Eins
Nervös öffnete ich den Brief der durch den Briefkasten kam und faltete die Blätter auseinander. Den Umschlag hatte ich schon längst in den Müll geworfen und meine Augen konzentrierten sich nun ganz auf die Buchstaben die sich in meinem Kopf zu Wörter bildeten. Nach den ersten Zeilen bildete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht und sofort wählte ich eine Nummer in mein Handy ein. Ein wenig später wurde am anderen Ende der Leitung abgehoben und eine Frauenstimme meldete sich. „Was ist den los Frank? Du rufst doch auch sonst nicht freiwillig an."
Man hörte ihre belustigte aber auch ernste Stimme heraus und die Worte sprangen nur so aus meinem Mund. „Ich wurde angenommen! Sie haben zugestimmt!" Abrupt hielt ich das Gerät von meinem Ohr weg, da kurz danach ein lauter Schrei zu vernehmen war. Vorsichtig näherte ich mich wieder und fragte mit verwirrten Gesichtszügen: „Ist alles okay?" Ein Lachen ertönte und ich zog eine Augenbraue nach oben. „Ja, alles gut. Ich hab mich nur so für dich gefreut." an ihrer Antwort wusste ich wie sie jetzt strahlen musste und somit bildete sich auch automatisch ein Grinsen auf meinem Gesicht. „Ich wünschte nur du könntest da sein und sie später sehen." meinte ich und nahm wieder eine neutrale Art an.
„Ja ich auch." brachte Ann mit einem Seufzer in Verbindung heraus, um ihren enttäuschten Ausdruck zu bestätigen. „Du musst mir unbedingt Bilder senden!" Im Hintergrund wurde sie unterbrochen und meldete sich darauf wieder schnell. „Es tut mir Leid Frank, aber ich muss wieder arbeiten sonst feuert mich mein Chef." entschuldigte sie sich und legte schnell auf. Schon als sie dort angefangen hatte wusste ich, dass sie es auf Arbeit nie leicht haben würde. Als kleiner Bruder fiel einem mehr auf als man dachte. Abgesehen von diesem Arsch als Boss, war Ann eine der wenigen Frauen und wurde ständig belästigt.
Um von diesen Gedanken nicht wieder eingenommen zu werden setzte ich mich auf mein Bett und studierte weiter die Blätter um genaueres zu erfahren. Als alles vollständig gelesen und das wichtigste herausgeschrieben war, schnappte ich mir den Zettel und zog mir eine Jacke über. Die Taschen füllte ich mit dem Haustürschlüssel, dem Handy, meinem Mp3 Player und zog mir die Kopfhörer über. Meine Hand legte sich auf die Klinke und wollte sie hinunterdrücken, als ich unerwartet an der Schulter zurückgezogen wurde. Schnell nahm ich die Hörer vom Kopf und sah meinen Dad erwartungsvoll an, der mir jedoch nur den Brief vor die Nase hielt. Laut seufzend und augenverdrehend blickte ich zu ihm. „Es war meine Entscheidung, du kannst mir das nicht verbieten." erklärte ich und steckte meine Hände in die Hosentasche.
„Ich kann es nicht verbieten sondern nur sagen dass es ein Fehler ist. Frank du hast noch dein ganzes Leben vor dir." Es waren dieselben Worte. Derselbe Ausdruck. Dasselbe Verlangen mich festzuhalten. Doch dieses Mal würde er es nicht schaffen, dieses Mal war Ann auf meiner Seite und dieses Mal war ich mir mehr als nur sicher. Entschlossen ignorierte ich die gesagten Worte, ging aus dem Haus und schaltete ab, indem ich meine Playlist abspielte. Mit schnellen Schritten bewegten sich meine Beine durch die Stadt, an den vielen Ampeln und Menschen vorbei, bis hin zum Krankenhaus. Auf dem Weg sahen mich viele Passanten komisch an, was mir aber schon zur Gewohnheit geworden ist. Nicht jeder fand dunkelblaue Haare toll, aber von der heutigen Menschheit konnte man ja keine Toleranz mehr erwarten. Kurz bevor ich in das riesige Gebäude hinein lief, stellte ich mein Handy auf lautlos und packte es mit dem anderen Kram weg. Zielstrebig schob ich die Tür auf und lief zur Rezeption, an der ein freundlich aussehender älterer Mann saß.
„Wie kann ich dir helfen mein Junge?" kam er auf mich zu und mit einem schweren Schlucken schilderte ich mein Verlangen. „Es wurde eine Stelle ausgeschrieben und ich habe sie bekommen." Auf diese Antwort verlor sein Gesicht den gut gelaunten Ausdruck und ungläubig sah er in mein Gesicht. „Frank Houston?" Als Bestätigung gab ich ein Nicken und er beschrieb mir den Weg. „Gehen Sie bitte den Flur entlang bis zum Fahrstuhl. Dort in die zweite Etage und rechts die letzte Tür im Gang." Somit folgte ich der Anweisung und betrachtete voller Neugier die Wände. Überall hingen von Kindern gemalte Bilder, die unterschiedlichste Motive zeigten. Als ich an dem Fahrstuhl ankam und wartete, zog ein Gemälde meine Aufmerksamkeit auf sich. Diese war keine Kritzelei eines dreijährigen Kindes, sondern professionell gezeichnet. Ein Mädchen welches eine Fischflosse besaß war zu sehen, ich hätte es als Meerjungfrau eingestuft, doch die Flosse war aus Metall. Eine mechanische Flosse mit dem Untertitel Träume sind nicht nur zum träumen gedacht. Nun stieg ich ein und betrachtete es bis die Türen ganz geschlossen waren, da der Spruch genau das Aussprach was ich mir die ganze Zeit dachte.
In der zweiten Etage angekommen bog ich rechts ab und sah die einsam stehende Tür durch die ich gehen musste. Der Weg dorthin zog sich elend lang und mein Puls hatte somit mehr Zeit schneller zu werden. Mit einem Klopfen überwand ich auch meine letzten Zweifel und trat in den Raum, welcher mich mit dem weiß schon blendete.
Ein Mann Mitte 40 saß an einem Glastisch und nickte mir freundlich zu, sodass ich mich vor ihm nieder ließ. „Frank Houston, nehme ich an." meinte er und reichte mir die Hand. „Ja richtig." gab ich nur von mir und erwiderte die Geste. „Mr. Jones, auch gerne Patrick. Bevor wir sie auf die Operation vorbereiten müssten sie den Vertrag unterschreiben und sich in ihrem Zimmer aufhalten." Er erhob sich und ging voraus um mir mein Zimmer zuzuweisen. Währenddessen konnte ich ihn genauer mustern und sah, dass er ein wenig kleiner als ich, aber dennoch dünn war. Seine braunen Haare färbten sich schon etwas weiß und so sah er noch älter aus. Etwas angespannt lief ich hinterher und ging durch die Tür, die er mir wenige Gänge später öffnete, hatte jedoch leichte Probleme als ich den Kopf einziehen musste um hindurch zu passen. Der Mann, der schon wieder verschwinden wollte kam mir schon seltsam vor, als er mir nur übertrieben grinsend die Hand schüttelte. „Ich komme gleich mit meinen Kollegen wieder, bis dahin können sie sich die Unterlagen durchlesen." Damit bewegte er sich davon und ich nahm mir die Blätter mit auf das Bett, welches wie immer unbequem war. Genervt sah ich mir jedes einzeln an und überlegte an vielen Punkten ob ich es wirklich machen wollen würde.
Um die Operation und ein angepasstes Haus umsonst zu bekommen würde es Pflicht sein mindestens ein Jahr der Armee und freiwillig medizinischen Zwecken zu dienen. Als meine Gedanken wieder an die Folgen schweiften, wenn ich mich widersetzen würde, überlegte ich stark ob es das wirklich Wert war und der Gedankengang wurde unterbrochen als das Klicken der offenen Tür zu vernehmen war. Aufmerksam sah ich zu den Personen die eintraten und erkannte Patrick wieder.
„Also, zuerst müssen wir ihnen die möglichen Nachfolgen der Wandlung erklären und sie dann um das Einverständnis und die Unterschrift bitten." kam es von einem großen stämmigen Mann der ununterbrochen auf seine Blätter schaute, was mir sehr unhöflich und unsympathisch vorkam. Mit einem unwissenden und fordernden Blick schaute ich zu den anderen. Jeweils einer erklärte mir die vielleicht eintretenden Folgen, ein kleinerer mit Glatze zählte positive Gründe auf weshalb ich als ihr Versuchsobjekt bleiben sollte und Patrick erklärte mir zum Glück auf Deutsch und nicht auf Arztsprache wie die Operation ablaufen würde, wäre ich einverstanden.
Nachdem er den letzten Satz beendet hatte spürte ich abwartende Blicke auf mir und mit all meinem Mut nahm ich einen Kugelschreiber, setzte meine Unterschrift unter alle Papiere und reichte sie ihnen. Nun gab es kein zurück, und meine Entscheidung stand fest. Nur noch die OP musste gut gehen, damit ich ein besseres Leben haben konnte. Nach den paar Monaten Übungszeit die mir empfohlen wurden ein Jahr in den Dienst und dann würde ich endlich aktzeptiert und angenommen werden. Ich würde einen hohen Stand erlangen, Aufmerksamkeit und Achtung gewinnen. Mein Leben würde besser werden und durch all diese Hoffnungen war ich bereit, denn das einzige was mir wichtig war, war endlich Respekt zu bekommen und als perfekt angenommen zu werden.
Alle Ärzte verließen den Raum, nur Mr. Jones blieb zurück und sagte, dass die Operation in zwei Stunden beginnen würde. Somit ging auch er hinaus und um die Zeit zu überbrücken ließ ich frei die Musik laufen. Genüsslich schmiss ich meinen Körper auf das Bett, zog mir die kalte und raue Decke über, da es sehr frisch wahr und schrieb mit ein paar Freunden. Sie alle sollten es erfahren, sollten erfahren dass ich nicht mehr derselbe seien würde. Einige freuten sich mit mir, andere konnten es nicht verstehen und die meisten verließen mich. Die einzige die mir so viel bedeutete würde immer hinter mir stehen sodass mir die Meinung anderer eigentlich egal war.
Durch meine Dummheit war der Handy Akku schneller leer als erwartet und ich steckte es mit 20 Prozent wieder ein um später ein Bild an Ann senden zu können, welche sich schon so lange mit mir freute.
Nachdem sich die ersten paar Lieder schon wiederholten, bekam ich mit wie einige Personen den Raum betraten. Benommen setzte ich die Kopfhörer ab und sah verwirrt auf die Liege, bis eine Frau zu mir sprach. Mit aufgesetzten Lächeln hielt sie mir ein Stück Stoff entgegen und automatisch nahm ich es entgegen. „Ziehen Sie das bitte an und legen Sie sich auf die Liege. Im Vorbereitungsraum wird es dann nicht mehr lange dauern." Mit diesen Worten lief ich ins Bad, wechselte die Sachen und legte meinen Körper, nachdem alles ordentlich weggeräumt war, auf das rollende etwas. Rollende Sachen waren mir schon seit meiner Kindheit ungewiss gewesen, jedoch konnte ich in dieser Situation nicht widersprechen weshalb ich den Anweisungen einfach still und leise folgte.
Einer der beiden Männer, die ebenfalls in meinem Zimmer standen schob mich quälend langsam den Flur entlang, bis hin zu einem kleinen Raum an dem eine weitere Tür angeschlossen war. Von der Größe her ähnelte er einer Abstellkammer und würde ich in meine vollen Größe hier stehen müsste mein Kopf schon längst unmengen an Beulen beherbergen. Diese Vorstellungen brachten ein Zucken meiner Mundwinkel zum Vorschein, welches aber auch so schnell verschwand wie es kam, als Mr. Jones vor mir stand. „Sie werden jetzt durch diese Maske schnell einschlafen. Wir haben sie über alle Risiken, die Dauer und Zeit informiert. Sind sie bereit?" Damit zog er auch schon eine durchsichtige Maske hervor und sah fragend zu mir. Er schien mich strikt zu mustern und unschlüssig zu werden. Schnell nickte ich und zog das Plastikteil zu mir. Grinsend schob er mich in den anliegenden Raum, wo schon andere Personen warteten und setzte mir die Maske richtig auf.
Schon nach wenigen Augenblicken bemerkte ich wie schwer meine Lider wurden und sich mein Puls senkte. Meine Stimme sagte mir ich solle wach bleiben und kämpfen, doch alles was ich mitbekam war, wie sie mich auf den Bauch drehten und riesige Umrisse eines Flügels in mein Auge stachen...
Als ich mir sicher war, dass Frank seine Augen geschlossen hatte machten wir uns an die Arbeit. Ganze vier Helfer mussten das Prachtstück eines Flügels halten und der Raum hatte kaum genügend Platz. Für diese gesamten neun Metern Spannweite ließen wir speziell diese Räume schaffen lassen und dennoch war der Operationsraum zu klein und platzmängelnd. Ohne mich von diesem Fakt stören zu lassen reichte mir meine Partnerin auf Befehl die nötigen Werkzeuge. Zuerst mussten wir in seinen Körper kommen, um gezielt einige Knochen brechen zu lassen und die einzelnen Nervenbahnen umzulenken. Alles in einem dauerte es zwölf Stunden, angemerkt mit Hilfe der anderen Ärzte.
Achtsam nähten wir zuletzt alle geöffneten Stellen zu und überprüften seinen Zustand. Jedes Mal wenn ich diesen Jungen betrachtete fragte ich mich, wie man so jung und verzweifelt sein musste um hierbei teilnehmen zu wollen. Ich selbst leitete das Unternehmen und die Forschungen, doch ein normaler Mensch konnte sich nicht ohne Gründe so verändern lassen wollen. Jedoch verdrängte ich dies wie immer, da es Gewohnheit war mich um die Patienten nicht zu Sorgen. Für mich sollten sie immer nur als Experimente angesehen werden, und nie auch nur ein Stück mehr. Jetzt war Houston nämlich wirklich nicht mehr als ein Experiment für mich. Mit ruhenden und stolzen Blicken sah ich noch einmal mein Ergebnis an und musste lächeln als meine Augen die sich regelmäßig heben und senkenden Flügel streiften.
Ersteres wurde geschafft, jetzt konnte die letzte freiwillige Mutation auch nicht mehr schief gehen, denn alles was fehlte war sie und ihre Flosse. Nachdem konnte ich alle aushändigen und würde für weitere Forschungen ein Vermögen kassieren.
Unser Staat bekam seine Waffen, und ich meine natürlichen Mutanten, die nach dem letzten Experiment von mir höchstpersönlich aufgesucht werden würden.
Um den restlichen Tag genießen zu können ging ich auf einen Vertrauten Freund zu. „Du bringst ihn in das Zimmer und lässt ihn ununterbrochen beobachten. Keiner weiß wie er reagieren wird also pass auf. Ich vertraue dir."
Damit verließ ich den Ort, zog mir Kittel, Mundschutz und den anderen Kram aus und schlüpfte in die Alltagskleidung. Bevor ich endgültig in den Feierabend ging, stattete ich einem Mädchen einen kurzen Besuch ab. Kurz klopfend ging ich auch schon herein und sah, wie Floy schon wieder zeichnete. So ein großes Talent was nicht gefördert wurde, doch auch sie hatte sich anders entschieden und bald würde ich sie auch nur noch als Experiment ansehen können, was mir sichtlich Leid tat da mir das Mädchen sehr ans Herz gewachsen war.
„Du hast großes Talent." Somit ging ich näher um das Gemälde besser betrachten zu können. Wieder einmal stellte es ein Meerwesen dar, welches sich elegant im Wasser drehte. „Ich weiß Patrick. Doch ich habe mich für das Schwimmen entschieden." Zustimmend nickte ich und sie konzentrierte sich weiter auf die Farbe, ohne mich einmal zu betrachten. „Du wirst eine der Besten werden, doch weißt du was alles passiert bis du wirklich frei mit ihnen bist?" Mit diesen Worten brachte ich sie zum aufstöhnen. „Ich möchte keinen Rollstuhl und auch keine mechanischen Beine mehr sehen. Ich will mich mit damit frei fühlen und dafür werde ich alles in Kauf nehmen." Dadurch war das Gespräch beendet und ihre Meinung verfestigte sich immer mehr. Dieses Mal konnte ich sie verstehen, denn selbst keine Beine mehr zu haben wäre unvorstellbar aus meiner Sicht.
Schon immer war ich generell dagegen nicht Volljährige auch nicht anzunehmen, doch in diesem Fall durfte ich nicht entscheiden sondern das Oberhaupt. Alle die am längeren Hebel saßen kramten sich die Personen heraus, welche ihrer Meinung nach immer am geeigneten waren. Ich wurde nur finanziert und sollte die Operationen durchführen, doch das war es mir Wert.
Lange habe ich dafür gekämpft und endlich gab es so naive Menschen, die glaubten sie könnten mit solch einer Veränderung ihr Leben verbessern oder endlich lenken. Doch nicht nur auf solche waren wir aus, auch auf die natürlichen Menschen mit angeborenen außergewöhnlichen Gaben und selbst diese würden wir alle finden und aufspüren.
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