42. Kapitel
«Mein Dad wird's verstehen.» Ich schnallte mich ab und stieg etwas zitternd aus dem Auto, doch das kapierte zum Glück niemand. Die Schuhe hatte ich gar nicht mehr angezogen. Wofür auch? Rio schloss mein Auto und schaute einmal aufs Handy.
Aus dem erwünschten 1 Uhr war 3 Uhr geworden. Grund: Wir waren eingeschlafen und mussten dann natürlich auch noch zurückfahren. «2 Stunden zu spät. Nicht euer ernst, oder?» Mein Vater tauchte vor der Garage auf und musterte mich.
«Wir sind eingepennt.» «Aha...» «Nein, echt jetzt. Wir sind nach dem Picknick eingepennt und wir waren außerhalb von Marble. Die Fahrt dorthin hat auch schon mehr als eine Stunde gedauert.» Mein Vater winkte dann aber nur ab und zog mich die Stufen hoch ins Haus. Dario übergab mir dabei noch den Autoschlüssel.
«Du bist diejenige, die todmüde an den Flughafen muss. Das ist nicht mein Problem», meinte Dad dann nur und schaute zu Dario rüber. «Danke dafür, dass sie heil wieder da ist.» Lio winkte ab und unsere Augen trafen einander. Ich kämpfte gegen meine größten Dämonen an, um jetzt ja nicht vor Dad zu kichern.
Ich drehte mich aus den Händen meines Vaters und umarmte Dario zum Abschied. «Wir sehen uns morgen wieder, oder?» Dario zögerte, aber nickte dann nur ganz schwach. «Natürlich.» Ich musste grinsen und küsste seine Wange. «Dann bis morgen.» «Bis morgen.»
Er verabschiedete sich noch von Dad und verließ dann unsere Garage. Ich hatte schlechtes Gewissen, weil ich ihn jetzt nicht allein nach Hause gehen lassen wollte. Er hatte mir den schönsten Abend auf Erden geschenkt und jetzt musste er allein nach Hause laufen? Schon scheiße.
Aber Dad hielt nicht viel von meinen Gedanken und befahl mir, mich endlich schlafen zu legen, weil morgen/heute ein anstrengender Tag für mich sein würde. Er hatte ja recht, aber trotzdem... «Was habt ihr gemacht?» Ich rieb mir die Augen. Scheiß auf das Make-up. Ich wusch es mir eh gleich ab.
«Wir sind auf die andere Seite gefahren, richting Sandusky und dort hat Dario einen kleinen Ort, der ganz ländlich war, herausgesucht. Wir haben dort unterm Sternenhimmel ein Picknick gehabt und dann einfach nur geredet und geredet und geredet. Es war einfach perfekt», schwärmte ich dann.
Selbst Dad schien beeindruckt. «Den hätte ich bei deiner Mutter sicher auch mal bringen sollen, man.» Ich trank etwas Wasser und stellte mich an unsere Kücheninsel. «Waren du und Mom auf vielen Dates?» «So wie du und Dario heute? Eher weniger. Wir sind gerne einfach mal ein Wochenende weggefahren. Das waren unsere Dates.» Woah, das wollte ich irgendwann auch mal mit Dario machen.
«Du hast nicht getrunken, oder?» Ich schüttelte meinen Kopf. «Ne, wieso?» «Kommst mir ein bisschen überdreht vor.» Ja, was erwartete er denn auch anderes? Ich hatte-, Mein erstes Mal. Ich hatte mein erstes Mal gehabt. Unter dem Sternenhimmel, mit dem perfekten Typen. Klar, schwebte ich auf Wolke 7.
«Ich bin überdreht, ja. Ich glaube, ich werde diesen Jungen irgendwann mal heiraten.» Da lachte mein Vater auf und schüttelte den Kopf. «Dann will ich aber hoffen, dass du dir das dann ganz, ganz gut überlegst. Dario ist ein guter Junge, doch ob er ein guter Mann wird, stellt sich dann erst noch heraus.» Da war ich anderer Meinung, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren.
«Aber jetzt geh' ins Bett. Du fliegst in gefühlt 8 Stunden schon ab.» «Ja, ja», trällerte ich und dann ging ich aber doch ins Bett. Ich schrieb Taby, dass ich mein Date überlebt hatte. Ihr kennt sie ja. Und Melina und Haley wollten auch wissen, wie es war. Die Details behielt ich für mich. Und ich schrieb Rio nochmals, wie schön es war und wie dankbar ich ihm war.
Es war nicht unser letzter gemeinsamer Abend gewesen, doch sicher für eine ziemlich lange Zeit und ich hätte es mir nicht schöner vorstellen können. Von Mädchen zu Mädchen, auch wenn du keins bist... Also von Mensch zu Mensch, man: Ich hätte nicht gedacht, dass ich Muskelkater vom Sex haben konnte.
Also ehrlich. Sitzen ging kaum. Ich-, Ich musste mich ziemlich zusammenreißen, damit man mir nichts anmerken konnte. Doch in Jogginghosen und Hoodie konnte man mich eh nicht so genau unter die Lupe nehmen. Anders würde ich doch niemals einen Flieger betreten.
Dad und ich warteten mit meinem Handgepäck vor dem Check-in. Tabea war auch da. Sie würde nächste Woche nach LA fliegen. Aber mittlerweile ohne Calvin. Die beiden hatten das ja zuerst zusammen geplant, aber Tabys Eltern hatten dafür gesorgt, dass man sie wieder trennen konnte. «Schon krass. Du gehst nach New York. Ich nach Los Angeles. Wehe, du meldest dich dann nie mehr bei mir oder so. Ich fliege dir hinterher, Alter.»
Ich grinste auf und schlang einen Arm um sie. «Wir beide wissen, dass ich diejenige sein werde, die dir auf die Nerven gehen wird.» Und sie wusste, dass ich recht hatte. Auch Kelly war hier, um sich von mir zu verabschieden. Wir hatten abgemacht, dass wir unsere Sessions, wenn eine nötig war, telefonisch oder über Facetime halten würden.
Wer fehlte, war Dario. Er war nicht da. Ich dachte eigentlich, er würde mit Kelly und Lex kommen, doch diese hatte gesagt, dass sie davon gar nicht gewusst hatte. Und meine Zeit lief aus. Ich musste mich gleich von allen verabschieden und dann allein durch die Passkontrolle gehen. Dann würde es für mich kein Zurück mehr geben.
Ich hatte mich darauf eingestellt, Dario noch einmal zu sehen. Sonst hätte ich ihn nach unserem Date nicht nur umarmt. Ich biss mir nervös auf die Unterlippe und suchte den Italiener in der Menge. Meine Augen hingen am großen Eingang. Ich hielt sogar nach Lex Ausschau, aber ich fand beide nicht.
«Konntest du Lex erreichen?» Kelly schüttelte den Kopf und verlor ein Seufzen, doch ihr Handy begann dann zu klingeln und sie deutete mir, dass er es war. Vielleicht hatten sie einfach etwas Verspätung. Tabea schlang einen Arm um meine Schultern und schüttelte den Kopf. «Der hat sicher irgendwie verpennt, oder so.» Das würde Lex nicht zu lassen. Er war da ganz streng. Dario musste morgens aufstehen, sonst würde er aus seinem erbauten Rhythmus fallen.
Ich sah Kelly beim Reden zu, doch sie sagte nicht wirklich viel und legte dann nur wieder auf. «Roxy musste in den Notfall. Deswegen sind sie nicht da. Ivy hat ein Glas fallen lassen und Rox ist in eine Scherbe getreten. Sie ging nicht ohne Dario ins Auto.» Ach man, Roxy...
Meine Schultern fielen in sich zusammen und ich verlor ein niedergeschlagenes Seufzen. Dann würde ich Dario dann wohl schreiben, wenn ich im Flieger saß. Ja, dann hieß es für mich jetzt wohl Abschied zu nehmen. Ich sah meine beste Freundin schon halb weinend an, als sie mich ganz fest in ihre Arme nahm und mir viel Spaß wünschte.
Ich nickte nur und rieb mir meine Augen trocken. Bei Dad packte ich es dann aber nicht mehr. Ich verwandelte mich in die ganz kleine Noè, die ihren Papa nicht verlassen wollte. Selbst er kämpfte mit den Tränen und bat mich, mich immer bei ihm zu melden. Ich sollte auf mich aufpassen und vorsichtig sein. New York war schön, aber genauso gefährlich.
Und dann erinnerte ich mich daran, dass Mom eigentlich auch hier sein sollte und sie mich auch in die Arme zu nehmen hatte, doch das konnte sie nicht mehr. Schweren Herzens löste ich mich von meiner Familie und winkte ihnen noch ein letztes Mal zu, bevor ich es in die nächste Halle wagte und Marblehead zum ersten Mal komplett allein hinter mir lassen würde.
Es war ein komisches Gefühl. Irgendwie fühlte es sich falsch an, aber zugleich war eine gewisse Aufregung dabei. Vorfreude auf Neues. Ich zückte dann in der Wartehalle mein Handy und schrieb Dario, «Bis bald, Lio.» Roxy hatte einen scheiß Moment ausgesucht, um Hund zu sein. Nein, ehrlich.
Ich wollte Dario nochmals halten. Ich dachte, wir könnten uns hier nochmals richtig verabschieden. Mir schossen wieder Tränen in die Augen und ich rieb sie mir hastig weg. Aber wenigstens hatten wir eines der schönsten Dates auf der ganzen Welt gehabt und ich fühlte mich enger an ihn gebunden als je zuvor. Ich gehörte ihm. Er gehörte mir.
Zugleich verfluchte ich unsere Entscheidung, Sex gehabt zu haben, weil ich nun wusste, wie schön es mit Dario war. Und jetzt musste ich tausende von Kilometer von ihm wegfliegen und konnte ihm für sehr lange Zeit nicht mehr so nahekommen. Ein Fluch, aber zugleich ein Segen.
Ich meine, Dario hatte gewonnen. Er hatte endlich gegen Harmony gewonnen und das war ins gemein alles, was für mich zählte. Er-, wir hatten uns Monate Zeit gelassen und ich denke, das war eine unserer besten Entscheidungen gewesen, denn das gestern war perfekt gewesen.
Klar, nicht perfekt, was den Sex allein anging, aber es hatte einfach alles gestimmt. Wir hatten es nicht erzwungen. Ja, Monate zuvor hatten wir es ein-, zweimal überstürzt, doch wieder daraus gelernt.
Und ich denke, unsere Fehler hatten zu diesem unvergesslichen, einzigartigen Abend geführt. Mir wurde ganz heiß, wenn ich nur schon daran zurückdachte. Ich vermisste Dario jetzt schon und ich fragte mich, ob das von nun an für Tag zu Tag schlimmer oder einfacher werden würde.
Roxy... Roxy... Roxy...
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