╚ Sieben 2/4 Rätsel zuvor╝
Sieben 2/4 Rätsel zuvor
Manchmal
passiert auch
in der Mathematik etwas,
mit dem man nie gerechnet hätte.
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║ F Y N N ║
Die Sonne schien durch die großen Fenster und erwärmte mein Gesicht.
Doch ich ließ mich davon nicht beirren und schrieb weiter in mein kleines Notizbuch.
Vor meiner Nase stand eine große, rote Tasse, noch halb mit Kaffee gefüllt.
Das Sandwich hatte ich hingegen bereits vor einer Stunde aufgegessen.
Ich verbrachte ab und an gerne meine Nachmittage hier in dem kleinen Café, versteckt in einer Seitengasse zur Promenade hin.
Meist kamen Emily, Erin, Nate und Ethan nach der Schule mit und bei einer Tasse Kaffee oder Tee diskutierten wir darüber, was das Spannendste war, was an diesem Tag in der Schule passiert war.
Doch Nate hatte heute eine Verabredung mit dem blonden Mädchen, mit dem er schon auf der Party angebändelt hatte. Emily und Erin waren beide beim Eishockey in der Schule und feuerten Ethan an, der heute sein erstes Probespiel hatte in der Schulmannschaft hatte.
Ich wusste, dass ich eigentlich auch dort sein und ihn unterstützen müsste, aber irgendetwas hinderte mich daran.
Vielleicht, weil ich mir Ethan einfach nicht zwischen den anderen Spielern vorstellen konnte.
Er war gut, keine Frage.
Wahrscheinlich sogar der beste Spieler, den es in ganz Tullbourg gab.
Aber ich wusste auch, wer die anderen Spieler waren.
Kyran Coldwell und all seine Freunde.
Vielleicht hatte ich auch einfach Angst.
Und diese Angst machte mich verrückt und sauer.
Ich wollte nicht ängstlich sein, ich wollte mir nicht tausend Gedanken machen, ich wollte mich nicht mit Kyran vergleichen, ich wollte nicht daran denken, dass Ethan in diese Gruppe rutschen könnte, der auch Alicia angehörte.
Ich wollte mich für Ethan freuen.
Ihm die Daumen drücken.
Hoffen, dass er in der Mannschaft aufgenommen wird.
„Hier ist sicherlich noch ein Platz frei, oder?"
Ich zuckte zusammen und hob ruckartig meinen Kopf. Mare ließ sich auf den Platz gegenüber von mir fallen und schnappte sich mein Notizbuch, bevor ich überhaupt realisierte, dass sie mir wahrhaftig gegenüber saß.
„Was bedeuten all dies Linien und Kritzeleien?"
Schnell riss ich ihr das Buch wieder aus der Hand und verstaute es in meiner Tasche.
„Gar nichts", erwiderte ich zu schnell und erntete dafür einen prüfenden Blick aus ihren blaugrauen Augen.
Doch glücklicherweise hakte sie nicht nach und zog stattdessen die Beine auf dem Stuhl an, während sie fragte: „Und, kannst du hier etwas empfehlen?"
„Der Kaffee ist gut... und das Käsesandwich."
Ich fragte mich noch immer, was sie hier wollte, als sie mir zulächelte und dann bei der Besitzerin ihre Bestellung aufgab.
Ich hatte sie seit dem Sommerfest zum vierten Juli nicht mehr gesehen und auch nicht mehr damit gerechnet, sie wieder zu treffen.
Ich beobachtete sie blinzelnd, wie sie sich in dem kleinen Café umblickte.
„Hübsch habt ihr es hier", meinte sie schlussendlich und automatisch rutschte mir ein ‚Danke' über die Lippen.
Dabei war es weder sonderlich hübsch in dem Café, noch war ich der Besitzer und somit für das Aussehen verantwortlich.
Das Café war klein und beherbergte insgesamt nur fünf Tische. Die Wände waren aus Holz getäfelt, unterschiedliche Bilderrahmen zierten diese und das Mobiliar, sowie das Geschirr passten nicht zusammen.
Doch erst weil es keine Tasse zweimal gab, war es so etwas Besonderes.
Zudem schmeckte hier der Kaffee und dabei war es egal, dass dieser nicht aus einer topmodernen und völlig überteuerten Vollautomatikmaschine kam, sondern einfacher Filterkaffee war.
Als schlussendlich die Bestellung kam und sie in das Sandwich biss, aus dem der geschmolzene Käse bereits an den Seiten hervorquoll, räusperte ich mich und versuchte sie nicht mehr anzustarren.
„Was machst du hier, Mare?", fragte ich und umgriff dabei meine Tasse Kaffee.
Ich trank jedoch nichts.
„Ist dies nicht ein öffentliches Café, Fynn?"
Sie sah nicht von ihrem Sandwich hoch und strich sich auch nicht die dunkle Haarsträhne zurück, die ihr aus dem geflochtenen Zopf gerutscht war.
„Es sind aber noch andere Plätze frei gewesen."
Genau genommen alle anderen.
Ich war der einzige Gast gewesen, bis Mare gekommen war.
Nun sah sie auf und die Intensivität ihres Blickes raubte mir den Atem, wie es sonst nur ein bestimmtes grünes Augenpaar konnte.
„Ich wollte mich aber zu dir setzen, Fynn." Dann lachte sie leicht und schüttelte den Kopf. „Okay, deine Mom hat mir verraten, wo du bist. Ich dachte, wir könnten noch etwas unternehmen, bevor ich übermorgen wieder nach Hause, hundert Kilometer entfernt, fahre. Denn dann könnten wir uns nur noch seltener sehen."
„Wir haben uns doch bisher nur einmal getroffen", sprach ich langsam. Ich habe gedacht, dass Mare eine einfache Gerade war, dass ich sie nie wieder sehen würde, unser einziger Schnittpunkt dieser eine Moment in unserem Garten war.
Doch nun saß sie hier vor mir, leckte sich den Käse von den Fingern und zeigte mir, wie falsch ich doch gelegen hatte.
„Genau deswegen ja, Fynn. Und wenn ich Sonntag fahren würde, ohne dass wir uns noch einmal getroffen hätten, würden wir uns höchstwahrscheinlich nie wieder sehen. Also nun trink endlich deinen Kaffee aus und komm! Ich hatte gehofft, dass du mir mehr über verstorbene Präsidenten an vierten Julis erzählen könntest."
Ich konnte es nicht verhindern, dass ich anfing zu grinsen.
„Möchtest du wirklich noch mehr darüber erfahren?"
Ihre Augen funkelten, als sie bekräftigend nickte.
„Na klar! Oder denkst du, dass ich umsonst den weiten Weg mit den Fahrrad vom Haus meiner Schwester bis hier hin gefahren bin?"
Ich antwortete ihr nicht.
Stattdessen trank ich meinen Kaffee aus und stand auf.
„Dann komm mit."
Mare war anders als Alicia.
Und vielleicht war genau das gut, denn sie lenkte mich davon ab, dass Ethan gerade mit Kyran auf dem Eis stand und dass Erin und Emily sie anfeuerten, genauso wie es Alicia wahrscheinlich tat.
Wir liefen an der Promenade lang, kauften uns ein Eis und während ich ihr mehr von den Rätseln erzählte, hörte sie aufmerksam zu.
Hin und wieder unterbrach sie mich, wenn sie in einem Schaufenster etwas Schönes entdeckte, dass sie ihren Freunden als Souvenir mitbringen könnte.
Als es langsam dunkler wurde, schaukelten bereits vier kleine Plastiktüten an ihrem Arm hin und her, die gefüllt waren mit Schlüsselanhänger, Magneten und Postkarten.
„Du wohnst doch nicht so weit entfernt, warum kaufst du all diese Touristensachen?", fragte ich sie, da ich mir ehrlich gesagt keinen Reim daraus machen konnte.
Wir setzten uns auf eine Bank, von der man den Sonnenuntergang beobachten konnte und während Mare ihre Ausbeutung begutachtete, meinte sie: „Na und? Ich habe gerne Andenken an all die Orte, an denen ich jemals war. Für mich muss eine Stadt nicht so groß, bekannt und weit entfernt sein wie New York, um es wert zu sein, ein Schlüsselanhänger davon zu kaufen, verstehst du?"
Als ich nickte, spürte ich ihren Blick von der Seite.
„Du verstehst es nicht, habe ich Recht?", sprach sie schließlich aus und brachte mich somit zum Kopfschütteln.
„Nein, doch", fing ich an, atmete einmal tief ein und drehte mich dann zu ihr, um ihr ins Gesicht blicken zu können: „Ich weiß, worauf du hinaus willst, aber ich persönlich habe lieber persönliche Andenken, als eine günstig gekaufte Keramiktasse, auf der einfach nur ein Stadtname steht." Mein Blick schweifte über den riesigen See, der eher einem Meer gleicht, aber dennoch keinen eigenen Namen hatte. Als mein Blick wieder bei Mare ankam, ergänzte ich: „Erinnerungen, Ereignisse, an die man sich erinnert, sind doch so viel mehr wert."
Leicht hatte sie ihren Kopf schief gelegt und die letzten Sonnenstrahlen erhellten ihr nachdenkliches Gesicht.
