51. Kapitel
Ich hatte so viel zu erzählen und Lex stellte auch mehr als genug Fragen. Dario hingegen schwieg und hörte bloß zu. So war er nun halt. Er hörte gerne zu, fragte jedoch nie weiter nach. Außer, es ging um etwas, was ihn betrifft. Ich langte wieder nach seiner Hand, als wir den Aufzug betraten.
Das Hotel war schick, aber nichts Großartiges. Warum auch? Wir brauchten es nur zum Schlafen. Ich wollte jede Sekunde, die ich hier war, mit Dario zusammen verbringen. Ich wusste nicht, wann wir uns nach diesem gemeinsamen Wochenende wieder sehen würden.
Diese 3 Wochen waren schwer gewesen. Und die ganzen Fragen hatten es nie einfacher gemacht. Die Jungs an der Uni waren nett und auch überhaupt nicht hässlich oder respektlos, jedoch hatte ich schnell gerafft, dass sich die meisten dort von deren Partner von Zuhause getrennt hatten oder eine offene Beziehung führten.
Auch Wesley war überrascht gewesen, als ich offenbart hatte, dass Dario und ich keine offene Beziehung führten. Ich war der Meinung, dass wenn man seine Beziehung aufgrund der Distanz öffnen musste, brauchte man erst gar nicht in einer zu sein.
Ich hatte keinerlei das Bedürfnis einen anderen Typen an mich heranzulassen, nur weil mein Freund tausende von Kilometer weg war und nicht mit mir schlafen oder mich halten konnte. Für manche funktionierte diese offene Beziehung vielleicht, aber ich würde den Verstand verlieren, wenn das bei Lio und mir so wäre. Und er sicherlich auch.
«Euer Zimmer ist neben meinem. Hier die Karte.» Lex gab sie Dario, der sie immer noch schweigend entgegennahm und sich dann aus meiner Hand löste. Er zog die Karte durch den Schlitz und schaute sich das Zimmerchen an. Seine Augen landeten direkt auf dem großen Bett, was mir zeigte, dass er müde war und einfach nur zur Ruhe kommen wollte.
Lex erklärte mir dann noch, was morgen in Planung war, und deutete auf Darios Rücken. «Hab' etwas Geduld. Er hatte eine eher stressige Woche. Er freut sich, dass du da bist. Auch, wenn er es jetzt gerade nicht so zeigt.» Ich lächelte nur und wünschte seinem Betreuer eine gute Nacht. Es war noch nicht sehr spät, doch auch schon nach 21 Uhr.
Und dass Dario sich freute, wusste ich auch. Ich kannte ihn. Er war müde und wahrscheinlich etwas in Gedanken aufgrund meiner Erzählungen. Ich packte meine Tasche vor den kleinen Schrank und wandte mich dann an meinen Freund, der in seinem Gepäck nach etwas suchte. Er zückte Zigaretten und schob den kleinen Balkon auf. Er rauchte wieder?
Ich folgte ihm schweigend und traute mich ehrlich gesagt gar nicht, nachzufragen. Aber Schweigen würde mir und ihm auch nicht helfen. «Ist etwas passiert?» Er atmete den Rauch aus und schüttelte den Kopf. «Nein, bin einfach etwas überwältigt. Hab' irgendwie nicht damit gerechnet, dass du mich noch willst. Vor allem, nachdem ich nicht einmal bei deiner Abreise dabei war.»
«Ach, das ist doch nicht schlimm. Da bin ich dir doch überhaupt nicht böse. Deine Gesundheit war in diesem Moment wesentlich wichtiger.» Er nickte nur und ich wagte es näher an ihn heran. Ich würde lügen, wenn ich nur unsere allein Bindung vermisst hatte. Ich wollte es nicht ansprechen, weil ich nichts falsch machen wollte, doch ich hatte mehrere Nächte damit verbracht, an unseres erstes Mal und wie sehr ich ihn wieder wollte zu denken.
Und jetzt hatte ich ihn wieder bei mir. Nebst der Tatsache, dass ich ihn nicht hatte sehen können, galt dasselbe auch fürs Berühren. Aber ich traute mich nicht zu fragen. Ich wollte nicht so rüberkommen. Auch, wenn Dario und ich uns darauf geeinigt hatten, offen und ehrlich miteinander zu sein.
«Timo hat mich gekickt.» Was? Er schnippte die Asche von der Kippe und wandte sich an mich. «Bin nicht mehr aufgetaucht und er hatte die Schnauze voll. Sonst gibt's nichts Neues von meiner Seite aus.» Er deutete an, dass ich im Gegensatz zu ihm sehr viel mehr erlebt hatte als er in den letzten 3 Wochen. Störte ihn das?
«Wie geht's deiner Mutter?» Er zuckte mit den Schultern. «Weiß nicht. Die hat sich kaum mehr gemeldet und ich renn' der doch nicht hinterher.» Ich verlor ein leises Seufzen und lehnte mich an seiner Schulter an. Allein nur schon seine Nähe ließ mich entspannen und loslassen. «Und Roxy?» «Die sorgt jetzt dafür, dass Ivy nicht komplett versagt.»
«Bist du nervös wegen übermorgen? Also wegen des Studios und Ben?» Er zuckte nur wieder mit den Schultern. «Bin deinetwegen viel nervöser.» «Meinetwegen?» Er drückte die Kippe im Aschenbecher aus. «Hab' Angst, dass ich nicht mehr genug bin. Hast' doch sicher Typen in New York, die was von dir wollen.» «Nicht wirklich, nein. Die wissen alle, dass ich vergeben bin.» «Schön...»
Sein Blick sank und wir einigten uns schweigend darauf, unsere Klamotten zusammen auszuräumen. Dario hatte natürlich viel mehr dabei als ich. Er blieb ja schließlich 2 Wochen hier für seine Musik. Ich schaute mir die Minibar an, während Rio duschte und schrak dann zusammen, als mich seine Arme umschlangen und an ihn heranzogen. Er war schon fertig.
«Sorry, wenn ich vorher abweisend herübergekommen bin.» Ich grinste sanft auf und schüttelte den Kopf. Mich in seinen Armen zu ihm umdrehend, langte ich nach seiner Wange und streichelte sie mit meinem Daumen. «Alles gut. Es ist halt schon etwas komisch, wenn man sich eine gewisse Zeit nicht gesehen hat.»
Er nickte nur und blieb mit seinen grünen Augen auf meinen Lippen hängen. Diese Einladung musste nicht zweimal aufgesprochen werden. Ich stemmte mich an seinen Schultern ab und auf die Zehenspitzen und küsste Dario. Es war ungewohnt, wieder dieses bisschen Zigarettenrauch zu schmecken, doch es hatte mich noch nie gestört.
Ich taumelte gegen Darios Brust und seine Hände griffen enger um meine Taille. Das Vibrieren in meiner eigenen Brust machte es beinahe unmöglich für mich, mich zu konzentrieren. Ich hatte ihn so sehr vermisst und wusste gar nicht, wie ich das verkörpern oder aussprechen konnte, ohne mich vollkommen zum Affen zu machen.
Aber es war doch nur Dario. Ich konnte ihm vertrauen und ihm zeigen, wie es mir ging. Er war der Letzte, der mich verurteilen oder auslachen würde. Ich löste mich keuchend von ihm und versuchte mich gefangen unter dem heißen Atem, der gegen meinen Mund prallte, zu fangen.
«Was ist?», fragte Dario leise nach und er strich meine Taille hoch und runter. «Nichts. Ich-, es ist nur-,» Ich sah auf in seine wunderschönen grünen Augen und schluckte verkrampft runter. Meine Fresse, ich musste ehrlich sein. «Möchtest du-, also hättest du Lust-, Ich meine-, mit mir?» Ich konnte in seinen Augen sehen, wie sich gewisse Unsicherheit zeigte und bereute meine Frage auf Anhieb.
Dario schluckte schwer. Er hatte mich schon verstanden, oder? «Wenn du willst, können wir schon», murmelte er dann nur verlegen und biss sich auf die Unterlippe. «Nein», entschied ich mich dann. Allein, weil er gesagt hatte; wenn ich wollte, könnten wir... Ne, das wollte ich nicht.
«Was?» «Nur, weil ich möchte, musst du nicht, Dario.» Er ließ mich nachdenklich los und rieb sich seine Schläfen. «Noè, du musst nicht immer diejenige sein, die sich für meine Hemmungen und Ängste opfert.» «Das hat nichts damit zu tun. Ich persönlich habe mir einfach gesagt, dass, solange kein klar und deutliches Ja von dir kommt, ich den Sex nicht brauche. Fertig. Das ist rein meine Entscheidung, die ich für uns beide getroffen habe.»
Er sah sich im kleinen Spiegel vor unserem Bett kurz selbst an und traf dann auf mein Spiegelbild. Sein Gesicht zuckte unsicher und er presste die Lippen fest aufeinander. «Meine Alpträume sind wieder schlimm. Deswegen zögere ich. Nicht, weil ich nicht will, oder so. Ich weiß nur nicht-,» Er drehte sich zu mir um.
Seine Alpträume? Meinetwegen? Wegen unseres ersten Mals? «Weil wir miteinander geschlafen haben?» Er schüttelte zuerst den Kopf, doch gab dann leise zu, dass es ihn doch etwas beschäftigt hatte. «Ich weiß es nicht. Ich möchte einfach kein Drama mit Flashbacks und so weiter haben. Ich habe dich 3 Wochen nicht gesehen und möchte uns damit nicht die Zweisamkeit verkacken, weißt du?» Ja, ich wusste und ich konnte ihn auch verstehen. «Geht klar. Kann ich komplett nachvollziehen.»
Ich tapste leise auf ihn zu und streckte vorsichtig meine Hände nach ihm aus. «Darf ich dich umarmen?» Er musste lächeln und verdrehte die Augen. «So vorsichtig musst du jetzt auch nicht wieder sein.» Er packte meine Hände und zog mich in seine Arme. Ich konnte nicht anders als zu kichern und konnte diese Nacht dann zum erstem Mal seit 3 Wochen wieder unbeschwert schlafen.
Darios kleine Aussetzer störten mich ganz und gar nicht. Ich hatte selbst diese vermisst, auch wenn sie ihm den Schlaf raubten. Aber ich war einfach wieder froh, ihn an meiner Seite zu haben.
Um ehrlich zu sein, wäre ich am liebsten die ganze Nacht wach geblieben und hätte mit ihm geredet, doch Dario konnte nicht. Er war zutiefst erschöpft und brauchte diesen Schlaf, um sich selbst vor den Symptomen zu schützen, mit denen er leben musste. Genug Schlaf half ihm beim Klarkommen.
Am nächsten Morgen war er der Erste, der aufstand. Ich konnte vom Bett aus raus, zu ihm auf den Balkon schauen und lächelte verträumt, weil sich mein Tag nun endlich wieder vollständig anfühlte. Genau solche Dinge hatte ich vermisst. Ihn am nächsten Morgen so sehen zu können. Allgemein einfach ihn.
«Nervt's dich eigentlich, dass ich wieder rauche?» Ich deckte mich nochmals richtig zu und strich mir meine Haare aus dem Gesicht. «Nerven nicht, nein. Es ist sicher nicht ideal für deine Gesundheit, aber schlussendlich halt doch deine eigene Entscheidung. Du kannst mir ja auch nicht untersagen, Alkohol oder weniger Cola zu trinken. Auch, wenn's viel Zucker hat.»
Zugegeben, ich hing mittlerweile sehr an diesem Softdrink, was nicht gut war. Aber an der Uni war das der Einzige nebst Wasser, der einigermaßen schmeckte. «Hast auch wieder recht. Ich rauche aber nicht mehr so viel wie früher. Ist einfach wieder eine Gewohnheit geworden, seit ich niemanden mehr habe, der mich davor stoppt oder mit mir schimpft.»
Ich wusste, dass er mich und meine Mütterlichkeit ansprach. Vermisste er diese also? «Wenn du willst, kann ich schon einen auf Mama-Noè machen», provozierte ich verspielt und Dario grinste schwach auf, der Blick blieb in Richtung Meer und den Santa Monica Pier gerichtet. Das Riesenrad war sehr gut vom Bett aus zu sehen und so weit hielten wir uns vom Pier nicht entfernt.
«Wie ist es wirklich an der Uni? Bereust du schon, was du studieren möchtest?» Ich hockte mich auf und streckte mich. «Nein, noch nicht. Frag' mich das während der Prüfungsphasen wieder.» Dario drückte die Kippe aus und kam wieder zurück ins Zimmer. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass wir erst kurz vor 7 hatten. Dass Dario schon wach war...
«Konntest du nicht pennen?» Er winkte ab. «Doch, doch. Es geht mir schon besser als gestern.» Das hörte man doch gern. «Und was machen wir heute? Ich weiß, dass Lex mit uns ein bisschen raus möchte. Ein bisschen umschauen und so.» Dario zuckte nur mit den Schultern. «Ich mach', was auch immer er will. Dass der mich nach meinem Rückfall und dem Zeug mit meinem Dad überhaupt noch hier herkommen lässt, ist verdammt lieb von ihm. Ich schulde dem sau viel.»
Ich wollte eigentlich nicht nachfragen. Ich war mir sicher, dass es nicht viel über seinem Rückfall zu besprechen gab, was er mir nicht schon am Telefon gebeichtet hatte. Genauso deshalb ging ich nicht darauf ein und krabbelte von der Matratze, um mich von Lio auf die Beine ziehen zu lassen.
«Erzähl' mir von deinen neuen Freunden.» Dario strich mir die Haare hinter meine Ohren und blickte sanft auf mich nieder. «Was willst du hören? Wesley ist genauso, wie ich sie mir vorgestellt habe, nur halt etwas verrückter. Und die Zwillinge Quill und Dom sind auch nicht ganz dicht. Die sind schräg drauf, aber auf die liebe Art und Weise, weißt du? Und ich hab' noch eine Celiné kennengelernt. Wir lernen manchmal zusammen in der Bibliothek. Sie ist ganz ruhig und erinnert mich richtig an Marla von der Station. Mysteriös, aber harmlos.»
Dario hörte mir konzentriert zu. «Du würdest sie mögen. Du mochtest Marla ja auch, oder? Ganz dein Typ; ruhig, neutral und freundlich.» «Bitte...», ließ er mich leise auflachend los. «Wir beide wissen, dass mein Typ ehrlich, loyal, laut und wunderschön ist.» Ich? Wunderschön? Mir wurde ganz warm.
«Und vor allem das schwarze Fell ist mir wichtig», fügte er hinzu und ich haute ihm verlegen an die Schulter. Man, dieser Idiot. Er lachte und fing meine Hiebe sanft auf. «Wir müssen aber echt eine Lösung finden. Ich kann das die nächsten Jahre nicht so, Noè.» «Jahre?» Mir war eigentlich klar, dass ich Dario nie mehr loslassen würde, doch von ihm selbst zu hören, dass er schon an weitere Jahre dachte, machte mich doch verdammt glücklich.
Das hieß für mich, dass er eine Zukunft für uns sah und für sie kämpfen wollte. Dario hatte normalerweise keinen Blick in die Zukunft. Zumindest nicht für sich selbst. «Wichtig ist erstmals, dass du dich auf deine Musik konzentrierst. Wer weiß, was sich da entwickeln wird. Erst dann machen wir uns Gedanken über die Distanz zwischen uns, okay? Und egal, wie weit wir voneinander weg sein werden, so kitschig es jetzt auch klingen mag, ich werde immer genau da sein und du da.» Ich deutete auf unsere Herzen und streckte mich hoch, um Darios Wange zu küssen. «Aber jetzt lass uns fertig machen und Lex wecken gehen.» Der würde auch Augen machen, wenn wir ihn wecken würden und er nicht uns.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro