21. Kapitel
«Jetzt geh' duschen, du Idiot.» Ich schob den halbnackten Nate von mir weg. Er lenkte mich nur ab. Er gab lachend nach und verschwand im Bad von unserem kleinen Hotelzimmer. Er hatte sich tatsächlich die Zeit genommen und war fürs Wochenende mit mir nach Chicago gekommen.
Ich schminkte mich zu Ende und legte mir meine Klamotten zurecht. Nathan kam kurze Zeit später mit dem Handtuch um die Hüften gelegt zu mir und nickte einverstanden. Er mochte das Kleid wohl. «Zieh' dir was an», schimpfte ich. Ich war nervös und gestresst, ja. Aber zugleich war ich positiv aufgeregt, weil ich Vicky und Taby endlich wieder einmal sehen konnte.
«Müssen wir vorglühen? Du scheißt dir ja gleich ein, Noè», hörte ich Nathan hinter mir fragen. Vorglühen? Bereits vor der Party was trinken? Das wäre keine schlechte Idee. «Ich glaube, betrunkenes Ich würde mehr tun, als sich nur einen einscheißen.» Ich hörte ihn auflachen. Ja, witzig...
«Komm, freu dich doch. Du siehst alte Freunde. Das wird toll und ich bin doch auch da. Und wir können immer hier zurück zum Hotel gehen, wenn's nicht gut geht oder du dich nicht gut fühlst.» Ja... Er hatte recht. Der gute Herr war zu meiner seelischen Unterstützung geworden. Ich hatte noch nie einen so optimistischen Typen gesehen, wie ihn. Obwohl, Vicky kam da doch sehr nahe an ihn heran.
Die Party war bei Vicky in der WG und nicht weit von unserem Hotel entfernt. 20 Minuten mit dem Bus und fertig. Das waren knappe 6 Stationen. Ich zog mir das Kleid über und schlüpfte in meine Schuhe. Nate richtete sich den Kragen seiner Jacke und mit einem Nicken waren wir uns einig, es zu wagen. Auf zur Party.
Ich war ziemlich froh, dass ich mich für flache Schuhe entschieden hatte. Und so nebenbei. Ich trug kein krasses Kleid oder so. Es war eher ein übergroßes Shirt mit Fischnetzstrümpfen. Ich trug natürlich noch eine Short darunter. Vicky hatte explizit gesagt, man sollte so kommen, wie man sich am wohlsten fühlte. Aber in Pyjamas konnte ich mich doch nicht blicken lassen. Auch, wenn Nathan das toll gefunden hätte.
Die Busfahrt war leider schneller um, als mir lieb gewesen war. Und ich versuchte mit Google Maps herauszufinden, wo wir nun lang mussten. Doch nach weiteren 10 Minuten spazieren, war schnell klar, wo eine Party im Gange war. Es war kurz vor 23 Uhr. Früher hatte ich mich hier nicht blicken lassen wollen.
Vicky war einfach zu finden, denn er rief meinen Namen durch die ganze Hütte. Ja, Hi. Er kam auf mich zu und umarmte mich ganz eng. «Scheiße, ist das krass. Wir haben uns fast ein Jahr oder so nicht mehr gesehen.» Ich wünschte ihm alles Gute zum Geburtstag und deutete dann auf Nathan, der das voll locker nahm. «Oh-,»
Vicky sah zwischen uns beiden hin und her und hob seine Augenbrauen an. «Und wieso erfahre ich das erst jetzt?! Noè!» Ich grinste verlegen auf. «Nathan.» «Vicky. Mach' ihr weh und du wirst mit einem Auge offen schlafen müssen.» Wie gesagt, Nate nahm es locker. «Giorgia ist auch hier. Sie ist, glaube ich, in der Küche und Riley ist auf dem Balkon. Bei Dario.» Mein Gesicht fror ein.
Er war schon hier? Vicky konnte mir ablesen, dass ich etwas unsicher wurde, weshalb er abwinkte. «Er sieht gut aus. Mach dir keine Sorgen. Da hat sich echt was getan bei ihm, denke ich.» Ach? Echt? Ich nahm mir aber vor, den Balkon für den Anfang zu meiden, weshalb ich Nathan Tabea und Giorgia vorstellte.
Tabea mochte Nate. Giorgia versuchte nett zu sein, doch sie hielt nicht viel von ihm. Sie hatte ihren Freund auch dabei. Ob das wohl noch der war, der bei Dario angerufen hatte? Ich musste automatisch grinsen. Man, das war so lustig gewesen.
Nathan und ich entschieden uns dann dafür uns etwas zu trinken zu holen und abseits zu Platz zu nehmen. Eine kurze Pause. Es hatte es echt in sich, jedem nach langer Zeit wieder hallo zu sagen oder jedem erklären zu müssen, dass Nathan mein Freund war und Dario und ich schon seit knapp 5 Monaten getrennt waren.
Ich erschrak mich zu Tode, als jemand neben mir Platz nahm. Aber ich erkannte die schwarzen Haare direkt. Riley. «Hi», begannen meine Augen zu leuchten. Klar, hatten wir zwei nicht den besten Start gehabt, aber sie war im Großen und Ganzen eine tolle und vor allem treue Freundin geworden.
«Na, wieso bist du nicht hallo sagen kommen?» «Brauchte eine kurze Pause.» Ich zeigte zu Nathan und Riley sah rüber zu ihm. Er nippte an seinem Becher. «Oh, sorry. Ich bin Riley.» Die beiden redeten kurz über eins ihrer Tattoos und dann trat Schweigen ein. Sie wusste, dass ich fragen wollte und ich wusste, dass sie mir Dinge erzählen wollte.
Deshalb gab ich leise nach. «Ist er okay?» Sie zuckte mit den Schultern. «Du weißt sicher, dass wir zusammen sind, oder?» Ich nickte. «Na ja... Kann man es Zusammensein nennen? Eher weniger», gab sie dann zu. «Ich bin einfach, da wenn er jemanden braucht, aber es ist keine richtige Beziehung.»
Nathans Zunge war wohl genauso locker unterwegs wie er selbst. Er scheute nicht davor, direkte Fragen zu stellen. Wahrscheinlich, weil er wusste, dass ich mich nicht traute, sie zu stellen. «Also F+, oder was? Ihr vögelt einfach?» Riley schüttelte den Kopf. So direkt musste er doch nicht fragen, meine Fresse. Aber sie hatte den Kopf geschüttelt. «Also schon irgendwie F+, aber nur mit einem halben +, wenn ich's so sagen kann. Du weißt sicher, was ich meine Noè.» Ich nickte nur. Kein Sex. Das meinte sie. Noch nicht, zumindest.
«Wir sehen uns eh nicht viel. Er ist immer unterwegs und ja...» Sie sah mich unsicher an. «Er ist so kalt geworden. Aber das liegt, glaube ich, hauptsächlich an den neuen Medikamenten, oder so. Lex hat auch nach dir gefragt, Noè.» Ja, bei ihm und vor allem Kelly sollte ich mich wieder mal melden. Ich hatte die letzten Monate so ziemlich alles gemieden, was mit Dario in Verbindung stand.
«Weiß er, dass ich hier bin? Also Dario?» «Denke sc-.» «Jup, weiß es.» Ich schrak zusammen und schaute nach vorn. Dario stand da und trank aus einer Flasche. Nathan richtete sich automatisch mehr auf und atmete mehrmals durch. Auch er hatte sich erschrocken.
Was er mir bis zum jetzigen Zeitpunkt nie geglaubt hatte, war, welch Ausstrahlung Dario haben konnte. Sie konnte einen unsicher und Angst machen. Vor allem, wenn er so leer dreinschaute und Riley an der Hand auf die Beine zog. Sie nahm ihm die Flasche weg und stellte sie zur Seite. Stimmt. Was, wenn ihn jemand hier fotografieren würde oder so?
Darios Augen wanderten zu Nate und das Problem war, dass sich keine verdammte Regung in seinem Gesicht bemerkbar machte. Aber er hob dann eine Hand an und wartete auf Nates Einschlag. «Dario.» Nathan schlug ein. «Nate.» Dario brauchte kein Genie in Mathematik zu sein. Er hatte Nates Hand auf meinem unteren Rücken bereits gesehen und eingespeichert. Er konnte eins und eins zusammenzählen.
