Acht
„Nein, ich gebe es dir nicht zurück. Du machst deine Hände damit kaputt!"
„D-du kannst es nicht verstehen!", schrie er mich an und versuchte an die Flasche ran zukommen, die ich hinter meinen Rücken versteckt hatte, damit sie so weit wie möglich von ihm weg war. „Gib sie mir wieder! Was muss ich machen, damit du sie mir wieder gibst? Ich brauche sie...sonst fühle ich mich dreckig." Fast hätte Felix die Flasche zu fassen bekommen. Seit Monaten waren wir uns wieder nah. Auch wenn es ungewollt war. Ich legte meine Hand auf seinen Rücken, um ihn zu umarmen. Ich muss ihn beruhigen. Felix drehte gerade komplett durch. Sobald ich ihn berührte, zuckte er zusammen. „HÖR AUF!", schrie er mich an. „Hör auf mich zu berühren und gib mir diese verdammte Flasche wieder oder ich...ich." Felix' Stimme war voller Panik. Er verstummte. Nur sein Auge zuckte komisch. Er war wie auf Entzug. „Changbin...." Felix starrte mich an. Sein ganzer Kopf zuckte. „Ich....ich bin schmutzig...meine Hände sind schmutzig..." Er zeigte mir seine verätzten Hände. „Und deswegen brauche ich das Desinfektionsmittel...oder ich drehe durch..." Dabei ist er schon längst am durchdrehen. Felix machte mir Angst. Er ist wie ausgewechselt. Als würde er aus einem kranken Film entlaufen sein. „Ich bin schmutzig...es tut mir Leid, Changbin...es tut mir so Leid....bitte gib mir das Desinfektionsmittel und alles wird gut...okay? Dann kann ich wieder sauber sein....aber bitte....". Seine Finger zitterten. Nur ich konnte ihn aus dem Wahnsinn treiben, der ihn gerade überfällt. Entweder ich könnte ihn weiter so durchdrehen lassen oder ich lasse zu, dass er sich noch mehr die Hände verätzt. „Unter einer Bedingung, gebe ich dir das Zeug zurück."
„Wirklich? Ich mach alles was du willst, Changbin. Alles."
„Geh mit mir zum Arzt wegen deinen Händen." Felix nickte wie wild. „Ja, kannst du haben." Ich gab ihm die kleine Plastikflasche wieder. Felix freute sich wie ein kleines Kind, das gerade kostenlose Süßigkeiten geschenkt bekommen hatte. Er grinste und wusch sich sofort die Hände damit. Ich schaute weg, weil ich es nicht übers Herz brachte, wenn sich Felix so verletzte. Nach und nach beruhigte sich Felix und er war wieder normal. Er trocknete die Hände mit Papiertüchern ab, die neben dem Waschbecken lagen. Dann verband er seine Hände wieder mit den Verbänden. Schuldbewusst drehte er den Kopf zu mir. „Kannst du das bitte für dich behalten? Ich hab Angst, dass mich dann alle auslachen..." Was dachte eigentlich Felix von mir? Nie würde ich ihn verraten. Dafür liebe ich ihn zu sehr. Das gerade hat mich zutiefst verletzt. Felix so durchdrehen zu sehen. Nein, das will niemand sehen. Es kann einen das Herz brechen. „Keine Sorge, ich werde es niemand sagen."
„Danke."
Felix ging an seinen Platz und räumte sein Zeugs, was noch auf seinen Tisch stand, in seine weiße Tasche. „Hey Felix? Hast du Lust zu uns in der Cafeteria zu sitzen? So wie früher?" Ich vermisse ihn. Es fühlt sich nicht mehr gleich an, seit Felix sich nicht mehr in den Pausen zu uns setzte. Als würde ein Stück von uns allen fehlen. „Nein, danke. Wenn du gehst, schließ bitte ab und gib den Schlüssel Frau Lee. Ich gehe jetzt", sagte er uns lief zu der Tür. „Und Changbin? Vergiss mich, okay?" Er drückte die Klinke runter und ging. Ich soll ihn vergessen? Nein, das kann und werde ich nicht. Diesen Wunsch kann ich ihm nicht erfüllen. „Warte!" rief ich ihm nach. Ich wollte ihm nach rennen, doch ich wollte Felix auch nicht weiter strapazieren. Das im Chemieraum hatte ihm gereicht. Deswegen lief ich in die Cafeteria, wo ich mich zu meinen Freunden saß. „Bist du ins Klo gefallen oder wieso kommst du so spät?", fragte mich Minho. Seungmin bot mir seinen Muffin an, weil die Schlange an der Essensausgabe zu lang war. Dankend nahm ich ihn an. „Nein, ich hab nur mein Mäppchen vergessen und musste erst die Lehrerin suchen, damit sie mir die Tür aufschließt.". Das mit Felix kann ich ihnen nicht sagen. Das würden sie nicht verkraften. Ich selber konnte das nicht wirklich verkraften. Felix irrer Blick sah ich immer noch vor mir. Wo er jetzt war? Ich hab ihn nicht mehr in der Cafeteria gesehen. „Changbin? Hey, ich hab dich was gefragt", kam es von Jeongin, der links von mir saß. „Hm?" „Du warst ja komplett weg", fügte Hyunjin hinzu.
Den ganzen restlichen Schultag musste ich an Felix denken. An seine Reaktion. Am liebsten würde ich mit ihm schreiben aber er mich ja geblockt. Ich will ihn nicht vergessen. Ich will wieder den alten Felix zurück. Derjenige, der mit uns seine Zeit verbrachte hatte. Nicht der Einzelgängerfelix, der sich in seiner weißen Kleidung vor der Welt versteckte. Ich wollte ihm helfen, was auch immer es war. Die Erinnerung an den schrecklichen Tag aus seinem Kopf treiben, damit ich meinen alten Felix zurück bekommen kann. Ich vermisse ihn jeden Tag. Ich vermisse sein Lächeln, wenn er mich sieht. Seine glitzernden Augen, sobald Jeongin und Jisung etwas lustiges sagen. Heute vermisse ich ihn besonders stark. Weil ich weiß, dass er nicht mehr der Alte wird.
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