╚ Ein 2/4 Rätsel zuvor╝
Ein 2/4 Rätsel zuvor
Süßes oder Saures.
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║ F Y N N ║
Halloween.
Das Fest, bei dem Süßigkeiten als Mittagessen gegessen wurden, alle Kinder durchdrehen zu scheinen und Mom in einen Kürbisschnitzwahn geriet.
„Kannst du mir bitte nochmal das andere Messer reichen?" Mom streckte mir ihre Handfläche entgegen, während sie sich ein Blickduell mit ihrer neusten Kreation eines Kürbisses lieferte.
Seufzend streckte ich mich über den Tisch hinweg und reichte ihr das gewünschte Messer.
„Hier", meinte ich nur und wendete mich dann wieder dem alten Horrorfilm zu, der zur Feier des Tages im Fernsehen lief.
Ich ließ mich auf das Sofa fallen und fuhr geistesgegenwärtig mit meinen Fingern über das rote Notizbuch, das neben mir lag.
Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Mom die letzten Feinschliffe vornahm, bevor sie sich sichtlich zufrieden zurücklehnte.
„So, endlich. Was sagst du, Fynn?" Ich warf ihrem ausgeschnitzten Kürbis einen Blick zu, bevor ich den Daumen in die Luft streckte. „Sieht gut aus, aber leider nicht sonderlich gruselig."
Mom verdrehte die Augen und stand im gleichen Moment auf. „Ja, ja. Ich muss mich jetzt beeilen. Maceys Party beginnt schon in einer Stunde und wenn der Kürbiskuchen bis dahin-"
„Du hast einen Kürbiskuchen gebacken? Wen willst du vergiften?", unterbrach ich sie mit hochgezogener Augenbraue.
Schnaubend griff Mom in die Schüssel mit den Süßigkeiten, die bereits für die klingelnden Kinder bereit stand und schmiss mit Schokoriegeln nach mir.
Lachend duckte ich mich aus der Schusslinie und hob abwehrend die Hände. „Sorry, aber ich erinnere dich nur zu gerne an den Kuchen vom vierten Juni."
Sie verdrehte die Augen. „Diesmal war es nur eine Fertigmischung, also keine Sorge. Und er ist im Ofen. In zwei Minuten sollte er fertig sein, das werde ich sicherlich nicht vermasseln können." Sie strich sich ihre Haare aus dem Gesicht und band sie zu einem lockerem Dutt nach hinten, bevor sie ihre Bluse glatt strich und erneut mit einem Stirnrunzeln auf die Uhr sah. „Ich muss mich dennoch beeilen."
Sie fing an die Kürbisreste wegzuschmeißen und die benutzten Messer in die Spülmaschine einzuräumen. Vom Sofa aus beobachtete ich sie, der Horrorfilm war schon längst zur Nebensache geworden.
Als sie bemerkte, wie ich sie ansah, stockte sie in ihrer Bewegung und lächelnd schüttelte sie den Kopf.
„Ach, Fynn... Willst du wirklich heute Abend nicht mehr losziehen?"
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Damit ich mit-zu-allen-Straftat-bereiten Kindern in Kettensägenkostümen um den letzten Snickers in Mrs. Gilberts Schüssel konkurrieren muss? Nein, danke, ich werde es auch hier Zuhause schaffen, an einem Zuckerschock zu sterben."
Mom fing an zu lachen. „Wo ist nur die Zeit geblieben und wann bist du so groß geworden, Fynni?"
„Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass das Zeitgefühl im Alter-"
„Ja, ja, du musst mir durch die Blume jetzt nicht sagen, dass ich alt bin..."
„Das wollte ich auch nicht, aber die Wahrscheinlichkeit, dass-", setzte ich an, doch Mom ließ mich erneut nicht ausreden: „Bitte, verschon mich!" Lachend beeilte sie sich, sich den Kürbis unter den Arm zu klemmen. „Ich muss jetzt los, ich denke, ich muss euch nicht daran erinnern, artig zu sein und keine Toten aufzuwecken?"
Ich streckte ihr die Zunge heraus. „Keine Sorge. Wir werden weder mit einem Ouija-Brett mit Toten in Verbindung treten, noch eine Absturzparty feiern. Das einzige, wovor du Angst haben müsstest, wäre, dass die Schüssel mit den Süßigkeiten leer ist, bevor das dritte Kind im Elsa-Kostüm klingeln kann."
Mom hob warnend den Zeigefinger und mit einem Grinsen versuchte ich sie wieder zu beruhigen. „Nein, Nate müsste gleich auch wieder nach Hause kommen und Nudeln mitbringen. Wir wollten uns irgendwelche schlechten Horrorstreifen anschauen."
Skeptisch hob sie eine Augenbraue an, während sie mich weiterhin musterte. Schließlich seufzte sie auf und setzte den Kürbis auf der Kommode neben der Tür ab. „Apropos Essen. Ihr könnt euch doch nicht immer nur von diesen Nudeln ernähren. Was ist eigentlich aus unseren Wochen-Essensplan geworden? Ist Nate nächste Woche dran?"
Ich zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich glaube erst übernächste Woche. Aber das wird eh wieder Italienisch. Und was ist eigentlich aus den Der-Kürbiskuchen-braucht-nur-noch-zwei-Minuten-im-Ofen geworden?"
Von einer Sekunde auf die nächste wurde Moms Gesicht kalkweiß. „Verdammt!", rief sie, während sie zum Ofen hechtete. Ich hingegen konnte es mir nicht verkneifen laut und gelöst zu lachen.
Das ging.
Zumindest heute.
Denn ich wusste nicht wieso, aber ich hatte beschlossen, dass heute ein guter Tag war.
Und dies wollte ich ausnutzen.
Ich wollte mir um nichts anderes Sorgen machen als darum, dass mir von den Nudeln und den ganzen Süßigkeiten schlecht war.
Ich wollte mich nur über die dummen Menschen in den Horrorfilmen aufregen, die mitten in der Nacht in den Wald liefen oder es nicht für komisch empfanden, wenn auf einmal das Baby durch die Luft schwebte.
Und ich wollte gespielt erschrocken die Tür öffnen und den Kindern sagen, wie kreativ sie doch mit ihren Kostümen waren, auch wenn sie nur ein Paar Spritzer Ketchup im Gesicht hatten.
Denn wenn ich ehrlich war, fürchtete ich mich vor dem Zeitpunkt, an dem ich wieder nicht atmen konnte.
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(29.08.2019)
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