
| 7. Kapitel |
„Redet Ihr Bruder gerne in Formen von Metaphern oder Symbolen?" Es war eine Frage die ihr auf der Zunge brannte. Sie wollte schon von Anfang an wissen, weswegen Mr. Beaufort sich als die ‚Box' und sie selber als Pandora bezeichnete oder sie am Anfang mit der Warnung von Dädalus an Ikarus begrüßt hatte. Lolas Lippen waren ganz leicht geöffnet, ihre braunen, großen Augen waren erschöpft, ihr blasser Hautton ließ sie einer kränklichen Schneewittchen erinnern. „Er sprach gerne über griechische Mythologien." Ihre Stimme war leise und Lola sah sie einfach nur an, mit diesem undefinierbaren, leeren Blick in den Augen. „Und über welche sprach er am liebsten?" Sie merkte, wie Lola innerlich mit sich rang, so als würde sie auf diese Frage eine viel zu riskante Antwort liefern. „Über viele halt. Es gibt eben sehr viele." Lola befeuchtete ihre trockenen Lippen, strich sich eine lose Haarsträhne mit ihren dürren Fingern hinters Ohr und sie begann nervös durch ihr eigenes Wohnzimmer zu blicken. War diese Frage vielleicht eine Möglichkeit zu mehr als nur einem einzigen, kleinen Teil der Wahrheit? „Auch über solche, wie Ikarus und der Büxe der Pandora?" Sie starrte gebannt auf die dünne Frau vor ihr. Versuchte sich jeder ihrer kleinsten Bewegungen zu prägen, denn es könnte alles eine Antwort für sie sein. Dieses mal wollte sie nicht mit leeren Händen hier hinaus gehen. „Ja, die zum Beispiel. Pandora's Box war seine liebste Erzählung, doch auch mochte er die von Prometheus sehr gerne. Oder die von ... von Ikarus." Lola war nervös. Sie kratzte sich ungemein oft an ihrem Hals, dass dort schon rote Striemen zu sehen waren. War das so ein großes Geheimnis, dass Mr. Beaufort griechische Mythologien liebte? Plötzlich kam ein kleines Mädchen, mit goldgelockten Haaren, weit geöffneten Armen und einem Lachen auf den Lippen, dass jeden an einen Engel erinnern ließ, ins Wohnzimmer. Dieses kleine, unglaublich süße Mädchen kam wie aus dem nichts hinter diesem viel zu steifen und geschockt da stehenden Mann hervor. Zuerst war sie verwundert, woher kam nur dieses kleine, kaum älter als fünf Jahren erscheinende Mädchen und der Mann? Der Mann sah aus, als wäre er schon mindestens Anfang vierzig. Er sah wie Lola viel zu müde und auch dünn aus. Sein dunkelbraunes Haar fiel ihm schlaff in seine Stirn, die schon tiefe Furchen aufwies. Als sie innerlich die beiden Leute miteinander vergleicht, bemerkte sie, dass beide wahrscheinlich älter wirkten, als sie in Wirklichkeit waren. Das kleine Mädchen schien sie selber nicht zu bemerken und rannte nur voller Freude zu Lola. In dem engelsgleichem Haar des Mädchens waren Blumen gesteckt worden. Charlotte fühlte sich auf einmal viel zu fremd an diesem Ort und sie wusste nicht genau, was sie nun machen sollte. ,,Mama! Schau was ich hier für dich habe!" rief das kleine Mädchen und Charlotte stockte. Wie konnte das sein? In dem Stammbaum stand doch, dass Lola und ihr Mann Hendrick, keine Kinder hatten. Wie war sowas möglich? Der Mann an der Wohnzimmertür blickte immer noch vollkommen verwundert ins Zimmer. Er schien wie eine Statue zu wirken. Auf einmal stand Lola auf, nahm ihre Tochter an ihre Hand und ging ein paar Schritte auf den Mann zu. ,,Hendrick." Aha, dachte sich Charlotte. Das war dann wohl ihr Mann, Hendrick Stevens. ,,Das ist Charlotte, sie ist - Sie ist eine ehemalige Freundin von mir." Sie sah wie Lola kurz stockte und verunsichert zu ihr blickte. Charlotte merkte wie sich die Röte in ihrem Gesicht schlich und sie verfluchte Lola, wegen ihrer Lüge. Sie war doch selber eine grottenschlechte Lügnerin. Hendrick sah abwechselnd von seiner Frau zu ihr. In seinem Kopf schienen die aller Möglichsten Räder sich zu drehen und sie selber bemerkte, wie ihre Hände wieder widerlich kalt und schwitzig wurden. Sie hasste es. ,,Hallo. Hendrick Stevens mein Name." Er kam dann plötzlich auf sie zu, mit großen Schritten und vollkommen unerwartet, dass sie mit einem komischen Ruck von dem beigen Sofa aufstand und dem hochgewachsenen Mann, ihre kalte Hand reichte. ,,Freut mich. Charlotte Bamford." Er nickte einfach nur gezwungenermaßen Lächelnd und schien verunsichert zu sein, was er genau nun machen sollte. Gerade jetzt wirkte er wie ein kleiner Junge, der im großen weiten Wald sich verloren hatte. ,,Schatz, kannst du bitte Vanessa beim umziehen helfen?" Fragte plötzlich Lola und sie schien uns aus der misslichen Lage gerettet zu