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⌜Fynns Koordinaten⌝



Manche Koordinaten führen zu Orten, die es nicht gibt.

Und manche, zu welchen, die man für unrelevant hält.

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A L I C I A



„Da bist du ja endlich, du bist spät dran, Alicia, wir warten schon auf di-"

Mom brach mitten im Satz ab, als sie aus der Küche in den Flur trat und sah, dass ich nicht alleine nach Hause gekommen war.
Nate schloss hinter sich die Haustür und hob zum Gruß einmal unsicher die Hand.

„Guten Abend, Mrs. Clarkson. Ich bin Nate Reeves."

Mom starrte ihn an, blinzelte und für einen kurzen Moment huschte ihr Blick zu mir. „Hallo, Nate. Ich wusste nicht, dass Alicia Besuch mitbringen würde, eigentlich wollten wir heute ein Familienessen-"

Ich unterbrach sie: „Mom, Nate hat mir spontan angeboten, mir bei meinem Geschichtsessay zu helfen..." Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie er nur eine Augenbraue hochzog, „können wir das Essen nicht einfach verschieben? So wie ich das verstanden habe, hat Dad doch eh nicht den Auftrag in New York bekommen und ist somit das Wochenende auch noch zuhause."

Mom schloss den Mund und für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als wäre sie verletzt. Dann seufzte sie auf und nickte langsam. „Ja, natürlich. Schule ist natürlich wichtiger... vielleicht..." Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, schüttelte den Kopf und lächelte uns leicht an, als sie weitersprach: „Ach egal, falls ihr Hunger bekommen solltet, könnt ihr euch Spaghetti Bolognese aus der Küche holen."

„Danke, Mom!", sprach ich hastig, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und zeigte Nate mit einer Kopfbewegung, dass er mir folgen sollte.

„Es war schön Sie kennenzulernen, Mrs. Clarkson", sprach er, als er sich beeilte mich einzuholen, da ich bereits aus meinen Chucks geschlüpft war und die Treppe nach oben ging.

„Die Freude lag ganz auf meiner Seite", hörte ich noch Moms Antwort, bevor ich Nate an seinem Arm griff und ihn in mein Zimmer zog. Sofort wurde mir bewusst, wie unordentlich ich es heute Nachmittag verlassen hatte und schnell beeilte ich mich mit hochrotem Kopf meine Unterwäsche und achtlos von den Bügeln gezogenen Kleidungsstücke in meinen Schrank zu stopfen.

Dann drehte ich mich zu Nate um und stemmte meine Hände in die Seite.
Er stand in der Mitte meines Raumes und sah sich um.
Leicht ließ er seine Finger über die Bilderrahmen gleiten, die meinen Nachtschrank zierten. Sie zeigten Fotos von Vany, Kyran, meinen anderen Freunden und meiner Familie.

„Ist es echt okay, dass ich hier bin?", fragte er schlussendlich und ließ seine Hand sinken.

„Ja klar, wieso nicht?", fragte ich und versuchte heimlich das dreckige Geschirr verschwinden zu lassen. Er drehte sich zu mir um und ertappte mich, wie ich meine Cappuchino-Tasse von heute Morgen gerade in eine Schublade verstecken wollte.
Doch er zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Weil es so wirkte, als wäre das Familienessen sehr wichtig."

Ich schüttelte den Kopf und mein Blick fiel auf Fynns Notizbuch in Nates Hand. Sofort zog sich alles wieder in mir zusammen.

Mit stockender Stimme setzte ich an: „Wichtiger warum du hier bist, Nate?"

Eine gefühlte Ewigkeit standen wir uns nur gegenüber und starrten uns an.
Der Blick aus seinen grünen Augen hüpfte in meinem Gesicht umher, er schien etwas in meinen Gesichtszügen zu suchen, aber nicht zu finden.
Dann seufzte er auf und schüttelte leicht den Kopf.

„Ich bin nicht dazu berechtigt, darüber zu urteilen. Einmal ist es die Welt der Lebenden. Und einmal die Welt eines Toten."

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, denn seine Ehrlichkeit schien mich noch mehr zu Boden zu ziehen.
Auf einmal kam es mir unglaublich stickig in meinem Zimmer vor und je länger ich Nate in die Augen sah, desto mehr hatte ich das Gefühl, zu ersticken.

Schnell riss ich mich von ihm los, drehte mich zu meiner Heizung um und drehte sie aus, nur um beschäftigt zu sein. Dann richtete ich mich seufzend wieder auf.
Denn so ging es nicht weiter.

Nate wollte nicht hier sein.
Das wusste ich.
Aber er war es.
Und das aus einem bestimmten Grund.

„Was meintest du damit, dass Fynn dich hier her, zu mir, geführt hat, Nate?", sprach ich schlussendlich das aus, was solange als Frage zwischen uns im Raum geschwebt hatte.

„Es ist das dritte Rätsel, Alicia."

Ruckartig drehte ich mich zu ihm um.

„Was?"

Nate fuhr sich einmal durch seine Haare und zuckte die Schultern. Dann hoben sich seine Mundwinkel für einen kleinen Augenblick an, doch genauso schnell verschwand das Lächeln wieder.

„Wirklich. Ich weiß nicht, wie Fynn das hinbekommen hat, aber er hat mich mit seinem dritten Rätsel hier hin geführt."

Ich ging ein Schritt auf ihn zu. „Wie ist das möglich?", fragte ich leise und Nate streckte mir das Buch entgegen.

Ich starrte auf den ledernden Einband und spürte, wie mein Herz anfing schneller zu schlagen. Wollte ich es wirklich wieder aufschlagen und erneut riskieren, in Fynns Welt gezogen zu werden?
Gerade jetzt, wo ich doch gedacht hatte, dass der November wieder typisch werden könnte?

Ich hob meinen Blick und sah in Nates Gesicht.
Er war hier.
Und das nur wegen Fynn.
Ich hatte gar keine andere Chance, denn zu tief war ich schon in Fynns Welt.

Vorsichtig nahm ich das Buch entgegen und ließ mich auf die Kante meines Bettes sinken.
Mit etwas Abstand nahm Nate neben mir Platz. Dennoch war er mir nah genug, dass ich sein Parfüm riechen und ihn atmen hören konnte.

Langsam ließ ich meine Finger am Rande des Buches entlang gleiten, bevor ich es vorsichtig aufschlug. Das erste Rätsel strahlte mir entgegen und schnell blätterte ich weiter.

Viel zu schnell erschien es.
Das dritte Rätsel.

Mit einer langsamen Bewegung strich ich über Fynns geschwungene Handschrift. Wann er wohl dies hier aufgeschrieben hatte?

DRITTES RÄTSEL

Vielleicht war Geographie noch nie eure Stärke, aber ich hoffe, dass ihr zumindest den Norden von dem Osten unterscheiden könnt. Und zur Not gibt es auch so etwas wie eine Kompass-App.
Fynn.

Und dann folgten wieder einmal nur Buchstaben und eine wirren Kombination und Zeichen, die mich innerlich aufstöhnen ließen.

N48°54'8.221"
W95°17'46.566"

N48°54'4.277"
W95°17'46.278"

N48°54'8.044"
W95°17'40.811"

„Sind das wieder Anagramme?", fragte ich und bemerkte im gleichen Moment als Nate leise anfing zu lachen, wie blöd meine Frage war.

„Fynn würde niemals zweimal den gleichen Lösungsansatz für seine Rätsel benutzen." Er hatte Recht und es war mir beinahe peinlich, dass ich nicht nachgedacht hatte, bevor ich gesprochen hatte. „Es sind Koordinaten, Alicia", erklärte er nach einigen Sekunden und überrascht starrte ich wieder auf das Rätsel.

„Koordinaten?", wiederholte ich.

„Ja, schau sie dir an." Nate rückte etwas näher zu mir heran und leicht berührten sich unsere Arme, als er sich etwas vorbeugte, um mit seinem Finger auf die erste Zahlenfolge zeigen zu können.

„Das sind die Himmelsrichtungen. N für Norden, W für Westen. Die Breiten und Längengrade mit der Grad, Minuten und Sekundenangabe." Sein Atem streifte meine Haut, doch bevor ich eine Gänsehaut bekommen konnte, hatte er sich wieder aufgerichtet.

„Wir sollen also die Orte dieser Koordinaten aufsuchen?" hakte ich nach und legte leicht meinen Kopf schief. Eine Haarsträhne fiel mir ins Gesicht und schnell strich ich sie hinter mein Ohr, bevor ich Nate von der Seite aus ansah.

Ich konnte sehen, wie sich langsam ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete.

„Die erste Koordinate müssen wir nicht mehr suchen, Alicia. Wir sind längst dort."

Als ich verstand, was er mit den Worten meinte, schnappte ich leicht nach Luft und mein Blick huschte wieder auf Fynns Handschrift.

N48°54'8.221"
W95°17'46.566"

„Das ist unser Standort? Das sind die Koordinaten zu meinem Haus?", hakte ich nach und sah im Augenwinkel, wie Nate nickte.

„Ziemlich genau sogar."

Nun verstand ich, was Nate damit meinte, als er gesagt hatte, dass Fynn ihn hier her, zu mir, geführt hatte.
Deswegen war er so überrascht gewesen, mich zu sehen.

Denn er hatte einfach das Rätsel gelöst und war hier her gekommen, er wusste nicht, was ihn hier erwarten würde.
Wahrscheinlich hatte er mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass ich auf einmal über die Straße rennen würde, um den Schlüssel zu dem Haus, von dem er bisher nicht wusste, warum Fynn ihn dorthin geführt hatte, zu holen.

Ich stockte mitten in meiner Bewegung, als ich über meine eigenen Gedanken stolperte.
Dann hob ich meinen Blick und sah geradewegs Nate an.

„Du wolltest das dritte Rätsel alleine lösen, oder?"

Er blinzelte nicht einmal.
Sondern zuckte nur die Schultern.

„Hättest du es anders gemacht, Alicia?"

Es war keine Entschuldigung und die Ernsthaftigkeit, die hinter seinen Worten steckte, machte mir deutlich, dass er es auch nicht war, der sich entschuldigen musste.
Ich bekam ein schlechtes Gewissen, senkte meinen Blick und mit zusammengepressten Lippen nickte ich.

Er hatte Recht.
Immerhin hatte ich bis vor einer Stunde Nate, Fynn und das Notizbuch wieder erfolgreich in die hinterste Ecke meines Kopfes gedrängt; ja ich war gerade zu froh gewesen, dass der so untypische November wieder normal werden würde.

Ich seufzte auf und hob wieder meinen Kopf. „Es tut mir Leid, Nate."

Ich sprach nicht aus, was mir Leid tat.
Ich wusste es selbst nicht einmal genau.
Ob ich mich für Kyrans Verhalten entschuldigte;
Dafür, dass ich einfach gegangen war;
Oder dass ich mich nie gemeldet hatte.
Vielleicht von allem ein bisschen.
Die Ungenauigkeit machte es mir einfacher.

Nate schien es nicht zu stören, er nickte nur leicht. „Vielleicht ist nicht immer alles okay, Alicia, aber für diesen Moment ist es genau das."

Für einen kurzen Moment musste ich über seine Worte lächeln, doch dann viel mein Blick wieder auf die Koordinaten, die vor mir lagen.
Innerhalb einer Sekunde fasste ich einen Entschluss.
Schnell legte ich das Notizbuch auf die Tagesdecke und stand auf.

Ich spürte, wie Nate mich beobachtete, als ich mich vor meinen Schreibtisch kniete und eine Schublade nach der anderen aufzog und durchforstete.

„Was soll das werden, wenn es fertig ist?", fragte er, nachdem ich die dritte und letzte Schublade über meine eigene Unordentlichkeit stöhnend durchwühlte.

„Ich suche eine Karte von Tullbourg. Immerhin müssen wir ja irgendwie herausfinden, wo die Orte zu den Koordinaten liegen."
Und ich wusste, dass Dad mir irgendwann einmal eine Karte unserer Heimatstadt geschenkt hatte, damit ich mich besser zu Recht finden konnte. Ich hatte sie kein einziges Mal benutzt, sondern nur irgendwo in die Tiefen meines Schreibtisches begraben.
Und nun fand ich zwar uralte Tamagotschis, Kaugummipapier und hunderte von Buntstiften, jedoch keine Karte von Tullbourg.

Seufzend ließ ich mich auf meinen Hintern fallen und verschränkte meine Arme hinter den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein!", murrte ich.

Im gleichen Moment hörte ich, wie Nate aufstand und sich neben mich hinkniete. Er hielt mir sein Handy unter die Nase.

„Zum Glück gibt es solche modernen Erfindungen wie Google Maps."

Auf dem Bildschirm leuchtete mir die besagte Internetseite entgegen. Am Rande gab es ein Feld, in dem man die Koordinaten eingeben konnte und die Wegführung beginnen konnte.

Stöhnend über meine eigene Dummheit ließ ich mich nach hinten auf den Teppich fallen.

„Ich bin nur heute so verpeilt, wirklich!", versuchte ich meine Ehre zu retten und schlug mir die Hände vors Gesicht. Nates Grinsen konnte ich dennoch sehen. „Alles klar, reicht dein Verstand dennoch dazu aus, heute Abend noch einmal loszugehen?"

Langsam ließ ich meine Hände sinken und allein bei dem Gedanken daran, das Rätsel, das Fynn uns hier gestellt hatte, zu lösen, schlug mein Herz mir bis zum Hals.
Ich wusste noch immer nicht, ob ich genau herausfinden wollte, warum er uns diese Rätsel stellte.
Doch ich wusste eines: Nämlich wollte ich wissen, warum er ausgerechnet unser Haus als Koordinaten angegeben hatte. Und wohin die anderen beiden führen würden.

Als ich in Nates Auto stieg, trat ich zuerst auf eine alte chinesische Take-away-Box, die im Fußraum lag. Mit einem schnellen Handgriff warf Nate sie auf die hintere Sitzbank und mit einem entschuldigten Blick meinte er: „Tut mir Leid, eigentlich halte ich mein Auto sauber, aber letzte Woche hatte ich... Fynn abgeholt. Er hat diesen Fraß immer und überall gegessen und auch immer und überall liegen gelassen."

Sofort bildete sich wieder ein Kloß in meinem Hals und ich konnte es nicht verhindern, einen Blick auf die nun eingerissene Pappbox zu werfen. Ich schluckte und versuchte mir nicht vorzustellen, wie Fynn hier auf dem Beifahrersitz gesessen und schlürfend seine Nudeln gegessen hatte, während Nate nur die Augen verdrehen konnte.

„Ich mag Chinesisch, auch wenn sie meistens zu wenig Soße zu den Nudeln geben", kam mir über die Lippen, bevor ich es verhindern konnte.
Nate hatte derweilen ausgeparkt, die zweite Koordinate eingegeben und die Routenführung gestartet. Während eine Frauenstimme die erste Wegbeschreibung herunterrasselte, warf er mir von der Seite einen Blick zu.

„Dort, wo Fynn seine Nudeln immer geholt hat, gibt es so etwas, wie ‚zu wenig' Soße nicht. Deswegen solltest du besser auch niemals hinten in meinem Auto sitzen, wenn du nicht gerade Lust hast, einen Hintern a la Süß-Sauer-Soße zu bekommen. Danken kann man dafür Fynn und Ethan."

Ich lachte und schüttelte den Kopf. „Ich werde es mir merken."
Der Kloß in meinem Kopf verschwand und als die ersten Töne Ed Sheerans Lied ‚Photograph' im Radio ertönten, drehte ich die Lautstärke leicht auf. Nate beschwerte sich nicht.
Auch nicht, als ich leise anfing mit zu summen.

Laut Google maps brauchten wir nur noch zehn Minuten bis zu der nächsten Adresse und leicht neigte ich meinen Kopf, um aus dem Fenster blicken zu können.
Wir hatten nun mein Wohnviertel verlassen und fuhren die Weststraße hinauf, die in die niedriger gelegenen Viertel führten. Niedliche Reihenhäuser reihten sich aneinander und auch an ein, zwei niedlichen Cafés und Restaurants kamen wir vorbei.

Dann ertönte erneut die nervend monotone Frauenstimme Google Maps und verkündete, dass wir unser Ziel erreicht hatten.
Es lag auf der linken Seite.

Nate fuhr an den Straßenrand und erwartungsvoll blickten wir beide auf das, was Fynn uns zeigen wollte.

Ich wusste nicht, womit ich gerechnet hatte.
Vielleicht mit einem besonders magischen Ort.
Etwas, was gerade zu danach schrie, dass es etwas mit Fynn zu tun hatte.

Doch ich wurde enttäuscht.

Es war ein einfaches Familienhaus.
Das einzige, das Besonders erschien, waren die gelben Dachziegel.
Der Vorgarten war klein und das Gartentor hing schief in den Angeln.

„War Fynn oft hier?", fragte ich irgendwann in die Stille.
Auch Nate sah mit einem Stirnrunzeln auf das Haus und schüttelte dann langsam den Kopf. „Nein, ich habe keine Ahnung, wann er jemals hier in dieser Gegend Tullbourgs war..."

Kurzentschlossen öffnete ich die Beifahrertür, löste den Sicherheitsgurt und stieg aus. Mit schnellen Schritten überquerte ich die Straße. Ich hatte nicht einmal den Gartenzaun erreicht, als ich hörte, wie auch Nate ausstieg und mir folgte.

Ohne lange zu warten, öffnete ich das Tor und lief über den schmal gepflasterten Weg zur Veranda. Hinter einem Fenster brannte Licht und die Wände waren so dünn, dass ich die leisen Geräusche eines Fernsehers wahrnehmen konnte.

„Alicia, was hast du vor?", rief mir Nate hinterher, als er sich beeilte, mich einzuholen.
Das Holz der Veranda knarzte unter meinen Füßen, als ich an die Tür trat und mit einem Blick über die Schulter zu Nate meinte: „Ich löse dieses Rätsel."

Dann drückte ich auf die Klingel und ein fröhliches Vogelgezwitscher ertönte, das so gar nicht zu dem Rest des Hauses passen wollte.

„Aber es ist viertel vor Neun Abends!"

Ich erstarrte, als ich realisierte, dass er Recht hatte.

„Shit!", fluchte ich und drehte mich panisch zu Nate um. „Haben wir noch genug Zeit um wegzurennen?"

Ich hörte bereits Schritte im Flur des Hauses und auch Nates blick huschte zwischen mir und der Tür hin und her. Abwehrend hob er die Hände. „Ich habe zuletzt mit Zwölf einen Klingelstreich gemacht, frag mich nicht, wo wir uns jetzt noch verstecken können!"

Dann ging bereits die Tür auf.

„Kann ich Ihnen weiterhelfen?"

Langsam drehte ich mich auf meinen Absatz wieder um und atmete einmal tief ein. Nun befand ich mich auf der Augenhöhe mit einer älteren Frau.
Sie trug bereits ein langes Nachtkleid, hatte Lockenwickler im Haar und sah zwischen Nate und mir hin und her.

Ihr Gesicht war bereits von vielen Falten durchfurcht, doch ihre Augen musterten uns aufmerksam. Zumindest schien sie nicht wütend über die späte Störung zu sein, sodass ich versuchte, die Chance zu nutzen und die Situation noch zu retten.

„Äh, ja...", fing ich stotternd an und knetete meine Hände. „Es tut uns Leid, dass wir sie Mrs..." Mein Blick fiel auf das Namensschild über der Klingel, „Mrs. Tyllis, so spät noch stören. Kennen Sie zufällig einen Fynn Reeves?"

Die ältere Dame legte leicht ihren Kopf schief, verzog jedoch keine Miene, als sie leicht den Kopf schüttelte. „Nein, tut mir Leid, meine Liebe. Ihr müsst euch in der Tür geirrt haben." Die Fernsehergeräusche wurden etwas lauter und Mrs. Tyllis horchte auf. „Oh, die Chartshow geht weiter. Ich hoffe, ihr findet bald euren Fynn Reeves. Einen schönen Abend noch!"

Bevor wir ihr Antworten konnte, hatte sie bereits die Tür geschlossen. Einige Minuten standen Nate und ich nur nebeneinander auf der Veranda und blinzelten gegen die nun verschlossene Tür.

„Ich wusste gar nicht, dass die Chartshow noch ausgestrahlt wird", meinte Nate plötzlich, doch ich schüttelte nur den Kopf.

„Hast du wirklich die richtigen Koordinaten eingegeben, Nate?" Er nickte als Antwort und zusammen setzten wir uns wieder in Bewegung in Richtung seines Autos.

„Ja, natürlich."

„Und warum hat dieser Ort rein gar nichts mit Fynn zu tun? Ich verstehe das nicht."

Ich versuchte einen Zusammenhang hinter dieser Begegnung mit Mrs. Tyllis und Fynn zu sehen, doch ich fand keinen.
Was wollte er uns mit diesem kleinen Einfamilienhaus mit gelben Ziegeln sagen?

„Wir haben ja noch einen Ort, vielleicht verbindet sich alles zu einem großen Ganzen?", mutmaßte Nate und seufzend ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen.

„Du hast Recht, vielleicht sollten wir einfach optimistisch bleiben und abwarten."

Diesmal gab ich die Koordinaten ein.
Nur für den Fall, dass Nate sich vielleicht doch vertippen würde.

„Das kann doch nicht wahr sein!" Ich stöhnte auf, als wir nach zwanzig Minuten an unserem nächsten Ziel angekommen waren.
Wir waren einmal quer von West nach Ost gefahren, nur um jetzt erneut vor einem Privatgrundstück zu parken. Wütend griff ich nach dem Türgriff und wollte aussteigen, doch Nate war schneller.
Schnell verriegelte er mit einem Klick alle Türen und griff nach meinen Arm.

„Lass mich aussteigen, Nate."

„Aber nur wenn du mir versprichst, nicht erneut irgendwo zu klingeln. Mittlerweile ist es schon fast halb zehn..." In seinen Augen spiegelten sich Sorgen und augenverdrehend nickte ich.

„Keine Sorge, außerdem sieht es sowieso unbewohnt aus."

Mit einem Klick löste er die Sperre und ich konnte aussteigen.
Diesmal hatte Fynn uns zu einem Reihenhaus geführt. Kein einziges Fenster war erleuchtet und in einem Fenster klebte ein DinA4-Poster mit einer Handynummer.

Kopfschüttelnd drehte ich mich wieder zu Nate um, der noch immer hinter dem Steuer saß und mich beobachtete. Anscheinend traute er mir immer noch zu, jederzeit irgendwo Sturm zu klingeln, denn er schien jederzeit bereit zu sein, aus dem Auto zu springen.

„Was soll mein Zuhause mit diesen Orten gemeinsam haben, Nate? Und warum ist es eines von Fynns Rätseln? Ich verstehe es nicht." Ich warf meine Hände in die Luft und lehnte mich gegen die Motorhaube, während ich stirnrunzelnd das Haus betrachtete.

Ich war noch nie an diesen Orten gewesen, ja sogar noch nicht einmal in diesen Gegenden. Was wollte Fynn uns also somit sagen?
Warum führte er uns hier her, wenn er selbst nicht einmal eine Verbindung hier her hatte? Oder zumindest keine offensichtliche.
Aber wenn es eine gab, wie sollten wir mit den wenigen Informationen, die er uns gegeben hatte, diese herausfinden?

Es war doch zum Mäuse melken!

Nate trat neben mich und zusammen starrten wir das Reihenhaus an. „Ich habe keine Ahnung, was Fynn meint."

„Willkommen in meinem bisherigen Leben", antwortete Nate nur trocken, bevor er den Kopf schüttelte und hinzufügte: „Okay, weißt du was? Es ist fast Zehn Uhr abends..."

„Du willst gehen ohne das Rätsel zu lösen?", fragte ich ungläubig und starrte ihn von der Seite aus an. Seine Haare waren zerzaust und leicht zuckte er die Schultern. Sein Blick war weiterhin geradeaus auf das Haus gerichtet. „Ich denke, manchmal möchte Fynn, dass wir die Sachen im Tageslicht mit Bedacht sehen. Heute werden wir dieses Rätsel nicht mehr lösen können."

„Woher willst du das wissen?"

„Fynn war mein Bruder, Alicia." Er stieß sich von der Motorhaube ab, umrundete sein Auto und stieg wieder auf der Fahrerseite ein. „Vielleicht habe ich ihn nicht immer verstanden und nicht erkannt, wie es ihm wirklich ging, aber wenn ich etwas weiß, dann das... Und nun komm!"

Seufzend gab ich mich geschlagen und mit einem letzten Blick auf das Reihenhaus, in der Hoffnung, so vielleicht doch noch eine Erkenntnis zu erlangen, stieg ich zu Nate ins Auto.
Natürlich blieb die Erleuchtung aus und als Nate losfuhr, grübelte ich weiterhin über Fynns Rätsel nach.

Erst nach fünf Minuten bemerkte ich, dass Nate nicht wieder den Weg zu meinem Haus eingeschlagen hatte und leicht richtete ich mich auf.

„Wo fahren wir hin?", fragte ich ihn, während ich mich versuchte zu orientieren. Doch ich hatte keine Chance. Ich kannte diese Gegend nicht. Nate warf mir einen Blick zu, bevor er mit einem leichten Lächeln meinte: „Ich dachte, es wäre angebracht, nun einen Ort aufzusuchen, der wirklich etwas mit Fynn verbindet."

Bevor ich weiter nachhaken konnte, fuhr er auf den Parkplatz eines kleinen chinesischen Schnellrestaurants. Eine blinkende Reklame strahlte uns entgegen und das Summen des Stromes konnte ich bis hierhin vernehmen. Einige Autos parkten in der Nähe und ich konnte eine Gruppe von Jugendlichen aus machen, die auf lachend auf ein Auto zugingen.

„Bleib eben sitzen, es dauert nicht lange."

Ich öffnete den Mund, doch ich kam nicht dazu, zu protestieren, da er bereits die Autotür hinter sich zugeschlagen hatte und ins Restaurant joggte.
Seufzend ließ ich mich zurück in den Sitz fallen und ließ meinen Blick über den Parkplatz gleiten. Überdimensionale Plastikkatzen zierte jedes Ende der Parkbuchten und ein großes Plastikschild pries die verschiedenen Menüs der chinesischen Küche an.

Gerade als ich überlegte, einfach auszusteigen und in das Restaurant zu gehen, öffnete sich die Tür und Nate erschien mit zwei Plastiktüten.
Keine Sekunde später stieg er wieder ins Auto und drückte mir die Tüten in die Hand.

„Hier."

„Was ist das?", fragte ich neugierig und öffnete sie. Bevor ich die zwei Take-Away-Boxen sah, konnte ich es bereits riechen. Chinesisch gebrannte Nudeln.
Sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen und mein Blick huschte wieder zu Nate, der gerade den Rückwärtsgang einlegte, um auszuparken.

„Chinesische Nudeln?"

„Ja. Mit extra viel Soße."

In genau diesem Moment fing mein Magen an zu knurren und ich drückte die beiden Boxen näher an mich. „Oh Gott, wenn sie so gut schmecken, wie sie riechen, werde ich im Himmel sein!"

„Keine Sorge", erwiderte Nate, ohne mich anzublicken. „Du wirst nicht enttäuscht werden. Vielleicht ist es nicht das schönste Restaurant, aber darauf hat Fynn noch nie viel Wert gelegt."

Wie von selbst drehte ich mich leicht in meinem Sitz um, sodass ich die alte Take-away-Box sehen konnte, die nun auf der Rückbank lag. Sie sah genauso aus, wie die, die ich in den Tüten auf meinem Schoß hatte.

„Danke, Nate", beeilte ich mich zu sagen, bevor sich erneut ein Kloß in meinem Hals breit machen konnte.

Er nickte und meinte dann: „Ich dachte, wir brauchen etwas Nervennahrung."

„Nervennahrung?" hakte ich nach und stützte meinen Ellenbogen auf der Plastikverkleidung der Autotür ab.

Bevor Nate den Blinker setzte und den Weg zu meinem Haus einschlug, drehte er mir sein Gesicht zu. Ein spitzbübisches Lächeln hatte sich auf seinen Lippen breit gemacht.

„Ja, meintest du nicht zu deiner Mom, dass ich dir angeboten hätte, dir bei deinem Geschichtsessay zu helfen?"    


~

(23.03.2018)

Kaum zu glauben, aber ja, ich update schon wieder (alle die auch Sky lesen und mich schlagen wollen, weil ich hier so viel update, aber bei Sky momentan die Durststrecke herrscht... lasst mich bitte leben, ich bin am nächsten Sky-Kapitel dran! (:  )

(Wobei ich jedoch leider nicht weiß, wie lange ich weiter so updaten kann. Momentan habe ich Ferien, lerne aber Vormittags bis Nachmittags und habe somit die letzten Tage Zeit gehabt, Abends zu schreiben...)

Momentan lässt sich Parallel Lines so einfach schreiben, ein Grund dafür ist wohl, dass ich mich unglaublich auf so einige Szenen freue, die bald kommen werden.  (:

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen.

Nun gibt es das dritte Rätsel, doch die Lösung ist um einiges verzwickter und vielleicht dauert es noch etwas, bis Nate und Alicia verstehen, worauf Fynn hinaus möchte. 

Habt ihr vielleicht schon eine Idee?

(Ps: Falls ihr auf die Idee kommt, die Koordinaten selbst zu suchen: Ja, es gibt diese Orte tatsächlich und ich habe sie auf Google Maps herausgesucht; aber nein, es sind nicht wirklich drei Häuser. Tullbourg ist eine fiktive Stadt, deswegen habe ich Koordinaten gewählt, die in einer Stadt liegen, die in Minnesota an einem Gewässer liegt. Wenn es die richtigen Koordinaten wären, würde Alicia nämlich in nem Spielcasino in Warroad zur Grenze Kanada leben)

Zudem wird es nun Alicia hoffentlich endlich bald gelingen, ihr Geschichtsessay fertig zu bekommen, denn wer sich erinnert, hätte sie es eigentlich schon längst abgeben müssen... Aber wenn man mit Fynn und Take-away-Essen beschäftigt ist, ist es auch verdammt schwer, schulische Deadlines einzuhalten ;)

Zudem ist es wieder ein richtiges Nate-Alicia-Kapitel und ich hoffe, man lernt die beiden nun endlich etwas besser kennen.. genauso, wie die beiden sich nun etwas besser kennenlernen.

Bis zum nächsten Mal ihr Lieben und vielen Dank für all eure lieben Kommentare und Theorien.

Allein, was ihr für Verbindungen zwischen einzelnen Details seht, ist unglaublich und manchmal muss ich schmunzeln, weil eure Theorien zwar Sinn ergeben, ich selbst aber noch gar nicht in diese Richtung gedacht habe... Dadurch hole ich mir aber unglaublich viel Inspiration: Deswegen kann ich euch einfach nur danken!

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