38. Kapitel
Es waren zwei Wochen vergangen und meine Abreise nahte, doch mit Dario verlor ich jegliches Zeitgefühl. Ich flog seit seinem Besuch im Krankenhaus auf Wolke Sieben und hatte es kein einziges Mal mehr gewagt, zurück auf den Boden zu treten. Ich hatte noch nie Flitterwochen erlebt, doch ich stellte mir vor, dass sie sich so anfühlten.
Darios Medikamente waren neu abgestimmt. Der Fokus lag nun auf seinen Stimmungsschwankungen. Er nahm nur noch Stimmungsregulierer. Wir versuchten es ohne die Antidepressiva, was ihm bis jetzt ziemlich gut kam. Sein träges Gemüt zeigte sich nur noch sehr selten. Er hatte wieder mehr Energie.
Klar, waren erst zwei Wochen vergangen, doch bis jetzt hatte er, bis auf leichte Übelkeit und wenige Migräneanfälle keine akuten Nebenwirkungen erlitten. Das Licht am Ende des Tunnels kam näher und wurde immer heller.
Und jetzt! Leute! Dario schrieb! Er hatte wieder mit dem Schreiben angefangen und er suchte zusammen mit Lex einen Produzenten, der ihm passte. Er wagte es. Zu hören hatte ich noch nichts bekommen. Ich durfte nicht. Dario weigerte sich, doch ich war mir sicher, dass es gut war.
Und obwohl meine Abreise nahte, verspürte ich diese Spannung und diese Angst nicht mehr, das Chaos hinter mir allein zu brühen lassen. Dario hatte es im Griff. Das Chaos verzog sich von Tag zu Tag. Es ging genauso stark im Nebel unter, wie mein Handabdruck es an der Scheibe unserer Dusche im Dampf tat.
Mein Kopf lag im Nacken und ich atmete stockend aus. Seine nassen Locken klebten an meiner Wange und seine heißen Lippen an meinem Hals, der immer weiter zuging. Ich sah Sterne und winkelte mein Bein enger um Darios Hüfte an, um ihn näher an mich heranzuholen.
Ich krallte mich mit der Hand, die nicht einen auf Titanic machte, an seiner Schulter fest und holte schnappend Luft. «Weiter», seufzte ich. Ich wollte nicht zu grafisch werden, doch Darios Finger waren in mir. Anders konnte ich mich gerade nicht äußern, sorry. Mehr ging nicht mehr.
Sie raubten mir den Verstand und ich musste mir nicht zum ersten Mal böse in die Unterlippe beißen, um meine Lautstärke in den Griff zu kriegen. Wir wollten uns Zeit lassen, doch es wurde immer schwerer. Vor allem, weil Zeit bei uns beiden nicht mehr existierte. Die Nähe und Sehnsucht war zeitlos. Die Hitze, die durch meinen Körper pumpte, benebelte uns beiden den Sinn.
«Noè-,» Ich langte nach seiner Wange und suchte seine Augen hinter dem schwarzen Wimpernkranz. «Ich weiß», hauchte ich gegen seine angeschwollenen und bebenden Lippen. Ich wollte es auch. Es wurde unerträglich. Doch Darios Verlangen lag woanders. An einem Ort, an dem ich mich nie zu denken getraut hatte. «Voglio assaggiarti.» «Hmm?»
Meine Augen gingen von den Wallungen, die mich durchfuhren, langsam auf und zu. Es drehte sich gefühlt alles. Dario wiederholte es nicht, aber er löste sich etwas von mir. Ich wollte protestieren und mit ihm schimpfen, als seine Finger sanft mein Schlüsselbein nachfuhren und runter über meine Brust, bis zu meinem Bauchnabel wanderten.
Mir ging die Luft aus, als Dario sich langsam meinen Körper runter küsste und mein eben noch um ihn gelegtes Bein anhob und über seine Schulter legte. Und zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich nicht mehr, wie man redete.
In mir brannte alles. Das Office stand in Flammen. Mein Hirn hatte die Koffer gepackt und erfreut lebe wohl gesagt. Mein Herz flatterte und meine Mitte zog sich verkrampft zusammen, als ihr klar wurde, was ihr blühte. Darios heißer Atem umhüllte meinen unteren Bauch und er küsste sanft meinen Beckenknochen lang.
Ich holte laut und überfordert Luft, weil sich nebst der Lust und dem Verlangen auch Scham in mir ausbreitete. Was, wenn ich etwas falsch machen würde? Was, wenn ich Dario nicht schme-, Ich zog scharf die Luft ein und krallte mich an seinen Haaren fest. «Sicher?» Ich musste einfach nachfragen. «Mhm», hörte ich ihn leise seufzen.
Seine Augen lösten sich gar nicht mehr von ihr und ich realisierte, dass dies nun wirklich passieren würde. Aber egal, wie sehr ich mich versuchte, darauf vorzubereiten, der Kloß im Hals löste sich nicht mehr. Mir jagte der Puls durch den Rachen hoch. Mein Kopf pumpte.
Darios Atem war komischerweise kühl auf meiner Haut, doch er jagte einen Stromschlag durch meinen Körper, dem ich beinahe erlag. Ich suchte etwas anderes als seine Locken, um mich festzuhalten und presste meine linke Hand wieder an die angelaufene Scheibe. Seine Lippen an der Innenseite meines Oberschenkels zu spüren, schickte mich allein schon so gut wie über die Kante.
Ich verlor ein gebrochenes Stöhnen und biss mir gefühlt die Lippe kaputt. Wie lange wollte er noch warten? Ich schaute schwer atmend zu ihm runter und wäre die Wand nicht hinter mir gewesen, wäre ich geradewegs nach hinten umgekippt, als ich nicht nur sehen, doch auch spüren konnte, wie er seine Lippen und seine Zunge langsam und sanft über meiner Hitze zergehen lie-, «Ich bin wieder da! Noè? Bist du unterwegs?»
Ich rutsche aus, doch Dario konnte mich gerade noch auffangen. Er erhob sich hastig wieder und stabilisierte mich, mit seinen Händen um meine Taille geschlungen. Mein Dad! Verdammte Scheiße, nochmal! Was hatte der wieder für ein Timing?! «Der versaut es uns fast jedes Mal», motzte ich und schaltete die Dusche aus. Dario reichte mir ein Handtuch und legte sich selbst eins um.
Meine Beine zitterten und ich langte nach meinen Klamotten wie eine Oma in ihren 90ern. «Ich geh' nachher zu Dario! Bin am Duschen!», schrie ich durchs Haus und da hörte ich meinen Vater den Flur heruntergehen. «Okay, isst du bei ihm? Ich schaffe es heute nicht mehr für uns zu kochen.»
«Klar! Musst du länger arbeiten?» «Ja, aber morgen habe ich den ganzen Nachmittag für dich Zeit.» «Super», bibberte ich und ich schmiegte mich erschöpft an die Brust meines Freundes, dessen Anwesenheit meinem Vater enthalten werden musste. Der brauchte keineswegs zu wissen, dass er uns in der Dusche erwischt hatte. Vor allem nicht, wobei...
«Ich muss gleich wieder los. Sagst du Dario noch einen Gruß von mir?» Ich bejahte und drückte mir die Haare aus. «Ich muss echt sagen, der Junge wächst mir immer mehr ans Herz. Ich bin froh, dass du ihn hast.»
Dario schmunzelte und zog sich dabei an. «Ob er dasselbe sagen würde, wenn er wüsste, dass ich gerade bei dir unter der Dusche war?» Ich deutete ihm, die Fresse zu halten und lief schnell zur Tür, um in den Flur zu treten. Dario ließ ich allein zurück.
«Ich auch. Ich mag ihn auch», grinste ich dann nur und mein Vater schüttelte den Kopf. «Natürlich tust du das. Also, sag ihm einen Gruß, okay?» «Werde ich machen. Bis morgen?» «Ja, bis morgen. Tschüss, Maus.» Mir wurde ein Kuss auf die Stirn gedrückt und ich schaute meinem Vater beim Wegfahren zu, als Dario wieder neben mir auftauchte.
Er war im Moment sehr gut drauf. Das erkannte ich an seiner direkten Art, welche heute keine Grenzen kannte. «Du schmeckst gut.» Mir schoss die Farbe ins Gesicht und ich schob ihn verlegen den Flur runter. Er lachte nur und wuschelte sich nochmals durch die feuchten Locken. Ich schaute ihm verliebt hinterher.
Das war nicht mehr normal. Ich hatte mich die letzten Wochen nur noch mehr in diesen Idioten verliebt. Ich hatte nicht gewusst, dass man immer tiefer und tiefer fallen konnte. Wir waren uns noch nie näher gewesen als jetzt. Wir wuchsen immer enger zusammen. Die Spannung wuchs, das Verlangen begann sich an unserer Geduld und Selbstkontrolle satt zu fressen und das Vertrauen bohrte die Wurzeln immer tiefer in die Basis unserer Beziehung.
Ich fühlte mich pudelwohl. Vor Dario musste und konnte ich nichts mehr verstecken. Und umso stärker das Vertrauen wurde, desto mehr blühte auch er auf. Ich denke, er hatte sich vermehrt gefunden. Seine Furcht vor Nähe, seine Gefühle und seine Gedanken waren nicht mehr seine Feinde. Er begann, sie auszuleben.
Ich ging zu ihm ins Wohnzimmer und warf mich neben ihm aufs Sofa. Ich musste mich kurz räuspern, weil das Verlangen, ihn gleich wieder zu beklettern, nahm mein Hirn laufend ein. Ich konnte nicht mehr genug kriegen. Es war mittlerweile unerträglich, welch Anziehungskraft zwischen uns loderte.
«Was hältst du von einem Date?» Dario warf sein Handy auf das Kaffeetischen und sah mich dabei abwartend an. «Ein Date?» Hatte er wirklich Date gesagt? «Mhm. Ein richtiges Date, weißt du? Ich denke, vor deiner Abreise sollten wir mindestens einmal ein richtiges Date gehabt haben. Wir waren noch nie auf einem echten, romantischen Date.»
Ich meine, er hatte recht, doch-, ich hatte uns auch nie in solch einem Licht gesehen. «Also so richtig schick?» Dario zuckte mit dein Schultern und breitete sich seufzend übers ganze Sofa aus. Seine Beine legte er auf meinen Schoß. «Wie auch immer du es bevorzugst. Meine Frage ist bloß, ob du mit mir auf ein Date möchtest.» Ich musste grinsen und biss mir dabei schüchtern auf die Unterlippe. «Natürlich, Dario. Immer.»
Er begann auch zu lächeln und rümpfte dann kurz die Nase. «Klingt Samstagabend machbar?» Ich flog am Sonntagmittag ab. Ich nickte und spielte nervös mit meinen Fingern. «Was wollen wir machen?» Dario schüttelte den Kopf. «Sag' ich dir nicht.» «Aber ich muss das doch wissen, damit ich mich passend kleiden kann.»
Er atmete langsam ein und wieder aus und schien nachzudenken. «Schick, aber bequem?» Okay... «Okay», grinste ich dann, mit rosigen Wangen auf. Ich wusste nicht, was passen könnte, doch ich hatte Lust darunter etwas Spezielles anzuziehen. Das wollte ich schon immer mal machen.
Also würde ich Melina und Haley diese Woche noch zum Shoppen zwingen. Klar, sie würden direkt kapieren, was ich da vorhatte, doch meine Fresse. Man konnte mir auch mal bisschen italienisches Feuer gönnen. Und Darios Flammen wurden von Tag zu Tag heißer. Er wurde gefährlich und ich liebte es. Ich liebte es, mit Feuer zu spielen.
Wir verbrachten den Resttag im Wohnheim und ich konnte Dario nach ewigem Jammern auch dazu überreden, mir zu zeigen, was er da auf der Gitarre zusammengestellt hatte. Dario spielte mir ruhig was vor und ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich ihn, die Gitarre, seine Finger oder den Boden anschauen sollte.
Aber Dario trug beim Spielen einen gewissen Frieden auf dem Gesicht. Es tat ihm echt gut und ich war froh darüber, dass er es endlich auslebte. Also, er versuchte es zumindest. «Du kannst mir nicht sagen, dass du alles, was du schreibst, immer noch verbrennst.» Er stoppte und sah kurz verwirrt auf.
Ich konnte seine Augen zuerst gar nicht sehen, bis er sich die Locken seufzend aus der Stirn nach hinten strich. «Manche Sachen schon und manche nicht. Ich hab' zwei, die Lex dem Produzenten zeigen möchte, aber ja... Bin mir da nicht so sicher.» «Darf ich sie lesen? Sind es fertige Texte.»
Dario legte die Gitarre weg und rümpfte sich wieder die Nase. «Sie sind fertig, ja. Aber ich kann dich sie nicht lesen lassen.» «Wieso?» «Weil-, es fühlt sich dann wie Gedankenlesen an. Ich weiß nicht, ob ich dich so tief lesen lassen möchte. Noch nicht jetzt, zumindest. Bei Lex war es auch eine krasse Überwindung.» Eigentlich sollte mich dies kränken, doch es ging. Ich konnte ihn verstehen, aber irgendwann würde die Welt diese Songtexte zu hören bekommen.
«Haben sie denn schon einen Namen?» Er nickte und schluckte verkrampft runter. «Also ja, schon. Aber die sind nicht final. Bei einem bin ich mir zwar ziemlich sicher, dass ich den Song so nennen möchte. Aber, ob so ein Song überhaupt angenommen wird. Er spricht ein heikles Thema an.» Das taten doch viele Lieder. Die beste Musik kam vom Schmerz. So traurig es nun klingen mochte, doch meine meistgehörten Lieder hatten dunkle und traurige Bedeutungen.
«Wie heißt er?» Ich sah Dario zu, wie er mit sich selbst rang, ob er mir das erzählen sollte oder nicht. «Haunting Harmonies...» Mir ging die Spucke aus und als Person, die Dario kannte, hatte ich das Wortspiel natürlich direkt verstanden. Das war also das heikle Thema, vor dem Dario sich scheute, dem Produzenten zu zeigen.
«So einen Song als erste Single herauszubringen, wäre gefährlich, Micina. Er spricht zwar nicht direkt die Vergewaltigung an, aber man hört natürlich raus, dass er eine Doppelbedeutung hat.» «Aber es ist mutig und ein verdammtes Statement.» Darauf hatte er nichts zu sagen.
Er räumte bloß sein Instrument weg und weilte in seinen eigenen Gedanken. «Der andere könnte Cigarettes & Spoons heißen, aber das hört sich etwas zu kitschig an...» Cigarettes & Spoons. Zigaretten und Löffel.
Auch da wusste ich auch direkt, worum es ging und meine Fresse, Vorfreude breitete sich in meinem Inneren aus, weil ich einfach wusste, dass Darios Musik Wahrheit, Ehrlichkeit und Direktheit verkörpern würde. Ich hatte es im Gefühl, dass seine Musik die Menschen anders treffen und erreichen würde.
«Geht's da um deine Zeit bei deiner Mom?» Er nickte und legte sein Handy auf den kleinen Tisch vor mir. «Ja, an das, was ich vereinzelt noch weiß... Du hast ja von Santiago gehört, was ich mit Kippen und Löffeln verbunden habe als kleiner Junge.»
«Krass, dass du da trotzdem noch zu rauchen angefangen hast.» Er stimmte mir nur zu und spielte dann mit meinen Fingern, die er auf seinen Schoß zog, als er sich zu mir aus Sofa hockte. Hier im Hobbyraum gab es nebst den Instrumenten und dem Boxsack, auch noch was zum Malen und eine kleine Ecke mit Sofa und Tischchen.
«Na ja, was man nicht alles tut, um von der eigenen Mutter gesehen zu werden.» Er lächelte traurig und sah mich dann einfach nur an. Er hatte deswegen mit dem Rauchen angefangen? «Santiago hat's ja früh gecheckt und es auch immer wieder unterbunden, aber ja... Ich hätte es gern gehabt, wenn meine Mom dazwischen gegangen wäre. Dann hätte ich vielleicht wirklich schon früher mit dem Rauchen aufgehört.»
Ich lehnte mich an seiner Schulter an und atmete leise aus. «Mit 12 angefangen und mit 16 wieder aufgehört-,» Er redete für mich weiter, doch seine Fortsetzung war anders als meine, «Doch noch immer jeden Tag den Drang dazu. Ich bräuchte es echt, aber ja... Bei mir funktioniert ja nur alles oder nichts.»
«Alles oder nichts», atmete ich leise aus. «Das könnte auch ein geiler Song sein. All or nothing. Passt auch gut zum BPS.» Dario lachte leise auf und schüttelte den Kopf. «Ich seh's schon kommen. Ich krieg', wenn du dann in New York bist, täglich Song-Ideen von dir zugeschickt, was?» Ich grinste auf. «Darauf kannst du wetten.»
Was denkt ihr, plant Dario für ein Date? Und ich habe einfach im Kopf, wie er gestresst und nervös zu Vicky rennt und sagt, dass er sich komplett übernommen hat und keine Ahnung hat, wie man ein Date plant. xD
Und was hält ihr von Darios Songnamen?
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