31. Kapitel
«Sind Sie Santiago?» Ich stockte vor meinem Auto und schloss dessen Tür wieder. «Kommt darauf an...» Ein Herr stand vor mir und schluckte schwer. «Sie scheinen mir zwar etwas zu jung, aber ja. Die Mutter ist ja auch saujung.»
Mein Mund wurde trocken und mein Herz begann zu rasen. Wieso wusste dieser Fremde, dass ich Vater war? «Unser Case-Worker hat uns empfohlen, den Jungen Kontakt aufnehmen zu lassen, was seine biologischen Eltern angeht. Seine Mutter ist nicht im Bild, weil sie in einer Klinik ist, und ich wollte nachfragen, ob Sie mal einen Nachmittag mit Dario verbringen möchten-»
«Erstens, wer sind Sie? Und zweitens, nein. Ich habe Mrs Damaris von Beginn an gesagt, dass ich mit dem Kind nichts zu tun haben möchte.» Der Mann räusperte sich, «Entschuldige, wo sind meine Manieren? Mein Name ist Kevin Lakers und ich bin der Pflegevater von Dario. Er ist seit drei Wochen bei uns zu Hause.»
Ich hatte gleich Uni, weshalb ich nicht viel Zeit vergeuden wollte. «Sie haben meine Antwort. Nein, ich möchte ihn nicht sehen und keine Zeit mit ihm verbringen.» Ich machte das Auto wieder auf und wollte einsteigen, doch dieser Typ stoppte mich. «Sein Verhaltenstherapeut ist der Meinung, dass es ihm hilft. Mister, Ihr Sohn tut sich sehr schwer. Er redet nicht, er isst kaum und wenn man etwas von ihm will, bricht Chaos aus.»
«Ich habe keine Beziehung zu Dario und kann da nicht helfen. Er weiß nicht mal, dass ich der Vater bin. Tut mir leid, aber wenn Sie mit dem Jungen nicht klarkommen, sollen Sie sich an die Sozialvermittler und nicht an mich wenden. Ich zahle meinen Beitrag und bin somit sauber aus der Sache raus. Schönen Tag noch.» Für mich war die Sache klar.
Meiner Meinung nach war ich gut raus und konnte mein Leben normal weiterleben. Amilia und ich versuchten es nochmal, denn sie konnte mir nun echt nicht übelnehmen, vor unserer Beziehung, kurz bevor wir uns richtig kennengelernt hatten, mit einer anderen gewesen zu sein.
Zu meiner Überraschung zeigte sie auffällig viel Interesse an dem Kind. Sie fragte immer, ob ich mehr wusste oder etwas von ihm gehört hatte und manchmal kam sie sogar auf die dubiose Idee, ihn bei uns aufnehmen zu wollen.
Ich hatte aufgrund der Prüfungsphase und dem Stress wieder mit regelmäßiger Therapie angefangen und plante auch wieder, meine Medikamente aufzunehmen. Ich hatte selbst zu kämpfen und wollte nicht noch eine weitere Last auf meinen Schultern tragen müssen.
Kurz, ich fragte nie nach. Mrs Damaris hörte von mir gar nie was. Ich wollte auch nicht wissen, wie er sich entwickelte, wo er war und was er erlebte. Ich denke, umso mehr ich wusste, desto schwerer würde es mir fallen, schlussendlich nein zu sagen, wenn Mrs Damaris doch von mir wollen würde, Dario zu übernehmen.
«Ich war heute bei den Lakers.» «Was? Wieso?» «Die haben uns einen Brief geschickt. Es waren auch Fotos von Dario drinnen.» Okay. «Aber wieso gehst du dann dort vorbei?» «Im Brief stand, dass sie sich dazu entschieden hatten, den Jungen zurückzugeben, weil er ein, ich zitiere, größerer Bissen sei als sie kauen können.»
Ich zog meine Augenbrauen zu einer Linie zusammen und ließ meine Hausaufgaben mal kurz aus den Augen. Na ja, Mr Lakers war letzte Woche schließlich hier gewesen und hatte mir darüber berichtet. Aber, dass sie ihn wieder zurückgaben? Ich dachte, Mrs Damaris war sich sicher gewesen, dass er bei ihnen ein gutes Zuhause kriegen konnte.
«Jedenfalls bin ich vorbeigegangen, um zu fragen, was sie genau damit meinten und ja... Das Kind hat, so wie ich das wahrgenommen habe, einen rechten Knacks.» Sie hockte sich auf unser Bett und seufzte, «Er hat Angst vor Löffeln und dreht am Rad, wenn man ihn anfassen möchte. Aber zugleich, darf man ihn ja nicht alleine in einem Zimmer lassen, weil er sonst Panik kriegt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was der bei seiner Mutter durchmachen musste, um mit 3 schon so verstört zu sein.»
Ich verlor ein Seufzen und langte nach meinem Kugelschreiber. «Seine Mutter ist heroinabhängig. Das mit dem Löffel macht schon Sinn.» Amilia blieb still, aber ich wusste, dass sie über ihn nachdachte. «Willst du nicht doch mal einen Nachmittag mit ihm verbringen, Tiago? Der Junge braucht wahrscheinlich einfach seine Eltern. Oder zumindest seinen Vater.» Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. «Ich bin nicht sein Vater. Er weiß nicht mal, dass er einen hat.»
«Komm schon, Babe. Ein Nachmittag. Wir können ihn zu uns nehmen und ja... Zurückbringen können wir ihn dann eh wieder.» Ich war kein Fan und wusste ganz genau, dass meine Freundin mich da in etwas hineinritt, was sie selbst dann nicht mehr ertragen wollte und konnte.
Aber sie schaffte es, mich zu überreden. Jedoch holten wir Dario nicht zu uns nach Hause, sondern trafen ihn zurück auf der Station wieder an. Sie suchten nun wieder nach einer Pflegefamilie, die sich speziell auf traumatisierte Kinder ausgerichtet hatte.
«Er sollte bei Rosie sein, wenn ich mich nicht täusche. Sie übt mit ihm Englisch.» Amilia lächelte und deutete mir, ihr zu folgen. Und wir fanden seine Betreuerin dann auch, mit ihm üben. Sie hielt ihm Karten hin und zeigte auf sie. Seine Verbände waren weg und er hatte keine blauen Flecken mehr. Die Locken hatten sie ihm auch gekürzt und gewaschen.
«Hi», Amilia hockte sich zu Rosie und Dario und mischte sich in diese kleine Lernsession ein. Ich hielt mich zurück und beobachtete den Jungen vom Stuhl aus. Er gab italienische und englische Wörter von sich und mischte sie unschön, doch basierend auf Mrs Damaris' Feedback, war das ein großer Fortschritt. Er schien sich an Rosie gewöhnt zu haben und blühte etwas auf, wenn er bei ihr war.
«Santiago, komm doch auch.» Meine Freundin winkte mich zu ihnen, doch ich rümpfte nur meine Nase. Blieb er mir fern, so würde ich in Zukunft nein sagen können. Das Problem war dann schlussendlich, dass Amilia und ich öfters hier waren als geplant. Sie band sich an ihn, er mochte sie auch, doch wir kriegten hier nur die schöne Seite präsentiert. Dario schien wie der Himmel auf Erden, doch ich wusste, dass er nicht grundlos immer wieder mit verweintem Gesicht von den Kennenlerntagen mit den Pflegefamilien zurückkam.
Er hatte seine Spielkameraden hier auf dieser Station und wollte alles andere nicht akzeptieren. Amilia trieb mich irgendwann so weit, dass wir ihn auch für einen Tag nach Hause nahmen, denn sie konnte bei bestem Willen nicht glauben, dass Dario so ein Problemkind war, wie es seine Akten mittlerweile äußerten.
Und es stimmte, wir hatten keine Probleme mit ihm. Er spielte mit Amilia im Wohnzimmer und ich hörte die beiden sogar kichern und reden, als ich mir in der Küche einen Kaffee rausließ. Doch mir fiel der kleine Löffel aus der Hand und zu Boden. Kurze Stille. Und dann; Dario verlor sich, schrie und weinte.
Er warf mit seinen Spielsachen um sich, verzog sich hinter unserem Sofa und zerkratzte Amilia vorlauter Rage dabei sogar das Gesicht. Ihre Aufruhr führte zu meiner und ich zog das Sofa dann genervt von der Wand weg, um den Jungen dort wieder hervorzuholen, doch er schlug gegen mich, weinte, versuchte sogar zu beißen, bis ich einfach ganz fest meine Arme um ihm schlang und ihn doll an meine Brust drückte.
Die Umarmung an sich half kaum, doch es waren die Worte, die ihn stumm schlugen. Und ich bereute es, diese Worte in den Mund genommen zu haben, doch sie hatten in diesem Moment so sehr viel verhindert. «Ehi, va tutto bene! Sono io! Tuo padre!» Er verstummte, sah mich aus Kulleraugen an und schluckte schwer.
Es schockierte mich selbst, dass er darauf reagiert hatte, weshalb ich den Jungen dann schnell auf dem Sofa absetzte, und Amilia bat, dies nun zu übernehmen. Ich hatte das nie wollen. Ich wollte mich nie als Vater bekannt geben. Und es war ein Fehler.
Ja, es war wirklich ein Fehler gewesen, denn Dario wurde nach diesem Vorfall beinahe unvermittelbar. Ihm passte nichts und niemand mehr. Alles, was er suchte, war eine Person, die ihm sagte, dass es okay war und er bei seinem Vater war, doch das tat aber kein Pflegevater. Die durften das nämlich gar nicht sagen.
Sprich, er wurde aggressiver, rebellischer und zog durch drei weitere Pflegefamilien hindurch, bis Mrs Damaris den Stopper setzte und einen Herrn Bayton dazuholte. Ein Therapeut für Dario, denn sie war der Meinung, dass der Junge durch seine Zeit bei der Mutter und die ganzen Verluste, die er durchgemacht hatte, dringend psychische Unterstützung brauchte. Er zeigte mit seinem Verhalten, wie unzufrieden und verstört er war.
Amilia hatte nach gewisser Zeit dann auch eingesehen, dass es besser war, wenn wir uns wieder aus der Sache heraushielten. Doch ich erhielt Einladungen zu Gerichtsverfahren aufgrund Gewaltübergriffe in Darios Pflegefamilien, welche ich nie annahm. Ich bekam böse Nachrichten in der Briefpost, welche mir geigten, dass ich mein Kind gefälligst selbst aufnehmen sollte und ich kriegte kurz vor Darios 5. Geburtstag einen Anruf von Mr Damaris, wo ich darum gebeten wurde, ihn Notfallmäßig für wenige Tage zu mir zu nehmen. Meine Antwort; Nein.
«Dario braucht seinen Vater.» Ich schüttelte den Kopf und rieb mir dabei die Stirn. Mr Damaris verstand nicht. «Er braucht eine tüchtige Portion an Therapie und Hilfe. Aber nicht von mir, okay?» Ich wollte auflegen, doch der Sozialvermittler ließ nicht locker. «Er fragt nach Ihnen, Herr de Moreno... Er fragt nach seinem Vater.» Ich hätte ihm niemals sagen dürfen, dass ich sein Vater war. Das hatte alles verschlimmbessert.
«Hören Sie, Mr Damaris. Selbst wenn, ich bin nicht dazu imstande, diesen Jungen bei mir aufzunehmen. Ich bin mitten in meinem Schulabschluss drinnen und mein künftiger Beruf fordert sehr viel Zeit und Konzentration, welche ich schon ohne Dario kaum habe. Sie würden dem Jungen nichts Gutes tun, wenn Sie ihn mir geben. Ich habe die Kapazität nicht, so einen Pflegefall aufzuziehen. Ich will's auch nicht. Ich habe mit Ihrer Frau vereinbart, dass ich nicht mehr infrage komme. Bitte lassen Sie mich doch endlich in Ruhe.»
Dieses Mal wollte ich wirklich auflegen, doch Mr Damaris erwähnte etwas, was ich noch nicht gewusst hatte. «Ich kann Sie verstehen, doch ich möchte Sie darauf hinweisen, dass das System irgendwann übernehmen wird, und gegen diesen Entscheid können Sie dann nichts machen.» «Was soll das heißen?» «Der Staat wird entscheiden, wo Dario hinkommt und für die spielt es dann keine Rolle mehr, ob Sie Lust und Laune haben oder nicht. Die schauen auf Ihre finanzielle Situation und fertig.» Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, und schluckte schwer.
«Nun gut, Dario wird fürs Erste auf der Station bleiben, aber ich würde es trotzdem für gutheißen, wenn Sie ab und zu vorbeikommen.» «Nein.» Ich legte nun echt auf und warf mein Handy neben Amilia aufs Bett. Sie hatte alles mitgehört. «Wer hätte gedacht, dass uns diese Sache so Probleme und Stress macht.» Was sie nicht sagte.
«Ich raff' nicht, wieso die es nicht hinkriegen, ihn gut zu vermitteln. Das kann doch nicht so schwer sein. Und wenn's einfach nicht klappt, können sie ihn doch einfach im Heim lassen.» Mein Mädchen seufzte und streckte sich. «Ich denke, sie wissen es bereits. Genau deshalb wollen sie ihn auch dir andrehen. Die brauchen Platz für andere Kinder und Dario macht seinen nicht frei.» Na ja...
Er war zwar nur ein Kind und verstand vieles noch gar nicht, doch mein Leben hatte er ganz schön ruiniert und nur noch schwerer gemacht. «Und seine Mutter kommt gar nicht infrage? Er hängt doch so an ihr, oder?» Ich zuckte nur wieder mit meinen Schultern. «Ich glaube, die haben's schon versucht. Aber sie bleibt nicht clean.»
Mein Problem war, dass ich Mitleid empfand. Ich hörte von den Umständen und schlimmen Dingen, die passierten. Darios aggressives Verhalten wurde immer schlimmer, doch es war schnell klar, dass er sich einfach zu verteidigen versuchte.
Die letzte Familie, die mir bekannt gegeben wurde, waren die Thernons. Er wurde ihnen vor 9 Wochen zugeteilt. Das war bis jetzt sein längster Aufenthalt bei einer Familie. Gut, endlich hatte er einen guten Platz gefunden. Doch Mrs Damaris' Anruf, um mich darüber zu informieren, dass mein Kind in der Notaufnahme hockte, zerstörte diesen Funken an Hoffnung gleich wieder.
Mr Thernons hatte Dario geprügelt. Ich war vielleicht nicht die netteste und liebste Person auf Erden, doch ein Kind zu prügeln ging auch bei mir unten durch. Vor allem meins. Amilia konnte es nicht fassen und fuhr mich ins Krankenhaus.
Ich hatte zuerst nicht gehen wollen, denn ich hing in einem Tief und hatte keine Nerven hierfür. Meine Medikamente hatte ich die letzten Tage vorlauter Stress und Ungewissheit völlig vergessen. Ich kam an meine Grenzen. Und die rothaarige Furie, welche im Flur des Krankenhauses auch zu finden war, kickte den Ball vollkommen aus dem Stadion raus. Ich konnte das nicht mehr.
«Meine Sohn! Du geben meine Sohn an eine Familie, die ihn schlägt!?» Sie zeigte auf Mrs Damaris und wurde gleichzeitig vom Personal gepackt und zurückgehalten. Und als ihre Augen auf mir landeten, ging's richtig los. Sie begann mich auf Italienisch zu verfluchen, drohte mir und hielt mir vor, dass ich nicht für den Jungen aufkam, obwohl er meiner war. Nur weil sie nicht konnte, hieß das doch nicht, dass ich musste.
Amilia fischte mich aus dieser Diskussion raus und befahl mir, ihr und Rosie zu folgen. In einem kleinen Zimmer hockte Dario auf einer Liege und schaute einer Schwester dabei zu, wie sie ihm die Nase abtupfte und trocknete. Sie war mit Blut übersät. Sein schwarzes Haar trug einen roten Schimmer und seine Schläfe war offen.
Meine Faust bildete sich wie von allein. Wenn ich diesen Thernons in die Finger kriegen würde: Der würde keine weitere Sekunde mehr leben. Dieser Junge war fünf Jahre alt und konnte sich doch gar nicht verteidigen.
Er blutete und trug einen leeren Blick. So leer, dass es fast schon klinisch rüberkam. Amilia fiel es auch auf. Sie ging zu ihm. «So ruhig hab' ich dich nicht erwartet, Kleiner.» Sie versuchte ein Lächeln aus ihm herauszukitzeln, doch er blieb still und schaute wieder weg. «Wir mussten ihn sedieren. Deshalb ist er jetzt so ruhig. Keine Sorge, er wird wieder.»
Ich verschränkte meine Arme auf der Brust und seufzte, «Ich hoffe, der Täter kommt dran, oder?» Die Schwester nickte eifrig. «Natürlich!» Dario schaute nun mich an und rieb sich übers Pflaster, welches ihm gerade frisch auf die Stirn gedrückt wurde.
Ich glaubte nicht an nonverbale Kommunikation, doch sein Blick sagte mir mehr als genug. Ich verstand, was er wollte und dieses Mal konnte ich es einfach nicht verweigern. Dem Kind wurde beinahe der Schädel eingeschlagen. «Er wird keine schlimmen Schäden davontragen, oder?» «Nein. Also körperlich nicht, nein.» Körperlich nicht...
Ich neigte meinen Kopf zur Seite und verlor. Seine Augen gewannen. Ich rieb mir übers Gesicht und lief auf ihn zu. Seine Unterlippe begann zu bibbern und er streckte schüchtern die Arme nach mir aus. Amilia machte Platz und ließ mich meinen Sohn hochheben. Sein Kopf fiel in meine Halsbeuge und er schlang seine Arme um meinen Hals.
Er war so winzig... So zerbrechlich und verloren. Schuld überkam mich. Seine Finger krallten sich an der Kapuze meines Pullovers fest und leises Weinen ertönte. Amilia presste die Lippen gequält zu einer Linie zusammen. Ich war auf und dran, zu verlieren. Ich konnte aber nicht. Ich wollte das alles gar nicht. Ich wollte keinen Sohn haben. Nicht jetzt.
Mrs Damaris trat ein und stoppte in ihren Schritten, als sie Dario auf meinem Arm entdeckte. Sie musste sich zuerst fassen und seufzte dann sehr, sehr schwer. Wirklich schwer. «Zuerst möchte ich mich richtig dafür entschuldigen, dass es überhaupt zu sowas gekommen ist. Wir können uns auch nicht erklären, was da vorgefallen ist. Mr Thernons hat keine gewalttätige Vergangenheit, weder noch so eine kurze Zündschnur.»
Ich blieb still und wandte mich ans Fenster, um hinausschauen zu können. Der Junge in meinen Armen wurde immer schwerer. Ich glaube, ihn holte die Müdigkeit ein. «Was ist passiert?» Mrs Damaris zuckte mit den Schultern. «Wir sind uns nicht sicher. Aber ganz egal, was es war, es ist inakzeptabel und wir werden vor Gericht gehen. Wie geht es Dario?» Ich spürte seinen Atem an meinem Hals und Amilia begann schwach zu lächeln. «Er ist eingeschlafen.»
Auch Mrs Damaris zeigte Erleichterung, doch ich wusste ganz genau, wie das, für sie aussah. «Er darf in keine Familie mehr», forderte ich. Sie nickte. «Er soll auf der Station bleiben und fertig. Das kann's doch echt nicht sein, dass er zuerst von halb Marblehead geprügelt werden muss, bis man das Richtige macht. Ich dachte, ihr wisst, was ihr tut. Ein erwachsener Mann hat auf ihn eingeschlagen!» Ich versuchte nicht allzu laut zu werden, doch ich hatte schon mit mir zu kämpfen.
«Darios Halbschwester Giorgia. Er hat eine Halbschwester. Sie ist zwei Jahre älter als er.» Die war aber mal sicher nicht von mir. Ach, sie hatte eh Halbschwester gesagt. «Sie lebt bei ihrem biologischen Vater und wir haben uns gedacht, dass Dario sich bei ihr und ihrem Vater sehr gut einleben könnte.» Ich rümpfte meine Nase und dachte nach.
Kannte er seine Schwester denn schon? Und wieso wusste Samantha nicht, wie man verhütete? Hatte sie aus ihrer Tochter nichts gelernt? Beide Kinder lebten nun bei Pflegefamilien oder auf einer Station. «Er kennt sie?» «Seine Schwester, ja. Aber Herr Torreno ist ihm etwas fremd. Es ist verständlich, dass er eine Angst gegenüber Männern entwickelt hat.»
«Wenn dieser Torreno wirklich weiß, was er macht und er dazu bereit ist, wär's echt keine schlechte Idee-» «Aber bitte-» Mrs Damaris trat auf mich zu. «Jetzt auf persönlicher Ebene; möchtest du den Kleinen nicht aufnehmen? Er schläft in deinen Armen, Santiago.» Das plötzliche Du warf mich aus der Bahn, doch ich nahm es entgegen. «Ich bin nicht dazu imstande, mich um ein Kind zu kümmern. Mir fehlt die Zeit, Geduld und vor allem die Stabilität. Ich bin krank, Fiona.» Ich begab mich nieder auf die persönliche Ebene.
«Ich wäre auch noch da.» Amilia mischte sich ein. «Ich arbeite hauptsächlich von zu Hause aus.» «Babe», warnte ich sie, doch sie zeigte nur wieder auf Dario, der sich regelrecht an mir festhielt. «Er fühlt sich bei dir am sichersten. Du hast ihm diese Sicherheit gegeben, als er hinter dem Sofa so Panik hatte. Er weiß, dass du sein Vater bist. Er spürt, dass er dich braucht.» Ich verlor nur wieder ein Seufzen und schüttelte den Kopf.
Als er dann noch leise was murmelte und sich enger an mich kuschelte, verlor ich den Kampf gnadenlos. «Ich bin dann aber echt auf dich angewiesen, Amilia. Wir müssen das zusammen machen. Du weißt, wie schwer ich mich manchmal tue.» Sie nickte und begann sanft zu grinsen.
Wie es wohl zur Santiagos und Dario jetziger Situation kommt... Was denkt ihr? Es scheint gut, doch wieso macht alles eine Wendung? Wir alle wissen, wie es ausgeht...
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