Es war schon spät geworden und sicherlich bald Zeit den Heimweg einzuschlagen, doch dann sprach Mare: „Okay, überzeuge mich."
Ich runzelte die Stirn: „Wovon?"
„Dass es hier in Tullbourg etwas gibt, das mir für immer in Erinnerung bleibt, sodass ich all diese Schlüsselanhänger und Tassen in die Tiefen des Sees werfen kann."
Für einen kurzen Moment versuchte ich zu verstehen, worauf sie hinauswollte, doch dann schlich sich langsam ein Lächeln auf mein Gesicht.
Ich kannte diese Stadt, in der ich groß geworden war, besser als so manch anderer.
Es gab viele magische Orte, die kein anderer zu kennen schien und auch wenn so manche davon für immer ein Geheimnis bleiben sollten, so wusste ich, welcher Ort Mare gefallen würde.
Auch wenn wir sich schneidende Geraden waren und uns heute vielleicht inkorrekt noch einmal getroffen hatten, wollte ich ihr etwas zeigen, an das sie sich erinnern würde, wenn wir bald wieder auseinanderdriften würden.
„Es ist nicht weit entfernt, wir müssen nur zum Strand hinunter. Es gibt dort einen versteckten Strandabschnitt, der dir sicherlich gefallen wird."
Ihr breites Lächeln war mir Antwort genug und so ging ich voran.
Ich würde Mare den Ort zeigen, an dem ich mir Alicia immer so gut vorstellen konnte.
Doch in diesem Moment fühlte es sich nicht falsch an.
Was ich jedoch nicht hatte wissen können, war, dass dieser versteckte Strandabschnitt heute Abend längst nicht mehr einsam war.
Ich hätte nicht wissen können, dass eine Horde Jugendlicher dort ihren Alkoholkonsum ausleben würden.
Auf einen Blick erkannte ich die Spieler der Eishockeymannschaft, sie alle trugen noch ihre Trikots und ließen sich ordentlich feiern.
„Willst du mich etwa abfüllen, Fynn? So habe ich dich nicht eingeschätzt", meinte Mare amüsiert, doch ich erkannte an ihrem Blick, dass sie nicht ganz verstand, was ich hier wollte.
Sie wusste genauso gut wie ich, dass ich nicht hier her gehörte.
Gerade als ich umdrehen und ihr sagen wollte, dass wir einfach ein anderes Mal hier her kommen würden, entdeckte ich sie.
Und all meine Gedanken waren wie weggefegt.
Ich konnte nur noch da stehen und sie anstarren.
Alicia trug einen weiten Rock, kombiniert mit einem einfachen Tshirt, hatte ihre braunen Locken zu einem hohen Zopf zusammengebunden und sah so viel einfacher gestylt aus als die übrigen Mädchen.
Aber um so viel hübscher.
Sie war von Natur aus wunderschön.
Ihre Ausstrahlung vereinnahmte mich, füllte mich aus und löschte jeglichen anderen Gedanken.
Sie lachte, nahm einen Schluck aus der Bierflasche, die sie in den Händen hielt und lehnte sich dann etwas gegen Kyrans Brust, der hinter ihr stand, jedoch mit seinem Freund James eine Art Trinkspiel veranstaltete.
Dieser hatte bereits sein Trikot verloren und ich musste nicht lange suchen, um es an Vany zu entdecken.
Mein Blick schweifte wieder Alicia, wie sie lachend ihren Kopf nach hinten schmiss und dann den Kopf schüttelte.
Wie sehr würde ich mir wünschen, die Person zu sein, die sie so zum Lachen zu bringen.
Wie sehr wünschte ich mir, an Kyrans Stelle zu sein.
Doch dann würde ich nicht elendig Bier in mich hinein schütteln, um mich betrunken zu machen.
Denn es reichte aus, Alicia bei mir zu wissen, um vor Glück betrunken zu werden.
„Hey!", riss mich Kyrans laute Stimme aus meinen Gedanken.
Im ersten Moment realisierte ich nicht, dass er uns meinte, doch dann sah ich, wie er in unsere Richtung getorkelt kam.
„Kennst du ihn?", fragte Mare verunsichert, als auch sie ihn sah.
„Ja, flüchtig", gab ich von mir und wollte mich gerade umdrehen, als ich bemerkte, wie auch die anderen nun auf uns aufmerksam wurden. Ich sah, wie Alicia Kyran verfolgte und beschloss somit, noch nicht zu gehen.
Jeden Meter, den Alicia in meine Richtung ging, brachte mein Herz zum Hüpfen.
Auch wenn ich wusste, dass sie nicht auf mich, Fynn Reeves zuging, sondern nur auf Kyran zu achten schien.
„Hey, was wollt ihr hier!"
Kyran kam vor uns zum Stehen, in seiner Hand hielt er nun eine Fahne, die von dem Wappen der Eishockeymannschaft geziert wurde.
Es war ein Eisbärenkopf auf eisblauen Grund.
„Wir wollten zum Strand", gab ich trocken von mir.
„Ihr könnt hier aber nicht hin und wisst ihr auch warum?" Nun drehte sich Kyran einmal im Kreis und mir wurde bewusst, dass er für die feierwütigen Teenager eine Szene veranstalten wollte. Er breitete die Arme aus, rammte die Fahne im nächsten Moment in den Sand und rief so laut, dass ihn jeder verstehen konnte: „Denn dies ist nun Eisbärengebiet! Und hier haben nur Eisbären Zutritt!"
Er erhielt zustimmende Rufe, die Musik wurde wieder lauter gedreht und Alicia griff nach Kyrans Arm, um ihn zu beruhigen.
Dieser jedoch blickte abwechselnd zwischen mir und Mare mit zusammen gekniffenen Augen hin und her. „Also verschwindet hier!"
„Kyran", hörte ich, wie Alicia leise flüsterte. Sie beachtete mich nicht, schien mich nicht einmal richtig zu bemerken, aber es fühlte sich so an, als würde sie dies hier für mich tun.
Auch wenn ich wusste, dass das Quatsch war.
„Lass es, Alicia, oder willst du gleich mit den beiden Flaschen mit abziehen?" Man hörte, dass der Alkohol aus ihm sprach, aber dennoch sah ich in diesem Moment nur rot.
Wie konnte er nur so mit Alicia reden?
Wie konnte er nur den Gedanken daran ertragen, dass sie von ihm weggehen würde?
Alicia presste ihre Lippen zusammen, doch sie ließ Kyrans Arm nicht los und wendete sich dann an Mare: „Wenn ihr jetzt einfach geht, wird er sich beruhigen. Es tut mir Leid."
Dann drehte sie sich um und zog Kyran mit sich.
Ich konnte nichts anderes machen, als ihnen hinterher zu blicken.
Dann fiel mein Blick auf Ethan.
Er stand bei James und einem anderen aus dem Eishockeyteam. Er trug noch immer das Trikot und hatte einen roten Becher in der Hand.
Anscheinend hatte er den Einstieg in die Mannschaft geschafft.
Er sah mich an, hatte mich wahrscheinlich schon die ganze Zeit angesehen, aber nichts gegen Kyrans Aktion unternommen. Als er meinen Blick bemerkte, hob er zögerlich die Hand.
„Lass uns gehen", murmelte ich und drehte mich gleichzeitig um.
Mare tat es mir gleich, während sie jedoch schimpfte: „Unglaublich, wie blind und bescheuert kann man sein?"
Wir stapften durch den Sand zurück zu der Promenade, als ich fragte: „Wen meinst du?"
„Dieses braunhaarige Mädchen am Arm von diesem hirngerösteten Lackaffen! Sagt sie denn immer Ja und Amen zu diesem Typen? Genau deswegen hasse ich solche Mädchen, die meinen, dass sie keine eigene Persönlichkeit brauchen, solange sie einen Star als Freund haben."
Sie redete über Alicia.
Und ihre Worte trafen mich direkt im Herz, schienen es zu zerfetzten.
„Es ist nicht ihr Freund", konnte ich nicht verhindern zu sagen, zögerte dann und fügte etwas leiser hinzu: „Aber nicht nur sie ist es, die blind ist, sondern auch Kyran. Keiner von ihnen erkennt den Regenbogen, aus dem sie gemacht ist."
Und in diesem Moment, wusste ich, dass es die Lösung eines weiteren Rätsels war, dass ich seit längerer Zeit lösen wollte.
~
(20.04.2017)
Ihr Lieben,
Schneller als selbst von mir erwartet, geht es hier weiter.
Wieder einmal ein Kapitel aus Fynns Sicht, immer noch im Sommer , drei einhalb Monate bevor er springen wird.
Kommt euch eine Szene bekannt vor?
Eine, in der Fynn und Alicia sich gegenüberstehen, sie jedoch immer noch davon ausgeht, ihn niemals richtig gesehen zu haben?
Alicia scheint die Szene anders in Erinnerung zu haben, sie hat eine ganz andere Sichtweise auf diese Erinnerung.
Dieses Begegnung bringt Fynn eine Lösung eines weiteren Rätsels, dass Nate und Alicia bald lösen werden.
Ich hoffe, es hat euch gefallen. Ich würde mich sehr darüber freuen, zu erfahren, wie ihr die Geschehnisse dieses Kapitels seht! (:
Alles Liebe und bis bald.
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