27|The right Moment
»Liebe Gäste, ich würde euch alle bitten, zur Tanzfläche zu kommen.«, schallte die Stimme des Bräutigams durch das Mikrofon und sorgte damit für ein heilloses Gewühle unter den Menschen. Natürlich waren alle gespannt, was jetzt kommen würde und keiner wollte etwas verpassen.
Die Meute sammelte sich rund um die Tanzfläche und ich quetschte mich einfach mit hinein, neben meinen Bruder, der es mittlerweile soweit mit Jamie gebracht hatte, dass er seinen Arm selbstbewusst um sie geschlungen hatte.
Alex war nicht mehr aufgetaucht, was komischerweise leichte Besorgnis in mir ausgelöst hatte. Ihn suchen war mir zwar in den Sinn gekommen, allerdings hatte ich die Idee wieder verworfen, als mir bewusst wurde, dass er überall hin verschwunden sein könnte.
Das wiederum hatte mich noch mehr verschreckt, weil der Gedanke, dass er alleine im dunklen Wald umher lief, war nicht wirklich beruhigend.
Letztendlich hatte ich mich damit abgefunden, dass er nicht wiedergekommen war und vielleicht einfach jemanden zum Reden gefunden hatte. Vielleicht hatte er auch eingesehen, dass ich doch nicht so cool war und nun würde er mich in Ruhe lassen.
Dylan hatte irgendwann gemerkt, dass meine Gedanken woanders waren, als bei der Hochzeit und hatte angefangen, mich mit in Gespräche einzuwickelnd, sodass ich den Plan, Jamie mehr kennenzulernen, unbewusst weiterverfolgte. Und so kam ich jetzt zur Tanzfläche, nicht unbedingt überglücklich, weil ich nun als einsame Unbekannte zwischen den anderen umher irrte, aber die Hochzeitsfeier war in meinen Augen immer noch wundervoll.
»Ich bedanke mich noch einmal, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid. Das bedeutet mir viel und ganz besonders Camilla. Danke an alle, die diesen wundervollen Tag ermöglicht haben und Danke an alle, die Teil an diesen Momenten haben. Ich hoffe, ihr habt alle Spaß und genießt alles so, wie wir es tun. Bevor wir gleich den offiziellen Eröffnungstanz vorführen, will ich mich noch einmal bei meiner wundervollen Ehefrau bedanken. Ich weiß, dass man es mit mir nicht immer leicht hat, aber du nimmst mich so, wie ich bin. Du gehst mit mir durch alle guten aber auch alle schlechten Zeiten. Du bist an meiner Seite, wann immer ich dich brauche und dafür liebe ich dich. Es gibt noch viele Dinge, die ich aufzählen könnte, warum du so toll bist, wieso ich mich in dich verliebe, jeden einzelnen Tag aufs Neue. Aber ich will nicht, dass die Gäste davon rennen, weil ich so lange brauche. Also, fühlt euch herzlich dazu eingeladen, an diesem Moment festzuhalten und teilzuhaben.«
Die Gäste verfielen in einen lautstarken Applaus und ich erhaschte einen kurzen Blick auf die Braut, die zu Tränen gerührt auf Thomas zu lief und ihn küsste. Ich lächelte. Wenn ich jemals jemanden heiraten würde, dann wäre mein größter Traum, dass mich mein Mann genauso anschaut und wertschätzt, wie Thomas es mit Camilla tat.
Die Live-Band fing an einen langsamen Song zu spielen und das Paar fing an zur Melodie zu schwenken. Nach und nach gesellten sich weitere Paare auf die Tanzfläche und es dauerte nicht lange, da entschloss ich mich, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen.
Mit einem leichten aber eindeutigen Schubsen bedeutete ich Dylan und Jamie sich den Tanzenden anzuschließen, was sie nach einem leichten Gekicher auch endlich taten.
Zufrieden stand ich am Rand und überlegte, ob ich mich wieder hinsetzen sollte, weil ich bald die einzige sein würde, die alleine stand, doch bevor ich das tun konnte, tauchte eine Person neben mir auf. Als ich aufschaute, sah ich in Alex' lächelndes Gesicht.
Der goldene Schein der Lichterketten ließ seine Züge fast unwiderstehlich aussehen und seine Augen blitzen leicht auf, als er seine Hand vor mich hielt.
»Darf ich bitten?«, fragte er leise und biss sich auf die Lippe.
Mit leicht geöffnetem Mund, überlegte ich für den Bruchteil einer Sekunde, ob ich ablehnen und lieber den Abend alleine, mit einem Glas Sekt und schokolierten Erdbeeren verbringen sollte, doch ich entschied mich stattdessen dafür, meine Hand in seine zu legen.
Mit einem unterdrückten Grinsen führte Alex mich zwischen den tanzenden Paaren hindurch, bis wir einen Platz fanden, an dem man sich bewegen konnte, ohne in jemand anderen hineinzufallen. Zögerlich schlang ich meine Arme um seinen Nacken, den Blick mit Absicht nach unten geneigt, sodass er nicht sehen konnte, wie peinlich mir das gerade war.
Hätte mir mal einer gesagt, dass ich Alex Walter so nahe kommen würde, hätte ich ihm wahrscheinlich eine Bratpfanne über den Kopf gehauen und lauthals los gelacht. Aber jetzt waren wir hier.
Alex legte seine linke Hand auf meine Taille, während er die andere um mich schlang und sie schlussendlich auf meinem unteren Rücken liegen blieb. Dann fingen wir an, wie die restlichen Pärchen zu tanzen.
Gott, ich hoffte nur, Dylan würde hiervon nichts mitbekommen. Er würde mich in Grund und Boden mobben.
»Wo warst du so lange?«, fragte ich nach einer kleinen Weile und schaute auf, als ich mir sicher war, dass meine Wangen keine rötliche Färbung mehr hatten. Alex sah mich fast so an, als wäre ich das einzige, was er wahrnehmen konnte. Er bekam wahrscheinlich nicht mal die Menschen um uns herum mit.
»Ich... habe nachgedacht.«, war seine Antwort. Mit gerunzelter Stirn wartete ich auf eine bessere Erklärung, doch es kam keine. Stattdessen nahm er seine Hand von meiner Taille und strich mich sachte eine Strähne aus dem Gesicht.
Ich musste mich zurückhalten, um nicht zu offensichtlich zu zeigen, dass mir die Situation zu schaffen machte und klammerte mich automatisch fester an Alex. Verdammt, wann war dieses Lied, dieser Tanz zu Ende?
»Worüber?«
»Über dich.«
Unbewusst waren wir zum Stillstand gekommen, sodass alle um uns herumtanzten und wir wie Säulen dastanden und uns gegenseitig anstarrten.
»Über mich? Oh okay... Ich hoffe, du hast nicht drüber gegrübelt, wie du mich am besten umbringen kannst.«, versuchte ich zu witzeln, aber mir war selber bewusst, wie dämlich das gewesen war. Das war der Moment, in dem ich einfach meine Hand fest gegen meine Stirn knallen wollte. Doch ich tat es nicht. Alex zog kurz seine Mundwinkel hoch, dann wurde er wieder ernst.
»Ich habe überlegt, wann der richtige Moment ist...«
»Der richtige Moment für was?«, wollte ich auf die leise Aussage hin wissen und wartete ein paar Sekunden auf die Antwort.
»Um dich zu küssen.«
-
Wenn mir jemand, den ich bis auf den Knochen nicht ausstehen konnte, so etwas mitgeteilt hätte, wäre ich an die Decke gesprungen, hätte um mich geschlagen, mit meiner geliebten Bratpfanne auf den Spinner eingedroschen, ihm gedroht oder ihn eiskalt ausgelacht.
Doch ich tat nichts davon, stand einfach nur da und schaute in die grünen Augen, die versuchten, zu lesen, was ich dachte. Ich ließ meine Arme langsam von seinem Nacken nach unten gleiten. Weil mich das alles zutiefst schockte, oder weil ich wartete, konnte ich selbst nicht genau sagen.
Alex' Hände umschlossen mein Gesicht und ich fragte mich, was er von meiner nicht allzu aussagekräftigen Reaktion hielt, doch das verflog in dem Moment, als er sich nach unten beugte, das Risiko, von mir weggestoßen zu werden, einging und seine Lippen auf meine legte.
Hätte ich mir jemals einen Kuss mit Alex vorgestellt, dann wären meine Erwartungen mit höchster Wahrscheinlichkeit erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen wurden.
Doch ich hatte mir einen Kuss mit ihm noch nie ausgemalt, deshalb fühlte ich mich beinahe so, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Seine weichen Lippen auf meinen, verursachte, dass ich nicht mehr klar denken konnte und es war, als hätte ich mich zulange mit einem Schreibtischstuhl gedreht, sodass die Welt um mich herum ein einziges Schlamassel ergab.
Als Alex sich etwas von mir entfernt hatte, die Hände trotzdem noch an meinem Gesicht, schaute er mich aufmerksam an und schluckte hart.
Womöglich hätten Worte meinerseits geholfen, ihn zu beruhigen, doch ich bekam nicht einen Ton aus meiner Kehle.
Es war, als wäre ich nicht mehr in der Lage, meine Gefühle auszudrücken und ehrlich gesagt, verunsicherte das nicht nur den Jungen vor mir, sondern auch mich selbst.
Ich war doch schon immer davon überzeugt gewesen, dass Alex Walter nicht in mein Leben gehörte. Und jetzt kam er in seinem unerträglich noblen Anzug und küsste mich und brachte alles in mir in Aufruhr!
Mein Kopf schien für einen Moment klar zu werden. Ich wurde mir des heißen Atems auf meinem Gesicht bewusst. Mir wurde klar, dass nun schon mehr passiert war, als ich jemals hätte zulassen dürfen.
Und dann schaltete mein Kopf wieder ab, die Gedanken spielten verrückt und es war Zeit, mein Herz machen zu lassen.
»Ich schätze, es war der richtige Moment.«, flüsterte ich gegen seine Lippen und keine Sekunde später lagen meine erneut auf seinen.
Ich schlang meine Arme enger um seinen Hals, während er mich an der Hüfte näher zog. Es schien, als wäre das, das gewesen, auf was er schon Ewigkeiten gewartet hatte und nun hatte Alex es erreicht.
Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite und für einen Moment berührten unsere Lippen sich nicht, sodass ich Luft holen konnte. Dann spürte ich seine Zunge in meinem Mund und ich gab komplett nach.
Mein Körper gegen seinen gepresst, ausgeliefert und mit Beinen, die sich anfühlten, wie Pudding, stand ich da. Inmitten von fremden Menschen, aber es war nicht so, als hätte mich das in diesem Moment gekümmert.
Ich wusste nicht, worüber ich nachdachte. Vielleicht darüber, wie gut Alex küssen konnte, oder aber wie schön dieser Augenblick war. Ich dachte aber auf keinen Fall darüber nach, was das für Konsequenzen haben würde.
I AM SCREAMING
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