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36. Kapitel

Die Menschen verfolgen jenes Ding, vor dem sie am meisten Angst haben.

Leonardo da Vinci

Vala kam in einer Art verstaubter Abstellkammer zu sich. In Burg Fedha hatte es auch solche Räume gegeben. Wenn Vala Brodas Sticheleien oder den pechschwarzen Augen ihres Onkel entkommen wollte, hatte sie sich manchmal in ihnen versteckt und mehrere Stunden gewartet, bevor sie zurück in ihr Zimmer gegangen war. Auch hier herrschte eine große Unordnung. Sie selbst lag auf einem roten Sofa, das links und rechts mit übereinander gestapelten Stühlen umstellt war. In einer Ecke des Raumes stand ein Tisch, der förmlich überquoll vor allerlei Papierkram und dicken Wälzern. Gegenüber befand sich ein Fenster, das allerdings, wie angekündigt, verschlossen war. Gedämpftes Licht schien durch den Spalt zwischen den Metallplatten, die es verdeckten. Es war also noch Tag. Valas Neugier wuchs, doch sie musste sich im Zaum halten. Wenn ich herausfinde, wo sein Versteck ist, wird er Shamal nicht retten oder, noch schlimmer, uns nie mehr rauslassen. Außerdem wusste sie nicht, ob der Samariter bereits aufgebrochen war. Theoretisch könnte er jeden Moment herein kommen.

Vala schwang die Beine über den Rand des Sofas und stellte überrascht fest, dass die Wunde an ihrem Oberarm verbunden worden war. Sie strich einmal über den weißen Stoff und stand dann auf. Der Samariter hatte ihr nicht verboten, sich umzusehen. Also ging sie zu dem Tisch, um sich die Bücher und beschriebenen Zettel anzusehen. Aber das hätte sie sich genauso gut sparen können. Sie konnte die Schrift nicht lesen, wenn das überhaupt eine Schrift sein sollte. Für sie sah es eher aus, als hätte jemand ganz viele kleine Bilder nebeneinander gemalt.

Ihre Ungeduld wuchs, je länger sie in diesem Zimmer blieb. Draußen war es bereits dunkel geworden, denn das Licht war verschwunden und sie hatte eine Laterne anmachen müssen. Hier gab es nichts, was für sie interessant war. In einem Haufen Gerümpel entdeckte sie eine Glasfigur, einen Fuchs, der aber neun Schwänze hatte. Unwillkürlich musste sie an Zami denken, die diese Figuren so geliebt hatte, und legte das gläserne Tier schnell zurück. Wieder erfasste sie eine tiefe Traurigkeit. Sie wünschte, sie hätte jetzt jemanden an ihrer Seite, dem sie all ihre Gedanken und Gefühle ausschütten könnte.

Es mussten weitere drei oder vier Stunden vergangen sein, als Vala endlich Schritte vor der Tür hörte. Sie hatte nicht gewagt, zu lauschen aus Angst, der Samariter würde das bemerken. Hastig stellte sie sich in die Mitte des Raumes und strich aus Gewohnheit über den Stoff ihrer Hose. Normalerweise hätte sie so ihr Kleid geglättet. Die Tür öffnete sich.

»Und?«, fragte sie den Samariter ungeduldig. Er war wieder ganz in Schwarz gekleidet. Das Gesicht war hinter dem Schleier verborgen. »Hat es geklappt? Habt Ihr Shamal gefunden und ihn heilen können?«

»Ja«, antwortete der Mann und drehte den Kopf in Richtung Tisch, als wüsste er, dass sie seine Bücher berührt hatte. Falls ihn etwas störte, so ließ er es sich nicht anmerken. Mit einer flüchtigen Geste seiner behandschuhten Hand bedeutete er ihr, ihm zu folgen.

Valas Haut kribbelte vor Anspannung, als sie den Raum vor der Abstellkammer betrat. Er war etwa genauso groß, jedoch ordentlicher eingerichtet. An den Wänden standen Schränke und Kommoden, die allerdings vollständig mit dunklen Tüchern verdeckt waren. Vermutlich, damit sie deren Inhalt nicht sah. Shamal lag auf einem Metalltisch. Sein Oberkörper war nackt, sodass Vala auf den ersten Blick erkannte, dass die zuvor überproportionalen Muskeln zurückgegangen waren. Er sah nicht mehr wie ein heißblütiger Berserker aus, sondern wie der Junge, den sie beim Pakiti-Stamm kennengelernt hatte. Nur dass all seine Haare ausgefallen waren, wie sie feststellte.

»Er schläft«, beantwortete der Samariter die erste Frage, die ihr in den Sinn kam, bevor sie sie ausgesprochen hatte. »Aber er wird bald aufwachen. Dann kannst du bei ihm sein.«

Vala nickte. »Danke. Danke, dass Ihr ihm geholfen habt. Ich weiß nicht, was ich sonst getan hätte.«

»Sonst wärst du vermutlich tot«, sagte er. »Und er nach einiger Zeit auch. Berserker leben nicht lange.«

»Was schulde ich Euch?« Vala hatte Angst vor dieser Frage, aber sie wusste mittlerweile, dass man außerhalb der behüteten Mauern von Burg Fedha nur selten etwas kostenlos bekam.

»Du hast schon bezahlt«, erwiderte der Samariter mit dumpfer Stimme.

»Ich verstehe nicht...«

»Musst du auch nicht.« Der Mann wandte sich von ihr ab und setzte sich auf einen Stuhl, den Oberkörper leicht nach vorne gebeugt. Mit den Armen stützte er sich auf seinen Oberschenkeln ab. Vala drehte sich um und ging zu Shamal, wobei sie den Blick des Samariters jedoch deutlich in ihrem Rücken spürte. Sie zuckte vor Schreck zusammen, als er erneut die Stimme erhob: »Wer bist du in Wirklichkeit?«

Vala schaute zu dem Mann hinüber, während sie sanft Shamals Unterarm streichelte. »Wie soll ich diese Frage verstehen?«

»So, wie ich sie gestellt habe«, sagte der Samariter. »Wer bist du?«

»Ein Mädchen aus dem Ostland. Mein Dorf wurde überfallen und ich wurde von den Sklavenhändlern hierher verschleppt, wo ich dann von Gishild befreit wurde.« Sie orientierte sich an Hilgards Geschichte und versuchte, so ernst wie möglich zu klingen. Dabei hoffte sie, dass der Samariter ihr glauben würde.

»Lüge«, machte er ihre Hoffnungen zunichte. »Ein Dorfmädchen hätte mich nie so formell angesprochen wie du es die ganze Zeit tust.«

Vala fluchte innerlich. Ich hätte mich daran gewöhnen müssen, die formelle Anrede nicht mehr zu benutzen!

»Ich möchte nur die Wahrheit wissen«, sagte der Samariter. »Es muss einen Grund geben, warum die Tochter eines Stadthalters plötzlich weitab ihrer Heimat und ohne ihre Leibwächter auftaucht.«

Vala blinzelte verwirrt.

»Kein Stadthalter also?« Der Samariter legte die Finger zusammen als würde er überlegen. »Ein Wasserhändler vielleicht? Oder, nein, warte, du bist die Tochter eines Garderitters!«

»Wirst du so lange weiter raten, bis dir die Zunge abfällt?«, schleuderte Vala ihm entgegen und war selbst überrascht über ihren Mut.

»Vielleicht«, war seine einfache Antwort. »Vielleicht wirst du mir aber auch selber sagen, wer du bist?«

Sie wandte sich ab und konzentrierte sich auf Shamals Gesicht. Er sah aus als würde er tief und fest schlafen. So friedlich... Vala hatte sich bis vor Kurzem noch nicht eingestanden, was sie wirklich für ihn empfand. Aber nun war es draußen. Nun wusste sie es. Ob sie je richtig mit ihm zusammen sein würde? Würde er sich auch in sie verlieben? So wie ihr Vater in ihre Mutter? Gab es überhaupt eine Zukunft für sie? Ich werde mein ganzes Leben lang auf der Flucht sein und sterben, sobald die Strahlenkranken mich gefunden haben. Ich werde nie sicher sein.

»Du scheinst viel verloren zu haben«, unterbrach der Samariter ihre Gedanken. »Ich ebenfalls. Vielleicht bin ich einer der wenigen, der dich verstehen kann. Komm schon, sag mir die Wahrheit.«

Vala zögerte. Noch vor wenigen Stunden hatte sie sich gewünscht, jemanden zu haben, mit dem sie reden konnte. Aber der Samariter? Sie kannte ihn nicht. Sie wusste nicht, wer er war, was er war. Der Mann schien ihre Unentschlossenheit zu bemerken. Er stand auf und kam auf sie zu. Sie musste all ihren Mut aufbringen, um nicht zurückzuweichen. Schließlich war er ihr so nah, dass sein Schleier beinahe über ihr Gesicht strich, als er sich zu ihr herab beugte.

»Wenn ich das Geheimnis meiner eigenen Identität bewahren kann, kann ich auch dein Geheimnis bewahren«, flüsterte er, bevor er wieder zurück zum Stuhl ging. Wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen bewegte Vala sich Schritt für Schritt in seine Richtung, bis sie direkt vor ihm stehen blieb. Der Schleier vor seinem Gesicht wirkte wie ein schwarzer Schlund, der sie in seinen Bann zog. Sie wusste nicht, in welchem Moment sie sich dazu entschloss, ihm ihre Geschichte zu erzählen, aber sie tat es. Sie erzählte von ihrer Herkunft, von Onkel Miro und seinen Töchtern, von Serval. Ihre Reise mit den Zirkusleuten, ihre anschließende Flucht vor dem Mörder ihrer Familie und ihre Zeit beim Pakiti-Stamm. Shamal. Der Name war wie Feuer auf ihrer Zunge. Die Sklavenhändler, Hilgard, ihre Ankunft in Borg und die anschließende Befreiung durch Gishild. Keine einzige Träne verließ ihre Augen.

»Deine Geschichte ist noch nicht vorbei«, sagte der Samariter nach einiger Zeit des Schweigens. »Du weißt, was du tun musst?«

»Was ich tun muss?« Valas Herz klopfte bis zum Hals.

»Was du tun musst, um zu leben ohne verfolgt zu werden.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Du musst deinen Onkel töten. Nur so hört dieser Alptraum auf.«

Vala starrte ihn fassungslos an. »Ihn töten? Aber... Ich kann nicht! Ich kann nicht einfach... jemanden umbringen! Egal, wie schwer seine Verbrechen sind! Es muss eine andere Möglichkeit geben!«

»Ich sehe keine andere Möglichkeit.« Der Samariter seufzte. »Du musst das Übel an der Wurzel packen und es herausreißen. Egal, wie sehr es dir weh tut.«

»Irgendwann wird er von alleine sterben. Ich muss nur bis zu seinem Tod überleben. Dann wird alles gut.«

»Man wird dich vorher finden und töten.«

»Ich...« Vala wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie sah auf ihre Hände und konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie jemals eine Waffe halten würde. Erst recht keine Waffe, mit der sie jemanden umbringen würde. Sie dachte an das Blut, das von Servals Schwert getropft war. Von der Schulter des Jaguars, der Shamal angegriffen hatte. Von der Peitsche, mit der Vitsak sie geschlagen hatte. Nein.

»Du fürchtest das Blut an deinen Händen«, begriff der Samariter. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stand er auf und ging zu einer der abgedeckten Kommoden. Er positionierte sich so, dass Vala nicht an ihm vorbei schauen konnte, als er das Tuch zur Seite schlug. Schließlich kehrte er mit einem seltsamen Gegenstand in der Hand zurück. Er war länglich und schien aus Metall zu bestehen, das zwar ziemlich zerkratzt aussah, aber trotzdem noch glänzte. Der Samariter hielt ihn ihr hin.

»Was ist das?«, fragte Vala ohne den Gegenstand anzufassen. Sie hatte sowas noch nie gesehen. Er besaß keine scharfkantige Klinge, mit der jemand verletzt werden konnte. Er sah sogar ziemlich harmlos aus.

»Eine Waffe aus der Zeit vor dem Großen Krieg«, antwortete der Samariter. »Das ist eine Steinschlosspistole, aber heutzutage nennt man sie Schlossole. Ich habe sie einem Wasserhändler abgekauft, der keine Verwendung mehr für sie hatte.«

»Sie sieht nicht so aus, als könnte sie jemandem Schaden zufügen.«

»Du irrst dich«, widersprach er. »Siehst du dieses Loch?« Der Mann deutete auf das Ende des länglichen Metallrohres. Vala nickte. »Ich habe dort ein Pulver hineingeschüttet und eine kleine Metallkugel platziert. Wenn du auf diesen Hebel drückst, entzündet das Pulver sich schlagartig und die Kugel fliegt in einer solchen Geschwindigkeit heraus, dass sie einen menschlichen Körper durchschlagen kann.« Auffordernd hielt er ihr die Waffe hin.

Mit zitternden Fingern nahm Vala sie entgegen. Eine Schlossole, dachte sie ehrfürchtig. Das andere Wort war so lang, dass sie es sich nicht gemerkt hatte. Eine Waffe, mit der man töten kann ohne den Gegner zu berühren. Wie grausam. Und ehrlos. Dann sind die Kämpfe gar kein Kräftemessen mehr, sondern pures... Abschlachten. Sie fuhr über das zerkratzte Metall, doch als sie in die Nähe des Hebels kam, sog der Samariter scharf die Luft ein.

»Betätige ihn nur, wenn du dir vollkommen sicher bist. Hast du erst abgedrückt, gibt es kein Zurück mehr.«

»Tut es weh?«, fragte Vala leise. »Von einer Kugel getötet zu werden?«

Der Samariter rührte sich nicht, aber sie konnte sich vorstellen, wie er sie abschätzend musterte. »Ich weiß nur, dass sie sofort tötet, wenn sie in den Kopf oder ins Herz abgeschossen wird.«

In den Kopf, dachte Vala und stellte sich den erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht ihres Onkels vor. Wenn er erkannte, dass der Mordversuch und die anschließende Verfolgung ein Fehler gewesen waren.

»Danke«, krächzte sie und erkannte ihre Stimme kaum wieder. »Ich weiß, was ich zu tun habe.«

Der Samariter nickte nur und Vala klemmte die Schlossole hinter den Gürtel, den Gishild ihr gekauft hatte.

Es dauerte noch einige Minuten, bis Shamal zu sich kam. Der Junge schien im ersten Moment verwirrt und blinzelte mehrmals mit den Augen, bevor er Vala bemerkte, die voller Sorge seine Hand hielt. Plötzlich fing er an zu zittern. Heiße Tränen rannen seine Wangen hinab. Etwas hilflos half Vala ihm, sich aufzusetzen, und umarmte ihn, wobei sie ihm beruhigende Worte zuflüsterte.

»Ich kann mich an alles erinnern«, wisperte er ihr ins Ohr. »An alles, was du gesagt und getan hast. Und was ich... war.«

Vala spürte nun selber, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Vorsichtig löste sie sich von ihm und blickte ihm tief in die dunkelbraunen Augen. »Verzeihst du mir? Ich dachte, du würdest mich verlassen, wenn ich dir von dem Pakiti-Stamm erzähle. Es tut mir so leid!«

»Ajali hätte nicht gewollt, dass ich dich alleine lasse«, flüsterte Shamal. »Und Mlaghai auch nicht.«

Valas Herz machte einen Sprung. Sie wusste nicht, wie sie ihre Gefühle mit Worten ausdrücken sollte. Also umarmte sie ihn einfach erneut. Spürte die Wärme seines Körpers. Auf der anderen Seite des Raumes beobachtete der Samariter sie schweigend. Schließlich holte er ein weißes Stofftuch hervor. Vala verstand.

»Shamal«, sagte sie leise. »Dein Heiler wird uns gleich betäuben und an einer sicheren Stelle in Borg absetzten. Vertraust du mir?«

»Ja.« Der Hauch eines aufmunternden Lächelns schlich sich auf sein Gesicht. »Lass uns diese verfluchte Stadt so schnell wie möglich verlassen.«

Vala nickte zustimmend, während der Samariter langsam auf sie zukam. »Ich weiß auch schon, wohin wir gehen werden.«

»Wohin?«

»Ich erzähl's dir nachher«, sagte sie.

Dann war der Samariter bei ihnen. »Bereit?«

Vala lächelte Shamal beruhigend an und nahm seine Hand. »Ja.« Sie wusste, dass es bei dieser Frage nicht nur um das Stofftuch in seiner Hand, sondern auch um die Schlossole hinter ihrem Gürtel ging.  

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