Kälte
Nun gab es kein Zurück mehr, ob sie es wollte oder nicht. Jana atmete die künstlich gekühlte Luft ein, die seltsam trocken war und in Jana sofort das Bedürfnis entfachte, etwas zu trinken. Der Unterschied, den die Kontrollzentrale zu den restlichen Gebäuden machte, hätte nicht offensichtlicher sein können. Die Wände waren alle weiß gestrichen, mehrere Gänge und eine Treppe führten in andere Bereiche, doch nirgends war eine Verzierung oder eine sonstige Verschönerung der Räumlichkeiten zu sehen, alles diente offensichtlich der kalten Zweckmäßigkeit. Janas Fingerspitzen wurden bereits taub, als sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ. Der kalte Drang, der sie dazu getrieben hatte, ohne weiteres hier hineinzulaufen, hatte sie verflüchtigt, er war mit der angenehmen Wärme vor der weißen Tür zurückgeblieben.
„Jetzt müssen wir weitergehen.“, stellte Nils fest. Zum ersten Mal seit langem konnte Jana keine Spur von Gereiztheit oder Verachtung in seiner Stimme hören, ihre Entschlossenheit schien auf ihn übergegangen zu sein. „Aller Wahrscheinlichkeit nach müssen wir nach unten, oder?“
Die anderen drei stimmten zögernd zu. Langsam und mit unsicheren Schritten bewegten sie sich auf die Treppe nach unten zu, bis Lizzy schließlich das aussprach, was Jana bereits auf der Zunge lag, was sie aber bisher zurückgehalten hatte. „Dass niemand hier ist, muss nicht bedeuten, dass uns niemand sehen kann. So, wie ihr euch verhaltet, wird jeder noch so dumme Pa- Mensch erkennen, was Sache ist, wenn er auch nur einen Blick auf uns wirft. Also strengt euch ein bisschen mehr an, sonst können wir gleich wieder gehen!“
Unruhig biss Jana sich auf die Unterlippe. Lizzy hatte Recht, und doch war es nicht einfach, eine entspannte Miene und einen federnden Gang zu fälschen, wenn sämtliche Instinkte in einem schrien, sofort zu fliehen, anstatt noch weiter in die Eingeweide des Gebäudes vorzudringen.
Die Stufen erschienen endlos, nach jedem Treppenabsatz folgte ein weiterer. Die Luft wurde noch kälter. Schließlich, als Jana sich schon zu fragen begann, wann ihr Atem in der Luft zu sehen sein würde, endete die Treppe und ging sofort in einen scheinbar endlosen Gang über, der von unterschiedslosen, in regelmäßigen Abständen in die Wände gebrochenen Türen gesäumt wurde. Ein Schauer lief Jana den Rücken hinunter, der nichts mit der herrschenden Kälte zu tun hatte. Die Türen, aus grauem Stahl gefertigt, waren es, die sie schaudern ließen. Sie erzählten wortlos von Schmerzen, Not und Einsamkeit. Sie waren ein Ort, aus dem niemand mehr entkam, wenn er einmal dort gelandet war.
Die anderen drei schienen das gleiche zu empfinden, denn niemand ging auch nur einen Schritt weiter. Lizzys Arm an Janas zitterte. Sie waren am Ziel angekommen. Dem Gefängnis des Imperias.
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