Kapitel 13 - Kleine Ablenkung
Diego
Völlig neben der Spur ging ich zurück zum Kursraum. Ich konnte es nicht fassen, was Leonie mir unterstellte ... Wie kam sie bloß auf die Idee mit dieser Wette? Ich meine, ich verstand, dass sie ihren Sohn und sich selbst schützen wollte, nachdem was ihnen widerfahren war, doch spürte sie denn nicht, dass ich mich ernsthaft zu ihr hingezogen fühlte? Zwar wusste ich nicht so recht, was genau ich wollte, doch Levi und sie ausnutzen, gehörte definitiv nicht dazu!
Kaum hatte ich den Raum betreten, fiel mein Blick auf den kleinen Lockenkopf, der mich grimmig fixierte. Er verstand, wo ich gewesen war und es schien ihm nicht zu gefallen.
Die Jungs hatten zu meinem Erstaunen erfolgreich damit begonnen, die Signaturen der Kids auf ihren Werken festzuhalten und auch die Bilderrahmen, die ich besorgt hatte, waren bereits ausgepackt.
,,Hey Mann, alles in Ordnung?'', fragte Tobi, als ich stumm auf sie zutrat.
Ich nickte nachdenklich.
,,Ja. Alles okay.''
Skeptisch sah mein Kumpel mich an, zuckte dann aber mit den Schultern.
,,Gut, dann kümmer dich mal um deinen kleinen Schützling da hinten! Er hat zwar sein Bild aus der Kiste geholt, sich dann aber keinen Zentimeter mehr bewegt.''
Wieder nickte ich und lief kurz darauf zu Levi hinüber.
,,Hey Padawan'', sagte ich und stützte mich mit den Armen, die Hände ineinander gefaltet, auf seinem Tisch ab, auf dem das wirklich gelungene Portrait seiner Mutter lag. Es war faszinierend, mit was für einem Talent der Kleine gesegnet war. Er hatte ein hervorragendes Gefühl für die Details, konnte schon unglaublich gut mit Schattierungen arbeiten und verfügte über eine bewundernswerte Fingerfertigkeit. Natürlich fehlte hier und da noch der Feinschliff, wie zum Beispiel, das Funkeln der Augen hervorzuheben, oder die Struktur der Haare natürlicher wirken zu lassen, doch war Levi ohne Frage der begabteste Junge, den ich je gesehen hatte. ,,Soll ich dir mit deiner Signatur helfen?''
,,Über was haben Mama und du gesprochen?'', kam es ihm wie aus der Pistole geschossen über die Lippen, während seine grünen, großen Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten.
Ich lächelte belustigt. Der Kleine hatte es wirklich faustdick hinter den Ohren!
,,Deine Mutter ...'', ich zögerte und blickte mich verstohlen im Raum um, doch schien uns niemand zu beachten, bis auf ein blondes Mädchen mit zwei Zöpfen, ihr Name war Kiara - neugierig sah sie uns an. ,,Deine Mutter ist sauer auf mich'', flüsterte ich ehrlich.
Levi runzelte die Stirn. ,,Warum?''
,,Weil sie mir nicht glaubt ...'', ich hielt kurz inne, ''dass ich euch wirklich mag.''
,,Sie denkt, du tust nur so?'', hakte der kleine Detektiv nach.
Ich nickte. ,,Ja, leider schon.''
Da schüttelte er mit ernstem Gesicht seinen Kopf.
,,Ich sehe, dass du Mama wirklich magst ... Vielleicht ist sie ja sauer, weil du sie nervst ...''
Nun musste ich lachen. ,,Vielleicht ...'' Ein wenig verlegen räusperte ich mich.
,,Merkst du denn, dass ich wirklich dein Kumpel sein möchte?''
Gespannt sah ich Levi an, doch der Kleine zuckte nur desinteressiert mit den Schultern.
,,Keine Ahnung.''
Ich nickte.
,,Na schön. Lass uns das Thema wechseln, ja?! Schließlich müssen wir noch ein bisschen was für Freitag vorbereiten.''
,,Okay.'' Gelangweilt stützte Levi seinen Kopf auf der rechten Hand ab.
,,Weiß du denn, wo eine Signatur hingehört?''
,,Rechts unten in die Ecke'', murmelte der Lockenkopf.
,,Richtig. Dann schnapp dir jetzt einen Stift, setz deinen Picasso dorthin und dann rahmen wir dein Werk ein.''
,,In Ordnung'', seufzte er und gehorchte.
Ich lief zu den Bilderrahmen hinüber und begann, sie auf den Gruppentischen zu verteilen, während meine Gedanken wieder zu der Auseinandersetzung mit Leonie abdrifteten.
Ich fragte mich, ob meine Worte zu hart gewesen waren, schließlich hatte ich nicht vorgehabt, sie zu verletzen. Aber wie sonst, sollte ich ihr klar machen, dass sie sich nicht von ihrer Trauer zerfressen lassen durfte? Sie war doch noch so jung! Jung, hübsch und gutmütig. Da war noch Lebensfreude in ihr, ich sah es ihr an und aus irgendeinem Grund wollte ich der zuckersüßen Mami dabei helfen, diese Lebensfreude wieder aus ihr herauszuholen.
,,Der kleine Gnom lernt echt vom besten'', witzelte Paul plötzlich neben mir, stieß mich mit seinem Ellenbogen an und deutete mit einer Kopfbewegung zu Levi hinüber. Das blonde Mädchen mit den Zöpfen stand an seiner Seite, redete mit ihm und lächelte ihm lieblich zu.
Erheitert beobachtete ich, wie Levis Wangen immer rosiger wurden, was mich sehr an Leonie erinnerte.
,,Tja, da soll mal einer sagen, ich habs nicht drauf'', prahlte ich.
,,Nur dass der Zwerg mehr Chancen bei der Kleinen hat, wie du bei seiner heißen Mutti'', neckte Paul.
,,Und wenn schon'', murmelte ich, ''Hauptsache der Kleine ist happy.''
Da traf mich ein höchst irritierter Blick seitens meines Kumpels.
,,Echt jetzt? Hörst du etwa auf, die Schnecke anzugraben?''
Wieder blickte ich zu Levi, der seiner Kameradin sogar antwortete und dabei gar nicht so desinteressiert wirkte, wie sonst.
,,Ich weiß nicht ...'', sagte ich, ''Außerdem grabe ich sie nicht an! Ich interessiere mich für sie.''
Paul verdrehte die Augen.
,,Das ist doch dasselbe!''
,,Nein ist es nicht, du Trottel'', entgegnete ich genervt, schnappte mir die letzten Bilderrahmen und lief zu Levis Tisch hinüber, wo mich das blonde Mädchen schüchtern ansah und dann schleunigst zu ihrem Platz verschwand.
Verschmitzt ging ich neben Levis Stuhl in die Knie und zog wissend die Augenbrauen hoch.
,,Du findest sie schön!'', ärgerte ich ihn leise und griff somit seine eigenen Worte vom letzten Mal auf.
Er wurde noch röter.
Ich zwinkerte.
,,Hey, ist doch alles cool! Jetzt weißt du mal, wie es mir geht.'' Doch ich konnte es nicht lassen, ihn zu ärgern. ,,Vielleicht wird dein nächstes Portrait ja eins von ihr, hm?!''
,,Hör auf damit!'', zischte Levi und sah unsicher zu seiner Kameradin hinüber, die sich schon einen der Bilderrahmen zu eigen gemacht hatte. Ich grinste noch breiter.
,,Okay, Padawan. Ich hör auf.''
,,Und warum lächelst du dann so blöd?'', maulte er mich an.
Ich lachte.
,,Weil es Spaß macht, dein Kumpel zu sein. Und nun rahmen wir dein Bild ein.''
Außerdem lenkte mich das ganze von seiner Mutter ab.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro