Hooks Plan
Hook ließ seinen Blick von Wolf abschweifen und sah zu dem immernoch relativ schwach wirkenden Peter. Die Lider des Jungen flatterten leicht, doch er konnte die Augen offen halten. Ausdruckslos starrte Peter zurück.
Hook warf Wolf einen überheblichen Blick zu, bevor er sich wieder auf den Boden sinken ließ.
Der hatte gut reden. Wie konnte man denn bitte Weißer Wolf heißen?!
Wolf setzte gerade an, Hook eine Beleidigung entgegen zu schleudern, doch der Häuptling (War es der Häuptling? Hook hatte keine Ahnung) hielt ihn mit erhobener Hand davon ab.
Wütend kniff Wolf die Lippen zusammen.
"Ich habe nur noch eins zu sagen:", zischte er ohne den mahnenden Blick seines Häuptlings zu beachten, "Solltest du in irgendeiner Weise meinen Freunden, meiner Familie oder vielleicht sogar Peter etwas antun, bist du ein toter Mann, Hook."
Hook setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf.
"Keine Sorge, mein Freund", sagte er ruhig, "Wäre das mein Ziel gewesen, hätte ich das längst getan."
Für ein paar Sekunden herrschte Stille in dem großen Zelt.
Dann räusperte sich der Häuptling.
"Wolf? Kann ich dich bitte unter vier Augen sprechen."
Die Stimme des Häuptlings klang streng und duldete keinen Widerspruch.
Wolf gab ein Grummeln von sich und folgte ihm aus dem Tipi.
Als die Plane hinter Wolf zu schwang, wandten sich die Jungen an ihren verletzten Freund.
"Könnt ihr mir erzählen, was genau jetzt passiert ist?", fragte Peter lächelnd seine Freunde. Die begannen sofort drauf los zu plappern. Sie schienen sehr glücklich zu sein.
Unbemerkt beobachtete Hook Peter. Es war ein Wunder, dass der Junge noch am Leben war. Eine Zeit lang hatte der Pirat geglaubt, es wäre aus mit dem Burschen. Sonst hatten Rackhams giftige Kugeln immer ihren Dienst erfüllt.
Über dieses Heilwasser musste Hook unbedingt noch mehr in Erfahrung bringen...
Bei Rackham durfte er sich nun auf keinen Fall mehr blicken lassen. Der Kapitän würde Hook sofort umbringen. Verräter lebten für gewöhnlich bei Rackham nicht lange.
Doch Hook wusste, dass es richtig gewesen war, was er getan hatte.
Bei Rackhams Mannschaft wäre er nicht weitergekommen. Sie kannten diese neue Welt nicht.
Aber der Junge kannte sie. Und diese seltsamen Indianer.
Vielleicht hatte er ja doch noch die Chance ein besseres Leben zu führen, als das eines Offiziers.
"Jamie", hörte er plötzlich Peters Stimme sagen und sein Kopf ruckte hoch. Die Jungen waren verstummt und sahen Hook an.
"Warum hast du das getan?", fragte Peter sehr vorsichtig.
Hook runzelte die Stirn. Was meinte er?
Doch dann wurde dem Piraten klar, wovon der Junge sprach.
Schließlich passierte es nicht alle Tage, dass ein Pirat seine Mannschaft verriet um ein paar Kinder zu retten.
Hook zuckte unbeeindruckt mit den Schultern.
"Mir war klar, dass Rackham dich umbringen wollte, doch ich hielt das für schwachsinnig. Du bist schließlich der einzige, der sich ein wenig auf dieser Insel auskennt, und ich hatte keine Lust mich hier zu verirren oder plötzlich einem wilden Tier gegenüber zu stehen. Das wäre mein sicherer Tod gewesen. Außerdem habe ich sowieso genug gehabt von Rackham und den Piraten. Die Leute hier sind viel netter - also abgesehen mal von Wolf. Er scheint mich nicht leiden zu können."
Hook grinste und zeigte seine Zähne.
Peter musterte ihn eine Weile nachdenklich, bevor er ebenfalls grinste.
"Danke."
Hook winkte lässig ab.
"Ach, kein Problem. Ich habe das schließlich auch ein bisschen für mich getan."
Zumindest war er ehrlich.
Das schien auch Peter so zu sehen, denn er nickte kurz und wandte sich dann wieder seinen Freunden zu, die voller Eifer erzählten, was alles passiert war.
Hook beobachtete die Jungen noch eine Weile, bevor er aufstand und zum Zelteingang schlenderte. Er wollte sich mal ein wenig in diesem seltsamen Dorf umsehen.
Er musste vorsichtig damit sein, was er sagte.
Keiner der Jungen - besonders der fliegende nicht - durfte von Hooks kleinem Geheimnis erfahren. Zumindest jetzt noch nicht.
Deshalb war es sowieso besser für ihn mal ein wenig Abstand von den Jungen bekommen.
Hook war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, wie Peter ihm hinter starrte, als er das Zelt verließ.
Draußen angekommen atmete Hook tief die warme Seeluft ein, die ihm entgegen kam.
Dieser Ort war wirklich atemberaubend schön. Was wohl außerhalb dieser Insel noch für Entdeckungen lagen?
