Erntetag [ Aufgabe 1 ]
Dari, ich hoffe, du sitzt gerade im Wald am Fluss, dort wo das Gras so weich ist.
Dort wo die Rehe immer hingehen.
Dort wo es sicher ist.
Ich weiß, du bist wütend. Irgendwann wirst du es verstehen. Denn ich werde zurückkommen. Ich werde die verdammten Spiele gewinnen.
Die Kälte des Morgens zog durch meine Knochen, als ich den anderen auf den großen Platz vor dem Rathaus folgte. Trüb und grau verdeckten die Wolken den Himmel und ich ließ den Blick über die anderen Jugendlichen und Kinder schweifen. Weit aufgerissene Augen, die ängstlich zum Podium starrten.
Zusammengepresste Lippen und Blicke, in denen das Feuer der Wut loderten; Eltern, die hilflos zusehen mussten wie das Kapitol ihnen die Kinder aus den Armen rissen.
Friedenswächter waren rund um den Platz aufgestellt worden, die Gewehre in den Armen und ihr Gesicht hinter den Helmen verborgen.
Dari klammerte sich an meinen Arm. Erst nächstes Jahr würde er sich nach vorn stellen müssen, die Angst in den Knochen, ob es sein letzter Tag zuhause sein werde.
Bevor ich mich zu den anderen gesellte, hockte ich mich vor ihn hin und betrachtete ihn kurz.
Die gleichen Locken wie ich, die gleiche gebräunte Haut, die gleichen großen, dunklen Augen. Und das Lächeln. Ein Lächeln, das ich in den letzten beiden Tagen durch kalte Wut eingetauscht hatte.
»Pax, was ist los? Du bist seit vorgestern so komisch«, sagte Dari plötzlich.
Ich schüttelte den Kopf. »Nichts. Hör zu. Das was ich dir jetzt sage, ist wichtig. Verstehst du?«
Dari riss die Augen auf.
»Ein Geheimnis?«, flüsterte er, Aufregung in den Augen, die wie zwei polierte Murmeln glänzten.
Die Wut auf das Kapitol, der Schmerz der mir ins Herz stach, all das schluckte ich hinunter, wo es sich zu einem festen Knoten zusammenballte. Die Augen geschlossen, schwieg ich kurz, um sicher zu stellen, dass meine Stimme nicht brach.
»Ja, ein Geheimnis«, sagte ich schließlich. Dari strahlte und griff meinen Arm vor Aufregung ein wenig fester.
Ich beugte mich zu ihm vor und flüsterte ihm das Geheimnis ins Ohr. Dann wuschelte ich ihm einmal durch die Locken und sah zu, wie mein kleiner Bruder sich an den Friedenswächtern vorbeischlich und unbemerkt zurück nach Hause lief. Das war wohl das erste und letzte Mal, dass ich seine dünne Statur und die damit verbundene Flinkheit schätzte.
Ohne mich nochmal umzudrehen, ging ich zu den anderen. Dari so zu verabschieden hinterließ zwar den bitteren Geschmack der Reue, aber ich hatte keine Wahl.
Als ich mit den anderen Jugendlichen vor dem Podium stand, warf ich einen Blick auf den Befehlshaber der Friedenswächter hier in Distrikt 11. Kalter Hass brannte in mir, gab mir die Kraft, die Angst zurückzudrängen und das Kinn zu recken.
Der erste Name, der von der seltsam bleichen Frau mit den blauen Haaren und der schrillen Stimme gezogen wurde, war der eines Mädchens. Alizee. Die anderen verrenkten sich die Köpfe um die Unglückliche anzustarren, aber ich hielt den Blick auf den Befehlshaber der Friedenswächter gerichtet. Es tat gut, der Wut Vorrang zu lassen. Sie lähmte mich nicht.
Bevor die Frau ins Glas mit den Jungennamen greifen konnte, hob ich die Hand.
»Ich melde mich freiwillig.«
Im Zug verzog ich mich in mein Zimmer. Der Geruch vom Essen hing schwer in der Luft. Süßes, exotisches Zeug in allen möglichen Farben. Nichts für mich.
Der Sessel in meinem Abteil war weich, ganz anders als der harte, staubige Boden in Distrikt 11 oder die Matratzen, die schon da lagen seit ich denken konnte.
Meine Gedanken schweiften zu Dari, der wahrscheinlich weinend am Fluss saß. In Gedanken schrieb ich ihm wieder einen Brief.
Draußen senkte sich langsam die Dämmerung über den Himmel. Wälder, Distrikte, Flüsse und Seen rauschten an mir vorbei, so schnell, dass mir schwindelig wurde. Erst das Knurren meines Magens machte mir klar, wie lange ich schon nichts mehr gegessen hatte.
Langsam ging ich zum Speiseabteil des Zugs. Stimmen und das unangenehme schrille Lachen der Kapitollady hallten zu mir. Der dicke Teppich verschluckte jeder meiner Schritte und von dem polierten Holz der Waggons blickte mir mein Gesicht entgegen.
Ich wandte mich ab.
In einem gepolsterten Sessel saß, Alizee. Dunkle Haare bis zum Kinn, eine zierliche Statur wie die meisten aus Distrikt 11, mich eingeschlossen, und eine gebräunte Haut. Die Müdigkeit zeichnete sich in ihren Augen ab. In der Hand hielt sie eine Tasse mit einer cremeartigen, hellbraunen Flüssigkeit. Ich hob die Augenbrauen. »Was ist das?«
Unser Mentor, Tarver, seufzte. »Kaffee. Möchtest du auch etwas, Pax?«
Ich schüttelte den Kopf.
Stattdessen setzte ich mich in den Sessel neben Alizee, die abwechselnd mich und Tarver beäugte, während sie vom Kaffee schlürfte. Tarver hatte die 61. Hungerspiele gewonnen, als er gerade mal so alt gewesen war, wie ich jetzt. Damals hatte er den letzten der Tribute, ein Mädchen aus 4 nicht töten müssen, weil sie beim Kampf mit ihm einen Berghang hinuntergerutscht und von der darauffolgenden Steinlawine zerquetscht worden war. Ein unangenehmer Tod, bei dem ich Daris Kopf vom Fernseher weggedreht hatte, damit er die Zugvögel über dem Wald sehen konnte. Nur das entsetzliche Geräusch einer reifen, aufplatzenden Tomate hatte er gehört.
Unaufhörlich trommelte unser Mentor mit den Fingerspitzen auf den Tisch, während er uns beobachtete. Ich fragte mich, ob er sich bereits ausrechnete, wie hoch unsere Chancen standen, die Hölle lebend zu verlassen. Aber ich hatte nicht vor aufzugeben, selbst wenn jeder andere mich aufgab.
Die Frau aus dem Kapitol stellte sich als Lydia heraus. Für sie waren die Spiele etwas, das gefeiert werden sollte, erklärte sie, als sie mir und Alizee einen Teller mit einem Gericht reichte, das ich noch nie gesehen hatte.
Schwarze Schalen mit einem gelben, schrumpeligen Kissen lagen inmitten von dünnen, fast durchsichtigen Scheiben. Ein Duft, der nach Salz und Frische schmeckte, ging davon aus und überlagerte den metallischen Geruch. Auf dem Teller, angeordnet wie die aufblühenden Gänseblümchen zuhause, lagen gekrümmte Tiere mit großen schwarzen Augen und einem spitzen Kopf. Eine Schale verdeckte das blasse, unnatürlich weiße Fleisch. In der Mitte des Tellers lag, umgeben von den schwarzen Schalen, etwas das mich an die Steine im Fluss erinnerte. Zwei lange Scheren hielten eines der kleineren, gekrümmten Tieren fest, wie eine Trophäe.
Neben mir fragte Alizee neugierig: »Was ist das?«
Ich hob den Kopf, das wollte ich nämlich auch gerne wissen.
»Gurken mit Meeresfrüchten und Muscheln. Sie wurden im Kapitol gezüchtet, nur für euch Tribute, und sind von besonders edlem Geschmack, damit ihr, wenn auch nur für kurz, den Luxus des Kapitols erfahren könnt. Und wie könnte man das besser, als mit Essen, nicht wahr Mäuschen?«
Lydia lächelte Alizee kurz an, dann drehte sie sich um und griff nach einem Teller mit kleinen Kuchen, die mit leuchtendem Zuckerguss überzogen waren.
»Möchtet ihr noch etwas?«
Alizee schüttelte den Kopf und schob den Teller mit den Meeresfrüchten unauffällig von sich weg. Ich griff nach einem der Zuckergusskuchen, das war mir immer noch lieber als die Tiere mit den Scheren oder die Muscheln.
Nachdem Lydia mit einem Klimpern ihrer Ohrringe in einem anderen Abteil verschwunden war, herrschte eine Weile Stille zwischen uns und unserem Mentor, unterbrochen durch Tarvers Fingerspitzen, die immer noch aufs polierte Holz des Tisches klopften und Lydias dumpfen Lachen.
Am Fenster verwischten Wälder mit den Ruinen, die hin und wieder aus dem Boden ragten.
Das Hämmern verstummte und Tarver seufzte.
»Ich möchte ehrlich sein. Es tut mir leid für euch«, sagte er. Mit einer Hand fuhr er sich durch die braunen, leicht lockigen Haare.
Überrascht hob ich die Augenbrauen. Das war nicht gerade das, was ich mir von unserem Mentor erwartet hatte.
»Die Spiele sind grausam, etwas das niemand erleben sollte«, fuhr er fort. »Sie machen einen kaputt, wenn man das Unglück hat, sie zu überstehen.«
Alizee stellte die Tasse mit dem Kaffee auf den Tisch und schaute Tarvan an. Wahrscheinlich dachte sie auch an die Situation der 61. Hungerspiele zurück, die im Kapitol für einen Freudenjubel gesorgt hatte. Bei uns dagegen, in Distrikt 11, wurde Tarver dadurch zu einem Außenseiter.
In der Arena waren damals genveränderte Flughunde auf die Tribute gehetzt worden, deren Bisse lähmten und das Blut zum Verdampfen brachten. Ein Mädchen aus 2 konnte sich nicht schnell genug verstecken. Sie flehte Tarver an, sie zu töten.
Ein kalter Schauer strich mir über die Arme, als ich an den Schmerz in den fieberglänzendem, geröteten Augen des Mädchens dachte.
Und plötzlich war die Angst wieder da, kämpfte verzweifelt gegen die Wut in meinem Bauch an.
: x : x :
Ich habe mich ehrlich gesagt ein wenig schwer getan hiermit. Besonders weil meine Schularbeit mich gerade hinterrücks erdrückt.
Und weil ich selbst nicht von meinem Schreibstil überzeugt bin. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich das Ganze schon so häufig gelesen habe, dass es einfach keinen Eindruck mehr hinterlässt. *shrug*
Wenn ihr jedoch Fehler oder so entdecken solltet, sagt mir gerne Bescheid. Generell würde es mich interessieren, was ihr so von dem Geschreibsel hier haltet. ^^
Hoffentlich ist es so in Ordnung. :)
SoulDragon19
»𝗠𝗼̈𝗴𝗲 𝗱𝗮𝘀 𝗚𝗹𝘂̈𝗰𝗸 𝘀𝘁𝗲𝘁𝘀 𝗺𝗶𝘁 𝗲𝘂𝗰𝗵 𝘀𝗲𝗶𝗻«
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