29. Fate Will Find a Way
„Ich habe letzte Nacht sehr viel nachgedacht und es war so dumm von mir, an dir zu zweifeln. Deshalb habe ich mich heute früh sofort auf den Weg ins Hotel gemacht, um dich um Verzeihung zu bitten. Dort musste ich dann feststellen, dass du bereits ausgecheckt hast", erklärte er gehetzt, ließ mir jedoch keine Möglichkeit, etwas zu erwidern. „Als mir dann klargeworden ist, dich wahrscheinlich für immer verloren zu haben, habe ich erkannt, ohne dich nicht leben zu können. In diesem Moment kam mir Miguel entgegen und hat mir von eurem Abschied erzählt."
Diese Situation war so absurd, dass ich gleichzeitig zu weinen und zu lachen begann. Die irritierten Blicke von Lucas und Alejandro ignorierte ich jedoch und konzentrierte mich stattdessen einzig auf das Telefonat mit Emmanuel. Er wollte mit mir zusammen sein. Während ich mit einer Hand das Smartphone an mein Ohr presste, wischte ich mir mit der anderen Hand halbherzig die Tränen aus dem Gesicht.
„Charlotte?"
Erst jetzt realisierte ich, ihm noch gar nicht geantwortet zu haben. „Ja, natürlich warte ich auf dich!", rief ich daraufhin aufgeregt. Es gab nicht den geringsten Zweifel daran, was ich nun zu tun hatte.
„Ich werde in etwa zwanzig Minuten am Flughafen sein. Bis gleich!", erwiderte Emmanuel noch. Anschließend beendeten wir das Telefonat und ich reichte das Handy zurück an Alejandro. Er ließ es sofort zurück in die vordere Tasche seiner Jeans gleiten und bedachte mich mit einem Lächeln. Natürlich wollte ich mich ihm vorstellen, allerdings musste ich zuerst etwas klarstellen.
Bevor einer der beiden etwas sagen konnte, schloss ich für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Dann wandte ich mich direkt an Lucas. Ich musste ihn schließlich darüber informieren, dass ich den Flug nicht antreten würde und innerlich wappnete ich mich bereits auf eine heftige Auseinandersetzung mit meinem Exfreund.
„Schon gut. Du brauchst nichts sagen", kam mir Lucas überraschend zuvor. Anstelle einer Standpauke hielt er mir seine Kreditkarte entgegen.
„Was?", brachte ich vollkommen perplex hervor, während mein Blick zwischen ihm und der schwarzen Karte wechselte. Wer war dieser Typ und was hatte er mit Lucas Hall gemacht? „Das kann ich unmöglich annehmen!"
„Du hast hier anscheinend noch ein paar Dinge zu klären und ich möchte dich nicht mittellos zurücklassen. Ich habe so viel falsch gemacht, dass du mir zumindest diese kleine Möglichkeit der Wiedergutmachung zugestehen kannst."
Bevor ich etwas erwidern konnte, griff mein Exfreund auch schon nach meiner Hand, um die Karte in ebendiese zu legen. Dann formte er ein stummes „Mach's gut" mit seinen Lippen, bevor er sich ohne ein weiteres Wort abwandte, um erneut den Sicherheitscheck über sich ergehen zu lassen. Lucas würde also tatsächlich ohne mich zurück in die Staaten fliegen. Ganz ohne Drama und böse Worte.
„Danke! Ich werde dir alles wieder zurückzahlen!", rief ich ihm noch hinterher, aber er drehte sich nicht mehr zu mir um.
„Ich muss schon zugeben, dass das hier die seltsamste Art ist, auf die ich jemals einen Menschen kennengelernt habe", meldete sich Alejandro schließlich zu Wort und bedachte mich mit einem neugierigen Blick.
„Ähm ... Hi! Ich bin übrigens Charlotte", ergriff ich daraufhin die Initiative und streckte ihm unbeholfen meine Hand entgegen. Ich hoffte nur, er würde mich nicht für vollkommen überschnappt halten. Von Emmanuel wusste ich immerhin, dass er ziemlich konservativ zu sein schien.
„Das habe ich schon mitbekommen", grinste er süffisant und erinnerte mich dabei so stark an Emmanuel, dass ich ihn einfach nur mit großen Augen ansah. „Ich würde sagen, wir machen uns gemeinsam auf den Weg zum Haupteingang, oder?"
Während wir uns langsam in Bewegung setzten, versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Ich hatte so viele Fragezeichen in meinem Kopf, dass ich gar nicht wusste, wo ich beginnen sollte. Noch nie in meinem Leben hatte ich so viele Emotionen in so kurzer Zeit durchgestanden und irgendwie benötigte mein Körper noch etwas Zeit, um all die neuen Informationen zu verarbeiten.
„Woher wusstest du überhaupt, nach wem du suchen sollst?", kam mir schließlich eine erste Frage über die Lippen. Immerhin hatte Emmanuel mir noch vor kurzer Zeit erklärt, dass er seinen Bruder bisher nicht über mich informiert hatte.
„Emmanuel hat mich angerufen, nachdem er von Miguel über deine Abreise informiert worden ist. Eigentlich sollte er mich sowieso am Flughafen abholen, daher nahm ich zunächst an, er würde mir bloß Bescheid geben wollen, wann er hier ankommt", begann Alejandro und bedachte mich mit einem vielsagenden Seitenblick. „Dann hat er mich jedoch im Schnelldurchlauf über euch aufgeklärt und mich gebeten, vorerst keine Fragen zu stellen. Er wusste, dass du auf dem Weg nach New York warst und während ich gecheckt habe, von welchem Terminal der nächste Flug startet, hat er mir ein Foto von dir geschickt."
„Ein Foto?", hakte ich verwundert nach. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass er überhaupt in Besitz eines Bildes von mir war.
Alejandro zog mit einem gezielten Griff sein Smartphone aus der Hosentasche und entsperrte das Display. Dann hielt er mir den Bildschirm entgegen, wo mir tatsächlich ein Foto von mir entgegenblickte. Es war anscheinend am Tag des Strandfestes vor Miguels Bar gemacht worden, ohne dass ich etwas davon mitbekommen hatte.
„Es ist das einzige Bild, was er von dir auftreiben konnte, aber in der Sekunde, als ich es ansah, wusste ich, dass ich dich bereits hier am Flughafen gesehen hatte."
Der kurze Blickkontakt mit Alejandro war mir natürlich ebenfalls im Gedächtnis geblieben, was ich ihm mit einem kurzen Nicken zu verstehen gab.
„Als ich auf der Abflugtafel gesehen habe, von wo dein Flug startet, bin ich sofort zu dem entsprechenden Gate gelaufen. Durch die Glasscheibe habe ich dich entdeckt, aber ohne Flugticket ist natürlich kein Einlass in den Sicherheitsbereich möglich. Deshalb habe ich mit den Sicherheitsbeamten diskutiert und wollte, dass sie dir eine Nachricht von mir überbringen."
„Oh, ich wette, sie waren begeistert davon", schmunzelte ich, während wir endlich nach draußen traten. Obwohl uns augenblicklich das schwüle Klima entgegenschlug, vermisste ich die klimatisierte Flughafenhalle kein Stück.
„Sie haben versucht mich abzuwimmeln, aber ich konnte schon immer recht beharrlich sein", lachte er kurz auf, bevor er fortfuhr. „Durch unsere vorherige Begegnung wusste ich, wie dein Begleiter aussieht. Wie das Schicksal es wollte, habe ich ihn genau in diesem Augenblick in einiger Entfernung an einem Getränkeautomaten entdeckt. Irgendwie habe ich es hinbekommen, seine Aufmerksamkeit zu erregen, so dass er zu mir aufgeschlossen hat. Obwohl ich ihn angefleht habe, dich zu holen, hat er sich geweigert, aber dann hast du uns entdeckt und ... naja, nun sind wir hier."
Wenn es so etwas wie ein vorbestimmtes Schicksal gab, war diese Situation eindeutig ein Beweis dafür. Aber glaubte ich überhaupt an das Schicksal? Bisher hatte ich mir keine großen Gedanken darum gemacht.
Die Tatsache, mit Alejandro vor dem Flughafengebäude zu stehen, sprach eindeutig dafür. Nicht mehr lange und ich würde endlich mit Emmanuel sprechen können.
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