Hook spürte wie die Abenteuerlust in ihm entflammte. Hier gab es mehr als nur ein paar Geheimnisse zu lüften.
Unauffällig schlenderte er durch's Dorf und sah den Menschen bei ihrer alltäglichen Arbeit zu.
Fischen, Nähen, Schmieden, Kochen, Schnitzen, Bogen schießen und noch viele mehr.
Hook hatte gedacht, dass diese Leute komplett harmonisch mit der Natur und den Tieren zusammen arbeiteten, aber offensichtlich mussten selbst sie sich vor den Gefahren Nimmerlands schützen, denn eine andere Erklärung für die ganzen Waffen hier, hatte Hook nicht. Vielleicht jagten sie auch damit.
Der Pirat erreichte das Ende des Dorfes und blieb stehen.
Sein Blick glitt über die Klippen, den strahlend weißen Sand, den undurchdringlichen Wald und die tiefblauen Lagunen, bis er schließlich an der Jolly Roger hängen blieb. Von hier sah das Piratenschiff so winzig wie eine Ameise aus.
Offenbar hatten die Piraten es noch nicht gewagt an Land zu gehen, denn außer dem Boot, was ihm und den Jungen zur Flucht verholfen hatte, konnte Hook kein weiteres am Strand liegen sehen.
Er entschied sich gerade dazu, sich dort unten mal ein wenig umzusehen, als er hinter sich eine Stimme hörte.
"Wohin des Weges?"
Hook verdrehte genervt die Augen, bevor er sich falsch lächelnd zu Wolf umdrehte.
"Du willst uns doch nicht etwa schon verlassen", spottete der Riese und verengte die Augen zu Schlitzen.
Hook hob die Augenbrauen und stemmte lässig eine Hand in die Hüfte.
"Darf ich fragen, warum du mir nicht vertraust?"
"War das ernst gemeint?", hakte Wolf nach und hob ebenfalls die Augenbrauen. Hooks Antwort wartete er aber nicht mehr ab.
"Du bist ein Pirat. Um genau zu sein, warst du seit mehreren Jahren der Erste Offizier von Jack Rackham, und somit sein engster Vertrauter."
"Und du glaubst ernsthaft, ich verrate euch?", erriet Hook belustigt und lachte kurz höhnisch auf.
"Rackham hat kein Interesse an euch, Indianer. Er will Nimmerlands Schätze, nichts anderes."
"Wie hast du mich gerade genannt?", fauchte Wolf zornesrot und zog seinen Dolch.
"Das würde ich an deiner Stelle lieber lassen.", sagte Hook unbeeindruckt und zuckte nicht mal mit der Wimper, als Wolf ihm den Dolch entgegen streckte.
"Ich bin kein Indianer!", zischte Wolf, "Wenn du diese Wort noch einmal erwähnst, schlitz ich dir die Kehle auf!"
Hook überlegte, ob er Wolf jetzt provozieren wollte, doch er entschied sich dagegen, da er keinen Kampf anfangen wollte. Er wusste nicht, was Wolf alles drauf hatte und abgesehen davon, hatte Hook beinahe fast immer nur kleinere Gegner vor den Degen bekommen, da er ja eigentlich ein sehr großer Pirat war.
Hook seufzte herablassend und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Willst du mich nun aufspießen, oder darf ich gehen?", fragte er und achtete darauf, dass seine Stimme auch schön von Sarkasmus triefte.
"Du willst uns verraten", flüsterte Wolf bedrohlich und machte einen Schritt auf Hook zu. Dabei hielt er den Dolch weiterhin auf Hooks Kehle gerichtet.
"Erst rettest du Peter, um unser Vertrauen zu gewinnen, und dann verrätst du uns.
Ich bin nicht doof, Hook. Ich kenne solche Leute."
"Du irrst dich", sagte Hook kopfschüttelnd, "Wenn ich zurück zu Rackham gehe, wird er mich umbringen. Ich habe ihn verraten und nicht euch!"
"Ich lasse dich nicht gehen und uns verraten."
Hook starrte Wolf eine ganze Zeit lang in die Augen. Wolf starrte zurück.
Was für ein hartnäckiger Kerl. Sah ganz so aus, als ob Hook seinen kleinen Ausflug auf wann anders verschieben musste.
"Na gut", meinte er gelassen, "Dann eben nicht."
Er ging an Wolf vorbei zurück ins Dorf.
Dabei fiel ihm Wolfs überraschter Gesichtsausdruck auf und er grinste in sich hinein.
Auf seinem Rückweg zum Tipi, dachte Hook angestrengt nach.
Wolf konnte seine Augen nicht überall haben. Irgendwann würde der Pirat sich sorgenlos von hier wegschleichen können und diesem bekloppten Indianer eins auswischen.
Bald.
In der Zwischenzeit würde er sich mehr mit den Jungen - vor allem mit Peter - unterhalten. Ihr Vertrauen war am wichtigsten.
Denn Hook war sich sicher, dass Peter alles von den Indianern erfuhr und deshalb war der Junge seine Hauptquelle.
Er freute sich schon jetzt auf all die Dinge, die er bekommen würde, wenn es soweit war.
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