15. Kapitel
Dario musste sich vorgestern übergeben, weil er langsam zu spüren bekommen hatte, dass er für die letzten Wochen beinahe täglich, jeden Morgen, Benzos genommen hatte.
Woher er diese hatte, war uns allen noch ein Rätsel, doch viel wichtiger war, ihn langsam von ihnen runterzubekommen und hierfür hatte er auch zugestimmt.
Also meine Eltern nannten es zustimmen. So wie ich es von Dario gehört hatte, hatte er nicht wirklich eine andere Wahl gehabt und durfte nicht einmal zu Wort kommen, als darüber entschieden worden war.
Das mit den Benzos musste wirklich langsam, über einen längeren Zeitraum hinweg, geschehen, was für ihn hieß, dass er trotzdem noch etwas zum Nehmen bekam, jedoch sollte es immer weniger werden, bis sein Körper wieder ohne klarkam.
Mich persönlich beängstigte es sehr, wie er darauf beharrte, sich selbst zu betäuben.
Und irgendwie hatte ich mittlerweile auch das Gefühl, dass Bayton mit seiner Diagnose wahrscheinlich gar nicht so weit danebengelegen war, wie Dario letztens zu behaupten meinte.
«Führst du wieder mental dein Protokoll über mein Wohlbefinden?» Dario saß vor mir und drehte seine Schüssel mit Reis wie ein Beyblade auf dem Boden. «Immer doch. Ich muss mir das alles merken, weißt du?»
An Darios Worte zurückdenkend, wie er Benzos zum Beruhigen und Addreall zum Aufdrehen nahm, ließ mich wundern, welchen der beiden er wohl heute früh genommen hätte, wäre sein Konsum weiterhin unentdeckt geblieben.
Anhand seiner nervösen Hände und dem unruhigen Kehlkopf würde ich auf Benzos tippen, doch er hatte bereits etwas anderes, sichereres bekommen. Aber es schien nicht gleich zu wirken. «Das Zeug, das du bekommst, haut nicht so rein, was?»
Er stoppte mit dem Gedreh seiner eigentlichen Mahlzeit und sah mich etwas überfordert an. «Merkt man es mir so sehr an?»
«Na ja, nicht direkt. Du bist etwas unruhiger als auch schon.» «Sorry, aber es ist nicht gerade angenehm.» Er rieb sich seine müden Augen und zuckte dann hilflos mit den Schultern. «Aber was man nicht alles für andere macht.» Für andere. Tja, was hatte ich anderes erwartet?
«Da seid ihr ja.» Taby tauchte neben uns auf und hockte sich mit ihrem Tablett zu uns auf den Boden. Dario drehte weiter an seiner Schüssel rum und seufzte laut aus. «Warum hast du so lange gebraucht?»
Meine beste Freundin verdrehte ihre Augen. «Hab das Besteck vergessen und musste mich nochmal hinten anstellen. Kennst ja die dumme Regel.»
Ich lachte auf und zeigte auf Darios Gabel. «Du hättest seines nehmen können. Er spielt lieber Beyblade mit seinem Reis.»
«Ha. Ha. Ha», hörte ich den Italiener unbeeindruckt sagen und ich grinste ihm schelmisch entgegen.
Seine Augen lauerten auf mir, er war kein Fan von meinen Sticheleien. Oder eher, er versuchte kein Fan von ihnen zu sein, denn das sanfte Schmunzeln, das man von seinem Mundwinkel ablesen konnte, sprach für das komplette Gegenteil.
Kurz war es still, bis Tabea genau das ansprach, was ich mich Dario nicht getraut hatte zu fragen. Nicht, weil ich Angst vor seiner Reaktion hatte, nein. Eher, weil ich mir sicher war, dass ich ihn nicht daran erinnern sollte.
«Ich nehme an, ihr zwei geht nicht auf die Party morgen Abend, oder?» Die grünen Augen versuchten unauffällig zu sein, doch ich sah ganz genau, wie Dario kurz zu Taby schielte und dann zu mir.
Ich war mir bis eben noch nicht sicher, ob er überhaupt von der Party wusste, aber dies hatte sich gerade von allein beantwortet. Natürlich wusste er von ihr und sein Schweigen verriet mir, dass er gehen wollte.
«Ich weiß es noch nicht. Wenn du gehst, komme ich auch.» Ich schaute Taby entgegen und sie nickte. «Lass mal schauen. Aber ich denke, Bock hätte ich schon. Ist'ne Party von Ronan. War noch auf keiner von ihm.»
Ich hatte Angst, Dario würde mit dem Drehen seiner Reisschüssel gleich ein Feuer entfachen, doch er stoppte dann abrupt und sah mir direkt in meine Augen. «Ronans Partys sind nicht gerade die sichersten.»
Bloß ein Schulterzucken meinerseits. «Keine Party ist sicher, wenn man erst 15 oder 16 ist. Wir sind sowieso immer am Arsch, wenn die Bullen aufkreuzen.»
Er nickte, doch zufrieden war er nicht. «Du warst also schon mal auf einer.» Tabea kaute ruhig und wartete auf Darios Reaktion, doch dieses Mal war er es, der bloß mit den Schultern zuckte. «Ist der Ex von meiner Schwester. Klar, war ich schon auf einer.»
