8|"Yours or Mine?"
"Also wir fangen am 1. Januar 1871 an. Da, wo das Deutsche Kaiserreich entstanden ist. Als nächstes käme dann als ein Schwerpunkt der erste Weltkrieg und die Niederlage. Dann würde ich auch noch etwas zur Weimarer Republik raussuchen, da das ja irgendwie auch mit zu Hitler's Geschichte dazu gehörte und uns sonst die nötigen Hintergrund Informationen fehlen würden. Über ihn werden wir natürlich auch einiges schreiben. Der zweite Weltkrieg, die DDR und schließlich die Wiedervereinigung."
Ungläubig starrte ich Kendra an, die ihre Liste runter ratterte und dabei nicht einmal auf ihren Zettel schaute. Hatte sie nichts Besseres zu tun, als Aufgabenblätter auswendig zu lernen? Vor allem Aufgabenblätter mit so einem Volumen?
"Teilen wir die Gliederungspunkte untereinander auf? So wäre die Arbeit ziemlich gerecht verteilt.", schlug sie mit unschuldig, blauen Augen vor.
Panisch sah ich in die Runde. Das hatte mir gerade noch gefehlt! Ich wollte doch unter keinen Umständen, Stunden damit zubringen, Informationen über die Geschichte Deutschlands raus zu finden. Was hatte ich schon davon? Nichtstun und Abschreiben waren meine Talente.
"Gute Idee.", murmelte Ángel. Ich warf ihm einen bösen Blick zu, aber er bemerkte ihn nicht, da sein Kopf leicht nach unten hing. Er benahm sich schon den ganzen Tag komisch. Normalerweise gab er ab und zu seinen Senf dazu, aber heute war er verdächtig still.
Ich zuckte in Gedanken nur meine Schultern und seufzte laut.
"Emily, willst du etwas Bestimmtes machen?"
Ich sah mit einem abfälligen Blick über die Liste, die Kendra mir hinhielt und wedelte mit der Hand desinteressiert in die Richtung des Blattes.
"Also eigentlich ist es mir vollkommen egal, aber ich würde jetzt einfach... das Erste nehmen. Die Entstehung...", nuschelte ich und gab mich meinem Schicksal hin. Ich konnte nur hoffen, dass es ein Themengebiet war, dessen Umfang sich auf das Nötigste beschränkte und schnell zu erarbeiten war.
Kendra nickte zufrieden und kritzelte irgendetwas auf dem Papier rum, aber ich schenkte ihr keine weitere Beachtung.
"Geht es dir gut?", fragte Alex und musterte mich mit seinen grünen Augen. Ich zog meine Augenbrauen noch oben und deutete fragend auf mich.
"Mir geht es prima.", entgegnete ich schluckend. Er sollte gefälligst jemand anderen ansehen! Ich war mir bewusst, dass meine Haare in alle Richtungen abstanden und mein Gesicht alles andere als ausgeschlafen wirkte.
Noch dazu hatte Mutter Natur beschlossen, ihre Sonnenstrahlen direkt über Stillwater kriechen zu lassen und das trotz des Spätsommers. Die Hitze war quasi unerträglich. Zudem brachte sie nicht unbedingt die schönen Seiten an mir zum Vorschein.
Alex grinste mich schief an, während er leicht nickte und sich dann zur Liste wendete, die ihm ins Gesicht gestreckt wurde. Nachdem unsere Majestät die Punkte markiert hatte, die er bearbeiten wollte, klatschte Kendra erfreut in die Hände.
"Dann wäre das also geklärt. Wir können natürlich jetzt anfangen, dann haben wir Zuhause nicht mehr so viel zu tun."
Ein erschöpftes Geräusch verließ meine Lippen und ich ließ meinen Körper langsam den Stuhl runterrutschen. Ich würde sogar die Sportstunde mit Mister Dennings vorziehen, anstatt hier irgendwelche Informationen zu sammeln.
Recherche war bei Weitem nicht mein Spezialgebiet, zumindest nicht in schulischen Angelegenheiten. Wenn es um Schauspieler mit knackigem Hintern ging, dann sah die Sache natürlich ganz anders aus.
Vielleicht war ich alles andere als gut in Mathe und eine komplette Niete in Geschichte, aber es gab wohl fast niemanden, der mich im Schwärmen für irgendwelche Hollywood Hotties übertrumpfen konnte.
Während ich in Gedanken versunken da hing und dabei war, mich selbst ein wenig zu bemitleiden, bekam ich im Augenwinkel mit, wie sich der Stillwater Prinz in meine Richtung bewegte. Misstrauisch drehte ich meinen Kopf in seine Richtung und sah zu, wie er seinen Stuhl um die Ecke zog. Somit platzierte er sich direkt neben mir.
Mein Blick schwenkte blitzschnell zu Kendra und Ángel, in der Hoffnung, dass einer der beiden etwas dagegen unternehmen würde. Leider waren beide in einer kleinen Diskussion gefangen, sodass ich auf mich allein gestellt war.
"Hey!", flüsterte Alex und sah belustigt auf mich runter. Zugegeben, meine Position war alles andere als angenehm und ich war mir durchaus bewusst, dass ich aussah, als würde ich schmelzen und vom Stuhl runter laufen. Deshalb schenkte ich Alex' Amüsement keine Beachtung und schob mich mühsam unter dem Tisch hervor.
Als ich wieder normal auf meinem Stuhl saß, schaute ich ihn an. Er war mir ziemlich nahe. Näher, als es mir lieb war, um genau zu sein.
"Ist irgendwas?", murmelte ich mit angespannten Muskeln und musterte ihn skeptisch. Er lächelte nur, wobei seine Grübchen mal wieder zum Vorschein kamen, dann legte er ganz locker und nebensächlich seinen Arm über meine Stuhllehne.
Erschrocken betrachtete ich ihn und konnte mich nicht davon abhalten, seine leicht gespannten Muskeln und die hervortretenden Adern anzustarren.
Ich räusperte mich, um das unangenehme Gefühl in meinem Bauch zu überspielen. Dann rutschte ich auf die vorderste Ecke des Stuhls, um jede mögliche Berührung zwischen Alex und mir zu vermeiden.
"Wenn du willst, können wir uns heute Nachmittag treffen. Dann könnte ich dir bei deinem Thema helfen."
Schluckend fummelte ich an einem losen Faden meines gelben T-Shirts rum und wickelte ihn nervös um meinen Zeigefinger.
Wollte ich mich mit Alex treffen? Ich meine, er wollte mir helfen. Und außerdem war ich mir fast sicher, dass er mich in keiner weiteren, peinlichen Situation erwischen konnte. Andererseits konnte ich ihn nicht ausstehen und ich hatte in seiner Nähe das Gefühl, ein totaler Trottel zu sein.
Nach einiger Zeit, in der Stille zwischen uns herrschte, fasste ich meinen Entschluss. Mit ernstem Blick drehte ich mich zu Alex, dessen grüne Augen mich geduldig anschauten.
"Okay."
Sein Gesicht nahm einen erfreuten Ausdruck an und man konnte sehen, wie die Anspannung von seinem Körper fiel.
"Super! Also, wo wollen wir es machen? Bei dir oder bei mir?"
Man konnte die gewisse Zweideutigkeit seiner Worte nicht leugnen und ich kämpfte darum, nicht wie eine Bekloppte darüber zu grinsen.
Ich konnte nicht fassen, dass diese beiden Sätze einfach so aus seinem perfekt geformten Mund gekommen waren.
Wahrscheinlich hatte Alex noch nicht einmal bemerkt, was er da gerade gefragt hatte.
Oder aber, er hatte es mit Absicht getan und hatte seine Gesichtszüge einfach wunderbar im Griff.
Meine Vermutungen verflogen, als
sich Alex' weiße Zähne in seine volle Unterlippe bohrten und so meinen Blick auf sich zogen.
Für einen kurzen Moment war ich abgelenkt, allerdings drehte ich mich schnell weg und starrte stur auf den karierten Block vor mir. Was war das denn bitte? Während ich meinen Kopf über mich selbst schüttelte, erwiderte ich ein knappes 'Ist mir egal.'
"Gut, ich komme einfach zu dir, sobald mein Training vorbei ist.", entschied Alex. Ich nickte nur und versuchte mich irgendwie abzulenken. Eilig kramte ich in meiner Federtasche nach einem Stift und als ich einen geeigneten fand, fing ich an, irgendetwas auf den Block zu kritzeln.
-
Als ich auf meinem Bett saß und nachdachte, bereute ich, dass ich Alex die Möglichkeit gegeben hatte, sich praktisch selbst einzuladen.
Ich konnte ihn zwar nicht leiden, allerdings breitete sich eine kleine Spur aus Mitleid in meinem Inneren aus. Das Zusammentreffen mit meiner Familie konnte ich meinem schlimmsten Erzfeind nicht wünschen.
Dylan war schon eine Zumutung, mit seinen ganzen Andeutungen und dem dreckigen Grinsen, aber wenn man dann auch noch das Glück hatte, meine Eltern kennen zu lernen, dann konnte ich nur mein Beileid aussprechen.
Jeder Kerl, der es bis ins Haus geschafft hatte und nicht direkt an der Tür davongerannt war, musste einem unendlich langen Fragen-Marathon unterliegen. Die Neugierde meiner Eltern reichte von 'Welchen Sport treibst du?' bis hin zu 'Müssen wir mit dir üben, wie man ein Kondom überstreift?'.
Dass ich also normalerweise versuchte, keine männliche Person ins Haus zu bringen, machte wohl Sinn.
Für einen kurzen Moment dachte ich darüber nach, wie es wohl wäre, wenn Alex in einer peinlichen Situation stecken würde, aber noch bevor meine Fantasie mit mir durchgehen konnte, klingelte es an der Tür.
Da ich dann doch ein kleines Arschloch war, stand ich extra langsam vom Bett auf und schaffte meiner Mutter so die Möglichkeit, die Tür zu öffnen.
Leichtfüßig hüpfte ich ein paar Stufen nach unten und lehnte mich dann aufs Geländer. Mum stand mit einem breiten Lächeln an der Tür und zog Alex ohne Zögern in eine Umarmung.
Grüne Augen fanden ihren Weg in meine Richtung und ich konnte die leichte Verwirrung und Unsicherheit darin erkennen. Mit einem Grinsen beobachtete ich meine Mutter.
"Komm rein! Komm rein!", rief sie aufgeregt und schob Alex ins Innere unseres Hauses.
"Danke. Schöne Grüße von meiner Mutter.", murmelte er und ließ seinen Blick schweifen.
Meine Mum strahlte begeistert und einen Augenblick später, gesellte sich auch der Rest meiner Familie in den Flur.
"Hi Alex. Lange nicht gesehen.", begrüßte Dylan Mister Perfect und warf mir ein freches Grinsen zu, wobei er seine Augenbrauen tanzen ließ.
Ich verdrehte nur die Augen und schaute zu, wie mein Vater Alex in Empfang nahm. Bisher verlief noch alles relativ normal, würde ich sagen. Und bevor eins meiner Familienmitglieder die Atmosphäre peinlich machen konnte, lief ich die letzten Stufen nach unten.
Mit einem gespielt, entschuldigenden Blick zu meiner Mutter, schnappte ich Alex' Arm und zog ihn zur Treppe.
"Emily, warte kurz!", unterbrach mein Dad den dürftigen Fluchtplan. Mit der Vermutung, dass jetzt eine Mini-Aufklärung stattfinden würde, schob ich Alex panisch nach oben.
"Geh' schon mal in mein Zimmer! Die Tür steht offen."
Möglicherweise sah man mir meine leichte Panik an, jedenfalls ging Alex ohne zu Meckern nach oben und ließ mich mit meiner Familie alleine.
Dylan grinste mich wissend an, verschwand allerdings schnell im Wohnzimmer, damit er sich ins Fäustchen lachen konnte, ohne von meiner Mutter getadelt zu werden.
"Schätzchen, ich bin mir sicher, dass Alex ein wunderbarer Junge ist und ich bin erfreut, dass du endlich dazu bereit bist, Reese gehen zu lassen. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass meine Tochter glücklich ist. Und wenn du mit Alex dein Glück gefunden hast, dann akzeptiere ich das voll und ganz. Aber ich will keinesfalls, dass du dich in Situationen stürzt, für die du noch nicht gewachsen bist."
Meine Mum kam langsam auf mich zu und legte ihre Hände um meine, während sie leicht lächelte.
"Sex ist eine ganz natürliche Sache und ich habe nichts dagegen, wenn du Dinge ausprobierst. Aber ich möchte, dass du dir eigene Grenzen setzt und sie nicht überschreitest. Du musst selbst wissen, was das Beste für dich ist, mein Schatz."
Schluckend blinzelte ich und schüttelte mit geschlossenen Augen meinen Kopf. Ich war natürlich schon auf diese kleine Rede vorbereitet gewesen, aber es war jedes Mal aufs Neue etwas verstörend.
Meine Mum war sich bewusst, dass ich keine Jungfrau mehr war. Das machte ihre Belehrungen zudem nicht nur unangenehm sondern auch unnötig.
"Mum-"
"Unser kleines Mädchen wird erwachsen, Donald!", flüsterte meine Mutter gerührt und schaute zu meinem Vater, der mit einem leichten Lächeln im Hintergrund stand.
Da mir bewusst wurde, wie wenig Sinn es machen würde, wenn ich widersprach, schüttelte ich einfach meinen Kopf und drehte mich um.
In meinem Kopf entstanden automatisch Bilder, wie meine Eltern vor meiner geschlossenen Tür standen und durchs Schlüsselloch lunschten oder ihre Ohren gegen das weiße Holz pressten, um keinen Laut zu verpassen. Das Schlimmste daran war, dass ich ihnen solche Taten sogar zu traute...
|Hello Brummbienchen!
Ich dachte, dass mein Wissen über Deutschland besser ist, als bei der Geschichte anderer Länder, aber im Grunde habe ich mich einfach nur kurz durch Wikipedia gelesen... Traurig ich weiß...
Ich muss sagen, dass ich Emily's Familie im Moment ziemlich mag.
Wie sieht es bei euch aus?
Übrigens habe ich mich bei den Platin Awards 2018 angemeldet. Wenn ihr das auch machen wollt, dann geht auf Angora77's Profil. Das ist eine gute Möglichkeit, auch mit unbekannten Storys Erfolg zu haben.
Wenn ihr ein übernatürliches Wesen sein würdet, was wäre es?
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