Paris 3.
-Zwei Wochen später-
Was eine scheiße.
Schule in einer Stadt, in der ich den Unterricht nicht einmal verstand. Von wegen man lernt durchs hören. Man lernt nur durchs lernen und das könnte ich nur mit Nachhilfe. Oder alleine. Abseits von anderen Menschen.
Am besten ich lernte es gar nicht.
Mir egal das ich schon angemeldet war, oder das alles bezahlt wurde.
Wie sollte ich bitte durchs Hören lernen, wenn ich nicht verstand was ich hörte?! Wollten die mich verarschen?!
"So, kommst du von hier aus alleine klar?" Wollte meine Mutter wissen und sah mich fragend an. Ich starrte nur finster zurück. Das war ja wohl die Höhe.
"Ach Mäuschen, ich weiß du würdest dich lieber in deinem Zimmer verkriechen aber glaub mir, auch ohne sich zu verstehen kann man Freunde finden."
Ich antwortete nicht.
"Also gut, dann schweigstill solange du willst, aber bitte zettle keine rauferei am ersten Tag an. Du hast die Medis, also benutze sie auch. Hab dich lieb."
Mom breitete die Arme aus, um mich zu umarmen. Ich ließ es zu erwiderte es jedoch nicht.
Meine Kapuze tief ins Gesicht gezogen betrat ich das Direktoriat.
"Hallo?" Fragte ich vorsichtig hinein. Irgendwie war ich schon wieder wütend. Ich fühlte mich unwohl, geradezu bescheuert. Wie ein Außenseiter. Und genau das war ich auch. Anders.
"Aahh bonjour, you must be Valerie."
"Ehh, oui?"
"C'est the poffeseur de Deutsch, he will show you the school."
"Ähhh... Oui..."
"Bien, I'm le director, Monsieur Jaque." Ich glaube das war eine Art Vorstellung.
Ich nickte brav, dann wandte sich der 'poffeseur de Deutsch' an mich.
"Hallo Valerie, freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, ich bin Herr Stiehler, ich erklär mal eben, ich werd dich in den ersten Wochen zur Seite stehen, dir die Schule zeigen und so weiter. Falls du Fragen hast, kannst du dich an mich wenden. Mit deinen Eltern wurde schon besprochen, das du natürlich erstmal keine Noten bekommst, natürlich wird das Abitur schwierig für dich. Deswegen werden die Aufgabenstellungen extra für dich übersetzt und du kannst auch deinen Abschluss auf deutsch machen. Heute wirst du erstmal nicht wirklich am Unterricht teilnehmen weil wir das mit den Lehrern noch abklären müssen. Das heißt du sitzt die unterrichtsszeit ab und darfst dann gehen. Einen festen Stundenplan hast du noch nicht, dafür aber das hier:"
Der Mann hielt mir ein Stapel Blätter hin, die ich stirnrunzelnd annahm.
"Das sind alle nötigen Unterlagen die du ausfüllen musst, das kannst du dann im Unterricht machen."
Abwartend sah er mich an. Ich hatte selbst auf deutsch nur die Hälfte der ganzen Informationen geschluckt.
"Wenn ich keinen Stundenplan habe, wo stecken sie mich dann rein?"
Der Typ lachte. "Du wirst bei mir im Deutschunterricht sitzen. Das bedeutet du hast heute nur vier Stunden Unterricht, da ich ja auch noch ein anderes Fach unterrichte. Den Rest der Woche wirst du ebenfalls nur mit deiner Klassenstufe am Deutschunterricht teilnehmen. Nächste Woche ändert sich das dann. Noch fragen?"
"Nein"
"Gut, dann folgen Sie mir bitte"
Oh wie gerne hätte ich ihm gesagt 'nö, kein bock' und ihm meinen schönsten Finger gezeigt, doch bringen tat es wahrscheinlich nichts, also beließ ich es dabei.
Diese Schule war etwas größer als die bei uns zuhause, weswegen ich dachte eine Weltreise zu machen, bis wir endlich an dem richtigen Zimmer ankamen. Der Lehrer mit seiner typischen lehrertasche und ich mit meiner kleinen ledeetaschr, worin sich nur ein paar Stifte befanden, und dann noch der Stapel an Zetteln. Perfekte Kombi um alle Blicke auf sich zu ziehen.
Neue Schülerin zu sein war scheiße. Zumindest bei uns zuhause. Es existierten schon feste Gruppen und keiner wollte sich mit der Bürde abgeben, die neue aufzunehmen. Zumal ich hier verdammt noch mal eine andere Sprache sprach.
"Guten Morgen, klasse" begrüßte Stiehler die Jungs und Mädchen, die wie Soldaten hinter ihren Stühlen standen.
"Das ist unsere neue Schülerin Valerie. Sie kommt aus Deutschland und wird nun ein Teil dieses Jahrgangs sein. Ich möchte das ihr euch anständig ihr gegenüber benehmt und sie bei euch aufnehmt, bitte beachtet dabei das sie französisch noch nicht so gut beherrscht."
Die rede hätte genau so von meiner Klassenlehrerin zuhause kommen können. Erstaunlich, daß hier, am Ende der Welt immernoch die gleichen alten Reden geschwungen wurden.
Stiehler wandte sich an mich die die ganze zeit nur finster umher geguckt hatte. "Möchtest du noch was von dir erzählen?"
Raten sie mal, sie Schlaumeier.
"Okay, verstehe. Dann setz dich doch bitte auf einen freien Platz."
Na toll bekam ich nicht mal klischeemäßig einen zugewiesen? Vielleicht einen neben einem super süßen jungen? Der zufälligerweise der größte badboy der Schule war? Nein? Es gab nur freie Plätze auf leeren Bänken.
Beste Voraussetzungen zum Einzelgänger. Wenigstens verstand ich nicht was sie sagten, falls sie auf die Idee kamen mich zu mobben.
Immernoch mit der Kapuze meines schwarzen hooodies auf dem Kopf hörte ich meinem neuen Lehrer zu der irgendwas von 'wie man sagt, wie das Wetter ist' erzählte.
Ich lehnte mich zurück.
Nach den ersten fünf Minuten hatte ich Kopfschmerzen. Nach den zweiten fünf Minuten war ich kurz vorm explodieren. Gott diese Kinder, warum waren sie so laut?!
Da konnte man sich ja kaum konzentrieren! Also nicht das ich das sonst tun würde, aber trotzdem!
Die Hölle auf Erden.
Und das ging so weiter, bis die Stunde beendet war. Scheiß gruppenarbeiten und nicht durchsetzungsfähige Lehrer.
Gerade als ich durch die Tür verschwinden wollte, fing mich Stiehler wieder ab. Mist.
"Wo wollen sie hin? Sie haben doch mit mir zusammen unterricht."
Leider.
"Oh, tut mir leid."
Das war 'ausversehen'.
Still liefen wir zusammen zum nächsten Zimmer. Dort zog er die gleiche Nummer ab und ich setzte mich wieder an eine leere Bank. Den zettelkram hatte ich trotz der Ruhestörung fertig gestellt bekommen,sodsss ich jetzt einfach nur meinen Kopf auf die Bank legte und mir die Schüler von der Seite ansah.
Mir fiel auf, daß sie hier eigentlich genauso aussahen wie zuhause. Sie flüsterten, wenn der Lehrer nicht hinsah, sie malen nebenbei auf ihre Notizen. Sie verträumten den Unterricht.
"Hey!" Zischte jemand hinter mir.
In der Annahme jemand anderes sei gemeint blieb ich wo ich war.
"Hey! Cigarette girl!"
Jetzt drehte ich mich doch um. Und mir wären fast die Augen aus dem Kopf gefallen. So eine riesige Stadt und dann sowas. Der junge mit den blonden Haaren, der mir den Stängel ausgegeben hatte. Im hellen sah er anders aus. Nicht unbedingt schlechter. Nur nicht so misteriös. Beinahe normal. Aber immernoch gut.
"Hi Finnick"
"Finnick?" Sein banknachbar guckte verwirrt.
"Ne demande pas." Nicht fragen. Würgte Finnick ihn ab und wendete sich wieder mir zu. Der neuen interessanteren Person. Die leider ihre Ruhe haben wollte.
"You're name is Valerie?"
"Yeah, sorry, it's not Cinna."
Er lächelte und nun fielen mir seine Augen auf. Hellblau. Und trotzdem wirkten sie total unschuldig wie ein Reh. Das lag an den braunen sprenkeln. Schnell weggucken.
"Oh, that's okay, Valerie is also a pretty name."
Ich nickte und drehte mich wieder um. Was hätten wir auch noch reden sollen. Ein, zwei Sekunden und es wäre komisch geworden und darauf konnte ich verzichten.
Und ich wollte immernoch meine ruhe haben.
Eine Weile hörte ich Finnick und seinen Freund noch reden. Dann verlangte Stiehler eine still Arbeit und ich konnte endlich meine ersehnte Ruhe finden.
Ab und zu zuckte ich zusammen, schreckte hoch, und ein paar Schüler warfen mir komische Blicke zu. Das passierte halt wenn ich fast einschlief. Da konnte ich doch nichts dafür.
Die doppelstunde neigte sich dem Ende zu. Bald würde ich nach Hause gehen können. Obwohl ich da nicht wirklich hin wollte. Vielleicht würde ich einfach wieder ein wenig herumlaufen. Vielleicht irgendein Park, wo ich mich hinlegen und schlafen könnte. Ja, das klang nach einem guten Plan.
Ein ruck ging durch die Klasse. Stühle kratzten auf dem Boden und das Rascheln der Rucksäcke weckte mich wieder auf.
Schnell packte ich meine Sachen ebenfalls und wollte gehen.
Doch Stiehler hielt mich wieder auf.
"Valerie?"
Verdammt.
"Ja"
"Ich weiß, eine Umstellung auf ein anderes Land kann schwer sein und eine Mutter hat mir gesagt du seist nicht sonderlich begeistert davon, aber vielleicht kannst du trotzdem versuchen nicht mehr die anderen negativ zu beeinflussen und wach zu bleiben? Müdigkeit ist ansteckend"
Ich nickte, sah aber nicht wirklich so aus als würde ich mich dafür interessieren.
Er lächelte mitleidig. "Wenigstens ab nächste Woche, ja?"
Wieder nickte ich, wusste nicht wirklich was sonst zu tun war. Ich wollte nicht ausfallend werden. Deswegen schwieg ich lieber.
"Bis morgen"
"Ja"
Na endlich.
Vor der Schule fischte ich meine Schachtel Zigaretten aus meiner Jackentasche und zündete mir eine an. Der Tag heute hatte bei den Lehrern bestimmt einen wunderbaren ersten Eindruck gemacht. Oder naja. Bei dem Lehrer.
Ich zog an dem Stängel und atmete den Rauch ein. Beinahe sofort entspannte ich mich ein wenig. Wahrscheinlich würde ich gleich mal ein wenig Boxen gehen. Kai hatte mir das letzte mal gezeigt wie ich zuschlug ohne mich zu verletzen, wie ich die richtige Haltung hatte und so. Es hatte vier Stunden gedauert bis ich nicht mehr konnte.
Nun meinte er, könnte ich zwischendurch ruhig eine Weile alleine drauf losboxen, wenn ich Frust zum verarbeiten hatte. Ich denke der erste Schultag war da schon ziemlich befrustet.
"Cigarette girl"
Hörte ich jemanden neben mir sagen.
Schon wieder der blonde Typ.
"Hey" Brummte ich und atmete den Rauch aus.
"Can I have one?"
Irgendwie brachte mich die Frage zum lächeln. Nickend zog ich die Schachtel nochmal aus der Tasche und hielt ihm eine hin die er sich zwischen die Lippen klemmte.
Er lehnte seitlich an der Mauer, zu mir gewandt.
"Fire?"
"Mhm" Eigentlich hätte ich erwartet das er selbst Feuer dabei hatte, aber vielleicht war er ja so brav keins mit in die Schule zu nehmen.
Ich hielt ihm das Feuerzeug hin, doch er nahm es nicht sondern machte mit dem Kopf eine Bewegung die mir sagte das ich es anzünden soll.
So nett und entspannt war ich den ganzen Tag nicht und das war sein Glück. Sonst hätte ich es ihm um die Ohren gehauen. Oder ihn angezündet.
Aber so drehte ich mich zu ihm und zündete eine Flamme an. Ich legte eine Hand darum, damit sie nicht ausbüchsen konnte. Und dann erfasste mich ganz plötzlich ein komisches Gefühl.
Als ich meinen Blick hob, merkte ich das Finnick mich ebenfalls ansah. Und zwar ziemlich genau, doch ich ignorierte es einfach.
Was ich nicht bemerkte war, wie sein Blick von meinen Augen tiefer wanderte. Und auch nicht das er irgendwie schüchtern wirkte. Oder ehrfürchtig. Was mich gewundert hätte, da ich echt mies aussehen musste in den ausgeleierten Sachen. Seine Sachen schienen alle so sauber und neu. Er hatte eine leichte Bräune. Keine sommersprossen. Und dann waren da wieder diese schönen Augen. Als ich merkte, daß ich starrte zündete ich ihm schnell seine Zigarette an und nahm dann Abstand von ihm.
Meine Wangen wurden rosa, was er hoffentlich nicht sehen konnte, weil ich meine Kapuze rechtzeitig in mein Gesicht habe rutschen lassen.
Meine Locken hingen wie immer in Wellen an mir herunter.
"You're creepy" Bemerkte ich, um die Stille zu beenden. Er hatte mit dem starren ja angefangen. Wenn ich jetzt auf Angriff ging, konnte ich so tun als ob ich es nicht bemerkt hätte.
"No. I'm not" Erwiderte er. Leider hatte er recht.
"I'm seductive. "
Ich bin verführerisch.
Ach du scheiße. Ich wünschte ich hätte niemals englisch gelernt. Dann wüsste ich nicht, was er damit sagen wollte.
Ich wurde noch röter.
"Time to say googbye"
"Oh fuck. Andrea Bocelli."
Ein kichern began sich einen Weg aus meinem Mund zu bahnen. Schnell hielt ich ihn mir zu. Man, noch peinlicher konnte es kaum noch werden. Schnell nahm ich meine Tasche, in der Hoffnung er hatte die ganze Sache nicht bemerkt und machte mich mit schnellen Schritten auf den weg nach Hause.
Naja... 'zuhause'...
"I'll see you later!"
Ich seh dich dann später!
Ich hatte keine Nerven mehr um über diesen Satz nachzudenken. Stattdessen war ich mit meinen Gedanken woanders. Dort wo ich wirklich zuhause war. Bei meiner richtigen Familie. Meinen Eltern. Beide. Und meine Freunde. Meine Cousins, meine Großeltern.
Oh man meine Großeltern...
Ich hatte sie seit ewigkeiten nicht mehr gesehen. Nicht mal bevor meine Mutter Hals über Kopf mit mir abgehauen ist. Ich sagte es nicht, doch ich verachtete sie dafür, so schnell jemand neuen zu suchen. Und zu finden. Ich verstand es einfach nicht. Warum musste ich dafür leiden.
Auf der einen Seite wollte ich ja das sie glücklich ist. Ich wollte sie auch nicht verletzen. Doch ich wollte auch einfach nur nach Hause. Zu meinem dad. Zu meinem Zuhause. Der Mensch, der mir am meisten bedeutete.
Wie sehr ich ihn vermisste. Ich verstand es einfach nicht. Was war mit meiner Familie passiert...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro