43|A real Date
Ich wusste nicht, ob das, was ich getan hatte, richtig gewesen war. Ich wusste nicht mal wirklich, was genau ich getan hatte.
Vielleicht war nach meinem Abgang jede Chance, die Alex und ich hatten, vermasselt. Und vielleicht hatte ich Alex verletzt. Aber die eine Hälfte meiner alles andere, als hilfreichen Gedanken, versuchte mir immer und immer wieder einzureden, dass ich das einzig Richtige getan hatte.
Vielleicht hatte es Aussichten gegeben, dass das, was auch immer zwischen Alex und mir gewesen war, größere Bedeutung hätte bekommen können. Aber wenn Kendra und er füreinander bestimmt waren, dann wollte ich gar nicht das Risiko eines gebrochenen Herzens eingehen.
Ich musste mir aber doch irgendwie eingestehen, dass genau das in diesem Moment ziemlich wehtat und mich nicht unbedingt zu der besten Stimmungskanone aller Zeiten machte.
Ich saß mit verschränkten Armen auf der großen Couch in unserem Wohnzimmer, eine Wolldecke über meinen Körper drapiert. Meine Augen waren auf dem laufenden Fernseher fixiert, aber ich realisierte nicht wirklich, was gerade lief.
„Emily, Schatz... willst du einen Kakao?", fragte meine Mum vorsichtig vom Türrahmen aus. Ich schüttelte langsam den Kopf und hörte ihr Seufzen. Kurz darauf setzte sie sich neben mich und nahm mich in ihre Arme.
„Ach, Schatz..."
„Mum, ich weiß einfach nicht, was ich jetzt tun soll."
Meine Mutter strich mir sachte über die Haare und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
„Rede mit Alex. Ich bin mir sicher, dass er es besser verkraftet, als du. Und wenn du ihm alles erklärst, wird er es verstehen."
Alles andere als überzeugt, kuschelte ich mich stärker an sie. Ich konnte mir nicht vorstellen, was Alex machen würde, wenn ich ihm jetzt gegenüber stehen würde. Ich wusste ja selbst nicht mal, was ich an seiner Stelle tun würde.
Ich hatte ihn schließlich gekorbt, wenn man das so sagen konnte. Und auch, wenn er es eigentlich irgendwie gewöhnt sein müsste, weil er ja bis vor einiger Zeit nichtmal in meine Nähe gekommen war, ohne, dass ich ihn abgewiesen hatte, war es nun doch etwas anders.
"Ich weiß nicht..."
"Weißt du, Schatz. Du wirst ihm ab jetzt nicht für immer aus dem Weg gehen können, nur weil mal etwas zwischen euch vorgefallen ist. Und ich kann mir denken, dass Alex früher oder später sowieso wieder zu dir kommt und mit dir reden will."
Ich wusste, dass meine Mutter recht hatte. Immerhin kannten wir Alex nun irgendwie und er war eindeutig hartnäckig.
Für eine Weile saßen wir beide Arm in Arm da, starrten zum Fernseher und sagten gar nichts. Dann wurden wir aus unserer Position gerissen, als wir einen Schlüssel in der Tür hörten.
Neugierig schauten wir beide auf und beobachteten, wie mein Dad mit Aktentasche das Haus betrat. Er warf uns einen kurzen Blick vom Flur aus zu und legte die Schlüssel weg.
"Hallo, Ladies. Ich habe Besuch mitgebracht."
Mein Vater grinste, als ob er sehr stolz auf etwas sein würde und dann schaute er hinter sich. Mit einer energischen Handbewegung, bat er den Gast hinein und wir warteten nicht lange, bevor wir ihn zu Gesicht bekamen.
Mein Herz rutschte mir augenblicklich in die Hose und ich wusste nicht, ob mein Gesicht aschfahl oder puterrot geworden war.
Natürlich musste gerade jetzt Alex hier auftauchen. Mein Mutter stand eilig auf und begrüßte Alex. Nicht so enthusiastisch, wie normalerweise, aber trotzdem freundlich. Ihr Blick lag jedoch eher mitleidig auf dem Jungen. Dann stellte sie sich zu meinem Dad. Es sah ganz so aus, als würde sie versuchen, ihm mitzuteilen, dass Alex momentan eher nicht ganz so erwünscht war.
Da mein Dad nicht wirklich eine Ahnung hatte, von dem was vorgefallen war, schüttelte er nur verwirrt seinen Kopf und meine Eltern verschwanden beide in der Küche.
Mit langsamen Schritten kam Alex in meine Richtung gelaufen, sein Blick fast schon peinlich berührt nach unten gesenkt. Ich sah wahrscheinlich genauso unbeholfen aus, als ich mich aus meiner Decke schälte. Für einen Augenblick dachte ich nach, wie genau ich hier vor ihm stand. Und wie das Schicksal nicht anders wollte, sah ich mal wieder aus, als hätte ich nicht das geringste bisschen Ahnung von Mode.
Meine Haare waren in einem unordentlichen Zopf gebunden, mein Gesicht machte wohl den Anschein, als ob ich eine ganze Woche durchgefeiert hätte und das Wort Schlaf nicht kannte. Ich trug dunkelblaue Shorts, ein hellgelbes Top und darüber ein Flanell. Und um alles rund abzuschließen, steckten meine Füße in roten Kuschelsocken. Als Modeikone konnte ich also locker durchgehen.
Als Alex vor mir ankam, richtete er seinen Blick auf mich. Ich biss mir von innen auf die Wange, als ich sein Gesicht sah. Das blaue Auge und die aufgeplatzte Lippe deutlich zu sehen.
"Hey", sagte er.
"Hi"
Er fuhr sich nervös durch die Haare und ging dann über, sich über seinen Nacken zu streichen. Da ich nicht genau wusste, was ich tun sollte, machte ich einfach genau das, was jeder andere auch tun würde.
„Tuts weh?" Für einen Moment runzelte Alex die Stirn, als wäre er sich nicht ganz sicher, auf was das bezogen war. Dann realisierte er und zuckte mit den Schultern.
„Wenn ich ja sage, hättest du dann Mitleid und würdest mir die Chance geben, mit dir zu reden?" Ich starrte ihn einen Augenblick an und mein Gehirn versuchte auf Hochtouren, einen zusammenhängenden Satz zusammen zu bekommen.
„Erstens reden wir schon. Und zweitens hast du dich selbst in die Lage gebracht, also habe ich kein Mitleid." Das war gelogen. Ich fühlte mich unglaublich schlecht und egal wie "Badass" es aussehen mochte, konnte ich den Anblick eines halb zusammen geschlagenen Alex' nicht ertragen. Außerdem hatte er sich ja quasi nur wegen mir geprügelt.
„Ems, du weißt, was ich mit reden meine. Lass mich alles erklären.", flehte Alex und rutschte noch näher zu mir. Ich seufzte und nickte langsam.
„Ich weiß zwar nicht, was es noch zu erklären gibt.... aber gut. Komm mit."
Ich gab mich geschlagen, drehte mich um und lief auf die Terrassentür zu. Hier drin würde ich besser keine ernsthaften Gespräche mit Alex führen. Die Chancen, dass meine Eltern lauschten und uns störten, waren einfach zu groß.
Mit ihm im Schlepptau, ließ ich mich auf die Couch auf der Terrasse fallen und klopfte halbherzig auf das Polster neben mir. Ohne zu zögern, ließ sich Alex darauf nieder.
„Emily, ich will dich."
Mit weit aufgerissenen Augen wandte ich mich Alex zu, der mit seinen direkten Worten einen Schauer über meinen Körper fahren lassen hatte. Er konnte doch nicht einfach so mit der Tür ins Haus fallen und sowas sagen!
Meinen entgeisterten Blick nicht regestrierend, da seine Augen auf den Boden gerichtet waren, fuhr Alex fort.
„Du denkst vielleicht, dass der Kuss zwischen Kendra und mir irgendwas ändert, aber das tut er nicht. Ich habe mich vor Wochen von ihr getrennt. Und würde ich auch nur ein winziges bisschen denken, nochmal mit ihr zusammen zu kommen, dann hätte ich ihr wahrscheinlich schon eine zweite Chance gegeben. Aber das habe ich nicht."
Er sah zu mir. Seine grünen Augen leuchteten in der Sonne und ich hatte das dringende Bedürfnis, ihn für Stunden anzustarren und jedes noch so perfekte Detail in seinem Gesicht zu analysieren. Was immer diese Junge mit mir machte, es war unfassbar.
„Ich mag dich. Wirklich. Und ich glaube, dass das zwischen uns was werden kann. Aber es liegt bei dir und wenn du denkst, dass es nicht funktioniert, dann respektiere ich das. Ich will dich in keine Situation drängen. Und auch, wenn ich in letzter Zeit das Gefühl hatte, dass auch du Interesse hast, verstehe ich es, wenn du abblockst."
Ich verfluchte Alex innerlich dafür, dass er mich mit seinen Worten um den Finger wickeln konnte, als wäre ich eine labbrige Spaghetti. Aber im Endeffekt lag es ja nicht nur an ihm, sondern auch an dem kleinen, nagenden Stimmchen in mir, was einfach wollte, dass ich mein Widerstreben ablegte und Alex einfach direkt heiratete. Sicherlich wurde es irgendwie von meiner Mutter in meinen Kopf geplatzt.
Laut seufzend starrte ich auf meine Hände und schürzte meine Lippen. Zwar schrien in meinem Hinterkopf weiter die paar Stimmchen, die mir klar machen wollten, dass Alex jemanden verdiente, der weitaus perfekter war. Aber ich überlegte ernsthaft, ob es denn so schlimm war, dem ganzen eine wirkliche Chance zu geben? Immerhin hatte er mir bisher noch keine Seite von ihm gezeigt, die darauf hinwies, dass er mir das Herz brechen würde. Und selbst wenn er das tun würde...
Was dann? Dann würde ich neue Erfahrungen sammeln und irgendwann könnte ich sagen, dass ich es ja schon immer von Anfang an gewusst hatte.
Als ich meine Meinung gebildet hatte und auch halbwegs sicher war, dass ich die richtige Entscheidung traf, schaute ich in Alex' hoffnungsvolles Gesicht.
"Okay."
Alex sah mich für einen Moment an, als wäre er nicht sicher, was dieses eine Wort bedeutete. Dann konnte ich zusehen, wie er versuchte ein aufkommendes Lächeln zu unterdrücken. Zögerlich rutschte er näher, seine Augenbrauen nach oben gezogen.
"Okay bedeutet jetzt was genau?"
Ich presste meine Lippen etwas zusammen, um nicht meine eigene Erleichterung zu zeigen. Denn nur weil ich Alex nun anscheinend vollkommenen Zutritt zu meinem Herzen gewährte, musste das nicht gleich heißen, dass ich mich komplett änderte und es ihm einfach machte.
"Okay bedeutet, dass du mich auf ein richtiges Date ausführen darfst."
Hätte ich beschreiben wollen, was sich auf Alex' Gesicht abspielte, als er das hörte, würde ich wahrscheinlich nicht die passenden Worte dafür finden. Er fing einfach an zu strahlen und steckte mich innerhalb kürzester Zeit an.
"Du wirst deine Entscheidung nicht bereuen", grinste er und einen Moment später zog er mich ohne jegliche Vorwarnung zu sich, sodass ich halb auf seinem Schoß saß und seine Lippen pressten sich auf meine.
Ohne es verhindern zu können, lehnte ich mich lächelnd in seine Arme und erwiderte den Kuss. Die Schmetterlinge in meinem Bauch spielten so verrückt, wie nie und vor meinen geschlossenen Augen tanzten Sterne und Lichter.
Es fühlte sich richtig an, als Alex seinen Kopf etwas neigte und meine trockenen Lippen über seine ziemlich weichen glitten und wahrscheinlich wären wir noch ewig in dieser Position verharrt, wären da nicht meine Eltern gewesen.
"Kinder, vielleicht solltet ihr das auf Drinnen verschieben."
Auf die Stimme meines Vaters hin, riss ich meinen Kopf in Windeseile zur Terrassentür, wo sowohl meine Mum, als auch mein Dad standen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich sie an, aber sie schienen sich keiner Schuld bewusst, und grinsten einfach nur vor sich hin, als mein Vater einen Arm um meine Mutter legte.
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