15. Escape The Ordinary
Kurze Zeit später fand ich mich bereits in Emmanuels rotem Pickup-Truck wieder, während er netterweise noch den Papierkram auf der Krankenstation für mich erledigte. Während ich auf ihn wartete, wanderte mein Blick automatisch an mir herunter. Ich trug noch immer die Kleidung, welche mir im Krankenhaus bereitgestellt worden war. Unterdessen freute ich mich einfach nur noch darauf, endlich duschen zu können und mir etwas ‚Normales' überzuziehen.
Erschöpft ließ ich mich tiefer in den Sitz sinken und schloss meine Augen für einen Moment. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie es nun weitergehen würde. Emmanuel hatte dem Arzt zugesichert, sich um mich zu kümmern und ich fragte mich, ob er tatsächlich vorhatte, ebenfalls in der Surfschule zu übernachten. Während ich über die Umsetzung seines Angebotes grübelte, musste ich anscheinend eingeschlafen sein, denn das Geräusch eines startenden Motors schreckte mich auf.
„Sorry, ich wollte dich nicht aufwecken", erklärte Emmanuel mit einem schiefen Lächeln und hob für einen kurzen Moment entschuldigend beide Hände vom Lenkrad, bevor er es erneut mit seinen Fingern umschloss. Anschließend lenkte er den Wagen routiniert von dem Klinikparkplatz auf die Straße.
„Schon in Ordnung", erwiderte ich leise und streckte mich einmal kurz, um die Müdigkeit wenigstens für ein paar Minuten abzuschütteln. Ich richtete mich dabei auf und ließ meinen Blick aus dem Fenster schweifen. Es war mitten in der Nacht und als wir den gut beleuchteten Parkplatz hinter uns gelassen hatten, wurden wir augenblicklich von tiefer Dunkelheit umhüllt. Die einzige Lichtquelle stellten die Scheinwerfer von Emmanuels Wagen dar und ich hoffte inständig, dass er sich mit den Gegebenheiten dieser Straße auskannte.
„Wie geht es dir? Fühlst du dich einigermaßen gut?", durchbrach er meine Gedanken, ohne den Blick von der Straße zu lenken.
„Eigentlich bin ich nur ein bisschen müde, sonst geht es mir wirklich gut", erwiderte ich wahrheitsgemäß und begann unruhig auf meinem Sitz hin und her zu rutschen, weil mir noch etwas auf der Seele brannte. Ich holte einmal tief Luft, bevor ich fortfuhr: „Es tut mir unendlich leid, dass ich einfach eines der Surfbretter genommen habe und so dumm war, mich damit aufs Meer treiben zu lassen. Es ist verständlich, wenn du jetzt enttäuscht von mir bist und selbstverständlich werde ich dir das Board ersetzen."
„Das Board ist mir doch völlig egal", gab er kopfschüttelnd zurück. „Ich würde nur gerne wissen, warum du das gemacht hast? Du hättest doch einfach etwas sagen können und ich hätte dich dabei begleitet."
„Ähm ... Also ...", stammelte ich verlegen und wusste nicht, wie ich diese Frage beantworten sollte, ohne mich komplett lächerlich zu machen. Immerhin konnte ich schlecht sagen, dass ich ihn und Carla belauscht hatte.
„Ja?", forderte er mich zum Weiterreden auf und ich spürte seinen fragenden Seitenblick auf mir. Oh Gott, ich schämte mich in Grund und Boden.
„Eigentlich wollte ich nur nachsehen, warum das Licht in der Surfschule noch brennt und dann habe ich gehört, was Carla über mich gesagt hat. Da ist mir irgendwie eine Sicherung durchgebrannt. Ich wollte mir unbedingt beweisen, dass ich nicht zu blöd bin, mich auf dem Surfbrett zu halten", entschied ich mich dann doch für die Wahrheit. Mein Körper wurde von einer kaum auszuhaltenden Hitze geflutet, während ich es irgendwie in Worte fasste. Laut ausgesprochen hörte es sich tatsächlich noch bescheuerter an, als in meinem Kopf.
„Du hast dich in solche Gefahr begeben, weil Carla einen blöden Spruch gerissen hat?", hakte er irritiert nach und als ich ihn verstohlen von der Seite musterte, konnte ich sehen, dass meine Antwort ihn anscheinend ziemlich verwirrte.
„Nein ... Ja ... Ach, ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist."
„Carla vergreift sich manchmal im Ton und wenn du dich in ihrer Nähe unwohl fühlst, werde ich ihr sagen, dass sie fürs Erste auf Besuche in der Surfschule verzichten soll, in Ordnung?", schlug er schließlich vor, während er das Fahrzeug endlich auf einen beleuchteten Straßenabschnitt lenkte.
„Du musst deiner Freundin nicht sagen, dass sie dich nicht mehr besuchen soll. Ich komme schon klar", gab ich ein wenig trotzig zurück, biss mir jedoch gleich nach meiner Äußerung auf die Lippe.
„Meine Freundin? Sie ist nur eine Freundin", entgegnete er völlig perplex, bevor er fortfuhr: „Wie kommst du darauf, dass es anders wäre?"
Na toll! Jetzt hatte ich es tatsächlich schon wieder geschafft, mich um Kopf und Kragen zu reden. Warum konnte ich nicht einfach meine Klappe halten?
„Sie hat es mir mit aller Deutlichkeit klargemacht und das ist auch der Grund, weshalb ich auf Abstand zu dir gegangen bin. Ich weiß, dass ich keine Ansprüche an dich stellen kann aber es hat mich trotzdem verletzt, nach unserem Kuss von dir und Carla zu erfahren. Ich hatte einfach keine Lust, mich in eine Reihe von Errungenschaften einzureihen."
Nachdem ich ausgesprochen hatte, was mich die ganzen letzten Tage beschäftigte, hielt ich angespannt die Luft an. Während ich auf eine Reaktion von Emmanuel wartete, fürchtete ich bereits, nun endgültig zu weit gegangen zu sein. Er schien für einen Augenblick vollkommen erstarrt, bevor er den Wagen überraschenderweise auf dem Seitenstreifen zum Stehen brachte und das kleine Licht im Inneren des Fahrzeuges einschaltete, um mich ansehen zu können.
„Ich weiß nicht, was Carla dir erzählt hat, aber ich kann dir eines versichern: Du bist ganz sicher keine Trophäe für mich, Charlotte! Es ist wahr, dass Carla und ich gelegentlich etwas miteinander hatten. Allerdings war das letzte Mal an dem Abend, wo wir uns kennengelernt haben und da konnte ich doch wirklich noch nicht wissen, in welche Richtung es sich mit uns entwickeln würde. Danach - und das schwöre ich dir - lief nichts mehr mit ihr."
Einen Moment lang sah ich einfach nur in seine braunen Augen. Fassungslos darüber, wie ich mich von Carla und ihren Intrigen hatte täuschen lassen. Anschließend entschloss ich mich, endlich meinem Herzen zu geben, wonach es sich sehnte. Ohne weiter zu überlegen, beugte ich mich ein Stück zu ihm herüber und umschloss sein Gesicht vorsichtig mit meinen Händen. Langsam zog ich ihn näher an mich heran und beobachtete wie sein Blick zwischen meinen Augen und meinem Mund hin und her wechselte. Sein Atem prickelte auf meiner Haut und als sich unsere Lippen für einen kurzen Augenblick berührten, spürte ich, wie sich mein Herzschlag unwillkürlich beschleunigte. Ich legte eine Hand in seinen Nacken und zog ihn erneut an mich, dieses Mal presste ich meine Lippen jedoch fordernder auf seine und öffnete meinen Mund, um ihn vollends schmecken zu können. Es steckte so viel Leidenschaft in diesem Kuss, dass er mir wortwörtlich den Atem verschlug.
Als wir uns nach einiger Zeit schwer atmend voneinander lösten, konnte ich meinen Blick nicht von seinen Augen abwenden, welche im Dämmerlicht der spärlichen Autobeleuchtung auf mich gerichtet waren.
Ich war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Alles, was ich wusste, war, dass Emmanuel Gefühle in mir weckte, von dessen Existenz ich vorher absolut keine Ahnung gehabt hatte.
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