«Seid ihr schon lange da?» «Nein, vielleicht eine knappe Stunde. Ihr?» Riley gab mir eine Antwort, denn Dario ließ sich vom Lärm in der Küche ablenken. Wahrscheinlich, weil er wusste, dass Gio dort war. «Wir sind auch noch nicht so lange da, nein. Wir müssen, glaube ich, bald wieder Leine ziehen. Wegen den Paparazzis. Bevor die rausfinden, wo Dario genau ist.» Da, er war wieder bei uns, «Hab' um 3 Uhr einen Flug nach England.»
Das hier war unangenehm. Ich hatte vieles, was ich Dario fragen wollte. Ich wollte alles wissen. Wie es ihm wirklich ging, wie es im Team lief und was er als Nächstes vorhatte, doch da ich Nate bei mir hatte, wollte ich nicht zu viel Interesse an meinem Exfreund zeigen. Verständlich, oder?
Riley ging dann aber kurz zu Gio in die Küche und Nathan musste auf einmal auf Toilette. Sind wir ehrlich... Die beiden taten dies extra, denn die Luft war schon ziemlich dick. Witzig war, dass Dario und ich es nicht wagten, einander direkt in die Augen zu schauen. So, als würden wir beide uns davor fürchten, etwas zu sehen, was wir nicht sehen wollten.
«Sieht nett aus», meinte er dann nur und deutete mir, ihm zum Balkon zu folgen. Auf dem Weg dahin langte er nach einem neuen Becher. «Also Nate, meine ich... Hoffe, er behandelt dich gut.» «Kann mich nicht beklagen, nein.» Dario nahm einen Schluck vom Becher und schaute raus in die Nacht.
Hier auf dem Balkon war es echt um einiges ruhiger. «Mit dem Studium alles gut?» «Ja... Und bei dir?» «Ist und bleibt stressig, aber ja... Man kann sich nicht darüber beschweren.» Ich musterte ihn von der Seite und sah, wie sein Kiefer malte. Etwas beschäftigte ihn, doch es war nicht mehr meine Aufgabe nachzufragen. Ich hatte Angst vor der Antwort.
«Bin froh, dass du gut durchgekommen bist», kam es mir leise von den Lippen. Da, Dario schaute mich endlich an. Der Becher in seiner Hand zitterte. Durfte er echt wieder trinken? Ich meine, er trank nicht viel. «Lex war für mich da. Du hattest sicher Wesley und so. Und dein Dad, was?» «Ja... War nicht einfach.»
Nathan kam wieder dazu und er blieb schräg hinter mir stehen. Dario schaute etwas auf seinem Handy nach und schüttelte dabei den Kopf. «Bist du okay?» Ich nickte nur und lächelte zu meinem Freund auf. Ich war froh, dass er wieder bei mir war. Riley hatte recht. Dario war kalt. Freundlich und verständnisvoll, aber trotzdem irgendwie kalt. Komische Kombination.
Es war so ungewohnt und fremd, dass ich es nicht länger bei ihm aushalten konnte. Nathan und ich zogen uns also wieder zurück und wir blieben auch nur bis knapp 3 Uhr. Ich spürte es ein wenig und Nate auch, weshalb ich so vernünftig war, für uns beide zu entscheiden, dass wir zurück zum Hotel gehen würden. Dario und Riley waren bereits um 1 Uhr gegangen.
Irgendwie... Keine Ahnung. Ich glaube, das Wiedersehen heute Nacht hätte nicht geschehen sollen. Ich weiß nicht. Etwas hatte sich falsch angefühlt. Nate hatte es auch gespürt. Er empfand es jedoch anders als ich. Ich dachte, es sei unnatürlich und cringe gewesen, er beschrieb es jedoch ganz anders. Für meinen Geschmack wieder etwas zu direkt und ehrlich. Aber ich neigte wohl, dazu mir solche Typen zu angeln.
«Das war nicht fremd oder komisch, Noè. Weißt du, wie es war?» Er warf sich ins Bett und streckte sich. Ich zog ihm die Schuhe von den Füßen, denn ich wollte die weißen Laken nicht dreckig machen. «Wie?» «Das war, wie wenn zwei Leute, die sich ganz klar noch lieben, wieder aufeinander treffen und es nicht mehr aussprechen können, weil die neuen Partner daneben stehen.»
«Das stimmt nicht», konterte ich. Da hatte er Unrecht. «Ich wäre nicht mit dir zusammen, wenn ich Dario noch so lieben würde.» Nate schaute auf und hob eine Augenbraue an. «Daran ist nichts schlimm, Noè. Der ist auch noch voll verschossen in dich. Die Killerblicke in meine Richtung sind mir nicht entgangen. Manchmal ist das halt so, dass man immer an dieser einen Person hängenbleiben wird. Auch, wenn es in einer Beziehung nicht funktioniert hat.» Er zog sich sein Shirt über und warf es mir zu. Danke?
«Ich habe meine allererste Freundin auch tief in mein Herz geschlossen und ich werde sie immer auf gewisse Art und Weise lieben. Das ist so. Kann man nicht ändern.» Echt? «Und ich kann dir da nicht böse sein. Das erste Wiedersehen mit dem Ex ist immer emotional und unangenehm.»
«Meinst du?» Ich schlüpfte in eins seiner Shirts und band mir meine Haare hoch. «Sicher.» «Hätte nicht gedacht, dass du da noch so offen und gelassen denkst. Vor allem, nachdem das mit deiner Ex und deinem Bruder passiert ist.» Er zuckte mit den Schultern. «Manche Dinge passieren auch, wenn man versucht sie zu verhindern.»
Ich zwang den Herrn noch zum Gesicht waschen und Zähneputzen und schminkte mich neben ihm ab. «Am meisten hat mich verunsichert, dass er getrunken hat, weißt du?» «Weil er in der Vergangenheit Probleme damit hatte?» Ich nickte. «Gut, du weißt natürlich nicht, wie der Stand jetzt ist. Meinte dieser Vicky nicht, dass sich da einiges getan hat?» Da hatte er auch wieder recht.
«Aber jetzt Sorgen und Zweifel zur Seite.» Ich wurde gepackt und hochgehoben. Ich schaffte es nicht einmal mehr, mein Wattepad erfolgreich in den Müll zu werfen und wurde stattdessen in die Kissen katapultiert. Nate kletterte auf mich drauf und drückte mich in die weiche Matratze. Er streichelte mir meine Wange und musterte mich mit sanftem Blick. «Bist du wirklich okay?» «Denke schon.»
Er drehte sich zu Seite und zog mich schräg auf ihn drauf. Er war ganz warm. Ich liebte es, Kreise auf seinem Bauch und seiner Brust zu zeichnen. Und er liebte es auch, weshalb er mich schweigend weiter dazu aufforderte. Sein Bauch hob sich immer wieder langsam an und er seufzte tief und verschlafen auf.
Vielleicht hatte Nate echt recht. Ich würde Lio immer lieben. Ganz egal, was passieren würde. Das gehörte wohl dazu. Nate erging es mit seiner allerersten Freundin wohl gleich, doch ich war mir nicht so sicher darüber, ob es normal war, immer wieder ein Dolch-Tattoo auf Nates Brust auf flimmern zu sehen.
Mir fehlte die schwarze Tinte. Auch, wenn Nathan so reine und atemberaubend weiche Haut hatte. Und die Schwalbe unten über dem linken Hüftknochen. Oder der italienische Schriftzug auf dem rechten Rippenbogen... Ich glaube nicht, dass das so simpel war, nein.
Und mich fraß Schuld auf, hier in Nates Armen zu liegen, obwohl ich mir Darios wünschte. Ich hätte Dario heute nicht sehen dürfen. Das hatte alles nur wieder verschlimmert. Dieses Gefühl zur Seite zu schieben, war meine einzige Möglichkeit. Ich würde Dario jetzt sehr wahrscheinlich eh nie mehr oder wirklich nur noch ganz selten sehen. Das Gefühl würde wieder weggehen.
Ich liebe Noè, aber sie macht definitiv nicht immer das Richtige. So wie wir alle.
Was denkt ihr, wie es weitergeht? Nachher kommt noch ein letztes Kapitel für heute^^
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro