8.Kapitel
Gedämpfte Stimmen weckten sie. Penelope tat aber trotzdem weiter so als würde sie schlafen. Nachdem der rothaarige Lieutenant mit ihr geredet hatte, war sie so aufgelöst gewesen, dass Dr. Wood ihr ein Beruhigungsmittel hatte geben müssen, damit sie sich endlich beruhigte und schlafen konnte. Sie wusste, dass ihre Reaktion nur danach schrie, dass Horatios Befürchtungen wahr waren, doch sie versuchte diese Tatsache zu verdrängen. Er konnte denken was er wollte, sie würde sich ihm niemals anvertrauen.
„Penelope?"
Sie erkannte die Stimme der Ärztin und schlug leise seufzend die Augen auf.
„Wie geht es dir?"
Die dunkelhaarige Frau sah sie besorgt an, doch sie erwiderte nichts.
Wie sollte es ihr schon gehen? Ihr ganzer Körper tat ihr weh, doch sie wollte nicht um Schmerzmittel betteln.
Alexx saß in dem Stuhl neben ihrem Bett, sie konnte ihrem Blick nach wie vor auf sich spüren, doch sie erwiderte ihn nicht, sie starrte auf ihre verbundenen Hände und hoffte, dass die Ärztin bald wieder gehen würde.
„Du kannst Horatio vertrauen."
Ihre Hoffnung löste sich in Luft auf, als die Ärztin nach einer kleinen Weile einfach weiter redete.
„Er will dir helfen. Wenn du mit ihm redest, wird er alles dafür tun, um dir zu helfen, glaub mir."
Die Sechzehnjährige schaffte es gerade noch ein ungläubiges Schnaufen zu unterdrücken und drehte sich stattdessen nur auf den Rücken. Sie starrte die weiße Decke an, während Alexx auf eine Antwort zu warten schien.
„Er will dir helfen, Kind und ich will es auch. Wenn du nicht mit ihm darüber reden kannst, was geschehen ist, dann rede doch bitte mit mir", redete Dr. Wood weiter, als sie keine Antwort erhielt.
Penelope musste sich fest zusammenreißen, um nicht wieder anzufangen zu weinen. Sie verbarg ihre Hände unter der Decke und ballte sie zu Fäusten. Alexx wusste überhaupt nichts, sie wusste nicht, was ihr Vater ihr Tag für Tag antat, sie wusste nicht, was er tun würde, wenn er erfahren würde, dass sie geredet hatte, sie wusste nicht, dass niemand ihr helfen konnte.
„Dr. Wood...", begann sie schließlich doch zu reden.
„Nenn mich Alexx", unterbrach die dunkelhäutige Frau sie und sie begegnete ihrem Blick.
„Es gibt nichts, dass ich Ihnen sagen könnte", redete sie weiter, ihre Stimme zitterte, doch sie versuchte es zu ignorieren, „Nichts was diesem Mörder betrifft und nichts über meine Eltern."
Das rothaarige Mädchen sah, dass die Ärztin ihr nicht glaubte, doch sie würde nicht reden, egal wie sehr alle sie darum bitten würden, sie fürchtete sich viel zu sehr. Sie schluckte schwer und wandte dann wieder den Blick ab. „Können Sie mich bitte einfach in Ruhe lassen?"
„Penelope...", fing Alexx noch einmal an, doch sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr kurz schwindelig wurde.
Bitte!", rief sie leise mit rauer Stimme.
„Du kannst jeder Zeit mit mir reden", sagte die Ärztin, bevor sie aufstand und den Raum verließ.
Das sechzehnjährige Mädchen erwiderte nichts, sondern zuckte nur leicht zusammen, als die Tür zufiel. Zitternd fuhr sie sich mit einer Hand durchs Gesicht und schüttelte den Kopf. Sie wünschte sich so sehr, dass das alles endlich aufhören würde, es wäre so schön wenn sie alles vergessen könnte. Tränen rannen ihr über die Wangen und sie ließ sich tiefer in ihren Polster sinken, als sie plötzlich wieder die Erinnerungen an die dunkle Lagerhalle überkamen und sie die Augen fest zusammenkniff. Wie konnte sie sich überhaupt sicher sein, dass sie hier in Sicherheit war?
Erschrocken riss sie die Augen wieder auf und sah sich bei diesem Gedanken hektisch um. Beinahe hätte sie aufgeschrien, als sie den Mann sah, doch sie schluckte den Schrei hinunter, als sie ihn erkannte.
„Es ist alles in Ordnung", sagte er und sah sie sorgenvoll an.
„Haben Sie diesen Irren gefasst?", platzte es aus ihr heraus bevor sie es aufhalten konnte. Ganz kurz hatte sie sich hier sicher gefühlt, doch nun war dieses Gefühl auch verschwunden und sie hätte am liebsten auf ihren Polster eingeschlagen um die Angst zu vertreiben.
Der Lieutenant schüttelte den Kopf und sie seufzte leise auf. Unwillkürlich blickte sie sich um und ihr war plötzlich so als würde jeder vor der Glastür sie beobachten. Zitternd schlang sie die Arme um ihren Oberkörper und wandte den Blick nicht mehr von der Glaswand ab.
„Du bist hier in Sicherheit", sagte der rothaarige Mann und setzte sich auf den Stuhl auf dem vorher die Ärztin gesessen hatte.
„Aber er wird verhindern wollen, dass ich etwas sage, oder nicht?"
Ihre Angst war ganz deutlich herauszuhören, auch wenn sie sie gern etwas versteckt hätte.
„Wir werden dich beschützen, Penelope. Ich werde nicht zulassen, dass dir irgendjemand weh tut", erwiderte Horatio und in seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der ihr sagte, dass er immer noch daran glaubte, dass ihre Eltern ihr wehtaten.
Sie ignorierte den Unterton und sah weiterhin hinaus auf den Gang, in dem sich geschäftige Menschen beinahe umrannten. Als der Mann nichts mehr sagte, fing sie sich langsam an zu fragen wieso er überhaupt zu ihr gekommen war, doch sie hatte keine Lust ihn danach zu fragen. Die Lippen fest aufeinander gepresst starrte sie starr vor sich hin ohne wirklich etwas zu sehen und wartete darauf, dass er entweder ging oder endlich anfing zu reden.
„Wir werden dich so lange beschützen wie es nötig ist, doch du musst uns helfen diesen Mann zu finden."
Fing er endlich an zu reden, doch sie zuckte bei seinen Worten zusammen.
„Ich kann Ihnen nicht helfen!", rief sie und wandte den Blick von dem Gang ab, „Ich kann nichts sagen, was Ihnen helfen könnte, ich hab doch kaum etwas gesehen."
„Vielleicht hast du etwas gesehen, dass dir vollkommen unwichtig vorkommt aber für uns sehr wertvoll sein könnte", meinte er sanft und zog die Augenbrauen ein wenig in die Höhe.
Schweigend wandte sie den Blick wieder ab, doch sie spürte trotzdem, dass er sie weiterhin ansah. Die Sechzehnjährige wollte nicht mit ihm reden, sie wollte am liebsten gar nicht darüber reden. Wo war eigentlich die nette, blonde Polizistin?
„Wo ist eigentlich Calleigh?", fragte sie leise, ohne aufzusehen.
„Sie spricht mit deinem Vater."
Die Antwort ließ sie leicht zusammenzucken und sie hoffte, dass er das nicht gesehen hatte.
„Bitte rede mit mir."
Er sah sie eindringlich an und sie wusste, dass er bemerkt hatte, dass sie zusammengezuckt war.
„Falls er dir irgendwie weh tut werde ich dafür sorgen, dass er es nie mehr wieder tun kann."
Sie konnte die Entschlossenheit in seinen blauen Augen sehen, doch sie presste wieder die Lippen fest zusammen und sah ihn nur an. Ihre Gedanken begannen zu rasen. Was würde passieren, wenn sie wirklich reden würde? Penelope konnte nicht glauben, dass sie irgendwo sicher war vor ihrem Vater. Es würde schlimmer werden, sie war sich vollkommen sicher, viel schlimmer. Er würde sie nicht töten, dass wusste sie, doch er war zu viel mehr fähig, als sie nur mit seinem Gürtel zu schlagen, oder sie Nachts besuchen zu kommen. Wenn sie reden würde, dann würde sie sich ihr Leben zurückwünschen, das sie jetzt hatte, auch wenn es ihr jetzt noch wie die reinste Hölle vorkam. Ein kleiner Teil von ihr sehnte sich aber danach endlich dieser Hölle zu entfliehen. Der Gedanke war nicht größer als ein kleiner Funke in der Dunkelheit, doch er war da und er schrie nach Hilfe, er schrie sie an Horatios Hilfe endlich anzunehmen. Langsam stieg Panik in ihr hoch und sie war ganz deutlich in ihrem Blick zu lesen.
Der rothaarige Lieutenant runzelte die Stirn und sie sah sofort weg. Das junge Mädchen presste sich die Fäuste gegen die Schläfen, um ihre rasenden Gedanken zum Stillstand zu bringen, doch es half nichts. Zitternd schloss sie die Augen und zuckte zusammen, als sie Horatio wieder sagen hörte:
„Rede mit mir."
Die Sechszehnjährige öffnete wieder die Augen und sah ihn an. Er erwiderte ihren Blick und sie blinzelte, um sich davon abzuhalten fortzusehen. Konnte sie wirklich mit ihm reden? Schaffte sie es überhaupt über das zu reden, was ihr Vater mit ihr tat? Durfte sie einem Mann vertrauen? Der Gedanke, dass jeder Mann insgeheim wie ihr Vater war, hatte sich so tief in ihr verankert, dass sie nicht glauben konnte, dass sie irgendeinem Mann einmal soweit vertrauen konnte, dass sie ihn um Hilfe bat. Doch desto länger sie ihm in die Augen sah, desto mehr musste sie mit sich kämpfen. Horatio konnte kaum schlimmer sein wie ihr Vater, oder? Es würde so viel ändern, wenn sie Unrecht hätte, doch würde es überhaupt etwas ändern, wenn der Gedanke zutreffen würde? War es nicht egal, ob es ihr Vater tat, oder jemand anders?
„Ich werde dir helfen", fing Horatio wieder an und riss sie aus ihren Gedanken, „Aber du musst mit mir reden."
Schweigend wandte sie den Blick ab und sah zur Glaswand hinaus. Die Sechzehnjährige sah Calleigh wieder draußen stehen und sie beobachten. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen wie der Lieutenant ihr ein Zeichen gab und die junge Polizistin kam zu ihnen.
Penelope nickte der Frau nur zu und sah sich unauffällig nach ihrem Vater um. Wenn er nicht mehr bei Calleigh war, wo war er dann?
„Dein Vater würde dich gerne sehen", sagte Calleigh und sie versuchte bei ihren Worten nicht zusammen zu zucken.
„Hol ihn rein", erwiderte Horatio und sie spürte seinen Blick auf sich, es war als wolle er ihre kleinste Reaktion mitbekommen. Die hellhaarige Frau nickte und lächelte ihr noch zu bevor sie ging.
Ein Seufzen unterdrückend wandte sie sich wieder um und begegnete dem Blick des rothaarigen Mannes. Er sagte nichts, doch das musste er auch nicht, sein Blick sagte alles. Ihre Gedanken fingen wieder an zu rasen. Zweifelnd sah sie ihn an und versuchte sich an den Gedanken festzuklammern, dass Horatio nicht schlimmer sein konnte als ihr Vater und das vielleicht, mit ein wenig Glück, sogar alles besser werden konnte. Kurz schloss sie die Augen, doch als sie den Mund aufmachen wollte, um zu zugeben, dass ihr Vater ihr wehtat, hörte sie wie die Tür aufging und zuckte zusammen. Sie drehte den Kopf und begegnete sofort dem Blick ihres Vaters, in dem für sie ganz deutlich eine Warnung zu lesen war.
„Hey, Maus. Wie geht es dir?"
Ihr Vater klang ungewöhnlich sanft, als hätte er diese Worte die ganze Zeit geübt. Er sah auch um einiges gepflegter aus als sonst. Seine fettigen langen Haare musste er ausnahmsweise mal gewaschen haben. Er trug zwar nur ein T-Shirt und eine Jeans, doch wenn man ihn sah schrie nicht mehr alles danach, dass er ein mieser Typ sein musste.
Als Antwort zuckte sie nur mit den Schultern und versuchte zu verbergen, wie unwohl sie sich fühlte. Mit einem Seitenblick auf Horatio bemerkte sie, dass er ihren Vater beobachtete. Würde er ihn etwa jetzt auf seinen Verdacht ansprechen?
„Blake Walker? Ich bin Lieutenant Caine."
Erleichtert atmete sie auf, als der rothaarige Mann nur aufstand und ihm die Hand gab.
„Sie haben meine kleine Prinzessin gerettet?"
Ihr Vater strich ihr zärtlich durchs Haar und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. Sie musste sich hart zusammenreißen, um ihn nicht von sich zu stoßen. Sie hatte ihre Chance gehabt, doch die war nun vorbei. Ihr Vater würde nicht zulassen, dass sie wieder den Mut fand mit der Sprache herauszurücken.
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