Kapitel 32
Kapitel 32
Ich ließ Theo gar keine Möglichkeit seinen Mund zu öffnen, so schnell presste ich meine Lippen auf seine. Mit meinem linken Bein schaffte ich es gerade noch die Tür zu zuschlagen und meinen schweren Rucksack abzuwerfen, als er meinen Kuss mit voller Leidenschaft erwiderte. Ich zog den Duft seiner frisch gewaschenen Haare ein, berührte ihn an seinen muskulösen Armen und saugte jede seiner Bewegungen gierig auf. Auf dem Weg ins Schlafzimmer stieß er gegen ein Bild an der Wand, was anschließend wie ein Feuerwerk aus Glas auf dem Boden zersprang, doch das störte ihn anscheinend genauso wenig, wie meine unerwartete Heimkehr.
Fairerweise muss man sagen, dass ich ihm auch gar keine Möglichkeit ließ, nachzufragen, warum ich überhaupt so früh zurückgekehrt war. Die wahre Geschichte hätte ich ihm sowieso nicht erzählt, aber in diesem Moment wollte ich das alles hinter mir lassen. Ich wollte nur daran denken, was gleich im Schlafzimmer passieren würde. Theo presste mich gegen die Wand und begann meinen Hals runter zu küssen, wie jedes Mal sparte er sich meine empfindlichste Stelle am Hals zum Schluss auf, was mich nahezu wahnsinnig machte. Mit schnellen Griffen zog ich ihm das T-Shirt aus und er tat es mir gleich, sodass wir ein paar Sekunden später nackt im Bett lagen.
„Lass uns etwas neues ausprobieren", hauchte er mir ins Ohr, während seine Finger zu meinem Intimbereich wanderten. Ehrlich gesagt, wollte ich gerade einfach den gleichen Sex wie immer. Denn zwischen all den neuen Ereignissen und Intrigen, die aufgedeckt wurden, suchte ich sehnlichst nur nach etwas Vertrautheit und diese wollte ich zumindest hier wiederfinden. Aber mein schlechtes Gewissen gegenüber Theo überwog ganz klar, nach all dem, was ich ihm angetan habe, weshalb ich ihm den Wunsch nicht abschlagen konnte.
Zu meiner Überraschung holte er Handschellen aus dem Nachtschrank.
„Du meintest doch immer, du würdest nicht auf so etwas stehen", fragend schaute ich ihn an, während meine Erregung immer weiter zunahm.
„Wir machen mal eine Ausnahme für diesen besonderen Moment", flüsterte er und grinste mich geheimnisvoll an, während er mir schnellen Griff die Handschellen anlegte.
Ich erlaubte es mir mich für diesen Moment völlig fallen zu lassen und Theos Kopf zwischen meinen Beinen half mir dabei komplett abzuschalten. Meine Atmung wurde immer schneller und kurz bevor sich die ganze Spannung in meinem Körper lösen sollte, hörte er plötzlich auf.
Es fiel mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen, sodass ich Theo fast schon anflehte nicht aufzuhören, doch er zeigte keinerlei Regung. Zuerst dachte ich, es würde ihm gefallen, mich in dieser Verfassung zu sehen, aber als er nach mehreren Sekunden immer noch nichts geschah, schaltete sich langsam mein Misstrauen ein. Mein Intimbereich pochte nach wie vor, doch das dumpfe Gefühl, was sich in mir hoch schlich, dämpfte meine Lust ziemlich schnell.
„Theo?", skeptisch schaute ich zu ihm runter, unwissend darüber, was mich gleich erwarten würde.
„Wie fühlt sich das an?", fragte Theo mit einem Ausdruck im Gesicht, der mir unweigerlich Gänsehaut verschaffte.
„W-was meinst du?", antwortete ich in der Hoffnung, dass sich meine böse Vorahnung nicht bestätigen würde. Am liebsten würde ich mich sofort von den Handschellen befreien und flüchten, doch dafür war es zu spät.
„Ich meine, sich einer Person völlig hinzugeben und ihr zu vertrauen. Nicht einen Zweifel daran zu haben, dass der Mensch, für den du ohne zu Zögern ins Feuer gehen würdest, dich plötzlich in die tödlichen Flammen schuppst. Du fragst dich, was du für ein Mensch sein musst, dass dir so etwas angetan wird. Vielleicht hast du es ja verdient. Vielleicht bist du einfach zu nichts anderen zu gebrauchen, als eben die Person zu sein, die am Ende alleine dasteht. Jedes einzige Mal. Du bist nicht nur das Kind, welches niemals den Ansprüchen der Eltern gerecht werden kann, obwohl es alles versucht hatte. Du bist sogar der wissenschaftlich passende Partner, der doch nicht passt. Ich wurde dir zugeteilt und selbst dafür war ich nicht genug", den letzten Satz schrie er beinah und seine Augen glühten vor Wut. Ich hatte Theo noch nicht einmal annähernd so wütend erlebt. In seiner Stimme schwankte jedoch viel mehr als nur Hass. Enttäuschung, Trauer, Verzweiflung bannten sich zwischen die unerbittliche Wut, doch eine Sache beängstigte mich mehr als alle anderen zusammen. Der Wahnsinn.
Ich befand mich in einer Körperstarre. Das kühle Metall der Handschellen stich sich in meine Haut und ich wagte es nicht mich zu regen. Mein Hals war so ausgetrocknet, dass ein Sprechversuch mit einem leidigen Röcheln enden würde. Theo wusste alles.
Und ich wollte nicht wissen, was er in dieser Verfassung mit mir anstellen würde.
„Und du bist an all dem Schuld.
Juliette, ich habe dich geliebt. Mit jeder Faser meines Körpers habe ich dich geliebt und ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass du mir diese Schmerzen zufügen könntest. Die einzigen Schmerzen, mit denen ich rechnete, waren die, die ich bei deinem Tod empfinden würde. Ich dachte, das würde mich kaputt machen. Aber jedes kaputte Teil lässt sich auf irgendeine Weise wieder reparieren. Mit dem, was du mir jetzt angetan hast, hast du mich zerstört. Wenn jemand nach einem Unfall ein Bein verliert, dann flickt man den Menschen trotzdem noch zusammen. Wenn jemand nach einem Unfall in hundert Stücke zerstückelt wurde, dann macht man diesen Menschen nicht mehr heil", er lief nicht im Zimmer herum. Er fuchtelte auch nicht wild mit seinen Händen herum. Er stand einfach nur mit leblos herunterhängenden Armen vor mir und starrte in meine Seele. Theo sah keine Juliette mehr. Er sah nur noch die Person, die ihm dieses Leid zufügte. Mein nackter Körper war nur noch die Hülle für das, was ihn den wohl schlimmsten Schmerz seines Lebens zufügte. Dann lächelte er plötzlich ganz leicht und für einen Moment beschlich mich die Hoffnung, dass er vielleicht doch die andere Seite sah. In solchen Momenten geben einen selbst die absurdesten Dinge Hoffnung. Anders würde man sie nämlich nicht übersetehen
Doch ich täuschte mich gewaltig.
„Es hat mich daher umso mehr überrascht, dass du nach deiner Ankunft so über mich hergefallen bist, als würdest du tatsächlich etwas für mich empfinden. Nach meiner Planung hätte ich dich nämlich erst noch zum Sex überreden müssen, um dich auch nur einen winzigen Bruchteil von dem spüren zu lassen, wie ich mich seit Tagen fühle. Erst wollte ich dir Zärtlichkeit und Sicherheit schenken. Dir das Gefühl geben, dich voll und ganz auf mich einlassen zu können - nur um dich dann zu hintergehen. Gut, um ehrlich zu sein, wollte ich es mir auch nicht entgehen lassen, deinen geilen Körper zum letzten Mal zu spüren", ein dreckiges Lachen zierte sein Gesicht und ich merkte, wie mir meine Magensäure hochkam.
„Wobei mir gerade einfällt, dass du eigentlich kein Deut an Ehrlichkeit verdient hast, nachdem was du mir angetan hast. Nicht nur, dass du für die Anderen arbeitest und mich nur benutzt und niemals geliebt hast, du hast sogar während wir zusammen waren auch noch mit diesem Arschloch herum gemacht.
Ich weiß gar nicht, wer blöder von uns beiden war. Ich, dass ich erst einmal nichts davon gemerkt habe, oder du, dass du dachtest, du könntest einfach so unauffällig davon kommen.
Aber wahrscheinlich interessiert es dich brennend, wie ich überhaupt herausgefunden habe, was du für eine elende Schlampe bist. Oder es ist dir genauso egal, wie ich dir, als du beschlossen hast mich auf schlimmster Weise zu hintergehen", er selbst lachte für einen kurzen Moment über seinen Witz, fing sich dann aber schnell wieder. Es wirkte so, als würde er etwas in Eile sein.
„Mein Misstrauen dir gegenüber baute sich Schritt für Schritt auf. Du wirktest oft abweisend, hast mir nicht mehr so viel erzählt wie früher und hast dich fast unmerklich immer weiter von mir distanziert. Aber eben nur fast. Außerdem hattest du es wirklich in Erwägung gezogen, dass ich dir fremdging. Was dich aber am verdächtigsten gemacht hat, war diese eine Lüge, die du nicht ausreichend geplant hattest.
An einem Abend hattest du mir nämlich versicherst, dass du bei Naomi schlafen würdest. Dass Naomi aber für ihren Handykalender eine Software von uns benutzte, wusstest du nicht.
Und das an dem besagten Abend eine Reise mit ihrem Partner eingetragen wurde, wohl genau so wenig. Ich hatte keine Ahnung, warum du mich anlügen solltest, aber ich wollte dich nicht fragen, weil ich dann zugeben musste, dass ich Naomi ausspionierte und dir somit misstraute. Auch, wenn ich mich schlecht fühlte und dich am liebsten sofort zur Rede gestellt hätte, gab mir dieses Gefühl von Kontrolle so viel. Ich liebte es und wollte mehr davon, also habe ich in meiner Firma ein spezielles Überwachungsgerät entwickeln lassen, das perfekt in deine Kette passte, die du abgesehen vom Schlafen ständig trägst. Die, die du von deiner Familie als Abschiedsgeschenk bekommen hast und seitdem wie einen Schatz hütest.
Mithilfe einer einfachen Software konnte ich durch das winzige Gerät in dem Schmuckstück dann alles gemütlich von Zuhause beobachten, während du mich ahnungslos auf Schritt und Tritt mitnahmst. Ich war immer dabei. Überall wo du warst, war ich auch.
Ich war süchtig danach, dich ständig zu beobachten, auch wenn mich der Schmerz innerlich auffraß. Jede Enttäuschung ließ mich nur noch gieriger nach der nächsten suchen. Vielleicht versuchte ich damit auch nur, mich davor zu drücken, mich mit dem Schmerz zu beschäftigen und mir den Konsequenzen deiner Handlungen bewusst zu werden. Ich wollte mich nicht mit dem Gefühl beschäftigen, niemals gut genug zu sein. Aber weißt du was? Jetzt werde ich einmal gut genug sein."
„Theo, bitte gib mir die Chance mich zu erklären", es war ein Wunder, dass es überhaupt Wörter aus meinem Mund schafften. Meine Stimme zitterte und ich wusste, dass mein Versuch mich aus dieser Situation zu befreien alles andere als originell war. In Filmen ärgerte ich mich immer darüber, dass die Person sich nicht sofort erklärte, anstatt wertvolle Zeit mit solchen Sätzen zu verschwenden. Mein Problem war nur, dass ich noch nicht einmal wusste, wie ich das alles überhaupt erklären sollte.
„Oh nein, dafür hattest du lange genug Zeit, die du aber lieber dafür nutzen wolltest, dich dieser radikalen Gruppe anzuschließen und mich dazu noch zu betrügen. Juliette, ich bin fertig mit dir.
Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich den perfekten Racheplan für dich und deine Freunde ausgefeilt habe, und ich bin mir ganz sicher – er wird dir alles andere als gefallen."
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