6|Clueless
"Was haltet ihr von Südafrika?", schlug Kendra mit einem süßen Lächeln vor.
Ich starrte einen Moment in ihr Gesicht und da meine drei Teammitglieder im Moment damit beschäftigt waren, nach einem potentiellen Thema zu suchen und ihre Nasen dabei aufgeregt in den Atlas gesteckt hatten, bemerkte niemand mein Vorhaben.
Schluckend zwang ich ein Lächeln auf meine Lippen und versuchte mein Spiegelbild in den Solarzellen meines Taschenrechners zu erkennen. Als ich die richtige Position hatte und ich meinen Mund betrachten konnte, zog ich erschrocken die Luft ein.
Mein fragwürdiger Versuch, ein genauso makelloses Lächeln zu kreieren, wie es Kendra mühelos konnte, war prächtig nach hinten losgegangen.
Ich entschied schnell, dass sie die Aufgabe des Freudestrahlens übernehmen konnte und ich mehr fürs Rumsitzen geeignet war.
"Alles in Ordnung?", fragte Ángel, der seine Aufmerksamkeit auf mir ruhen ließ, seitdem ich den Taschenrechner mit einem lauten Knall auf den Tisch geschmettert hatte.
Ich starrte ihn einen Moment an und war bereits dabei meinen Mund für eine Antwort zu öffnen, allerdings fiel mir wieder ein, dass ich meinen besten Freund ignorierte.
Ich drehte mich also ohne zu antworten weg, und musste feststellen, dass auch die beiden Ex-Turteltäubchen in meine Richtung sahen.
Kendra hatte ihr perfektes Lächeln auf den Lippen und schob sich eine ihrer goldenen Locken hinters Ohr, während Alex mich einfach nur mit seinen grünen Augen durchbohrte und dabei ein freches Grinsen auf den Lippen hatte. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht durch Zufall meinen Misserfolg mitbekommen hatte.
Schnell begutachtete ich den Atlas und tat so, als würde es nur mich und die Weltkarte geben.
Da ich ja von so perfekten Menschen umgeben war, wobei Ángel als Ausnahme gezählt wurde, waren alle so freundlich und taten so, als wäre nichts passiert. So kam es auch, dass wir erneut versuchten, ein geeignetes Land zu finden, dessen Geschichte einigermaßen spannend war.
Ich tat natürlich nur so, denn was wusste ich schon von der Geschichte anderer Länder? Ich hatte noch nicht mal eine wirkliche Ahnung von der Laufbahn meines Landes, da brauchte ich noch nicht mit einem anderen anfangen.
"Ich fände Russland ganz interessant. Deutschland hat aber eigentlich auch einiges zu bieten.", schlug Ángel vor. Wie ich feststellen musste, hatte der Sack das Bedürfnis eine extra große Ausarbeitung mit vielen Informationen vorzubereiten und ich schien die einzige zu sein, die keine Lust auf so viel Arbeit hatte.
Ich blies gelangweilt meine Wangen auf und starrte, wie so oft, Löcher in die Luft.
Gähnend lehnte ich mich zurück und streckte mich, sodass mein Rücken ein nicht sehr appetitliches Knacken von sich gab. Nachdem sich alles wieder eingerenkt hatte, ließ ich mich auf meinem Platz zusammenfallen und rieb mir meine Augen.
Ich war normalerweise nicht so müde, aber eigentlich lag ich auch nicht bis halb zwei wach und starrte konzentriert auf meinen Laptop, damit ich die verschiedenen Familienkonstellationen einer komplizierten Drama-Serie verstehen konnte.
Als ich meine Müdigkeit gut genug zum Ausdruck gebracht hatte und sie erstmal so weit zurück gedrängt war, dass sie mich im Laufe der Stunde nicht mehr überfallen konnte, sah ich auf.
Ich setzte mich prompt wieder wie ein normaler Mensch hin, als ich merkte, dass ich schon wieder wie ein Alien angestarrt wurde.
"Sorry.", brachte ich kleinlaut hervor und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. So eine Scheiße aber auch! Wieso erwischte man mich auch ständig bei Dingen, die alles andere als normal waren?
