28. Kapitel
Hier steht eigentlich ein Zitat des Deutschen mit dem lustigen Schnauzbart, aber da ich mir nicht sicher bin, ob das nicht gegen irgendwelche Wattpad-Regeln verstößt, muss ich es leider weglassen. Ihr findet das Zitat, wenn ihr nach dem Namen jenes Herren und »wirkungsvolle Propaganda Zitat« sucht. Es wird eines der dort aufzufindenden sein.
Tai schmunzelte belustigt, als er sah, wie Xavion in einiger Entfernung zu ihm die Sense sinken ließ und seine Schultern lockerte, bevor er weiter über das Feld ging und den Weizen in weiten Schwüngen abschnitt. Xavion war der zweite Knecht, den Max angestellt hatte. Normalerweise hätte er wohl genügt, doch jetzt war Erntezeit und ein weiteres Paar Hände war gerade richtig. Als Tai an Max' Tür geklopft hatte, hatte der Bauer ihm direkt eine Sense in die Hand gedrückt und ihn auf eines seiner drei Felder geschickt. Die Tage darauf hatte er dann gesehen, dass Tai erstaunlich stark war – nicht überraschend angesichts seiner Ausbildung bei den Buren –, und behandelte ihn mittlerweile wie einen eigenen Sohn. Xavion akzeptierte das stillschweigend, aber Tai war dennoch froh, dass er nicht bei ihm im Zimmer der Bediensteten schlafen musste, sondern nach Hause zurückkehren konnte.
Die Arbeit war anstrengend, ja, doch er konnte sich nicht beschweren. Er bekam genug Geld, um sich bei anderen Bauern das Nötigste zu kaufen und Max gab ihm oft Brot mit, das eine seiner Mägde gebacken hatte. Tai war keineswegs entgangen, dass der Bauer sich fast jede Nacht eine von ihnen ins Bett holte. Mit Maua hat der Bauer es auch versucht. Tai hatte nicht vergessen, dass er Rache an Max geschworen hatte. Solange er bei ihm arbeitete, ging das jedoch schlecht. Ich werde ihn mit der Strahlenkrankheit anstecken, sobald ich das Gefühl habe, dass es mit mir zu Ende geht. Ob Marco und der Anführer der Plünderer wohl auch schon gestorben sind? Ohne das Wissen von Soort wäre er nie darauf gekommen, seine Strahlenkrankheit als unsichtbare Waffe zu verwenden.
»Tai!«
Er fuhr herum, als er Max' Stimme hörte. Der Bauer stand mit einem Strohhut auf dem Kopf am Rand des Feldes und winkte ihm zu. Das Zeichen dafür, dass seine und Xavions Arbeitszeit vorbei war. Tai schulterte die Sense und warf einen kurzen Blick zum anderen Knecht, der dasselbe tat. Auf halbem Weg zu Max' Haus, in dem dieser bereits verschwunden war, trafen sie sich.
»Viel geschafft heute, oder?«, fragte Xavion mit seiner brummigen Stimme. Er war etwa fünfundzwanzig Jahre alt und damit älter als Tai. Ursprünglich kam er aus Mbadala, war jedoch nach Kimbilio gekommen, da er gehört hatte, dass einem Knecht dort mehr bezahlt wurde.
»In etwa so viel wie gestern«, schätzte Tai. »In einer Woche sollten wir durch sein.«
»Hoffentlich.« Xavion schaute zu der Haustür hinüber, aus der nun eine der Mägde rauskam. Sie musste etwa so alt wie der Knecht sein und Tai vermutete schon länger, dass er in sie verliebt war. Wie zur Bestätigung wurde Xavions Blick weicher, aber er rief ihr nichts zu. Max würde ihn nur zur Rede stellen.
Es muss eine Qual sein, zu hören, wie sie mit Max schläft, dachte Tai. Wenigstens scheint sie es freiwillig zu tun.
Beim Haus angekommen, trennten sich ihre Wege. Xavion verschwand im Zimmer der Bediensteten, um sich umzuziehen, während Tai in die Küche ging, um sich zu verabschieden. Dort wartete bereits Max auf ihn. Den Strohhut hatte er auf dem Tisch abgelegt, direkt neben einem Korb mit zwei Broten und einem Geldbeutel.
»Danke.« Tai nickte dem Bauern zu und nahm den Korb an sich.
»Hast du dir verdient, Junge«, entgegnete Max leicht keuchend. Er hatte eine kranke Lunge, weswegen er auch nicht auf dem Feld arbeiten konnte ohne andauernd nach Luft zu schnappen. »Hab noch nie einen Knecht wie dich gehabt, das sag ich dir. Stark wie ein Krieger. Hast bestimmt was mit der Maua gemeinsam, was?«
»Das hast du schon viel zu oft gefragt«, sagte Tai so freundlich wie möglich. Er hatte nicht vor, irgendwas zu erzählen, was ihm mehr Informationen über Maua gab. Sie würde das ganz sicher nicht wollen.
»Nimm's mir nicht übel. Ich bin nur neugierig.« Er rieb sich mit der Hand über das stoppelige Kinn. »Die hat mich damals ganz schön erwischt, weißt du? War dumm von mir, sie so anzugehen.«
Soll das jetzt eine Entschuldigung sein? Ungläubig zog Tai die Augenbrauen zusammen, verabschiedete sich wortlos von dem Bauern und verließ das verfluchte Haus. Das Brot im Korb war so frisch, dass er es noch nicht mit den Fingern anfassen konnte. Und es roch fantastisch.
Den Weg zu seinem neuen Zuhause konnte er schon fast mit geschlossenen Augen gehen. Vorbei an Mauas und Moyos Haus und dann außen rum an Feldern von drei weiteren Häusern entlang. Zwei davon gehörten Trevor und Haifai, aber er konnte keinen von beiden entdecken. Allgemein hatte er das Gefühl, dass seine ältere Schwester ihn mied.
Als er einen Pfad überquerte, auf dem die Zugpferde in die Felder geführt wurden, kam sein Haus in Sicht. Und die Person, die vor dem Haus stand, nicht weit von Qasi. Sein Herz sank. Aber er hatte gewusst, dass es irgendwann soweit wäre. Seine Rückkehr nach Kimbilio konnte nicht für immer geheim gehalten werden. Früher oder später würde Alina davon erfahren und jetzt hatte sie es wohl. Wer dafür verantwortlich war, würde er wahrscheinlich nicht herausfinden können. Doch es war ohnehin unwichtig.
Seine Mutter sah älter aus als bei seinem Aufbruch. Erste weiße Stellen machten sich in ihrem schwarzen Haar bemerkbar. Die Falten in ihrem Gesicht hatten sich ein Stück vertieft, die Falten ihres Kleides waren immer noch gleich. Offenbar hörte sie ihn, als er über die Kiesel auf sein Haus zuging, denn sie drehte sich um. In ihren Augen stand Unglaube und gleichzeitig so etwas wie Enttäuschung.
»Also stimmt es«, waren ihre ersten Worte. »Du bist wieder da.«
»Ja.« Er versuchte, sich an ihr vorbeizudrängen, doch sie stellte sich ihm in den Weg. Er hätte sie schon beiseite stoßen müssen, um zu seiner Haustür zu kommen. »Bist du hier, um mich zur Rede zu stellen?«
»Ich möchte wissen, warum du zurückgekehrt bist, obwohl du deine Mission nicht erfüllt hast.« Kalt, fordernd. Er hatte sie bisher nur gegenüber Haifai und Sakafu so reden hören. »Du bist der wahre König des Ostlands. Du hättest dein Recht auf den Thron einfordern müssen! Erst recht, nachdem klar geworden ist, dass König Javet wahnsinnig geworden ist!«
»Glaubst du das wirklich?« Er stellte den Korb ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Glaubst du wirklich, ich bin der rechtmäßige König? Der Sohn von König Sharaf? Hast du dich so lange angelogen, dass du jetzt selbst daran glaubst?«
Seine Mutter sog scharf die Luft ein. »Du zweifelst? Ich habe dich geboren, Tai! Natürlich weiß ich, wer dein Vater ist! Ich habe König Sharaf nicht geheiratet, um mir dann anzuhören, wie du an allem zweifelst, was ich dir erzählt habe! Ich habe dich nicht angelogen!« Sie atmete tief durch. »Ich weiß, dass eine große Verantwortung auf die lastet, dass du Angst hast vor dem, was du tun musst, aber...«
»Ich muss gar nichts tun«, unterbrach Tai sie barsch. »Ich bin ein Mensch mit eigenen Wünschen und Träumen. Du hast mich geboren, aber mein Leben gehört mir. Ich kann damit tun, was ich will.«
»Du wirfst deine Krone einfach weg?« Alina runzelte verärgert die Stirn. »Das solltest du nicht tun. Du weißt nicht, welche Möglichkeiten du einfach so verschmähst! Welche Macht!«
»Macht?« Er lachte kurz auf. »Es geht immer nur um Macht. Ich möchte sie aber nicht. Vielleicht ist König Sharaf mein Vater, vielleicht auch nicht. Es macht keinen Unterschied. Ich will nicht auf dem Thron sitzen, den du so sehr begehrst. Ich bin nicht dein Werkzeug, mit dem du wieder als Königin über das Ostland herrschen kannst. Denn das ist es, was du willst, nicht wahr?«
Alina schwieg.
Tai nickte langsam. Sein Herz schmerzte, obwohl er wusste, dass seine Vermutung wahrscheinlich stimmte. Ihr Schweigen war ihm Bestätigung genug. »Geh zur Seite«, sagte er mit belegter Stimme und zu seiner Überraschung tat sie das sogar.
»Ich habe so viel für dich getan«, rief sie ihm noch zu.
»Mich vor allem mit Lügen gefüttert«, entgegnete er kalt und knallte die Tür hinter sich zu. Dann sank er zu Boden und versuchte die Tränen zu unterdrücken, die in seine Augen schossen. Ich muss mich beruhigen. Tief ein und aus atmen.
Warme Luft strömte in seine Lungen und wieder hinaus. Allmählich beruhigte sich sein Herzschlag und die Panik ließ nach. Plötzlich war all die Angst, all die Unsicherheit weg. Er hatte getan, was er sich vorgenommen hatte. Er hatte sich von seiner Mutter abgewandt, seinen eigenen Willen durchgesetzt. Jetzt fühlte er sich einfach nur... frei.
Ein leises Lachen stieg in seiner Kehle auf und es war ihm egal, ob Alina noch vor der Tür stand und das hörte. Mit neuer Kraft in den Beinen erhob er sich und ging in das Schlafzimmer, das er mittlerweile aufgeräumt hatte. Als er sich umgezogen hatte, ging er in die Küche, um zu sehen, ob seine Mutter noch im Vorgarten war. Zum Glück war das nicht der Fall. Also rannte er nach draußen und holte den Korb mit dem Brot ab, den er dort stehen gelassen hatte. Zu seinem Unmut bemerkte er, dass ein Laib fehlte. Verwirrt sah er zu Qasi, doch die braune Stute stand zu weit entfernt, um etwas mit diesem Verschwinden zu tun haben zu können.
Hat Mutter ersthaft eines der Brote mitgenommen? Tai atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Beinahe wäre seine Hand an seinen Hals gewandert, um sich zu kratzen. Nenn es beim Namen: Sie hat das Brot gestohlen. Aber ich habe jetzt keine Nerven mehr, um ihr hinterher zu rennen und es zurück zu verlangen.
Die nächsten Tage war alles ruhig. Er arbeitete zusammen mit Xavion auf dem Feld und begegnete einmal auf dem Heimweg sogar Moyo, der ihm einen kleinen Korb Tomaten mitgab, den er und Maua in ihrem Garten gefüllt hatten. Tai überlegte, ob er auch seinen eigenen Vorgarten in so ein Paradies verwandeln sollte, entschied sich jedoch dagegen. Es war allgemein bekannt, dass Maua und Moyo immer abwechselnd für mehrere Tage in der Einöde verschwanden, gekleidet in Buren-Gewänder und mit einem Säbel oder Kurzschwert bewaffnet, und dann mit vollen Wasserschläuchen wieder zurückkehrten. Er selbst konnte es sich nicht leisten, die Arbeit bei Max für längere Zeit ruhen zu lassen.
Eines Morgens war Tai gerade auf dem Weg zu Max' Haus, als er zwischen zwei Häusern hindurch eine große Versammlung auf dem Dorfplatz bemerkte. Neugierig geworden benutzte er die nächste Seitenstraße, um sich den Menschen dort anzuschließen. Zu seinem Erstaunen waren selbst Max und Xavion dort. Alle diskutierten wild durcheinander, sodass Tai kein Wort verstehen konnte. Es schien jedoch um das Stück Pergament zu gehen, das an der Tafel am Rand des Platzes befestigt war. Normalerweise konnte man dort erfahren, ob es jemanden im Dorf gab, der bald irgendwohin reisen würde und nach einem Reisegefährten suchte. Es war immer sicherer, sich in einer größeren Gruppe auf den Weg zu machen. Doch bei diesem Pergament handelte es sich offenbar um etwas Anderes. Vorsichtig, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, bahnte er sich einen Weg nach vorne. Vorbei am Brunnen, vorbei an Max, der ihm keine Aufmerksamkeit schenkte, bis er die Schrift auf dem Pergament lesen konnte. Fast alle in Kimbilio konnten weder lesen noch schreiben, also musste jemand es ihnen vorgelesen haben. Vermutlich Haifai, die so wie er alles Nötige von Alina gelernt hatte und die jetzt mit verkrampftem Gesichtsausdruck in einiger Entfernung neben Trevor stand.
›Bürger des Ostlands‹, las Tai die übliche Anrede des Königs an sein Volk. ›Das Ostland hat dem Nordland den Krieg erklärt. Es ist unser aller Pflicht, der Verachtung, mit der Königin Sunna des Nordlandes uns seit dem Krieg gegen die Triglaza begegnet, ein Ende zu setzen. Zu diesem Zweck wird allen gesunden Männern über sechzehn Jahre, die keine Familie allein versorgen müssen, die Ehre zuteil, ein Teil der ostländischen Armee zu werden. In Kürze wird eine Delegation des Königs euch starke und mutige Männer abholen, um euch in die glorreiche Hauptstadt Ngome zu begleiten, wo ihr zu stolzen Soldaten ausgebildet werdet. Bereitet euch auf ihr Eintreffen vor und zögert nicht. Das Leben eurer Liebsten liegt in eurer Hand. Dieses Flugblatt wurde im Auftrag von König Javet des Ostlands von seinem Berater Qing Xin geschrieben.‹
»Es ist über Nacht einfach aufgetaucht.«
Tai drehte sich um und sah sich Moyo und Maua gegenüber.
»Wahrscheinlich ein Botenreiter«, fuhr Maua fort. »Ich bin heute Nacht von Hufgeklapper aufgewacht.« Ihr Gesicht verfinsterte sich. »Ich wette, die Plünderer in Chuma Chakavu haben heute Nacht keinen Besuch bekommen.«
»Und was bedeutet das jetzt?« Tai fühlte sich wie betäubt. Die Rede war von gesunden Männern. Er hatte die Strahlenkrankheit und war somit nicht gesund, aber wenn das rauskam, würde er den Rest seines Lebens in Mwenyue Ukoma verbringen. Würde es Gesundheitsüberprüfungen geben? Wenn nicht, würde er wohl oder übel der Armee beitreten müssen. Ein eiskalter Schauer nach dem anderen fuhr ihm über den Rücken.
»Krieg«, grollte Moyo. »Sie werden uns einziehen und an die Armee des Nordlands verfüttern. Gegen Berserker kommt niemand an.« Er ballte die Fäuste. »Und wieder tun die Stadtmenschen, was sie wollen. Nie habe ich mir mehr gewünscht, noch ein Bure zu sein.«
»Dich werden sie nicht einziehen.« Tai schluckte. »Du hast Maua.«
Doch Moyo schüttelte den Kopf. »Das ist denen egal. Mit Familie meinen die bestimmt nur Kinder oder schwangere Frauen, um die man sich kümmern muss.«
Ungläubig schaute Tai zwischen den beiden hin und her, bis er begriff, was das bedeutete. Maua wird ganz alleine zurückbleiben. Inmitten von Menschen, die als Hexe von ihr denken. Sie kann sich nicht ohne Hilfe um den Garten und das Feld kümmern. Was für ein Wahnsinn ist das? Wie betäubt ließ er seinen Blick über die versammelte Menge schweifen. Viele diskutierten über die aufkommenden Probleme. Viele ärgerten sich darüber, dass sie ihre Knechte verlieren würden. Einige Mütter stritten mit ihren Söhnen, die jedoch ernst drein schauten und scheinbar darauf bestanden, dem Ruf ihres Königs zu folgen. Sie alle hatten helle Haut. Wo sonst sollten sie an Ruhm kommen, wenn nicht in der Armee?
»Man wird Sakafu einziehen«, stellte Tai entsetzt fest. »Meinen jüngeren Bruder. Er ist sechzehn. Er ist... nicht bereit!«
In Mauas Augen stand blanke Wut. »Sie wollen euch nur als Berserkerfutter.«
»Aber ich werde nicht nochmal davonlaufen«, entgegnete Moyo entschlossen. »Ich werde zurückkommen, das verspreche ich. Und Tai auch.«
»Wie kannst du etwas versprechen, von dem du nicht weißt, ob du es halten kannst!« Maua stieß einen frustrierten Schrei aus. »Warum kann ich nicht mit euch kommen? Warum nur Männer? Ich kann auch kämpfen!«
»Du kommst nicht mit.« Moyos Stimme war streng. »Das erlaube ich nicht. Es ist zu gefährlich.«
»Ich bin eine Bure! Ich kann auch kämpfen!« Sie funkelte ihn an, packte ihn dann am Unterarm und zog ihn hinter sich her, raus aus der Menge.
Tai verstand, dass sie nun vieles diskutieren mussten. Und er? Er hatte das Gefühl, dass alles, was er sich in den letzten Tagen und Wochen aufgebaut hatte, wieder in sich zusammenbrach.
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