Gio und Ronan? Warum hatte ich hiervon nie etwas gewusst? Ronan war 18 Jahre alt und ging, wie Gio auf die Nachbarschule. «Und warum sind sie nicht sicher?»
«Es passiert ganz schnell, dass du was nimmst, von dem du nichts weißt.» Benzos? Adderall? Am liebsten hätte ich ihn direkt gefragt, doch er schien meine plötzliche Anspannung von allein zu bemerken und sah mich kopfschüttelnd an. Es ging hier also nicht um ihn.
«Das kann doch vermieden werden, wenn man gegenseitig auf sich aufpasst. Du willst einfach nicht, dass Noè dort hingeht, nicht wahr?»
Noch nie in meinem Leben hatte ich Darios Augenbrauen so schnell zu einer Linie formen sehen. Und mir selbst blieb gleich die Spucke weg. Verdammte Scheiße, Tabea. Nicht schon wieder.
«Schlussendlich ist es eure Entscheidung. Juckt mich eigentlich nicht, was ihr macht. Frag mich das nächste Mal einfach nicht mehr, wenn du mir eh nur so blöd kommst.»
«Okay, okay. Alles klar, Tiger. Stimmt, dich hätte ich gar nicht fragen brauchen. Du darfst ja eh nirgends mehr hin.» Der Italiener lachte leise auf und schüttelte dann seinen Kopf.
Taby presste alle seine Knöpfe und versuchte ihn aufzudrehen. Ob sie es extra tat oder ihn insgeheim einfach mochte und es ihm so zu zeigen versuchte, war mir nicht ganz klar. Aber ich hoffte auf Letzteres.
«Ja, ich darf nicht gehen.» Er wird gehen. Ich war mir beinahe zu 100% sicher, aber ich blieb still.
Es war nicht meine Aufgabe, ihn zu kontrollieren.
«Du musst aufhören, ihn zu provozieren.» «Warum denn? Jeder bewegt sich um ihn, als gingen sie auf Eierschalen. Der braucht Leute, die ihn nicht babysitten und ihm den Kopf streicheln. Plus, du gehst ja genauso mit ihm um.»
Taby und ich waren auf dem Nachhauseweg und ihre Kippe leuchtete nur noch schwach auf. Den Rauch blies sie mir zuliebe in die andere Richtung, doch der Wind mochte mich nicht und führte den Scheiß direkt zurück in meine Fresse.
«Ja, aber ich mache es noch etwas lieber. Du mobbst ihn ja fast schon.» Sie lachte auf. «Ich mobbe nicht, ich hänsle. Und ich bin mir sicher, er würde mir schon klarmachen, wenn ich zu weit ginge. Meintest du nicht, dass er Gios Vater und deinem die Gesichter eingeschlagen hat?» Okay, Taby hatte recht.
«Ich denke, meine Nase wird es schon zu merken bekommen, wenn Dario genug hat.» Sie nahm wieder einen Zug und neben uns raste ein alter Mercedes vorbei. Er hatte mich etwas erschrocken, weshalb ich mir kurz ans Herz fasste und tief ein- und ausatmete.
«Du hingehen, du würdest nie erfahren, wann du an seine Grenzen kommen würdest. Der mag dich zu sehr.» «Sei dir da nicht so sicher. Er hat mir auch schon mal gedroht. Mein Dad hat sich dazwischen gestellt und vorgestern Abend kam mir jedes italienische Schimpfwort auf der Welt entgegengeflogen.»
«Ja, aber keine Faust. Akzeptier doch einfach, dass er dich wahrscheinlich genauso mag, wie du ihn. Ist dir schon mal aufgefallen, dass er so gut wie nur deine Anwesenheit duldet?»
Und da schaffte es Taby wieder, mir mein Atmen schwer zu machen. War es denn wirklich so? Dario hatte Freunde. Diese duldete er auch, oder?
Und um ehrlich zu sein, gab ich ihm nicht wirklich eine andere Wahl, denn selbst, wenn er mich darum bat, mich aus dem Staub zu machen, blieb ich einfach bei ihm.
«Jetzt studiere doch nicht wieder die letzten Tage durch. Es stimmt und fertig. Aber persönlich sehe ich nicht wirklich, wie da was ins Rollen kommen könnte. Er ist instabiler als die Zahnspangen von 2011 und du lebst lieber nur mit der Vorstellung und planst nicht, sie in die Realität umzusetzen.»
Auf irgendeine komische Weise und Art konnte ich mir Tabea als Therapeutin vorstellen. Jedoch wäre sie nicht für alle passend. Definitiv nicht für alle.
Nur wenige würden in ihren schnippischen und bissigen Aussagen eine Moral finden, die ihnen im Leben weiterhelfen könnte.
«Darios erste Prio ist im Moment wieder gesund zu wer-» «Ist es wirklich seine oder die von deinen Eltern und dir?» Well damn.
Ich meine, Dario meinte eben, dass er das meiste für andere tat, oder?
Bin mir noch nicht sicher, ob ich Tabea mögen oder hassen soll...
Irgendwie feier ich, dass sie wirklich GAR KEINEN Filter hat, doch andereseits sind paar Sachen, die sie sagt schon verdammt kritisch.
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