haben. Er nickte sofort und schien schon fast erleichtert zu wirken, ergriff die Hand seiner kleinen Tochter und ging mit ihr wieder aus dem Wohnzimmer. Als beide das Wohnzimmer verlassen hatte, hörte sie noch, wie das kleine Mädchen, wahrscheinlich Vanessa, wohl ihren Vater fragte, wer das fremde hübsche Mädchen von eben sei. Und innerlich musste sie vor Glück strahlen, weil die Kleine sie hübsch fand. Als nur noch Charlotte und Lola im Wohnzimmer standen, sah Lola mit besorgter Miene zu ihr und fing sich wieder an an ihrem Nacken zu kratzen, was die Striemen sich nur verschlimmerten. ,,Entschuldigen sie mich bitte für die Umstände. Ich wusste nicht, dass mein Mann so früh von der Arbeit kommen würde." Charlotte nickte nur und ging erst gar nicht auf die Lüge von vorhin ein, dass sie eine ehemalige Freundin von ihr sei. Lola setzte sich wieder ihr gegenüber hin und sie tat es ihr gleich. Es herrschte kurz eine unangenehme Stille, doch als sie von draußen ein Auto vorbeifuhren hörte, schien es sie wieder aufgeweckt zu haben. Das erste Auto in dieser Straße, dachte sie sich noch kurz bevor. ,,Was ist mit ihm Geschehen?" Fragte sie, während sie zum Fenster starrte, der zum Teil hinter einer schweren dunkelblauen Gardine hing, irgendwie passte sie nicht zum Rest der Einrichtung, dachte sie noch, als sie wieder ein Räuspern von ihrem Gegenüber entnahm. Sie wendete wieder ihren Blick von den Gardinen ab. ,,Von Ms. Beaufort meine ich." Sagte sie noch, als sie merkte, dass Lola keine Antwort zu geben wusste. Lolas Mund verformte sich zu einem kleinen, überraschten O und es schien so, als hätte sie für eine kurze Zeit vergessen gehabt, weswegen Charlotte wirklich hier gewesen war. ,,Es ist zu viel Geschehen." Sie sprach leise, so leise, dass Charlotte schon das Gefühl hatte, sie müsste ihre Ohren spitzen, um sie zu verstehen. ,,Es ist so viel Geschehen, ich könnte es Ihnen niemals an nur einem Abend erzählen." Verwundert hob sie ihre Brauen hoch. War Lola gerade wirklich bereit, ihr von der Geschichte ihres Bruders zu erzählen? ,,Wie wäre es, wenn wir uns dann mal treffen? Kennen sie das Kaffee Basta? Es ist ein nettes Stübchen und eigentlich kaum besetzt, wir könnten dort ungestört den ganzen Tag verbringen." Hoffnungsvoll sah sie zu Lola, die nervös schluckte, ihre Halsader konnte man pulsieren sehen, sie schien noch mit sich selber im unklaren zu sein, doch Charlotte bettete, dass sie zustimmen würde. Und dann, dann nickte sie plötzlich und sie selber musste sich zusammenreißen, nicht ihre Hände laut jubelnd in die Luft zu heben. ,,Können sie in zwei Tagen? Um neun Uhr, dann dort?" Lola wirkte immer noch unsicher und ihre blasse schien sich zu verschlimmern, wenn das überhaupt noch möglich war. Charlotte nickte nur und schrieb sich das Treffen noch schnell mit einem Stift auf ihre Hand, um es ja nicht zu vergessen. ,,Geht klar, danke nochmals. Vielmals!"
---
Charlotte konnte ihr Glück kaum fassen, sie hätte niemals gedacht, dass sie so schnell an Informationen kommen würde. Sie hatte sich direkt die ganze Nacht nach dem treffen an ihrem schäbigen Schreibtisch gesetzt gehabt, mit Kopfhörern ihre Lieblingslieder gehört gehabt, um den Geschrei ihrer Nachbarn nicht zu hören und schrieb sich alle möglichen Fragen auf. Sie war so glücklich darüber, dass sie selbst Patrick anrief und ihm von ihrem Volltreffer mit dem Stammbaum berichtete und kurz darauf klingelte er an ihre Wohnungstür und begrüßte sie mit einer billigen Flasche Sekt und Chips. Das einzige was er gesagt hatte war nur, dass man auf so einen Jackpot anstoßen müsse. So passierte es also, dass Patrick and Charlotte am Vorabend vom Treffen mit Lola auf ihrem Bett in ihrer kleinen 20 Quadratmeter Ein-Zimmer-Wohnung saßen, Chips aßen und Sekt tranken. ,,Patrick?" Fragte sie plötzlich in die Leere hinein, während sie stumm auf die gegenüberliegende Wand in ihrem Zimmer sah, während sie mit dem Rücken an der Wand gelehnt saß. Ein tiefes brummen erklang von ihm und Charlotte musste lächeln. ,,Ich glaube, mein Wunsch von einer Journalistin der Times zu werden, ist in verdammt greifbarer Nähe." Und sie spürte die Blicke, die Patrick ihr zuwarf. Sie merkte, dass sie nicht mehr aufhören konnte zu lächeln und wünschte sich, dass die Sonne wieder scheinen würde und es der nächste Tag wurde, damit sie sich in ihrer Wärme und in ihrem Glück sonnen konnte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro