24. Kapitel
Gute Laune war bei Dario eine Seltenheit, weshalb ich sie liebend gern empfing, aber mein Bauchgefühl sagte mir doch, dass mehr dahinter liegen könnte. Schließlich hatte Dario BPS. Solche Umschwünge waren nicht selten, doch so gut hatte er sich schon seit Wochen nicht mehr gefühlt.
Aber gut, ich liebte ihn so oder so und ihn so nahe bei mir zu haben, ließ meine Sorgen sowieso in Luft auflösen. Wir schauten im Wohnzimmer einen Film und irgendwie erinnerte mich unsere Position an unseren ersten Kuss. Genauso hatten wir damals dagelegen.
Dario lag hinter mir und spielte mit meinen Fingern. Ich wusste, dass er kaum mitbekam, was im Film abging, weil er die ganze Zeit mich und meine Hände anschaute und es auch mir schwer machte, die Story zu verstehen. Er trieb mich mit seinen sanften Berührungen zur Weißglut.
Ich versuchte, mich am Riemen zu reißen, doch als seine Hand unter mein Shirt wanderte und sachte kleine Kreise auf meiner Haut zu zeichnen begann, musste ich den Film stoppen. «Dario», quengelte ich und drehte mich zu ihm um. Ich wollte wissen, was ihn auf einmal so touchy machte, doch er lehnte sich an mich heran und küsste mich ins Schweigen.
Mein Herzschlag ließ ein paar Impulse aus und fand nur schwer den alten Rhythmus wieder, weil Dario sich auf den Rücken drehte und mich auf sich rauf zog. Seine warmen Hände fuhren meinen Rücken hoch und runter. «Was ist los? Du bist nie so... handlich.» Ich umgriff seine Wange und sah zu, wie er sich langsam in meine Berührung sinken ließ. Seine Augen gingen sanft auf und zu. «Mir ist danach. Und ich bin glücklich.»
Ich gab es nicht gern zu, doch diese Sätze ließen meine Augenbrauen anspringen. «Echt?» Ich denke, diese Worte hatte ich noch nie aus seinem Mund gehört. Dario war glücklich und zufrieden. Er nickte schwach und atmete tief ein und aus. «Und ich will dich...»
Ich musterte ihn schweigend und war, ehrlich gesagt, etwas baff. Ich war mir auch gar nicht sicher, wie ich mit so einem Dario umzugehen hatte. Er war mir fast schon zu viel. Und ich wollte mich nicht auf etwas einlassen, wo ich mir nicht sicher war, was es genau war. Was, wenn er etwas genommen hatte oder wenn etwas passiert war und er sich nun zu solchen Sachen zwang?
«Sicher?» Ein Grinsen formte sich auf seinen Lippen und er rümpfte kurz verlegen die Nase. «Sonst würde ich es nicht sagen. Was ist mit dir los? Sonst springst du immer gleich drauf an, wenn ich sowas andeute...» «Ich möchte einfach nicht denselben Fehler begehen, wie damals in Tropea.» «Noè, das ist in der Vergangenheit. Plus, in der Dusche scheint dich das vor zwei Wochen auch nicht wirklich beschäftigt zu haben.» Da hatte er schon recht.
Ich prüfte trotzdem nochmals seine Miene und suchte nach einer Antwort in seinen smaragdgrünen Augen, doch er lud mich mit ihnen nur zu versauten Dingen ein. Aber ich schmolz. Er brachte mich zum Nachgeben und ich grinste dann nur verlegen, während ich etwas hochrutschte und mich zu ihm herunter lehnte, um ihn wieder zu küssen.
Darios Arme schlangen sich enger um mich, als er sich hochhievte und in die Rückenlehne sinken ließ, damit ich es mir auf seinem Schoß bequem machen konnte. Seine Finger bohrten sich in meine Taille, als ich seine Wangen umgriff und ihn wieder zu schmecken wagte.
Minze, er schmeckte nach Minze. Seine Lippen waren weich, aber glühten, wie heißes Eisen. Ich zerschmolz beinahe unter ihnen und verlor dann Laute, die niemand anders zu hören bekommen durfte als Dario selbst, als er mich enger an sich heranzog und in meiner Halsbeuge verschwand.
Zum ersten Mal wagte ich es, mich gegen ihn zu bewegen. Nein, ich traute mich zum ersten Mal, mich mit ihm zu bewegen und ihn sehen zu lassen, wie unsicher ich doch auch war. Die Ringe an seinen Fingern waren ein Kontrast zur heißen Sehnsucht, die sich über unsere Körper verteilte und ich seufzte meinem Freund flehend ins Ohr.
Was ich sagte, wusste ich nicht mehr. Ehrlich, ich hatte keine Ahnung mehr. Es wunderte mich sogar, dass ich überhaupt ein Wort hatte formen können. Aber Darios Worte. Diese würde ich, auch wenn es Italienisch war und ich in erster Linie nicht einmal die Übersetzung wusste, niemals vergessen. «Puoi avermi. Prendi tutto il mio corpo. È tuo, Micina.»
Es fühlte sich wie ein Traum an. Es passierte alles wie von allein. Darios Zunge wurde süßer, heißer und verlockender. Mein Verstand wurde nebliger, seine raue Stimme lustvoller und meine Taten unkontrollierbar.
Ich zog ihm das Shirt über den Kopf, kam aber gar nicht mehr dazu, ihn in mich aufzunehmen, denn ich landete mit einem Ruck in den Kissen und sank tiefer in sie hinein, als Dario sich zwischen meine Beine drängte und mein Shirt über meinen Bauch hochschob und meinen Oberkörper freilegte.
Ich kriegte nur noch Bruchteile mit, kam kaum mehr mit dem Brennen im eigenen Körper klar und realisierte nur schwer, dass die Fernbedienung heruntergefallen war. Sie lag in meinen Klamotten am Boden. Genauso, wie meine Unschuld. Verdammte Scheiße, die war weg.
Ich hatte Gedanken, die keiner zu hören brauchte. Und ich wusste, dass ich sie mit meinem Freund teilte, dessen Finger an einem Ort waren, der nur für ihn zum Sehen und Spüren war. Mir entfloh ein schweres Seufzen und tadelndes Stöhnen, weil ich auch wollte. Ich räkelte mich unter ihm hin und her und schob ihn vorsichtig an seiner Schulter weg.
Seine Augen waren schwarz wie die Nacht. So sah es zumindest von hier unten aus. Die Locken hingen über sie drüber, seine Lippen waren geteilt, seine Atemzüge schwer. Ich kannte ihn so gar nicht, doch ich war mehr als nur bereit dazu, ihn besser kennenzulernen. Vor allem, dieses entzückende Schmunzeln, welches mir seine Eckzähne zeigte.
Er richtete sich auf, sah auf mich hinab und empfing meine Hände, die sich nach ihm ausstreckten, weil sie sich nach ihm sehnten. Er kniete zwischen meinen nackten Beinen und hielt meine Hände, die langsam seinen Bauch anfassten und sich an die Gurtschnalle seiner Jeans machten. Mit einem Zug an dem Leder war der Gurt offen und aus den Schlaufen gezogen.
Ich musste schwach grinsen und holte meinen Freund mit meinen Beinen näher an mich heran, bis er sich wieder über mir abstützen musste und mich mit sanften Küssen ruhigstellte und verführte. Ich machte dabei die Jeans auf und zog den Reißverschluss langsam runter. Darios Blick sank.
Er schaute zwischen uns runter und atmete mehrere Male tief ein und aus. Ich war zwar bis zum Rand hin mit Verlangen und wilden Gedanken und Wünschen überfüllt, doch ich empfand noch immer genug Verstand und Verständnis, um Dario etwas Raum zu geben. Ich löste meine Beine von seiner Hüfte und ließ den Saum seiner Boxer wieder los. «Rede mit mir», flüsterte ich und blinzelte den Nebel der Lust von meinen Augen.
Er schüttelte nur den Kopf und schluckte schwer. Seine Augen waren zu und seine Stirn lag in Falten. «Willst du aufhören?» Wieder ein Kopfschütteln. Ich erinnerte mich daran, was er gesagt hatte. Harmony konnte ihn nicht mehr kontrollieren. Er wusste, dass er die Kontrolle über sich selbst hatte und es seine Entscheidung war. Er allein durfte darüber entscheiden, was mit ihm passierte.
«Red' du mit mir», schaute er mich dann an. «Sag mir, dass du es bist. Immer wieder. Sag es mir immer wieder.» «Wa-» Er sank tiefer in meine Beine und ließ sich auf mir nieder. Seine Lippen hatten meine Verwirrung eingefangen und verschluckt. «Zeig mir, dass du es bist», atmete er gegen meinen Mund. «Noè, zeig mir, dass du es bist und nicht sie.»
Und da sah ich sie; die Angst in seinen Augen brach durch. Er hatte Angst. Er kämpfte und versuchte, stark zu bleiben. Ich langte nach seinen Wangen und lächelte sanft. «Ich liebe dich, Lio.» Er las mich, schluckte wieder schwer und nickte dann etwas benommen.
Er wollte sein Gesicht in meiner Halsbeuge verstecken, doch das konnte ich nicht zulassen. Er musste mich sehen. Er musste sehen, dass ich es war und ich ihn liebte und niemals verletzten würde. «Schau mich an.» Ich wusste, dass er sich mit den geschlossenen Augen vor Harmony schützen wollte. Er wollte sie nicht sehen. Er wollte meine Anwesenheit nicht mit ihrer vertauschen.
Widerwillig und mit leicht verzogenem Mund wagte er es dann doch, mir direkt in die Augen zu blicken. Es schimmerte durch. Das Okay. Das Ja. Er befeuchtete sich die Lippen und lehnte sich wieder ganz zu mir runter, um mich sanft, gar etwas zittrig zu küssen.
Mich durchschoss wieder diese familiäre, sichere Wärme, als ich meine Arme um seinen Nacken legte und seine Nähe in mich aufnahm. Uns trennte bloß noch Darios Hose, doch das war gerade egal, denn ich spürte ihn auch so. Ich nahm in mich auf, wie sicher und schön es sich bei ihm anfühlte.
Ich verlor mit jeder Bewegung ein Seufzen und schlang meine Beine federleicht um seine Mitte. Dario stöhnte mir gegen den Mund und löste sich etwas von mir. Dieses Mal hielt er meinen Blickkontakt und trug dieses unschuldige, dankbare Glitzern in seinen Augen, das mich daran erinnerte, wie unbezahlbar meine Verbindung zu ihm war, zu einem Menschen wie ihm. Meine zweite Hälfte.
Seine Lippen schwebten Millimeter über meinen, als er mit einer Hand den Saum seiner Jeans umgriff. «Hilf mir», hauchte er und sah mich auffordernd an. Mein Herz schlug mir bis zum Hals hoch und ich drohte auf der Stelle in Ohnmacht zu fallen, doch ich half, ich versuchte es. Ich schob seine Jeans runter und hackte meine Finger im Saum seiner Boxer ein, um sie ihm auszuziehen.
Meine Stimme war weg, meine Unsicherheit hingegen, stieg mit der Sekunde an. Ich sah schluckend zu ihm auf ins Gesicht, als er sich wieder auf mir niederließ und mit seinem ganzen Gewicht noch tiefer in das Sofa drängte. Haut an Haut. Seele an Seele.
Ich trug zwar keine Klamotten mehr, doch ich fühlte mich umhüllt. Umgossen von Vertrauen, Leidenschaft und Sehnsucht. «Okay?», flüsterte ich und Dario nickte ganz vorsichtig. «Ein Kondom wäre von Vorteil, was?», fragte er dann leise nach und sah mich mehr oder weniger verpeilt an. «Ja, eventuell.»
Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht damit gerechnet, dass wir es bis hierhin schaffen würden, weshalb ich vorher keins aus meinem Zimmer geholt hatte. «Soll ich eins holen?» Es kam eher wie ein Krächzen raus, weil ich so außer Atem und überfordert war. Dario nickte nur und ging von mir runter.
Ich langte nach seinem Shirt und zog es mir eilig und verkehrt über. Talent. Ich hörte ihn nur noch seufzen, als ich die Treppen hochging und mir etwas mehr Zeit ließ als schlussendlich nötig war. Ich zögerte. War ich denn überhaupt dazu bereit? Wir hatten immer nur darüber geredet, ob es für Dario okay war, doch was war mit mir?
Ich stützte mich an der Kante meines Nachttischs ab und wühlte in der nun offenen Schublade nach einem Kondom. Ich hatte den Inhalt der gekauften Packung einfach hier reingekippt. Ich hatte doch keine Ahnung, was wir hier taten. Wir irrten wie zwei Blinde durch die Gegend und versuchten, das Richtige zu machen. Aber gab es hier denn überhaupt richtig und falsch? Mussten wir nicht zuerst herausfinden, was was war?
Ich drückte mich am Nachttischen ab und schob die Schublade wieder zu. Das Kondom hatte ich tatsächlich in der Hand, doch bei der Treppe hörte ich dann, wie Dario mit jemanden redete. Giorgias Name fiel. Sie musste ihn angerufen haben.
Rio hörte sich nicht gerade erfreut an und was er ihr da auf Italienisch an den Kopf warf, traute ich mich nicht einmal bei Google Translate einzutippen. Ich tapste leise die Treppe runter und sah, wie er bereits wieder halbwegs bekleidet, in Boxershorts, vor dem Sofa auf und ab tigerte und sich genervt die Stirn rieb. Sie stritten sich.
Ich las und verstand die Situation und brachte mein eben ergattertes Gut wieder oben in meinem Zimmer zurück an seinen Ursprungsort. Zurück im Wohnzimmer langte ich nach meiner Unterhose und zog sie mir schweigend wieder an. Darios Shirt wollte ich nicht mehr ausziehen.
Dieser war nun in der Küche und keifte weiter mit seiner Schwester rum. Mit der Entscheidung, diese beiden das ausbaden zu lassen, schaute ich mir einfach den Film weiter an, auch wenn ich den Faden mittlerweile komplett verloren hatte. Knappe 15 Minuten später kam Dario zurück ins Wohnzimmer. Er warf sich neben mich aufs Sofa und knallte sein Handy auf das Kaffeetischen vor uns.
Rein aus Gewohnheit lehnte ich mich in seine Richtung und langte vorsichtig nach seiner Hand. «Alles okay? Worüber habt ihr euch gestritten?» Dario entzog sich aber nur trotzig meinen Fingern und rieb sich genervt die Augen. «Ich geh' pennen.»
Er stand auf, langte nach seiner Jeans und lief in den Flur raus. «Du kannst mit mir darüber reden, Dario.» «Halt einfach die Fresse!», biss er bei der Treppe angekommen plötzlich zu und ich hörte ihn oben dann nur meine Zimmertür hinter sich zu schlagen.
Ich versuchte es nicht persönlich zu nehmen und fühlte mich dann schlussendlich hier unten im Wohnzimmer am wohlsten. Ich überließ ihm mein Zimmer für die Nacht und hielt es für sinnvoll, ihn allein zu lassen.
Nicht nur, weil er den Anschein machte Ruhe zu brauchen, sondern auch, weil ich mich gerade sehr verwundbar fühlte und mir gewisse Worte und Aussagen nicht geben wollte und zutraute. Wir würden morgen früh darüber reden können. Vielleicht hatte er sich dann auch wieder eingekriegt.
Darf ich vorstellen? Dario. Der Dude, der stolz darauf ist, keine Stimmungsschwankungen mehr zu haben. Einmal Applaus, bitte!
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