13. Risks
Eine unangenehme Hitze erfasste meinen Körper, während ich in Gedanken erneut das Gespräch mit Emmanuel durchging. Das durfte einfach nicht wahr sein! Wieso hatte ich mir auch eine derart blöde Ausrede einfallen lassen?
Ich beobachtete, wie Miguel langsam ins Meer schritt und fasste kurzerhand einen Entschluss. Entschieden erhob ich mich von der Sonnenliege, um Emmanuel auf der Stelle über Carlas Offenbarung in Kenntnis zu setzen. Mir war bewusst, keinerlei Ansprüche an ihn stellen zu können, aber er sollte trotzdem wissen, dass ich mich keinesfalls als eine weitere Trophäe seiner Eroberungen einreihen würde.
Mit schnellen Schritten lief ich auf die Surfschule zu und passierte im Laufschritt die Türschwelle ins Innere. Als ich jedoch bemerkte, wer dort wie selbstverständlich auf dem Ladentisch saß, stoppte ich abrupt in meiner Bewegung. Carla hatte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Tresen platziert. Eine Hand lag locker auf der Tischplatte auf, während ihre lange Lockenmähne galant an ihrem Rücken herabfiel. Natürlich war sie erneut nur mit einem ziemlich knappen Bikini bekleidet, welcher ihren makellosen Körper perfekt in Szene setzte.
Emmanuel saß hinter dem Tresen und war mit einem Stapel Papiere beschäftigt, während Carla ihm anscheinend Gesellschaft zu leisten schien. Er musste sich ein Stück zur Seite drehen, um an ihr vorbei in meine Richtung sehen zu können. Beide Augenpaare waren nun wartend auf mich gerichtet, woraufhin meine Entschlossenheit wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. Als ich nach einigen Sekunden immer noch kein Wort herausgebracht hatte, erhob sich Emmanuel von seinem Platz und kam irritiert ein paar Schritte auf mich zu.
„Ist alles in Ordnung?", wollte er von mir wissen und betrachtete mich besorgt. Wahrscheinlich hielt er mich nun endgültig für übergeschnappt.
„Ich ... Ähm ...", stammelte ich noch immer außer Atem und spürte Carlas hämischen Blick ganz deutlich auf mir. „Eigentlich wollte ich nur kurz ... Also ... Ich habe gedacht, ich hätte etwas hier vergessen. Jetzt ist mir gerade eingefallen, dass es doch schon oben in meinem Zimmer liegt."
Mit diesen Worten drehte ich mich um und verließ mit hochrotem Kopf die Surfschule, um mich sogleich in mein Zimmer zurückzuziehen. Langsam ließ ich mich auf mein Bett sinken und fragte mich, ob es überhaupt noch einen Sinn hatte, an anderer Stelle mit Emmanuel über Carla zu sprechen. Wahrscheinlich vergnügte er sich genau in diesem Moment eine Etage weiter unten mit ihr. Obwohl ich mir krampfhaft versuchte einzureden, wie gleichgültig mir das war, scheiterte ich.
Wütend über mich selbst, griff ich mir das Kopfkissen. Ich presste mein Gesicht in die weiche Oberflächenstruktur und schrie all meinen Frust heraus. Anschließend warf ich das Kissen zur Seite und probierte die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln.
****
Die nächsten Tage verbrachte ich damit, mich hauptsächlich auf die Arbeit zu konzentrieren. Der Umgang mit den Touristen half mir dabei, Emmanuel und unseren Kuss weitestgehend zu verdrängen. Ich hatte keinen weiteren Versuch gestartet, mit ihm über seine Beziehung zu Carla zu sprechen. Natürlich ließ sie es sich nicht nehmen, in regelmäßigen Abständen Surfstunden mit ihm wahrzunehmen und mich dabei jeweils mit verächtlichen Blicken zu durchbohren. Zudem wusste ich mittlerweile, dass Carla keine Touristin war. Sie arbeitete an der Rezeption in einer der angrenzenden Hotelanlagen, weshalb ich noch nicht einmal auf eine baldige Abreise ihrerseits hoffen konnte.
Emmanuel verhielt sich weiterhin freundlich mir gegenüber. Trotzdem spürte ich ganz deutlich eine gewisse Distanz in seinem Verhalten. Wahrscheinlich hatte er unseren Kuss inzwischen längst vergessen, wobei Carla ihm wohl nur zu gerne half. Unser Kontakt beschränkte sich also ausschließlich auf die Arbeitszeit und obwohl mir seine Gesellschaft beim Frühstück oder an den Nachmittagen fehlte, hatte ich nicht den Mut, auf ihn zuzugehen und um ein klärendes Gespräch zu bitten.
Stattdessen versuchte ich mir immer wieder einzureden, dass es besser so war.
****
Weitere Tage waren ins Land gestrichen und ich hatte inzwischen einen festen Tagesablauf entwickelt. Nach der Arbeit legte ich mich noch an den Strand, um dort zu lesen oder im Meer ein paar Bahnen zu schwimmen. Ab und zu stattete ich Miguel einen Besuch an seiner Bar ab und freute mich jedes Mal erneut über seine Gastfreundschaft. Wenn nicht zu viel los war, erheiterte er mich mit Anekdoten über Touristen, welche sich wohl häufig den ein oder anderen Fauxpas erlaubten.
Als ich eines Abends von einem Besuch bei Miguels Strandbar in meine Unterkunft zurückkehren wollte, stellte ich verwundert fest, dass noch Licht im Verkaufsraum brannte. Normalerweise war die Surfschule um diese Uhrzeit bereits geschlossen, weshalb ich mich leise dem Eingang näherte. Eigentlich wollte ich wirklich nur nachsehen, ob alles in Ordnung war, aber dann vernahm ich Carlas und Emmanuels Stimmen aus dem Inneren. Sie schienen in eine hitzige Diskussion vertieft zu sein. Leider reichte mein Spanisch nicht aus, um alles genau zu verstehen. Trotzdem hielt ich mich hinter der Tür verborgen und als plötzlich mein Name fiel, entschloss ich, weiterhin auf der Stelle zu verweilen und ihrem Gespräch zu lauschen.
„Was willst du überhaupt mit der?", hörte ich Carla abfällig fragen und ich wusste augenblicklich, dass ich mit dieser Aussage gemeint war. Sie ergänzte noch etwas, was ich jedoch nicht übersetzen konnte.
„Das ist meine Sache, oder? Ich wüsste nicht, was dich das angeht", erwiderte Emmanuel genervt. Er schien anscheinend nicht sonderlich interessiert an dieser Unterhaltung zu sein.
„Die Kleine ist sogar zu blöd um sich auf einem Surfbrett zu halten und du lässt sie weiter für dich arbeiten? Das ist sowas von lächerlich", entgegnete Carla herablassend und in diesem Moment verspürte ich einfach nur den Wunsch, dieser dummen Kuh das Gegenteil zu beweisen.
Ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken, schlich ich mich an den angrenzenden Verschlag. Ich wusste, dass Emmanuel den Zugang zu den Surfbrettern erst verschloss, sobald er die Surfschule verließ und so war es nicht verwunderlich, ihn geöffnet vorzufinden. Lautlos nahm ich mir eines der Surfboards und rannte unbemerkt zum Meer herunter.
Obwohl es bereits dämmerte, schob ich das Board ins Wasser. Ich kletterte auf das Surfbrett und brachte mich in eine sitzende Position, so wie es mir Emmanuel bei meinem ersten Versuch gezeigt hatte. Ich wartete auf eine passende Welle und versuchte mich im richtigen Moment aufzustellen. Natürlich gelang es mir nicht und ich stürzte ins Wasser. Allerdings wollte ich nicht aufgeben. Immer wieder kletterte ich auf das Surfbrett, um auf die nächste Gelegenheit zu warten.
Es war absurd, wie viel Macht Carlas Worte über mich hatten. Trotzdem konnte ich nicht anders, als ihr – und in erster Linie wohl mir – zu beweisen, wie falsch sie mit ihrer Einschätzung lag.
Dabei bemerkte ich jedoch nicht, dass ich mich aufgrund der Strömung bereits gefährlich weit vom Ufer entfernt hatte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro