über gar nichts mehr. Wenn ich das richtig interpretiere, dann hat Diva Yeontan GERUFEN. Und der hat dann die Aufgabe bekommen, Diva den leblosen Welpen zu bringen. Anders kann ich es mir nicht erklären.
Nachdem Jungkook zitternd den Welpen Yeontan überlassen hat, ist der zu der erschöpften Hündin geeilt. Sofort hat sie begonnen, ihrem Kleinen über die Brust zu lecken. Ganz gleichmäßig. Es muss sie alle Kraft kosten! Yeontan leckt etwas unbeholfen mit. Und nach zwei endlosen Minuten geht ein Zittern durch den winzigen Körper, die Atmung setzt ein, der dritte Welpe lebt. Wir haben es geschafft!
Ich kümmere mich um den Winzling und lege ihn dann auch bei Diva an. Da liegen drei kleine 'Würstchen' nebeneinander, die Augen blind, die Minipfötchen eingerollt, und trinken sich zum ersten Mal in ihrem Leben bei Mama satt. Nach einer Weile schlafen alle drei ein. Yeontan kuschelt sich an Divas Rücken. Auch Diva kann nun endlich entspannen und döst bald vor sich hin.
Es berührt mich immer, wenn ich im Tierheim bei so einer Situation assistiere. Aber das hier - das ist besonders. Eine Welle von Dankbarkeit durchflutet mich und macht mich glücklich. Durch die Vorahnung meiner Chefin konnte ich richtig reagieren. Es ist alles gut gegangen.
Es dauert noch eine Weile, bis ich den Kopf wieder so weit frei habe, dass ich mich selbst spüre. Meine Beine sind eingeschlafen. Ich drehe mich vorsichtig, damit ich die Beine ausstrecken kann. Da fällt mein Blick auf Jungkook.
Er hockt zusammengekrümmt, an die Tür gelehnt, hat den Kopf zwischen den Knien vergraben und weint haltlos.
Ich ignoriere meine eingeschlafenen Beine und rutsche zu ihm rüber. Er flüchtet sich geradezu in meine Arme, während ich ihn festhalte und ihm über den Rücken streiche.
"Hast du so eine Angst um deine Diva gehabt? Jetzt ist alles gut. Wein dich ruhig aus, das war ein sehr langer, anstrengender Tag."
Kook kuschelt sich an mich und weint mir das T-Shirt voll. Er bringt kein Wort raus, schluchzt nur ab und zu. Ich kann spüren, wie angespannt er noch immer ist, wie ihn die Angst um seine Hündin festhält. Ich halte ihn immer weiter einfach in den Armen.
Eigentlich kein Wunder. Ich wusste, was auf mich zukommt, und es war nicht mein Hund, der da durch musste. Für ihn war Diva jahrelang sein ein und alles. Das einzige Lebewesen, dem er vertraut hat.
Ich bin jetzt zwar auch da, aber bei meinem Rumgeeiere bin ich ja wohl kein verlässlicher Partner. Armer Jungkook. Er ist so sensibel, spürt so genau, wie es den Wesen geht, die er liebt. Nur sich selbst kann er nicht schützen. Höchstens umziehen und den Resetknopf drücken.
Wie gut, dass das jetzt vorbei ist. Ich möchte, dass er zur Ruhe kommt. Hier bei mir. Dass er sich sicher auf mich verlassen kann. Ich möchte, dass er zu mir gehört, weil wir uns gegenseitig gut tun können.
Staunend folge ich meinen ... nein, nicht Gedanken.
Das habe ich nicht gedacht. Das fühle ich! Und das möchte ich ihm auch gar nicht sagen - ich möchte es ihm zeigen.
Da meine Beine wieder wach sind, richte ich mich auf in die Hocke und helfe Kookie, mit mir zusammen aufzustehen. Ich lege meinen Arm um ihn und führe ihn zum Bad. Vorsichtig wasche ich uns beiden die Hände und Arme, ziehe uns die verschmierten Pullis aus und die bereit gelegten, sauberen an. Ganz sanft wasche ich ihm das tränenüberströmte Gesicht und ziehe ich ihn an mich, streichele seinen Rücken, seinen Kopf, seine Arme.
Allmählich kann er sich beruhigen und sich grader hinstellen. Ich nehme sein vor Anstrengung blasses Gesicht zwischen meine Hände und lenke seinen Blick auf mich. Ich WEIß, dass meine Gefühle wahr sind.
"Jungkook?"
"Hm?"
"Danke, dass du so lange durchgehalten und geholfen hast."
"Aber ..."
"Nein, kein Protest. Du HAST geholfen. Du hast so was noch nie erlebt und warst dabei doch so stark. Jetzt darfst du schwach sein, und ich will für dich da sein. Du bist besonders, und dafür liebe ich dich. Hab keine Angst mehr. Jetzt ist alles gut."
Jungkook hat sowieso große, runde Augen. Aber diese Kuller, die mich da so verweint anstarren, sind fast niedlich.
"Du ..."
"Ja?"
Ich kann mir ein Lächeln nicht ganz verkneifen. Auch laut ausgesprochen fühlt es sich richtig an, und das macht mich glücklich.
"Du ... hast grade gesagt, ..."
"Dass ich dich liebe, weil du ein ganz besonderer Mensch bist, den ich ganz unbedingt an meiner Seite haben möchte, in meinem Leben. Meinst du das?"
"Hm."
Stumm verhaken sich unsere Blicke ineinander. Ich kann sehen, wie ganz langsam Schmerz und Angst weichen und der Hoffnung Platz machen.
Das fühlt sich so gut und richtig an!
Aus dem Arbeitszimmer ist leises Fiepen zu hören, fast wie Vogelzwitschern. Die Welpen scheinen wach zu sein. Kooks Augen wandern sofort über den Flur zur Tür vom Arbeitszimmer. Ich merke, dass es mir gar nicht passt, dass er so leicht durch die Hunde abzulenken ist.
"Müssen wir nicht ...?"
"Nein, Kook, müssen wir jetzt nicht. Nachher, aber nicht jetzt."
Erst muss ich dich nämlich ganz unbedingt küssen, damit ich mir selbst glauben kann, dass das alles kein Traum ist. Und das bitte nicht in diesem entsetzlich unromantischen Badezimmer!
Entschlossen lotse ich Jungkook raus in den Flur. Und dann küsse ich ihn, ganz ohne Eile oder Unsicherheit, ausgiebig, zärtlich und mit sehr viel Gefühl.
Endlich fällt die Anspannung von ihm ab. Er legt seine Arme um mich. Ich kann seine Erleichterung praktisch mit Händen greifen. Kurz unterbricht er unseren Kuss.
"Danke, Tae."
Nach einem ausgiebigen Abendessen verfrachten wir die Hunde ins nächste Nest, zu uns ins Schlafzimmer und gehen bald ins Bett. Tanni wacht, während Diva schläft. Jungkook kuschelt sich an mich und ist sehr schnell ins Reich der Träume entschwunden. Ich dagegen liege im Dunklen, halte ihn im Arm und denke nach über all das, was heute passiert ist.
Diva hat - mit ein paar Komplikationen - drei hübsche Welpen geworfen. Yeontan hat sich vorbildlich um sie gekümmert. Jungkook hat Panik um seine Hündin geschoben. Und ich? Ich habe glaube ich meine Antwort.
Es ist nicht wichtig, ob ich schwul bin. Jungkook ist wichtig. Dass es ihm gut geht, ist wichtig. Dass wir uns aufeinander verlassen können, ist wichtig. Dass wir nicht jeder allein sind sondern uns mit unseren Stärken und Schwächen ergänzen und dabei glücklich sind, ist wichtig. Das 'wir' ist wichtig. Er hat die Erfahrung und nimmt mich behutsam mit. Er ist erschöpft, also nehme ich ihn in die Arme und gebe ihm einen sicheren Ort zum Ausruhen. Das ist doch alles, was zählt.
Endlich gleite auch ich langsam in den Schlaf. In dem Moment wird Jungkook so halb wach, wurschtelt sich aus dem Bett und schleicht zur Toilette. Genauso tranig kommt er zurückgeschlappt und murmelt etwas, während er sich wieder an mich kuschelt.
"Ich liebe dich auch, Taetae."
Mein Herz macht einen Hüpfer, und ein Glücksknubbel explodiert in meinem Bauch.
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11.1.2025
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