Finsterer Wunsch
Curly kickte zornig einen Stein weg. Nun schon der zwölfte, während seines Weges.
Er zählte sie, um sich von seinem Streit mit Peter abzulenken.
Peter.
Peter war einfach ein arroganter Junge, das versuchte Curly sich die ganze Zeit über einzureden, doch das schmerzliche Ziehen in seiner Brust wollte einfach nicht verschwinden.
Auch wenn er es so unbedingt wollte, er konnte Peter einfach nicht hassen.
Sauer sein, ja, aber Hass verspürte er nicht.
Wahrscheinlich weil Peter einmal Curlys bester Freund gewesen war.
Damals war es Peter noch egal gewesen, ob er Anführer war oder nicht.
Mittlerweile kam Anführen für ihn nur noch in Frage.
Das kränkte Curly. Er wollte Peter nicht untergeordnet sein. Er wollte, dass alles wieder wie früher war.
Und er wollte zurück nach London.
Dieses Nimmerland machte ihm Angst, ebenso wie die Tatsache, dass die Piraten gar nicht weit entfernt in einer Lagune ankerten.
Er fühlte sich hilflos und sollte er einmal einen von diesen Seeräubern in die Quere kommen, dann war er tot.
Er wusste nicht, was er von Hook halten sollte.
Einerseits hatte er sie vom Schiff gerettet und sich um Peter gekümmert, doch andererseits war er immernoch ein Pirat.
Und Piraten waren Mörder.
Curly biss sich auf die Unterlippe und kickte den dreizehnten Stein weg.
Dann ließ er sich einfach auf dem Waldboden nieder und stützte das Kinn auf die Hände.
Er wusste nicht wie weit er sich vom Dorf entfernt hatte und er hoffte, er war nicht Richtung Strand abgedriftet.
Piraten waren die letzten, denen er jetzt begegnen wollte. Oder Peter.
Was war das überhaupt für eine urwaldartige Insel?! Hier gab es ja größten Teils bloß Bäume und Gestrüpp!
Und warum genau waren sie hier? Was wollte Rackham bloß an diesem seltsamen Ort?
Peter wüsste es.
Aber mit ihm wollte Curly jetzt erstmal nichts mehr zu tun haben. Er wollte mit niemanden gerade irgendetwas zu tun haben.
Curly dachte über die Piraten nach.
Was würde Rackham tun, jetzt wo ihn sein Erster Offizier verraten hatte?
Würde er es wirklich wagen in den Wald einzudringen und nach Hooks Versteck zu suchen?
Curly war sich hundertprozentig sicher, dass Rackham Rache wollte, denn dass wollten doch alle bösen Menschen. Es ging ihnen immer nur um Macht und Rache.
Curly stand wieder auf und ging nachdenklich weiter. Wohin er ging, interessierte ihn nicht.
Jetzt war es ihm auch egal, ob er einem Piraten begegnete.
Auf dieser Insel wollte er sowieso nicht leben.
Vielleicht konnte er ja Tinkerbell überreden ihn nach London zu bringen...
Aber sie war schon viel zu sehr mit Peter befreundet und er würde nicht Peter um irgendeinen Gefallen bitten. Ganz sicher nicht.
Und die anderen Feen...?
Curly schüttelte verärgert den Kopf.
Er wusste ja noch nicht mal, wo sich ihr Versteck befand.
Und außerdem trauten Feen keinen Menschen, das hatte Peter erzählt.
Warum ihm dennoch Tinkerbell traute, war Curly ein Rätsel...
Also musste er sich irgendwie anders helfen.
Wie kam er am besten zurück nach London...
Vielleicht hatten diese Indianern ja einen Vorrat an Feenstaub bei sich im Dorf... Vorstellen konnte er es sich auf jeden Fall.
Doch er wollte eigentlich nicht zurück ins Dorf gehen und selbst wenn er es täte, wusste er ja nicht, wo die solche wertvolle Dinge aufbewahrten.
Er brauchte Hilfe.
Auch wenn es ihm nicht gefiel, von wem er die Hilfe annahm...
Entschlossen blieb er stehen und lauschte.
Das Meer konnte er von der östlichen Seite her hören, also lief er in diese Richtung.
Ein schlechtes Gewissen hatte er schon, weil er seine Freunde verriet, doch nichts konnte ihn davon abhalten zurück nach London zu kommen.
Hier wollte er auf keinen Fall bleiben.
Es dauerte eine Weile, aber schließlich hatte er den Strand erreicht.
Zu Curlys Überraschung befanden sich Rackham und ein paar andere Piraten nicht auf dem Schiff, sondern stapften im Sand hin und her.
Rackham schien sehr zornig.
Was war hier passiert?
Vorsichtig näherte Curly sich den Piraten.
Er musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren und total lässig mit der Sache umgehen.
Hoffentlich war Rackham nicht in Mordlaune... Obwohl er verdächtig danach aussah.
Doch zum Umdrehen war es jetzt sowieso zu spät.
Curly räusperte sich vernehmlich, als er nur noch wenige Schritte von den Piraten entfernt war.
Ganz langsam drehte Rackham sich zu ihm um.
Er runzelte die Stirn, als er Curly erkannte.
"Hallo", sagte Curly nervös und beobachtete Rackhams Reaktion.
Der Pirat fuhr sich mit dem Finger nachdenklich seinen Oberlippenbart und legte die eine Hand auf seine Pistole.
Curlys Blick huschte ängstlich von Rackhams Gesicht zu der Pistole und zurück.
"Der eine Waisenjunge", stellte Rackham belustigt fest, "Was willst du hier? Hast wohl Lust Pirat zu werden, oder wie?"
Ein paar von Rackhams Männern lachten höhnisch auf, doch Rackham blieb ruhig.
Curly reckte das Kinn in die Höhe.
"Nein", antwortete er fest, "Ich möchte Ihnen einen Deal vorschlagen."
Rackham musterte Curly durchdringlich, dann ließ er seinen Blick über die Bäume huschen.
"Bist du allein?", fragte er schließlich gefährlich leise und machte einen Schritt auf Curly zu.
Curly musste sich alle Mühe geben nicht zurück zu weichen.
"Ja", sagte er. Seine Stimme zitterte.
"Die Krieger sind wieder im Dorf."
"Raus mit der Sprache", knurrte Rackham ungeduldig, "Was willst du?"
Curly versuchte sich zu sammeln.
Wollte er das wirklich tun?
War er wirklich mutig genug, um ein ganzes Dorf zu verraten?
Doch jetzt konnte er sich nicht mehr um entscheiden, Rackham würde ihn töten.
Er hatte sich entschloosen es zu tun, also zog er das jetzt auch durch.
Curly holte tief Luft.
"Ich werde euch den Weg zum Dorf zeigen", erklärte er mit fester Stimme, "Dort befindet sich dieser Jamie. Und eine Menge Feenstaub."
Hoffentlich, dachte er nervös.
"Als Gegenleistung -", fuhr er fort, "- bringt ihr mich durch den Feenglanz zurück nach London. Das ist der Deal."
"Ich sehe keinen Nachteil", erwiderte Rackham. Nun grinste er hämisch.
"Abgemacht, Junge."
Erleichtert atmete Curly auf. Es hatte funktioniert! Endlich würde er zurück nach Hause kommen!
"Ihr müsst schwören, dass Ihr mir ein wenig Feenglanz abgebt, wenn ich euch hingebracht habe!", forderte Curly misstrauisch.
Er wollte kein Risiko eingehen. Schon gar nicht bei Piraten.
Rackham hob eine Augenbraue.
"Na gut, ich schwöre", stöhnte er wütend und trommelte mit den Fingern auf dem Lauf seiner Pistole herum.
Curly grinste zufrieden.
"Ach ja, und ihr tut meinen Freunden nichts an, verstanden?"
"Die Jungen?" Rackham lachte bitter auf. "Was sollte ich schon mit ein paar Jungen anfangen können?"
Curly nahm das als Bestätigung dafür auf, dass die Piraten seine Freunde in Ruhe lassen würden.
Was mit den Indianern passierte, war ihm egal. Wenn er erstmal von hier weg war, würde er die Rothäute sowieso nie wieder sehen.
"Alles klar", lächelte Curly vorfreudig, "Wir können dann los."
"Einen Moment, Freundchen!", widersprach Rackham, "Glaubst du ernsthaft ich ziehe bloß mit zehn Männern los? Nein, ich hole die restlichen noch vom Schiff!"
Rackham wandte sich ab und erteilte seinen Männern den Befehl, die anderen zu holen.
Curly schluckte.
Er hatte ein schlechtes Gewissen.
Er würde mit einer Piratenbande ein Dorf stürmen. Es würde Verletzte - vielleicht sogar Tote - geben und sie würden Feenstaub stehlen.
Aber er würde nach Hause kommen.
Sollten Peter und die anderen doch hierbleiben und versauern, ihm war es egal.
Er hatte nur noch ein Ziel.
Und wenn er sich dafür sogar mit dem gefürchtesten Piraten der sieben Weltmeere verbünden musste...
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