Ángel lachte mich aus, so wie es sich für einen besten Freund mit einem Hang zum Arschloch gehörte. Dann versuchte er seinen linken Arm um mich zu schlingen, doch ich reagierte schnell und rutschte mit meinem Stuhl ein Stück weiter um den Tisch.
Dummerweise kam ich so näher an Alex' Revier, sodass ich eilig wieder zurück hüpfte.
"Welches Land würde dich denn interessieren?", fragte der Stillwater Prinz mit sanfter Stimme, die einen Hauch von Belustigung mit sich zog. Ich riss meine Augen ein Stück auf und öffnete meinen Mund, nur um ihn kurz darauf wieder zu schließen.
Nach kurzer Zeit, in der ich mir eine gute Antwort zurechtgelegt hatte, öffnete ich erneut meine Lippen.
"Ich passe mich an."
Das bedeutete so viel wie 'Ist mir schnuppe welches Land wir nehmen.' und 'Ich schreibe zum Schluss eh alles von euch ab, damit ich dasselbe weiß, wie ihr.'
Glücklicherweise verstanden Alex und Kendra das nicht, weil sie noch nie in einem Team mit mir waren. Ángel hingegen hob seine Augenbraue an und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
Er wusste ganz genau, dass ich Referate und Ausarbeitungen immer im letzten Moment von Kimberly abschrieb, wobei ich immerhin die Sätze anders anordnete und ab und zu auch mal eine kleinere Information wegließ, um keinen Verdacht auf mich zu lenken.
Zu oft hatte Ángel mich bereits in Pausen dabei beobachtet, wie ich panisch meinen Stift übers Papier fliegen ließ, da die Zeit knapp wurde.
"Ich finde Deutschland ist gar nicht so eine schlechte Idee. Was meinst du Alex?", meldete sich Kendra mit süßlicher Stimme zu Wort und legte ihre Hand auf seine Schulter.
Alex entzog sich der leichten Berührung mit einem unsicheren Lächeln und einen Moment später trafen sich unsere Blicke.
Kendra schaute mit geröteten Wangen und einer Enttäuschung, die kaum zu übersehen war, auf ihre perfekt manikürten Nägel, während ich unruhig auf meinen Oberschenkeln rum trommelte.
Die Zusammensetzung dieser Gruppe war wohl wirklich nicht so günstig gewählt.
"Ich finde es auch in Ordnung. Meinet wegen können wir es als Thema nehmen.", antwortete Alex.
"Gut, wenn das geklärt ist, dann können wir ja schon damit anfangen, die Gliederungspunkte zusammen zu stellen.", schlug Ángel vor. Ich war mir nicht sicher, ob er die gedrückte Stimmung nicht bemerkte oder ob er sie einfach nur sehr gut ignorierte.
Ich beschloss jedenfalls mich meinem besten Talent zu widmen und rutschte so unauffällig wie möglich in meinem Stuhl nach unten. Nach einigem Hin und Her hatte ich endlich eine bequeme Position gefunden. Zumindest das bequemste, was auf den harten Stühlen in Betracht gezogen werden konnte.
-
"Wie lange willst du mich noch ignorieren? Es ist schon ein ganzer Tag und ich finde es immer noch beschissen. Kannst du mir nicht wenigstens sagen, was ich verkehrt gemacht habe? Dann könnte ich es ja irgendwie wieder gut machen. Aber im Moment wird das schwer, denn ich bin ahnungslos."
'Und wie du das bist', dachte ich mir verächtlich und setzte meinen Weg über das Schulgelände stur fort.
Es gab nur einen Gedanken, der in meinem Kopf ziemlich dominant aufleuchtete. Wie kam ich nach Hause?
Normalerweise fuhr mich mein bester Freund. Er hatte mich jeden Tag in die Schule gefahren und wieder nach Hause gebracht, seitdem er seinen Führerschein hatte. Dass er jedes Mal einen Umweg fuhr, hatte ihn noch nie gestört und ich war ihm für jede Fahrt dankbar.
Aber seit heute Morgen, ging das nicht mehr, da ich nicht mit ihm in einem ziemlich engen Raum und einer unangenehmen Stille zusammensitzen wollte.
Kurzerhand hatte ich meine einzige Initiative ergriffen und meinen Dad gefragt, ob er mich nicht auf dem Weg zu seiner Arbeit an der Schule absetzen konnte. Das hatte er glücklicherweise ohne große Fragerei getan.
Jetzt allerdings gab es das klitzekleine Problemchen, dass ich weder zu Ángel auf den Beifahrersitz hüpfen konnte, noch eine Chance hatte, meinen Vater anzurufen.
Die einzigen Möglichkeiten, die sich also anboten, waren laufen oder Bus fahren.
Nach einem kurzen Moment beschloss ich, dass die paar Kilometer meinen Beinen keinen großen Schaden zufügen würden. Immerhin war McDonald's auch gleich um die Ecke und am Samstag musste ich mich auch damit vergnügen, einen Spaziergang nach Hause zu machen.
Also lief ich auch am Parkplatz vorbei und wurde keine drei Sekunden später aufgehalten.
"Wieso steigst du nicht in den Wagen?", fragte Ángel verwirrt hielt mich am Handgelenk fest.
Ich entriss mich seinem lockeren Griff und warf gedanklich Kühe in sein Gesicht. Leider wirklich nur gedanklich.
"Samstag hattest du ja anscheinend auch kein Problem damit, dass ich nicht ins Auto gestiegen bin! Also mach dir jetzt keine Mühe!", zischte ich und lief mit großen Schritten davon.
Sollte er sich mal schön Gedanken um die Sache machen. Vielleicht würde ihm sogar irgendwann sein Fehler auffallen, er war doch auch so ein Intelligenzbolzen.
Wütend kramte ich meine Kopfhörer aus meinem Rucksack und warf ab und zu einen Blick nach vorne, damit ich nicht ganz plötzlich auf der Straße stand.
Als ich mir meine Musik anmachte und die ersten Töne meiner Montags-Playlist durch meinen Kopf dröhnten, fing ich sofort unbewusst an, mit zu summen und entspannte.
Wann genau das Ganze in einen lauten Gesang überging, wusste ich nicht genau. Möglicherweise in dem Moment, in dem mein Lieblingslied begann. Vielleicht auch schon viel eher, wer weiß?
Die ein oder anderen komischen Blicke wurden mir nach einer Weile schon zugeworfen, aber ich dachte mir nichts dabei.
Es war ja auch nicht so, dass ich grottenschlecht war. Früher wurde ich immerhin von meiner gruseligen Großtante dazu verdonnert, bei ihr Gesangsunterricht zu nehmen. Davon war Mum begeistert gewesen, ich eher weniger. Trotzdem hatte es zu meiner Leidenschaft für Musik beigetragen und singen konnte ich letztendlich auch ganz gut.
Bevor meine ungewollte Vorstellung jedoch in einem meilenweit hörbaren Rumgekreische mit komischen Bewegungen ausarten konnte, wurde ich an der Schulter angetippt.
Zu Tode erschrocken, fuhr ich mit einem fast schon animalistischen Brüllen herum und riss mir dabei meine Kopfhörer von den Ohren.
"Verdammte Scheiße! Tu das nie wieder oder ich werde vor Schreck meine Hose vollpinkeln!"
Ich hatte noch keine Ahnung, mit wem ich da überhaupt sprach, weil ich mich noch nicht ganz gefasst hatte, aber als ich es dann sah, konnte ich nicht anders als meine Augen zu verdrehen.
Wenn man dachte, es konnte nicht schlimmer kommen, dann sprang er aus seinem Loch hervor und zeigte mir, dass es möglich war.
|Hiya ihr Sesselpolster!
Ich finde Kapitel 6 gar nicht so schlecht.
Und ich habe übrigens nur Deutschland genommen, weil ich aus Deutschland komme und ich vielleicht dabei ein kleines bisschen mehr Ahnung habe. als bei anderen Ländern.
Irgendwelche neuen Erkenntnisse zu den Figuren?
Ich kann ja nur sagen, dass sie einigen Vorstellungen und Erwartungen nicht entsprechen. Besonders Kendra hat schon einige Vorurteile abbekommen.
Falls Fragen sind oder ihr irgendetwas anderes auf dem Herzen habt, dann könnt ihr sie wie immer stellen oder mich anschreiben
Schönen restlichen Tag euch allen.
Flauscheball xx
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