VII
Die Symptome werden immer stärker, sodass ich mich überrannt fühle. Ich kann kaum noch atmen. Mein Kopf pocht pausenlos, als trampelt eine Herde Elefanten darüber. Ich weiß, was als Nächstes kommen wird. Borya hat es mir gesagt und doch sträube ich mich davor. Blut. So viel Blut. Fiebrig streiche ich mir mit einem nassen Handtuch über das Gesicht. Ich habe Angst, so große Angst, wie das Virus meine Lebensenergie aussaugen wird. Wie es Stück für Stück von mir Besitz ergreifend wird. Ich bin noch nicht bereit dafür. Ich will kämpfen, doch ich fühle mich so unendlich erschöpft und verstehe Borya nun. Das ewige Warten, bis es endlich geschieht, macht einen müde. Raubt einem die letzte Hoffnung. Dabei habe ich mich bis zur letzten Sekunde daran geklammert. Doch jetzt, wo ich nichts mehr habe, kann ich nicht mehr. Ich will, dass es endlich aufhört und diese klägliche Stille der Einsamkeit verschwindet.
Das Atmen fällt mir zunehmend schwerer. Und dann kommt der Husten. Erst sanft schleicht er sich an wie eine Katze auf Beutejagd. Bis man in der Falle sitzt und er seine gierigen Krallen nach einem ausstreckt. Ich muss an Borya denken. Wie wir Rücken an Rücken, nur getrennt durch eine Wand, den Gesprächen des anderen gelauscht haben, wie wir uns gegenseitig Mut gegeben haben. Und nun ist es vorbei.
Ich huste erneut und ein Schwall Blut läuft mir über die Lippen. Sie beginnen. Die wenigen Stunden, die ich noch leben werde. Eine erneute Panik breitet sich in mir aus. Mein Körper bebt und ich kann kaum noch stehen, so sehr zittere ich.
Meine Tränen vermischen sich mit dem Blut, sodass mir rosafarbene Tropfen auf das weiße T-Shirt kullern. Beinahe wie ein Gemälde. Ein Gemälde aus Angst und purer Verzweiflung.
Ich schließe meine Augen und warte darauf, dass die Pfleger mich abholen werden. So wie sie es bei Borya getan haben. Sie werden kommen, das weiß ich.
Die Zeit zieht sich endlos in die Länge. Mit tränenüberströmtem Gesicht und blutigem Mund sitze ich da und warte. Doch niemand scheint zu kommen. Niemand erlöst mich von dieser Qual.
Plötzlich öffnet sich die Tür. Anya und ein Mann im weißen Kittel treten ein. Er mustert mich. Noch immer sitze ich auf dem Boden, an mein Bett gelehnt und muss den fürchterlichsten Anblick abgeben. Die Tränen. Das ganze Blut.
»Miss Green?«, fragt er zögerlich.
Ich nicke stumm. Ich weiß, was jetzt kommt. Sie werden mich wegbringen. Weit weg, damit ich niemanden mehr infiziere und endlich sterben kann.
»Wir haben Ihre detaillierten Testergebnisse bekommen und Sie ausgiebig in den vergangenen vierzehn Tagen beobachtet. Es freut mich Ihnen mitteilen zu können, dass Sie sich nicht infiziert haben. Sie können gehen.«
Perplex starre ich ihn an. Wie kann das sein? Der starke Husten. Das viele Blut. Ich blicke auf meine Hände, aber da ist keines. Da sind nur die unzähligen Tränen, die ich in den letzten Stunden vergossen habe. Eine undefinierbare Mischung aus Gefühlen übermannt mich, sodass ich nicht weiß, ob ich träume. Ob es sich tatsächlich um die Wahrheit handelt. Doch als ich hinausbegleitet werde und blasses Sonnenlicht auf meiner Haut spüre, fange ich an, es zu begreifen. Ich bin gesund. Ich bin es die ganze Zeit gewesen. Erneut laufen mir Tränen über die Wangen. Ich denke an Borya und mein Versprechen an ihn.
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